Echte Oldersumer III - Lübbert R. Haneborger - E-Book

Echte Oldersumer III E-Book

Lübbert R. Haneborger

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Beschreibung

Dreimal ist Ostfriesenrecht: Der dritte Band des nordisch-frechen Werftarbeiter-Duos Joke & Harm ist da! Nach den haarsträubenden Krimigeschichten im knallgelben Band 1 und im grasgrünen Band 2 der Echten Oldersumer folgt nun die "extra starke Mischung" in Blau. Kein Wunder, denn die Werftarbeiter Joke Bruns & Harm Janßen stehen diesmal mächtig unter Strom. Die einzig echten Ostfrieslandkrimis (in plattdeutschen Originaldialogen und hochdeutschem Paralleldruck) sind eine Marke für sich und wie ihre unfreiwilligen Helden: komisch, kernig und kleinkriminell! Joke Bruns und Harm Janßen sind eben unverbesserlich. Schrauben beide nicht gerade an einer Inselfähre, frönen sie ungeniert ihrem geheimen Laster: Bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit lassen sie mitgehen, was nicht niet- und nagelfest ist. Immer am Rande der Legalität ist ihnen die Polizei dicht auf den Fersen. Doch auf schlitzohrige und stets unterhaltsame Weise, wissen sich die beiden (fast) immer aus der Bredouille zu helfen. Nicht umsonst sorgt der anarchisch-freche Geist, der in ihren Sprüchen und Taten wohnt, für so manches Schmunzeln. Aus dem Inhalt: (Der Corona-Krimi): Wie geht man damit um, wenn das Finanzamt nach zig Jahren Steuern für den unerlaubt gebauten Bootsschuppen verlangt? Wie verhält man sich als Geisel zweier Wiener Schwerverbrecher? (Der Jubiläums-Krimi): Was hat der Heimatverein gegen die neue E-Tankstelle? (Der Fridays-for-Future-Krimi): Und ist Gift in den Fässern, die Joke und Harm bei brüllender Hitze im Hafen verrollen? Fragen, auf die sich die Oldersumer Werftarbeiter Joke & Harm einen ganz eigenen Reim machen. Immer haarscharf vorbei an der Polizei! Seit September 2012 sorgen die Kriminalgrotesken für viel Vergnügen und Furore im beschaulichen Hafenort und die Lesungen im Museum Alte Seilerei sind inzwischen legendär. Das lang erwartete dritte Taschenbuch enthält sieben kuriose Kriminalfälle. Und es ist wieder geprägt durch die urkomischen plattdeutschen Weisheiten und Dialoge, die hier parallel in hochdeutscher Übersetzung abgedruckt werden. Aktuelle Informationen und Termine finden sich auf der Facebook-Seite: www.facebook.com/pages/Echte-Oldersumer/ Dort gibt es auch die Trickfilm-Videos mit Joke & Harm und Live-Ausschnitte der Lesungen.

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ÜBER DIESES BUCH

Die Oldersumer Werftarbeiter Joke Bruns und Harm Janßen sind rechtschaffene Ostfriesen, aber eben auch unverbesserlich. Schrauben beide nicht gerade an einer Inselfähre, frönen sie ungeniert ihrem geheimen Laster. Bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit lassen sie mitgehen, was nicht niet- und nagelfest ist. Immer am Rande der Legalität ist ihnen die Polizei ständig dicht auf den Fersen. Doch auf schlitzohrige und stets unterhaltsame Weise, wissen sich die beiden (fast) immer wieder aus der Bredouille zu helfen. Denn sie sind kernig, komisch und kleinkriminell – und eben: Echte Oldersumer. Nicht umsonst sorgt der anarchisch-freche Geist, der in ihren Sprüchen und Taten wohnt, für so manches Schmunzeln; insbesondere, wenn sie im dritten Band selbst zu Geiseln werden, den Kunstmarkt aufmischen oder dem Heimatverein ein wahrhaft innovatives Jubiläumsgeschenk machen ...

Über den Autor

Lübbert R. Haneborger erblickte 1970 in der Kreisstadt Aurich das Licht der Welt und studierte später Germanistik, Kunst und Soziologie an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg. Ende 2004 folgte am dortigen kunsthistorischen Institut seine Forschungsarbeit zur Bildform des Berner Realisten Franz Gertsch (betitelt: „Aus nächster Ferne“).

