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**Von all deinen Lügen war »Ich liebe Dich« die schlimmste** Alles beginnt mit einer Stellenausschreibung: »Haussitter für den Sommer gesucht. Unterkunft und Verpflegung inbegriffen.« Dass die Anwesenheit eines eingebildeten Basketballers Teil des Deals ist, begreift Dia jedoch erst, als es schon zu spät ist: Finn Richards - arrogant, heiß, unheilbar kaputt und wild entschlossen, Dia zur Kündigung zu bewegen. Dennoch braucht Dia das Geld. Zwei Monate wird sie definitiv aushalten können, das nimmt sie sich fest vor. Auch wenn sie sich bald nicht mehr sicher ist, ob sie ihm lieber den Kopf oder die Klamotten vom Körper reißen will … Drama und intensive Gefühle: Band 2 der TikTok-Sensation endlich auf Deutsch. //Dies ist der zweite Band der mitreißenden Enemies to Lovers Romance »Easton High«. Alle Romane der fesselnden New Adult Reihe: -- Band 1: Dear Love I Hate You -- Band 2: Dear Heart I Hate You -- Band 3: Dear Heart I Miss You// Diese Reihe ist abgeschlossen.
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Eliah Greenwood
Dear Heart I Hate You
Aus dem Englischen von Friedrich Pflügler
Von all deinen Lügen war »Ich liebe Dich« die schlimmste
Alles beginnt mit einer Stellenausschreibung: »Haussitter für den Sommer gesucht. Unterkunft und Verpflegung inbegriffen.« Dass die Anwesenheit eines eingebildeten Basketballers Teil des Deals ist, begreift Dia jedoch erst, als es schon zu spät ist: Finn Richards – arrogant, heiß, unheilbar kaputt und wild entschlossen, Dia zur Kündigung zu bewegen. Dennoch braucht Dia das Geld. Zwei Monate wird sie definitiv aushalten können, das nimmt sie sich fest vor. Auch wenn sie sich bald nicht mehr sicher ist, ob sie ihm lieber den Kopf oder die Klamotten vom Körper reißen will …
Drama und intensive Gefühle: Band 2 der TikTok-Sensation endlich auf Deutsch.
WOHIN SOLL ES GEHEN?
Buch lesen
Vorbemerkung
Playlist
Danksagung
Viten
Für alle, die andere retten.Hoffentlich vergesst ihr nicht, euch selbst zu retten.
VORBEMERKUNG
Liebe Leserin, lieber Leser,
dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte. Aus diesem Grund befindet sich hier eine Triggerwarnung. Am Romanende findest du eine Themenübersicht, die Spoiler enthält.
Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest. Gehe während des Lesens achtsam mit dir um. Falls du auf Probleme stößt und/oder betroffen bist, bleibe damit nicht allein. Wende dich an deine Familie und an Freunde oder suche dir professionelle Hilfe.
Wir wünschen dir alles Gute und das bestmögliche Erlebnis beim Lesen dieser besonderen Geschichte.
Eliah und das Carlsen-Team
PLAYLIST
Pretty Poison – Nessa Barrett
Dark Side – Bishop Briggs
As The World Caves In – Sarah Cothrans Version
Habits – Plested
I Don’t Believe In Satan – Aron Wright
PROLOG
FINNALTER: FÜNFZEHN
Liebe Mom,
ich brauche keine Therapie …
Ich wünschte, du könntest das Dad sagen.
Und der Dame mit dem Schnurrbart.
Wenn wir schon dabei sind: Sag ihr, dass sie wie alte Socken riecht, und frag, was sie in dieses verdammte Notizbuch schreibt – ich wette, sie malt Häschen und solchen Scheiß.
Gerade stecke ich in irgendeinem blöden Büro fest, auf irgendeiner blöden grünen Couch und schreibe dir blöde Briefe, die du nie bekommen wirst.
Ich habe versucht, Alte-Socke zu erklären, dass du tot bist, aber sie meint, das sei genau der Zweck der Übung.
So tun als ob.
Mit dir zu reden, als wärst du immer noch hier und würdest nicht mit den Fischen am Grund von Lake Belmont abhängen …
Und da behaupten sie, ich hätte den Bezug zur Realität verloren.
Viel hast du nicht verpasst, falls du dich das gefragt hast. Dad hält mich immer noch für einen Irren und wünscht sich insgeheim, Xavier wäre sein Sohn, anstelle von mir.
Mein bester Freund ist offensichtlich ein »guter Junge«, weil er nicht, und ich zitiere, »herumstreift, dem Nachbarn das Auto stiehlt und es gegen einen Laternenmast krachen lässt«.
Verfickt. Große. Sache.
Dad schnallt es einfach nicht.
Xavier hat dich nicht verloren, Mom.
Wenn es so wäre, würde er genauso versuchen, die Welt in Brand zu stecken.
Alte-Socke sagt ständig, ich wäre auf dem Weg zur »Selbstzerstörung«, was auch immer zur Hölle das heißen soll. Hört sich nach Spaß an, wenn du mich fragst. Bin ich dabei.
Dass ich eigentlich schon im Jugendknast sitzen sollte, macht es auch nicht besser. Immerhin war die Sache mit dem Auto ja schon mein drittes Mal. Gut, dass Dad den Nachbarn bestochen hat, was? Mit Geld kann man sich wohl doch alles kaufen.
Warte, das nehme ich zurück.
Mit Geld kann man sich alles kaufen, außer dem, was wirklich zählt.
An jenem Tag hat es mir schließlich keine Superkräfte verschafft, oder?
Es hat nicht verhindert, dass deine Hand abrutscht.
Weil reiche Leute nicht automatisch oben treiben.
Nicht einmal Leute, deren Herzen so groß wie der Ozean sind.
»Nur ansehen, aber nicht anfassen«, hast du immer über schmerzhafte Dinge gesagt. Dass es nur wehtut, wenn man das zulässt. Die Flamme kann einen nur verbrennen, wenn man zu dicht dran ist.
Und ich verspreche dir, Mom …
Ich werde mich nie wieder verbrennen lassen.
– Finley
1. KAPITEL
DIAMOND
Einmal hatte ich ein Date mit einem Hund.
Jap, mit einem Hund.
Es gehört zu den Dingen, von denen du glaubst, sie würden dir nie passieren. Bis du vor der Tür deines Schwarms auftauchst und merkst, dass deine Verabredung ein Border Collie ist, der nicht einmal dein Bein von einem Kauknochen unterscheiden kann.
Ich weiß, was du denkst. Wie zum Teufel kann man ein Jobangebot mit einer Einladung zum Date verwechseln?
Also, eigentlich ist das ganz einfach.
Du musst nur eine schwachsinnige Idiotin sein.
An dem Tag, als Everest Cahill auf mich zukam, machten meine Gehirnzellen ins Bett – schlicht und ergreifend. Hottie Cahill wusste, dass wir denselben Planeten bewohnen! Ich war so schockiert, dass mir wahrscheinlich ein paar Sätze durch die Lappen gegangen sind.
