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Auf der verzweifelten Suche nach einem neuen Leben landet ein junger Hobbyfotograf in einer kleinen Stadt an der Donau. Dort erhofft er sich, einen alten Bekannten wiederzusehen. Als dieser jedoch nicht anzutreffen ist, bietet sich eine Alternative. Um die notwendige stationäre Behandlung eines alten Mannes zu ermöglichen, erklärt er sich bereit, im Landhaus auf dessen Haustiere aufzupassen. Doch etwas stimmt mit dem Anwesen nicht. Auf der Suche nach Antworten enthüllen sich langsam dunkle Geheimnisse und Schicksale, die mit der Geschichte des Hauses einhergehen. Dieses Buch schildert die Erlebnisse im Endhown-Herrenhaus und verschafft somit einen Blick auf einen längst vergessenen Abgrund.
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Seitenzahl: 94
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In der zweiten Klasse fing er an, Geschichten zu schreiben, und damit hat Gristher Grimwalde bis heute nicht aufgehört. Von Endzeitdramen bis hin zu den dunklen Abgründen der paranormalen Welt.
Für J.
Ohne dich hätte es das alles nie gegeben
;
Danke an mein Horror-Social-Media-Team
Dafür, dass ihr mir immer den Rücken stärkt.
Danke an meine Leserinnen und Leser.
Zusammen gingen wir durch so einige
Finsternis
Vorwort
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Selbst wenn vieles unwirklich erscheint, gerade in unserem stressigen Alltag, gibt es dennoch die Welt hinter dem Vorhang, und nur sehr wenigen wird ein Blick dahinter gewährt.
Denkt an ein großes Theater. Ihr nehmt Platz und wartet gespannt, dass der Vorhang endlich aufgehen möge.
Während ihr wartet, stellt ihr euch vor, wer oder was sich gerade dahinter verstecken könnte. Vielleicht habt ihr ja schon bemerkt, dass er sich bewegt hat. Vielleicht ist jemand dicht daran vorbeigelaufen, aber ihr wisst es nie ganz sicher.
Doch öffnet sich der Vorhang erst, werdet ihr merken, dass die Wahrheit dahinter jegliche Vorstellungskraft übersteigt.
Auch wenn sich die Erzählung an historischen oder weltlichen Angaben orientiert, sind alle Geschichten, Charaktere und Handlungen frei erfunden.
Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.
Sie dienen nur der Unterhaltung.
20. Jahrhundert
Es war ein Mittwoch. Ein kalter Nachmittag im Dezember. Zwischen der winterlichen Dunkelheit und dem dichten Nebel, der sich fast schon gemäldeartig über die Kulisse gelegt hatte, fuhr eine alte Regionalbahn am einzigen Gleis ein. Seine trüb strahlenden Scheinwerfer beleuchteten das Areal, so gut es ging. Darüber hinaus spendeten dort nur zwei oder drei gotische Laternen Licht. Diese ragten etwas versetzt voneinander in die dunkle Atmosphäre der anbrechenden Nacht hinein.
Zusammen mit zwei weiteren Herren mit Hüten betrat ich die Regionalbahn, welche mich in die nächstgrößere Stadt bringen sollte. Hinter mir zog ich einen kleinen, ledrigen Koffer mit. Darin hatte sich mein ganzer Besitz befunden. Darunter einige Wechselklamotten, einige Notizen und eine Plattenkamera. Viel war es nicht gewesen und ich führte auch kein sonderlich luxuriöses Leben. Mein Weg führte mich ruhelos von Ortschaft zu Ortschaft. Es war irgendwann der Punkt gekommen, in der das Leben wie ein Käfig auf mich gewirkt hatte. Lebensumstände brachten mich immer weiter hinunter in den Abgrund. Am Ende war ich so weit unten, dass ich mich auf dem höchsten Dach unserer Stadt wiedergefunden hatte. Da hatte ich die Wahl. Entweder ich würde springen oder etwas völlig verrücktes tun. Ich würde alles, was ich hatte nehmen und einfach verschwinden. Hinfort aus dem Leben, das ich einst kannte. Weg von meiner großen Liebe, der ich es nicht zu gestehen vermochte. Fern von meiner Familie, die nichts für mich übrig gehabt hatte.
Es kostete einiges an Überwindung. Der Mut hatte mir selbstredend gefehlt. Immerhin war es impulsiv. Mit dem restlichen Geld, welches ich mir seit Jahren angespart hatte, fasste ich dann doch den Entschluss hinaus in die Welt zu fliehen. Und mein kleines Apartment tauschte ich gegen einen Koffer.
Eine Laufbodenkamera hatte ich mir schon am Anfang meiner Reise zugelegt. Ich wollte die Welt nicht nur sehen, ich wollte sie auch für mich und andere festhalten. Nicht so, wie es andere Photographen gemacht hatten. Ich wollte keine schönen Motive bei Tag einfangen. Denn so war das Leben oftmals nicht.
Etwas anderes zog mich an jene Orte. Die Szenen, die nie richtig in den Fokus der Abbildenden geraten waren. Alte, verlassene und vergessene Szenerien hatten es mir wahnsinnig angetan. Darin erkannte ich mich auch ein Stück weit selbst.