Oder fünf.
Während unserer Unterhaltung war ich die meiste Zeit damit beschäftigt, unsere Hochzeit zu planen, bis er dann sagte: »Also sehen wir uns Samstag?« Noch mal nachzufragen war viel zu peinlich, weshalb ich davon ausging, dass ich den Jackpot geknackt hatte.
Junge, hatte ich mich geirrt.
Ich sehe noch immer seine Mom vor mir, wie sie mich verwirrt anlächelte, als ich aufgedonnert wie eine Millionenerbin auf ihrer Veranda auftauchte. Schnell sagte sie, dass ihr Sohn auswärts unterwegs und der Rest der Familie bereits auf dem Weg ins Wochenende sei.
Danach stellte sie mir ihren sechs Monate alten Hund Rio vor. Ihr habts erraten – ich war nicht hier für ein Date mit Everest, sondern dafür, mich um seinen Hund zu kümmern.
Und das Verrückteste?
Ich willigte ein.
Es stellte sich heraus, dass Everests Eltern in der vorigen Woche bei meinem Dad im Restaurant waren und er ihnen bei der Gelegenheit erzählte, ich wäre auf der Suche nach einem Job. Ich konnte es nicht fassen. Mein eigener Vater war schuld am peinlichsten Moment meines Lebens.
Aber ich brauchte das Geld, schluckte also meinen Stolz hinunter, setzte ein Lächeln auf und spielte mit. Da ahnte ich noch nicht, dass diese Nummer mir mehr Jobangebote verschaffen würde, als ich mir wünschen konnte …
Denn es sprach sich herum, und eine Woche später interessierten sich immer mehr Leute mit pelzigen Hausbewohnern für meine Dienste. Bevor ich michs versah, war ich die offizielle Hundesitterin der Stadt – jep, die Leute bezahlen mich dafür, dass ich mit ihren Hunden herumhänge – und ich war begeistert. Einen eigenen Hund durfte ich nie haben, weil mein Vater so viele Allergien hat.
Um es kurz zu machen – meine Träume waren wahr geworden.
Bis … sie zerplatzten.
»Runter auf die verdammten Knie, Prom Queen«, reißt mich eine tiefe Stimme aus dem Schlaf.
Orientierungslos blinzele ich.
Einmal
Zweimal.
Wo habe ich diese Stimme schon mal gehört?
»Versprich mir, dass er es nicht erfahren wird«, krächzt eine weibliche Stimme draußen auf dem Flur, während ich mich im Bett aufsetze und mir die Decke gegen die Brust presse.
Ich träume das nicht.
Das passiert wirklich.
Da sind Leute im Haus.
Und sie sind direkt vor meinem Schlafzimmer.
»Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich ihm einen Dreck erzählen werde«, schnaubt die männliche Stimme und ich kneife die Augen zu, bereite mich innerlich auf meinen kommenden Tod vor – warte, was? Nur weil die Leute, die um drei Uhr morgens bei meinem Boss einbrechen, wie ein altes Ehepaar zanken, bedeutet es noch lange nicht, dass sie keine Serienkiller sein könnten.
»Versprich es mir einfach, Finn«, lässt das Mädchen nicht locker.
Und da macht es bei mir Klick.
Zitternd lasse ich die Decke sinken.
Hat sie gerade Finn gesagt?
»Nö, mach ich nicht. Jetzt runter auf die Knie oder raus mit dir, verfickt noch mal«, schnauzt der geheimnisvolle Typ völlig ohne jede Emotion.
Jep, das ist Finn Richards, keine Frage.
Die gute Nachricht: Der Mysteriums-Typ ist kein Serienkiller.
Aber die schlechte Nachricht: Er ist ein arrogantes Arschloch.
»Du willst, dass ich gehe?« Das Mädchen klingt empört.
»Ich will, dass du dich entscheidest, Randall.«
Mir dreht sich der Magen um.
Randall?
Wie in … Cheerleader-Klischee Brielle Randall?
Bevor ich die Chance habe, diese Info zu verdauen, hört es sich im Flur so an, als würde jemand gegen die Wand gedrückt.
»Also, was ist nun, Prinzessin? Bleiben …«, kurz herrscht völlige Stille, die Spannung ist förmlich mit den Händen zu greifen, »… oder verschwinden?«
»Ich … ich fühle mich nur so schrecklich«, wimmert Brielle. »Glaubst du, er wird mir das jemals verz-«
Ich bin mir sicher, dass er ihr gerade seine Hand auf den Mund geklatscht hat, denn er knurrt verärgert: »Leise, verdammt noch mal. Mein Dad hat irgendeine Kuh angestellt, die über den Sommer auf das Haus aufpasst. Die pennt hier irgendwo.«
Verdammte Scheiße.
Er weiß Bescheid.
Finn wusste, dass heute mein Job anfängt, und trotzdem hat er seinen One-Night-Stand mitten in der Nacht mit nach Hause gebracht.
Siehst du? Arrogantes Arschloch.
»Warum sollte mich das kümmern?«, meint Brie spöttisch.
»Weil ich’s mir nicht leisten kann, dass sie mich verpfeift, wo mein Dad wegen dem Basketball-Camp sowieso schon angepisst ist, deshalb. Also entscheide dich.« Finn kommt wieder auf den Punkt. »Rein oder raus?«
»Ich …« Brie zögert.
»Wie wärs mit einer Entscheidungshilfe.«
Das Geräusch eines Reißverschlusses ist der einzige Hinweis, den ich brauche.
»Fuuuck.« Aus Bries Kehle dringt ein Stöhnen, rasch gedämpft von Finns Hand, und ich erschaudere bis ins Mark.
»Hast du das gehört, Betrügerin?«, höhnt Finn mit tiefer, rauer Stimme. »Du bist so feucht, du bettelst doch förmlich darum.«
Meine Kehle schnürt sich zu.
Könnte jemand mit einem Mopp kommen? Ich jedenfalls werde das hinterher bestimmt nicht aufwischen.
»Ich … ich betrüge ihn ja nicht, wenn er nicht dahinterkommt«, quiekt Brielle, bevor sie aufstöhnt.
Fast muss ich lachen.
Das Mädchen geht jetzt seit mehr als einem Jahr mit Xavier Emery, dem Basketball-Star der Schule. Nicht nur, dass die beiden das It-Pärchen an der Easton High sind, jeder weiß, dass ihr Freund und Finn Richards praktisch wie Brüder füreinander sind.
Sie sind zusammen aufgewachsen.
Zum Teufel, bei ihnen ist alles gleich – die gleiche Basketballmannschaft, die gleichen Ziele, das gleiche unmenschlich gute Aussehen.
Das gleiche Mädchen …
Da will ich etwas Neues ausprobieren und das habe ich nun davon.
Ich hätte einfach dabei bleiben können, diesen Sommer an den Wochenenden auf Hunde aufzupassen, aber nein, ich musste ja auch noch bei der abgefucktesten Familie von Silver Springs als Housesitterin anheuern.
Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, der Job hörte sich fast zu gut an, um wahr zu sein: ein Haufen Geld, Unterkunft und Verpflegung, und dafür musste ich nur zwei Monate in einer Villa wohnen. Außerdem stand in der Anzeige, dass keine Gäste im Haus seien, außer einem Golden Retriever namens Lexie. Mein Boss hatte mir versichert, sein älterer Sohn Brody sei schon ausgezogen und Finn, der jüngere, über den Sommer weg in einem Basketball-Camp.
Weg über den Sommer, am Arsch!
»Schlafzimmer. Jetzt«, drängt Brie.
Eine dunkle Vorahnung schlägt ihre Krallen in mich.
Mr Richards sagte mir, ich solle mir ruhig das größte Zimmer im Haus gönnen, während er weg ist, aber … da gibt es ein Problem.
Ich habe mir Finns Zimmer ausgesucht.
Scheeeiiiiißeeee.
Kurz erwäge ich, durchs offene Fenster zu verschwinden. Bis mir einfällt, dass ich mich im ersten Stock befinde, und ungefähr so geschickt im Schleichen bin wie meine stocktaube Oma, wenn sie versucht, die Bingo-Zahlen zu hören.
Ein Plan.
Ich brauche einen Plan.
Keine Sekunde später geht die Tür auf und ich entscheide mich für das Einzige, das mir einfällt: mich unter der Decke verstecken und so tun, als gebe es mich nicht.
Die beiden Fremdgeher kommen hereingestolpert und nehmen offensichtlich keine Notiz von mir, während sie sich gegenseitig ausziehen. Vielleicht klappt es wirklich, die ganze Nacht unentdeckt zu bleiben. Immerhin ist es im Zimmer stockfinster, und dieses Bett so groß, dass alle meine eingebildeten Liebhaber gleichzeitig hineinpassen würden.
Ich weiß nicht, was schlimmer ist: halb nackt im Bett des Sohns von meinem Boss erwischt zu werden … oder gezwungenermaßen den coolen Kids beim skandalösen Sex zuzuhören.
Meine Shorts hätte ich vorhin nicht ausziehen sollen, aber es war so heiß wie in den Feueröfen der Hölle. Man kann davon ausgehen, dass mein durchsichtiges Träger-Top und mein Spitzenhöschen nicht gerade einen berauschenden ersten Eindruck machen werden. Als zwei ineinander verschlungene Körper neben mir auf die Matratze sinken, fürchte ich, dass mein Herz gleich meine Brust zerreißt.
Nichts zu machen.
Ich werde live miterleben, wie eine Cheerleaderin eine Sportskanone tief in den Mund nimmt.
Schlimmster. Erster. Tag. Aller. Zeiten.
Brie bricht den Kuss ab und bringt ein ersticktes »D-das darf nicht noch mal passieren« hervor.
Als Antwort dringt Finn ein tiefes, spöttisches Lachen aus der Kehle. »Schon klar.«
»Ich meine das ernst, Arschloch.«
»Das hast du schon beim letzten Mal gesagt.«
Warte mal …
Das ist nicht das erste Mal, dass er sie abschleppt?
Mein Herz zieht sich zusammen.
Armer Xavier.
Für einen langen Augenblick herrscht Stille.
Normalerweise würde jetzt die Erkenntnis einsetzen.
Der heraufziehende Selbsthass darüber, dass man seinen ältesten und besten Freund betrügt. Wenn dieser Finn auch nur einen Funken Menschlichkeit besitzt, würde er es sich noch einmal anders überlegen, bevor er Xavier hintergeht.
Zum wiederholten Mal.
»Vergiss den Blowjob. Zieh den Rock hoch«, befiehlt Finn.
Nö, immer noch ein Soziopath.
»Gott, du bist so heiß. Ich liebe es, wenn ein Kerl weiß, was er w-«
»Muss ich verpasst haben«, schneidet Finn ihr das Wort ab.
»Was hast du verpasst?«, will sie wissen.
»Den Teil, wo ich dir sage, du sollst verfickt noch mal nicht reden.«
Heilige Scheiße …
Ich kann nicht anders, in Gedanken muss ich lachen.
»Was zum Teufel?«
Da begreife ich, was für eine Idiotin ich bin.
Von wegen in Gedanken.
Sofort geht das Licht an und kurz frage ich mich, ob ich damit durchkomme, wenn ich mich schlafend stelle. Aber im Schlaf reden ist die eine Sache, währenddessen lachen eine ganz andere.
In dem Augenblick, als sich meine Augen an die plötzliche Helligkeit gewöhnt haben, sehe ich, wie Finn reflexartig vom Bett zurückweicht, gefolgt von Brie, die wie vom Blitz getroffen aufspringt. Ihr dunkelrotes Haar ist völlig zerzaust.
Während der nächsten fünf Sekunden, die sich eher wie dreißig anfühlen, fällt kein Wort. Brie und Finn bewegen keinen einzigen Muskel, während sie mich anstarren, als wäre ich ein lauerndes wildes Tier. Brie trägt einen schwarzen Push-up-BH und einen kurzen Jeansrock, während Finn …
Finn ist einfach nur nervig.
Als ich ihn in der Schule das erste Mal sah, wusste ich sofort, Finn Richards ist heiß. Mir war aber nicht klar, dass oben ohne Finn Richards so umwerfend ist, dass man ihm im Namen aller durchschnittlich aussehenden Männer ins Gesicht schlagen möchte.
Ich mustere ihn von Kopf bis Fuß. Angefangen mit der Silberkette, die er um den Hals trägt, weiter über die schwarzen Jeans, welche an seinen Hüften ein paar Zentimeter zu tief sitzen, zu dem tiefen V, das auf seinen, ähm, Untermieter zeigt.
Diese Bauchmuskeln …
Herr im Himmel, hab Erbarmen.
Ihm fallen braune Locken in die Stirn und verdecken beinahe seine haselnussbraunen Augen, in denen es finster brodelt. Tattoos schlängeln sich seine Arme hinauf, bis jeder Zentimeter seiner Bizeps mit Tinte verziert ist. Das Ganze garniert mit einem so scharfen Kinn, dass es blutende Wunden verursachen könnte, und komplett ist die schmutzige, grausame Versuchung mit Schleife.
Der alte Mann da oben hat definitiv das Wochenende durchgearbeitet, um diesen hier zu erschaffen.
»Wer zum Teufel ist das?« Brie funkelt mich wütend an und stößt Finn in die Rippen. Der starrt mich mit offenem Mund von oben bis unten an und bringt kein Wort heraus.
Jeder vernünftige Mensch würde sich in einer solchen Situation entschuldigen. Und jeder kluge Housesitter würde versuchen, sich beim Sohn seines Arbeitgebers einzuschleimen.