Die Atmosphäre an jenen Örtlichkeiten faszinierte mich sehr. Ihre Geschichten und ihre eigene Dunkelheit. Diese Szenen wollte ich einfangen und sie für die Ewigkeit festhalten. Die gespeicherten Emotionen und Geschichten, die diese Lokalitäten innehatten, pulsierten regelrecht unter dem Schleier der menschengemachten Wirklichkeit.
Eine wahrhaftige paranormale Präsenz abzulichten, gehörte damals schon zu den höchsten Zielen meiner selbst.
Eine Idee wurde zu einer regelrechten Leidenschaft und meine Suche wurde zu einer Jagd.
In meiner Flucht hinaus in die düster-weite Welt hatte ich somit die Verfolgung alter Geister aufgenommen. Eine Hingabe, die noch mein gesamtes Leben verändern sollte.
Am nächsten Halt in einem kleinen Seitenbahnhof stiegen eine Handvoll Menschen hinzu. Diese verteilten sich rasch in den knapp sieben Waggons, die diese alte Eisenbahn durch die Landschaft einer von Nachkriegsfolgen und Depression geplagten Welt zog.
In meinem Abteil nahm eine relativ junge Dame schräg gegenüber platz. Ich war zu diesem Zeitpunkt Mitte zwanzig gewesen. Sie wirkte kaum ein bisschen älter. In ihrem edlen, bläulichen Kleid, verziert mit Schleifen und kleinen schwarzen Federn – im Haar ein nicht zu auffälliges Diadem – ließ sie nur allein mit ihrer Aura für einen Moment das Leid der Zeit vergessen. Ihre langen, gelockten, blonden Strähnen umschlossen ihre geröteten Wangen. Blaue Augen strahlten nahezu aus dem makellosen Gesicht heraus. In der Hand führte sie eine kleine Tasche.
Elegant überschlug sie ihre Beine und nahm sich darauf eine der alten Zeitungen zur Hand, die zwischen uns beiden auf dem kleinen Tisch vorlagen. Schon nach wenigen Momenten blickte sie über die Zeitung hinweg und erkannte, dass ich sie beobachtet hatte.
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, fragte sie zornig.
»Es tut mir sehr leid! Ich wollte Sie nicht behelligen! Oder gar Gaffen!«, hatte ich gesagt.
»Und wieso tun Sie es dann?«, wollte die Dame wissen.
»Verzeihen Sie mir, falls es so ankam! Sie haben eine immense Ausstrahlung, wenn ich das so sagen darf! Da achte ich drauf! Ich meine … Ich habe eine Kamera! Also ich mache Fotos!
Ehm ...!«, hatte ich gesagt und lief währenddessen etwas vor Scham rot an.
Die Dame zuckte nur kurz mit den Schultern und meinte dazu; »Ich mag keine Fotos! Die sind doch langweilig!«. Anschließend blätterte sie weiter in der veralteten Zeitung herum.
Ich blickte hingegen verlegen aus dem Fenster hinaus.
»Wollen Sie ihre Familie besuchen?«, wollte die Dame dann plötzlich wissen.
»Ehm … Familie? Wie kommen Sie denn darauf?«, fragte ich zurück.
»Zwei Dinge! Erstens - Sie führen scheinbar eine Kamera mit sich! Und zweitens – das wirklich Naheliegendste – es ist Heiligabend!«, hatte die Dame lächelnd gesagt, während ihre Blicke noch immer wie gebannt in den Seitenblättern der Zeitung klebten.
»Nein! Es ist kein Familienbesuch!«, hatte ich geäußert und suchte damit auch das Ende dieser unangenehmen Konversation. Ich hatte mich geniert.
»Sie sind schon etwas sonderbar!«, hatte die Dame im späteren Verlauf kundgetan.
Ich schwieg verlegen weiter vor mich hin.
So verbrachten wir eine knappe Stunde stillschweigend im Waggonabteil und vermieden jeglichen Augenkontakt zueinander.
Das Merkwürdige an der ganzen Sache war für mich gewesen, dass sich ihre Nähe so vertraut angefühlt hatte. Ich spürte Wärme in meinem vereisten Leib.
Kurz bevor wir Ulm erreicht hatten, fing ich dann langsam an, mir meinen Mantel umzulegen und den Reisekoffer griffbereit zur Seite zu stellen.
»Sie müssen hier auch raus?«, fragte die Dame neugierig.
Das hatte ich nicht erwartet. Meine Verlegenheit nahm Ausmaße an, die ich so zuvor noch nie wirklich verspürt hatte.
»Es ist nur eine Zwischenstation!«, erwiderte ich aufrichtig mit einem knallroten Kopf.
»Das ist mir vertraut! Ich wohne ja eigentlich in Augsburg! Führe einen Feinkostladen! Meine Eltern wohnen allerdings hier! Nun denn! Vielleicht sehen wir uns ja irgendwann wieder!