Ihr könnt euch also meine Überraschung vorstellen, als aus meinem Mund die Worte kommen: »Hi, ich bin Dia, die Kuh, die dein Dad für den Sommer eingestellt hat. Schön dich kennenzulernen.«
Finns Augenbrauen schießen bei meiner Begrüßung in die Höhe. Aber sofort weicht der Schock aus seinem Blick und wandelt sich in etwas so Kaltes, dass mir Schauer über den Rücken laufen.
In seinen Augen … sehe ich Hass.
Nicht irgendeine alltägliche Abneigung.
Echten, blanken Hass.
Von der Sorte, die du für jemanden aufhebst, der dich mit einer unheilbaren Geschlechtskrankheit angesteckt hat.
Aber warum richtet sich die Wut gegen mich? Sein Blick brennt auf meiner Haut, dass ich die Decke wieder bis zum Hals hinaufziehe, als müsse ich mich schützen. Gerade will er etwas sagen, als Brie ihm zuvorkommt.
»Du … ich … wie lange hat sie uns schon belauscht?«
Jemand macht sich wohl Sorgen, dass ihr Freund hiervon erfährt.
»Ich bin aufgewacht, als ihr ins Zimmer gekommen seid«, lüge ich.
»Verschwinde.« Finns barscher Ton raubt mir den Atem.
Ich blinzele ihn an.
»Raus hier, verdammt noch mal«, wiederholt er, diesmal lauter.
Brie muss kichern. »Du hörst, was er sagt, Kuh.«
»Ich habe dich gemeint«, sagt Finn zu ihrem Entsetzen.
»Du hast – was?«, keift sie.
»Verdammt, hau einfach ab, Randall. Ich kümmere mich schon um sie.«
Um mich kümmern?
Was hat er vor?
Meine Organe an den Meistbietenden verkaufen?
Brie schnappt sich ihr Top vom Bett, wirft es über und geht schnurstracks zur Tür. Kurz bevor sie das Zimmer verlässt, bleibt sie stehen und faucht: »Sorge dafür, dass sie ihren Scheißmund hält, sonst komme ich zurück und nagle deine Eier an die Wand, ist das klar?«
»Ich sagte, geh.« Finn würdigt sie keines Blickes, sondern bohrt weiter seinen Blick in meine Stirn.
Beleidigt knallt Brie die Tür hinter sich zu. Ihre Schritte verhallen auf dem Flur, bis völlige Stille eintritt.
Zum zweiten Mal begreife ich zu spät.
Ich bin allein.
Mitten in der Nacht.
Mit Easton Highs bekanntestem Delinquenten, ohne jegliche Zeugen, außer einem Golden Retriever, der unten im Erdgeschoss tief schlummert. Selbst seine eigenen Freunde haben ihn zu dem Der-am-ehesten-im-Knast-landen-wird gewählt.
»Was zum Teufel hast du in meinem Bett verloren?«, fragt Finn vorwurfsvoll, kaum dass Brie gegangen ist. Im selben Moment verfluche ich jede meiner Entscheidungen, die mich hierhergeführt haben.
»Schlafen. Dein Dad hat gesagt –«
»Mein Dad ist ein verdammter Vollidiot«, fährt er mir über den Mund, »dass er dich überhaupt eingestellt hat.«
Entgeistert starre ich ihn an, während er mich ansieht, als würde er auf etwas warten.
»Übersetzung: Du bist gefeuert. Verschwinde!« Sein Kopf zuckt in Richtung Tür.
»E-entschuldige bitte?« Mehr als ein Flüstern bringe ich nicht heraus, und ich hasse das Beben in meiner Stimme.
»Du. Bist. Gefeuert.« Er spricht es aus, als hätte ich einen dicken Wattebausch im Hirn. »Wir brauchen deine Dienste nicht mehr. Pack deinen Scheiß zusammen und hau ab.« Wie um seine Worte zu unterstreichen, versetzt er der Reisetasche, die ich am Fußende des Bettes abgestellt habe, einen abfälligen Tritt.
Wut kocht in mir hoch.
Wer glaubt dieser Typ, wer er ist?
»Du bist nicht derjenige, der mich bezahlt. Solange dein Dad mir das nicht sagt, gehe ich nirgendwohin.« Ich verwende meine gesamte Energie darauf, entschlossen zu klingen.
Für einen zu langen Moment denkt Finn über seine Antwort nach. »Wie du willst. Dann wird er deinen Arsch eben morgen vor die Tür setzen. Ist vielleicht sogar besser. Dann kann ich zusehen.«
Sprachlos über seine Grausamkeit, setze ich unser Blickduell fort.
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dir schon gesagt habe, du sollst dich aus meinem Bett verziehen«, setzt er nach, als ich mich nicht schnell genug in Bewegung setze. Gerade wollte ich die Decke von mir schieben, als mir einfällt …
Ich bin immer noch fast nackt.
»Tut mir leid, aber ich verlasse dieses Bett erst –«
Wenn du dich umdrehst, wollte ich sagen, doch er scheint die Schnauze voll zu haben. Ich schreie kurz auf, als er mit einer einzigen schnellen Bewegung die Decke wegreißt und mich am linken Handgelenk packt. Er zerrt mich bis an die Bettkante und ich frage mich, ob ich mir das Ganze gerade einbilde. Denn wie ich dort in meinem Höschen so hänge, wird mir etwas klar, auf das ich in keinster Weise vorbereitet bin.
Ich fürchte mich vor diesem Kerl.
Vielleicht liegt es an seiner Haltung. Dem Nichts, das ihm aus allen Poren trieft.
Da ist keine Wärme, keine Güte, keine Schwäche, bei der man einhaken könnte. Normalerweise ist Menschenkenntnis mein Ding, aber aus diesem Arschloch könnte ich nicht das Geringste herauslesen.
Ich setze die Füße aufs kalte Parkett und erschauere, als er sich über mich beugt, seine Arme seitlich an meinen Körper legt und mich ins Visier nimmt.
Er ist …
atemberaubend.
Und nicht auf gute Art.
»Du willst also dieses Bett nicht verlassen, was?« Sein Blick gleitet langsam über mich und bleibt auf meinen Brüsten schamlos hängen.
Ich kann mich nicht rühren.
Warum kann ich mich nicht rühren?
Als ich spüre, wie meine Nippel hart werden, denke ich, ich kann nicht mehr tiefer sinken.
Und das Schlimmste?
Er scheint es zu bemerken, denn er lächelt.
Der logische Teil von mir will verschwinden, nach Hause rennen und niemals mehr einen Fuß in dieses Haus setzen, aber der andere Teil … Der andere Teil fühlt ein Ziehen im Bauch. Ein Ziehen, das es definitiv nicht geben sollte.
»Was dann? Was ist der Plan, Housesitter-Mädchen? In meinem Bett bleiben, während ich mir einen runterhole?«
Mir klappt die Kinnlade herunter.
»Willst du mir dabei zusehen, was du auf unanständige Weise unterbrochen hast?«
Das sind doch alles leere Drohungen. Nur leider klingen sie gar nicht so leer.
Er beugt sich noch dichter heran und flüstert: »Weil genau das passieren wird, wenn du nicht in den nächsten fünf Sekunden deinen prallen kleinen Arsch aus meinem Bett beförderst.«
Man könnte meinen, dieser Bastard hortet jedes bisschen Sauerstoff in diesem Raum.
»Oder … wolltest du diesen Schmollmund zum Einsatz bringen?« Ganz auf meine Lippen konzentriert hält er inne. »Eine Erhöhung kann ich dir nicht versprechen, aber bei mir wirst du das ganz bestimmt hinkriegen.«
Sein Blick wandert zur Verdeutlichung hinunter zu seinem Schritt und meine Wangen beginnen zu brennen. Er zieht jetzt nur eine Show ab. Will mich loswerden. Mich mit allen Mitteln aus dem Job ekeln. Dumm nur, dass ich das Geld dringender brauche, als dieser Kerl eine Therapie.
Mein nächster Schritt ist so klar wie sein Überlegenheitskomplex: Ich erhebe mich vom Bett, führe die Hände an die breiten Schultern und schenke den peinigenden Fragezeichen in seinen Augen ein Lächeln. Seine Haut ist brennend heiß. Und weich. Außerdem riecht er gut, aber ich würde lieber aus einer Kloschüssel trinken, als mir das einzugestehen.
Dann … ramme ich ihm mein Knie in die Eier.
Volle Kanne.
Sein schmerzerfülltes Stöhnen ist nicht annähernd so befriedigend wie sein Gesichtsausdruck, als ich ihn wegschiebe und die Beine in meine Schlaf-Shorts stecke. Er krümmt sich nach vorn, greift sich in den Schritt und starrt mir Löcher in den Schädel, während ich meine Tasche nehme.
»Damit das klar ist.« Ich schaue ihm geradewegs in die Augen. »Das Einzige, was dieser Mund jemals für dich tun wird, ist dir zu sagen: Fick dich.«
Ohne ein weiteres Wort schnappe ich mir mein Handy vom Nachttisch und schlendere in ein anderes der vielen Gästezimmer im Haus der Richards. Bis mir klar wird …
Ich habe das eben tatsächlich getan.
Ich habe dem Sohn meines Bosses am ersten Arbeitstag das Knie in die Eier gerammt. Mit zitternden Händen schließe ich mich drei Türen weiter in einem leeren Schlafzimmer ein und muss an seinen hasserfüllten Blick denken.
Kein Zweifel, dass ich meinen ruhigen Sommer am Pool jetzt in den Wind schießen kann.
Ich weiß, dass mir Finn Richards das doppelt heimzahlen wird, sobald ich in meiner Wachsamkeit nachlasse. Denn ich habe nicht einfach nur ein Arschloch in seine Schranken gewiesen.
Nein, was ich dort drin getan habe …
… war eine Kriegserklärung.
2. KAPITEL
FINN
Eine Housesitterin.
Eine. Verfickte. Housesitterin.
Mein alter Herr hat ja im Lauf der Zeit schon eine Menge schlechter Ideen gehabt, aber diese hier? Diese setzt dem Kuchen die Kirsche auf, bei Weitem. Kaum bin ich eine Woche weg, lässt er eine komplett Fremde ins Haus, um auf Lexie aufzupassen, während er nach Santa Monica abdüst und dort mit irgendeiner geldgeilen Schlampe Cocktails schlürft.
»Kumpel, jetzt zieh dir mal den Besenstiel aus dem Arsch!«, sagt Axel, mein schwachsinniger Freund, und nimmt einen tiefen Zug an dem Joint in seiner Hand. »Im allerschlimmsten Fall bleibt das Mädchen, und du hast ein nettes Spielzeug für den Sommer. Heul leise!«
»Darum gehts doch nicht, Arschgesicht.« Ich lehne mich auf dem Fahrersitz zurück und lege die Füße aufs Armaturenbrett. »Es geht darum, dass mein Dad ins Strandhaus abgehauen ist und Lexie mit der Nächstbesten, die er finden konnte, alleingelassen hat.«
»Bro, du musst dir echt mal helfen lassen, so besessen wie du von diesem Hund bist. So ist dieser Scheiß wirklich nicht gesund.« Axel schnaubt, schnippt den Joint aus dem offenen Fenster und zündet sich direkt mit dem Feuerzeug die Bong auf seinem Schoß an.
Mit dem Mund verschließt er die Öffnung und inhaliert den Rauch. Ich schlage ihm auf den Hinterkopf und er bekommt einen Hustenanfall. Ständig liegen mir die Jungs in den Ohren, ich würde zu sehr an meinem Hund hängen. Okay, vielleicht übertreibe ich es ja mit meiner Fürsorge für Lexie. Na und? Mom ist ja nicht mehr da, um sich um sie zu kümmern.
Ignorierend, dass Axel fast erstickt, lasse ich den Blick über den Parkplatz bei den Quellen der Stadt schweifen.
Er ist leer.
Keine Überraschung.
Silver Springs ist nicht gerade berühmt für seine Unterhaltungsmöglichkeiten, und ja, das ist nur eine nette Art, zu sagen, dass meine Heimatstadt stinklangweilig ist. Noch schlimmer ist, dass Xavier – das Arschloch, das ich meinen besten Freund nenne – über den Sommer im Basketball-Camp ist. Wo ich auch sein sollte … zugegebenermaßen.
Zu blöd, dass sie mich rausgeschmissen haben.
Wie’s aussieht, versteht man beim Camp unter »Teamgeist« etwas anderes, als den Mitspielern Hosenzieher zu verpassen.
Na ja, wahrscheinlich ist es besser so.
Wenn ich gewusst hätte, dass Lexie den ganzen Sommer bei mir zu Hause mit dieser Verrückten verbringen muss, hätte ich Ridge Garcia schon gleich zu Anfang die Unterhose langgezogen.
Ich lasse den Kopf an die Kopfstütze sinken, angle das Handy aus der Tasche und suche die Nummer meines Vaters. Je schneller er dieses Edelsteinmädchen – oder was auch immer ihr Name ist – auf die Straße setzt, desto besser.
Es klingelt fünfmal, bis er abnimmt.
»Hanks Telefon.«
Entweder hat Dad eine Stimmentransplantation vornehmen lassen, oder ich spreche mit der blonden Parasitin, die sich an ihm festgesaugt hat.
Also komme ich gleich zur Sache. »Ich muss mit meinem Dad reden.«
»Oh, hi, Xavier, nicht wahr? Ich bin Sonia. Dein Dad hat mir so viel von dir erzählt.«
Ich wünschte, ich wäre wenigstens ein winziges bisschen schockiert, bin es aber nicht. Mein Dad labert irgendeiner Tussi über meinen besten Freund das Ohr ab anstatt über seinen eigenen Sohn? Klingt richtig.
»Falsche Person.«
»Scheiße, dann bist du Brody?«, fragt sie nervös.
Langsam wirds wirklich lächerlich.