Ich wünsche Ihnen noch ein schönes Weihnachtsfest!«, hatte die Dame mit einem Lächeln gesagt und anschließend das Abteil verlassen.
So hatten sich dort unsere Wege doch so schnell getrennt. Wie eigenartig das Leben manchmal sein konnte. So kurz diese Begegnung und der Abschied auch gewesen waren, es machte mich irgendwie traurig.
Die anmutige, adrette und bezaubernde Dame, dessen Namen ich nicht einmal kannte, hatte es geschafft, ohne viel zu sagen, mein Herz höherschlagen zu lassen. Als hätte ich sie schon Ewigkeiten gekannt und nach Jahrtausenden hätten wir uns wiedergefunden. So hatte es sich angefühlt. Obwohl sie mir als Person völlig fremd gewesen war, fühlte ich mich ihr so nah.
Ihre Seele schwang in denselben Höhen und Tiefen wie die meine.
Doch nun war sie fort und ich trauerte etwas darüber, diese Stunde nicht mehr genutzt zu haben. Nicht mehr aus mir herausgekommen zu sein. Es wirkte fast so, als hätte ich einen bedeutenden Teil meines Lebens, meines Herzens verloren.
Ganz kurz hatte ich Luft bekommen. Es war in mich eingedrungen und meine Lungen hatten sich gefüllt. Wie der frische, kalte Atemzug der Klarheit auf dem Gipfel der Erleuchtung. Nur diese eine Stunde in meinem Leben hatte ich seit Langem wieder das Leben, die Wärme und die Liebe spüren können.
Doch dann war alles vorbei. So schnell wie das Schwinden einer Schneeflocke im Geist der Zeit.
Am Bahnsteig in Ulm wartete ich anschließend auf meinen Anschlusszug. Die Dame hatte ich verpasst. Auf die Bahn musste ich noch ein ganzes Stück warten.
Auf einer Bank hatte ich Platz gefunden und blickte in einem wankenden Gefühlszustand in die Finsternis hinauf.
Da trennten mich noch etwa eineinhalb Stunden vor der Weiterfahrt. Also nahm ich einen kleinen Block aus meinem Koffer und versuchte unter der minimalistischen Beleuchtung der alten Laternen meine Gedanken niederzuschreiben.
'Haben wir uns verloren oder waren wir ohnehin nur Fremde, Jeder mit Gepäck auf seiner Reise, Am dunkelsten Abgrund, da warst du mir nah, In den Tiefen deiner Augen machte mein Herz einen Schlag!'
In Traurigkeit faltete ich diese Seite aus dem Block und steckte es zwischen lose Fotografien meines Albums. Nun war diese Emotion eine Erinnerung unter anderen Erinnerungen geworden.
Im finsteren Nebel der Nacht fuhr dann endlich mein Anschlusszug in den alten Bahnhof von Ulm ein. Der letzte für den gesamten Tag.
Es hatte mich nicht gewundert, dass es dort am Gleis außer mir fast niemanden mehr gegeben hatte.
Selbst die Regionalbahn war auf ein Minimum heruntergefahren. Von den ohnehin wenigen vier bis sechs Waggons waren nur noch zwei sehr dürftig beleuchtet. Die anderen weilten in vollständiger Finsternis.
Im Übergangsbereich zwischen zwei Waggons packte ich meine Laufbodenkamera aus und schoss ein paar beeindruckende Bilder von diesen Szenen. Ich nannte diese Kulisse den Geisterzug an Heiligabend.
Während der einstündigen Fahrt holte mich langsam die Müdigkeit ein. Viel tat ich nicht. Ich sah zu, wie sich die immer weiter schwindenden Lichter der Häuser mit denen der Sternen irgendwo vermischt hatten. Drumherum gab es nichts mehr.
Kurz vor Mitternacht machte die alte Regionalbahn dann Halt in einer kleinen Stadt.
Strömender Regen hieß mich dort am Gleis willkommen.
Ich verließ den minimalistischen und menschenleeren Bahnhof und bog links in die Straße ab.
Mit schnellen Schritten gelangte ich dann auf eine breite Kreuzung. Die Wege und Seitengassen waren noch mit den alten, großen Steinen gepflastert gewesen. Die dortigen Szenen waren schlicht, düster und altertümlich.
Nachdem ich dort rechts weitergelaufen war, kam ich zu den Brücken.
Es gab einen Fluss, der durch die gesamte Stadt floss. An mehreren Stellen führten Steinbrücken darüber.
Auf der anderen Seite reihten sich beeindruckende Bauten auf. Die Behausungen besaßen noch ihren Charme aus den vergangenen Jahrhunderten. Alte Fachwerkhäuser zierten dort das Bild dieser wunderschönen Stadt in den wenigen Lichtern der Nacht.
Ganze Kilometer legte ich dort zurück.
Über die Hauptbrücke fand ich in die Innenstadt. Eine Magie weilte an diesem Orte und die festlich weihnachtliche Dekoration verlieh ihr den letzten Schliff. Es war eine düster-schöne Perfektion. Geschaffen aus einer Mischung bestehend aus Idylle, Ruhe und Dunkelheit.