»Ich bin Finn. Brody ist mein großer Bruder.«
In der Leitung wird es für einen Moment ganz still.
»Finn! Natürlich. Dein Vater redet die ganze Zeit über di-«
»Selma, gib ihm einfach das Scheißtelefon, okay?«, falle ich ihr ins Wort.
»Ich bin Sonia«, korrigiert sie mich.
»Wie auch immer.«
Beleidigt schnauzt sie: »Eine Minute.«
In der Leitung schlurft und rumpelt es, dann mischen sich ferne Stimmen. Und dann höre ich … Wasser … Wellen …
Das Meer?
Er ist auf einer Yacht unterwegs, oder?
Auf einem neuen Boot mit irgendeinem neuen Mädchen.
Was kommt als Nächstes?
Dass er Moms Boot umbenennt – nach einer seiner Huren?
»Hey, Kleiner. Tschuldige, ich war schwimmen«, sagt Dad am anderen Ende. »Zu Hause alles okay?«
»Du meinst, abgesehen von dem tobsüchtigen Miststück hier?«
Ein tiefer Seufzer zieht sich durch die Leitung. »Ich hatte dir doch von der Housesitterin erzählt.«
»Das hast du, und das war in Ordnung, solange ich nicht zu Hause war, aber jetzt bin ich zurück. Lass dich nicht abhalten, sie zu feuern.«
Für einen Moment herrscht Stille.
»Das wird nicht geschehen.«
Was hat er eben gesagt …
»Wie bitte?«
»Ich werde sie nicht feuern, Finley.«
»Aber verdammt, du brauchst sie doch gar nicht. Ich kümmere mich um das Haus. Wie ich es immer getan habe.«
»Und ich soll zulassen, dass sich das, was letzten Sommer geschehen ist, wiederholt?«
Jetzt geht das wieder los.
»War doch nur eine einzige Party!«
Doch er lässt mich abblitzen: »Nicht einmal eine einzige Woche im Basketball-Camp, und schon hast du Scheiße gebaut. Was bleibt mir anderes übrig?«
Langsam steigt die Wut in mir hoch und ich murmle: »Schön. Was ist mit Brody?«
»Dein Bruder hat sich in Sommerkurse eingeschrieben.«
»Ach, und an den Wochenenden kann er nicht heimkommen? Bullshit.«
»Also soll Lexie fünf Tage die Woche alleine bleiben?«
»Sie ist nicht alleine. Ich bin doch hier«, wende ich ein.
»Schau mal, mein Sohn, nichts für ungut, aber du hast nicht gerade die beste Bilanz vorzuweisen. Vielleicht wenn du es besser wüsstest, wie Xavier, dann würde ich –«
Damit ist mein Knackpunkt erreicht. »Warum zum Teufel geht es jetzt plötzlich um Xavier?«
»Geht es nicht.« Wieder seufzt Dad. »Es geht darum, dass du noch nicht in der Lage bist, Verantwortung zu übernehmen.«
»Also vertraust du mir nicht«, wird mir klar.
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Aber gemeint.«
Meine Vorwürfe beeindrucken ihn nicht. »Hör zu, die Mitchells sind gute Leute. Sie haben ihre Tochter anständig erzogen. Und du hast jemanden, der sich um alles kümmert, damit du mit deinen Kumpels losziehen kannst, ohne dich um Lexie sorgen zu müssen. Es ist eine Win-win-Situation.«
»Du hast dich also entschieden?«
»Das habe ich. Tut mir leid, Kumpel, aber sie wird nirgendwohin gehen. Es sei denn, sie kündigt.«
Seine Worte laufen bei mir in Endlosschleife, und mein Gehirn ist geradezu überfordert von den Tausenden von Möglichkeiten, wie ich ihr das Leben zur Hölle machen könnte.
»Also schön.«
Ich will gerade auflegen, als Dad mich stoppt. »Finn?«
»Was?«, schnauze ich.
»Hast du es dir schon einmal angesehen?«
Sofort weiß ich, was er meint.
»Meine Leute sagen, es wäre wieder wie neu«, fügt er an.
Ein Feuer versengt mein Inneres und verbrennt das bisschen Respekt, das ich für meinen Vater noch hatte, zu einem kleinen Häufchen Asche.
Manche Dinge ändern sich nie.
Selbst wenn sie das sollten.
Meine Fäuste balle ich so fest, bis ich kein Gefühl mehr in den Gelenken habe.
»Ich sagte dir doch, dass ich dieses verfickte Boot höchstens noch betrete, um es zu versenken.«
Dann lege ich auf.
Im Wagen macht sich Schweigen breit, und ich weiß das ferne Gurgeln der Quellen als Ablenkung zu schätzen. Alles, was den verletzten kleinen Jungen in meinem Kopf übertönt. Der sich an Dinge erinnert, die ich lieber vergessen würde. Wie die Zeiten, als sein eigener Vater nicht einem völlig fremden Menschen mehr vertraute als seinem eigenen Sohn …
Ich will etwas kaputt machen.
Vorzugsweise etwas, das der liebe Papi nicht kaputt sehen möchte.
Und ich glaube, ich weiß genau, womit ich anfange …
»Na, war ja ganz schön intensiv«, meldet sich Axel vom Beifahrersitz zu Wort.
»Raus aus dem Wagen.« Ich sehe ihn nicht einmal an.
»Redest du mit mir?«
»Bestimmt nicht mit deiner Mom, verdammte Scheiße.«
»Alter, und wie komme ich von hier weg?« Axel lacht nervös, als würde er darauf warten, dass ich auch zu lachen anfange.
»Dann ist es eben Scheiße, du zu sein. Raus mit dir. Ich habe was zu erledigen.«
Irritiert stößt Axel die Autotür auf und steigt aus.
»Den ganzen Mist hier nimmst du auch mit.« Ich werfe ihm die Bong und die Tüte mit dem Gras hinterher.
»Du willst mich hier ernsthaft stehen lassen? Mit einer Schwanz-Bong, mitten auf einem Parkplatz? Echt jetzt?«
Als Antwort lege ich den Rückwärtsgang ein, setze aus der Parklücke zurück und fahre mit Vollgas davon.
Seine letzten Worte bekomme ich noch durchs offene Fenster mit. »Was kann so wichtig sein, dass du jetzt sofort losmusst?«
Axel ist im Rückspiegel nur noch ein kleiner Umriss mit einer schwanzförmigen Bong in der Hand, als mir die Antwort einfällt. Dad will das Juwelen-Miststück nicht rausschmeißen?
Schön.
Ich kann aber trotzdem dafür sorgen, dass sie hinschmeißt.
***
DIAMOND
Aveena: Na, wie läufts am ersten Tag?
Schnell lese ich die Nachricht meiner besten Freundin, während ich mit Lexie den Gehweg entlangeile. Wenn ich noch eine Runde um diesen Straßenblock drehe, wird bei der Oma gegenüber eine Ader platzen.
Seit zwei Stunden stiert sie mich jetzt schon von ihrer Veranda aus böse an. Zwei Stunden. Sie gehört definitiv zu den Leuten, die glauben, Hunde existierten nur, um auf ihren Rasen zu pissen.
Okay, ich schweife ab.
Heute Morgen bin ich auf Zehenspitzen die Treppe hinuntergeschlichen aus Angst, dass mich mein Mitbewohner in der Küche erwartet.
Mit einer Axt.
Oder einem Goldbarren.
Oder was reiche Leute sonst so als Waffe benutzen.
Ich war froh, dass ich mich vorige Nacht verteidigt hatte, aber Tageslicht-Dia? Sie ist nicht annähernd so selbstsicher. Besonders nach meinem Telefonat mit Mr Richards heute Morgen.
Er entschuldigte sich dafür, mich wegen der Rückkehr seines Sohnes nicht vorgewarnt zu haben, und bot mir im Gegenzug noch mehr Geld an, damit ich weiter für ihn arbeite, ohne Fragen zu stellen. Wenn selbst dein Boss weiß, dass sein Sohn ein Albtraum ist, dann steht dir ein höllischer Sommer bevor.
Aber ich konnte nicht Nein sagen. Ich brauche ein Auto, bevor das letzte Schuljahr losgeht – hier eine besondere Erwähnung meines großen Bruders Jesse, der sturzbetrunken in mein altes reingefahren ist.
Außerdem habe ich schon den perfekten Wagen im Visier.
Brenda, die in Dads Restaurant als Kellnerin arbeitet, verkauft ihren Käfer und hat versprochen, ihn bis Ferienende für mich zu reservieren. Hoffentlich erhöht mir Mr Richards jedes Mal den Lohn, wenn er wegen seiner missratenen Brut ein schlechtes Gewissen hat.
Als mir einfällt, dass ich meiner besten Freundin nicht geantwortet habe, schicke ich Aveena eine Nachricht, während Lexie auf dem Gehsteig ihr Geschäft verrichtet.
Dia: Mal sehen. Ich habe noch niemandem in die Eier getreten, also … geht es wohl besser als gestern?
Eine Nanosekunde später meldet mein Handy ihre Nachricht.
Aveena: Das war aber ziemlich spezifisch.
Aveena: Ich bestehe auf einen vollständigen Bericht mit Einzelheiten und Rechnungen, besten Dank.
Ich schnaube vor Lachen.
Meine beste Freundin hat sich nie für Schuldramen interessiert. Aveena ist schüchtern und bleibt meist für sich. Nie würde sie sich dabei erwischen lassen, wie sie sich das Maul über irgendeine Cheerleaderin zerreißt, die mit dem besten Freund ihres Freundes schläft – du bist gemeint, Brielle Randall. Aber wenn es um mein Drama geht, wird Aveena Harper zur Detektivin.
Dia: Weißt du noch, als ich erzählt habe, dass ich den Sommer über mit dem Hund der Richards allein sein werde?
Sie begreift sofort.
Aveena: Du machst Witze.
Dia: Mache ich nicht.
Aveena: Jetzt sag bloß nicht, du wirst den Sommer mit Finn Richards verbringen.
Dia: Soll ich dich etwa anlügen?
Aveena: Süße, hau da ab! Für so einen Scheiß zahlen sie dir nicht genug!
Dia: Mein Boss hat mir tatsächlich eben erst den Lohn erhöht …
Aveena: Siehst du? Selbst er weiß, dass sein Sohn verrückt ist. Was haben deine Dads dazu gesagt?
Dia: Ich habe Mr Richards erzählt, ich würde sie fragen, ob das okay ist, aber das habe ich dann irgendwie … nicht gemacht.
Aveena: Glaubst du, sie würden dich dort arbeiten lassen?
Dia: Und ihr kleines Mädchen zwei Monate lang mit einem Kerl allein lassen? Bist du bekifft?
Aveena: Scheiße, D, was wirst du jetzt tun?
Dia: Keine Ahnung. Ihm zwei Monate aus dem Weg gehen, denke ich?
Lexie drückt sich ganz eng an mein Bein, bevor Aveena mir zurückschreibt. Ich versuche, die Hündin am Kopf zu streicheln und muss lachen, als sie stattdessen meine Hand ableckt.
Schon jetzt vergöttere ich Lexie. Sie ist so freundlich, lieb und beschützend.
Ich war noch keinen Tag hier, als mir die neunjährige Golden-Retriever-Hündin schon überallhin folgte. Bei diesem Job ist sie bis jetzt der einzige Silberstreif am Horizont.
Ich mache hinter Lexie sauber und komme zu dem Schluss, dass ich Finn nicht ewig aus dem Weg gehen kann. Irgendwann muss ich zum Haus zurück. Vielleicht könnte ich sogar versuchen, Frieden mit ihm zu schließen, wenn er das zulässt.
Viel zu schnell bin ich bei der Villa der Richards wieder angekommen, denn jedes Mal, wenn ich langsamer wurde, zog Lexie erbarmungslos an der Leine.
Während ich die lange Auffahrt hinaufschlendere, bereite ich innerlich eine Rede vor und probe eine gespielte Entschuldigung, in der Hoffnung, zwischen Finn und mir wieder zu so etwas wie zivilen Umgangsformen zurückzukehren.
Bis ich oben ankomme …
Und mir klar wird, dass eine Rückkehr zu zivilen Umgangsformen nie eine Option war.
Als Erstes sehe ich meine Reisetasche mitten in der Auffahrt im Springbrunnen liegen.
Dann entdecke ich meine T-Shirts, Schuhe, Badeanzüge, Shorts – sogar meine verdammte Unterwäsche – alles liegt verstreut auf dem Rasen der Millionärsvilla. Überall fliegt das Zeug herum, jedes einzelne Kleidungsstück, das ich mitgebracht habe, einfach ausgekippt wie Müll.
Mein Make-up ist auf den Betonplatten verteilt. Nicht nur die Lippenstifte, die ich zum Geburtstag bekommen haben, auch die Neunzig-Dollar-Lidschattenpalette meiner Schwester verschmieren die Einfahrt.
Mein Handy-Ladegerät und der Kindle-E-Reader liegen tief im Becken des Springbrunnens, aber was wirklich die Wut in mir hochkochen lässt … ist der Anblick des einzigen Kleidungsstücks, das ich aus einem brennenden Haus retten würde.
Mein Radiohead-T-Shirt.
Finn hat es in einer Lache aus Foundation liegen lassen; die Flüssigkeit aus der Flasche ist auf den Stoff gelaufen. Ich war nie ein gewalttätiger Mensch, aber als ich Finn jetzt mit einem erhabenen Grinsen aus dem Haus kommen sehe, will ich eine Petition starten, um den ganzen Laden hier in Brand zu stecken.
Lexie hat keinen Blick für meine vernichteten Sachen am Boden. Die Verräterin stürmt schwanzwedelnd auf Finn zu und bellt sich die Seele aus dem Leib.
»Runter, Süße«, befiehlt Finn, und Lexie hört aufs Wort. »Sitz.« Die Hündin gehorcht, Finn geht in die Knie und streichelt sie. Sofort nutzt sie die Gelegenheit und fährt ihm mit der Zunge über die Wange.
Wie kann so ein süßer Hund … einen so grausamen Kerl lieben?
»Komm her.« Finn krault Lexie unterm Kinn und reibt ihr den Bauch, während sie sich auf den Rücken rollt.
Erst da begreife ich.
Er ist gar nicht grausam.
Wenigstens nicht ihr gegenüber.
Einen Augenblick bleibe ich stehen und beobachte das Wiedersehen, bis Finn die Haustür aufstößt und seine Hündin hineinlässt. Kaum ist sie im Haus, verschwindet auch augenblicklich meine Gelassenheit.
»Was zum Teufel?«, brülle ich beinah. »Bist du völlig übergeschnappt?«
Ich presche zu ihm hinüber.
Völlig ungerührt blickt Finn auf mich herab und verschränkt die Arme vor der Brust. »Ach, das?« Er grinst mich blöde an. »Hoffe, das macht dir nichts aus. Mein Dad hat behauptet, ich wäre verantwortungslos, und da dachte ich, ich beweise das Gegenteil und bringe den Müll raus.«
Meine Kinnlade kracht auf den Boden.
Dieser Wichser.
»Du hast die Grenze überschritten. Meilenweit!« Sein überhebliches Grinsen macht mich fast wahnsinnig.
»Ach, Schätzchen.« Zu meiner Überraschung kommt er näher und hebt mein Kinn mit dem Zeigefinger an. »Auf dieser Grenze habe ich schon getanzt, bevor du überhaupt Titten bekommen hast. Beiß mich doch.«
Ich schlucke heftig und suche in seinen Augen nach einem Hauch von Menschlichkeit. Was den letzten Teil angeht, hat er recht. Jeder weiß, dass sich Finn Richards viel zu früh mit Erwachsenenangelegenheiten auseinandersetzen musste.
Er war acht, als er seine Mutter verlor.
Meine Familie hat an jenem Schicksalstag noch nicht einmal in Silver Springs gewohnt, aber wir waren kaum eine Woche hier, als wir schon alles darüber wussten, was am Lake Belmont geschehen war.
Genaue Einzelheiten über Mrs Richards’ Tod lassen sich den Artikeln allerdings nicht entnehmen, die ich gelesen habe, bevor ich den Job annahm. Wenn man vorhat, für einen verwitweten Millionär zu arbeiten, dann erkundigt man sich schließlich ein bisschen.
Im Internet heißt es meistens, es wäre ein Bootsunfall gewesen, der letztendlich dazu führte, dass Finns Mutter im See ertrank. Aber darüber hinaus erfährt man nichts Genaues. Das Boot war wohl sogar nach ihr benannt, was alles nur noch schlimmer macht.
Taucher suchten eine halbe Ewigkeit nach ihrer Leiche, aber selbst nach Monaten wurde sie nicht gefunden.
Bis heute ist ihr Leichnam nicht aufgetaucht.
»Was sagst du, Edelstein?« Finn holt mich ins Hier und Jetzt zurück und blickt mich voller Verachtung an. »Schon bereit zu kündigen?«
Ich schlage seine Hand weg, stelle mich auf die Zehenspitzen und sehe neben ihm immer noch wie ein Zwerg aus.
Echt jetzt?
Wer hat ihm bloß erlaubt, so verdammt groß zu sein?
»Erstens, mein Name ist Diamond. Und zweitens … hast du wirklich gedacht, meine Klamotten zu versauen würde ausreichen, um mich loszuwerden?« Spöttisch setze ich nach: »Echt peinlich, Süßer.«
Sein selbstsicheres Lächeln beginnt zu bröckeln.
»Glaubst du, ich hätte vor einem reichen Bürschchen wie dir Angst? Ich bin mit einem großen Bruder aufgewachsen, dessen größtes Ziel war, mir das Leben zur Hölle zu machen, also … das hier«, ich deute auf das Chaos, das er angerichtet hat, »ist ein verdammt normaler Dienstag für mich.«
Als Antwort kommt Finn noch näher und ragt mit seiner eindrucksvollen Gestalt über mir auf wie sonst was. Er hat so ein Pokerface aufgesetzt, dass ich kaum wahrnehme, wie sich seine Mundwinkel vor Wut verbiegen.
Ich bin mir sicher, dass mit meiner Lunge irgendwas nicht stimmt, als er den Kopf zur Seite neigt, die Augen zusammenkneift und bedrohlich knurrt: »Ist das eine Herausforderung?«
Einatmen, ausatmen.
»Das ist eine Warnung.« Auch ich schiebe mich dichter an ihn ran. Wenn dieses Arschloch meint, sein wie gemeißeltes Kinn, sein abartiger Körper und seine bodenlosen Haselnussaugen würden genügen, um mich aus der Bahn zu werfen, dann hat er …
Absolut recht.
Mission abbrechen.
Ich weiche ebenso schnell zurück, wie ich vorgerückt bin, räuspere mich und konzentriere mich auf das verdreckte Radiohead-T-Shirt vor meinen Füßen. »Du bezahlst die Reinigung«, bemerke ich bemüht beiläufig.
Höhnisch gibt er zurück: »Den Teufel werde ich tun.«
»Ach … wie gehts eigentlich Xavier?«, begebe ich mich auf sein Niveau herunter. »Ich habe gehört, er sei über den Sommer weg. Muss wirklich schwer sein für Brie. Da fragt man sich wirklich, wie sie die Zeit rumkriegt.«
Seine Gesichtszüge entgleisen.
Überraschung, Arschgesicht. Ich kann auch unfair.
Die Klamottengeschichte hätte bei vielen Mädchen bestimmt funktioniert, aber bei mir? Keine Chance. Ich bin halb Spanierin, halb Indonesierin. Meine ganze Kindheit lang hat man mich meine kohlrabenschwarzen Locken und dunklere Haut nicht einen Moment vergessen lassen. Auch Kinder können nämlich richtige Arschlöcher sein, wenn sie wollen.
Ganz zu schweigen von meinen zwei Dads und der Tatsache, dass alle meine Geschwister adoptiert sind – genau wie ich. Bis das alles durchgekaut ist, würde Finn vielleicht sogar eine Seele wachsen, aber dafür habe ich jetzt nicht die Zeit.
Wir starren einander noch für ein paar Sekunden in die Augen und sein Kiefer malmt, während er gegen den Druck der Wände ankämpft, die auf ihn einwirken. Jetzt habe ich ihn. Er steckt fest, und das weiß er auch.
»Du bist hartnäckig, was?«, räumt er ein.
»Höchste Zeit, dass du’s merkst.«
An dem Zucken in seinem Gesicht erkenne ich, dass ihm seine eigene Medizin überhaupt nicht schmeckt.