Neben seiner freien Tätigkeit als Kultur-Journalist (besonders für das Ostfriesland Magazin) ist er auch als Sachbuch- und Krimiautor für Erwachsene und Kinder bekannt geworden (etwa mit dem Kinderbuch „Das Schlosspark-Geheimnis“, ausgezeichnet mit dem Deutschen Gartenbuchpreis 2014). Gemeinsam mit Silke Arends ist er Herausgeber und Autor einer erfolgreichen Reihe von Krimianthologien für Erwachsene (deren achter Band, „13 Mythen – 13 Verbrechen“, im Sommer 2019 erschienen ist). Mit den „Echten Oldersumern“ zeigt sich der Autor und Buchgestalter, der in Ostfriesland lebt und arbeitet, seit 2012 von seiner komödiantischen Seite.

Inhalt

Im Porträt:

Ein malerisches Dorf an der Unterems – Künstler sehen Oldersum

Joke und Harm

Die Fälle:

Der bilderspuckende Guckkasten

Der Schmäh mit der Autopanne

Die geschenkte Stunde

Ein Fall von saurem Regen

Unter Strom

Zwei Saubermänner nach Maß

Wer klaut denn auch wohl Weihnachtsbäume? ..

(Ein Weihnachtsmärchen als Bonusgeschichte)

Anhang:

Eine Tankstelle im doppelten Sinne

oder

Warum „Joke und Harm“ wahre Kulturbotschafter sind

Oldersum-Karte

Dank

Ostfriesland-Karte

Im Porträt

Ein malerisches Dorf an der Unterems

Künstler sehen Oldersum

Eines der zahlreichen Ortsbilderdes Oldersumer MalersGeorg Kretzmer (1920–2001)zeigt den Blick von derAlten Waage zum schräggegenüberliegenden Uferdes Sieltiefs (hier als Ausschnitt des querformatigen Bildes).

Künstler und Orte bilden oft eine starke Verbindung. In und an bestimmten Orten scheint den Kulturschaffenden etwas Wesenhaftes zu begegnen; etwas, das ihnen ein Versprechen gibt. Das Versprechen, ihrer Art der Darstellung entgegenzukommen und ihnen dabei zu helfen, ihre Sicht der Wirklichkeit ausdrücken zu können. Kurz gesagt: eine Verfügbarkeit zu bieten für ihre Malerei, ihre Musik, ihre Literatur oder darstellende Kunst. Idealerweise tragen die Künstlerinnen und Künstler diesen Inspirationsfunken eines Ortes, den Genius loci, dann weiter durch ihr Werk und durch ihr Leben.

Ein Blick in die Kunstgeschichte zeigt, dass Bildende Künstler von Orten geprägt wurden, dass sie aber auch umgekehrt Orte oft über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, geprägt haben. Oft sind es ihre Bilder und Installationen, die unseren Blick auf Orte geformt und unbekannte Orte überhaupt erst auf die Landkarte gesetzt haben.

Künstler kreieren Orte

Ganz der Landschaft verbunden, zeigte sich der Oldenburger Maler Paul Müller-Kaempff, als er zum Ende des 19. Jahrhunderts an der Ostsee den Küstenort Ahrenshoop für sich und seine Malerei entdeckte. Gelegen an der historischen Grenze zwischen Mecklenburg und Vorpommern, begründeten Müller-Kaempff und seine Künstlerkollegen und Kolleginnen – wie Grebe, Balzer, Schorn oder von Eicken – nicht nur eine Künstlerkolonie, sondern gaben mit ihren Häusern auch den Anstoß für das heutige Seebad.

Schon 1889 war 18 Kilometer nördlich von Bremen eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft im Teufelsmoor entstanden, die das bäuerliche Örtchen Worpswede auf die Landkarte hob. Die Stadtflucht, aber auch romantische Sehnsüchte nach einem einfachen, naturnahen Leben bewogen Künstler wie Fritz Mackensen, Hans am Ende, Otto Modersohn und seine Frau Paula, sich hier niederzulassen. Anschließend machte Rainer Maria Rilke (nur) die genannten Herren mit seinem Buch über Worpswede unsterblich.

Am südwestlichen Jadebusen schließlich logierten während mehrerer Arbeitsaufenthalte zwischen 1909 und 1912 die großen deutschen Expressionisten Karl Schmidt-Rottluff und Erich Heckel. Die Gründungsmitglieder der Dresdner Künstlergruppe „Die Brücke“ entdeckten den Küstenort für ihre Sommerfrische; er war aber auch ihr Rückzugsort und ihre Quelle der Inspiration. Hier schufen beide ausdrucksstarke Bilder von Mühlen, Plattbodenschiffen und Gutshöfen in einer farbig aufgeladenen Küstenlandschaft.

Ein malerischer Ort an der Unterems: Oldersum, mit der Seeschleuse (li.)und der Hafenrinne (re.), als markante emsseitige Wasserzugänge.

Das typisch Norddeutsche wird hier bildhaft

Auch der kleine Hafenort Oldersum hat immer wieder Künstler angezogen, und das nicht zu Unrecht.1 Denn das typisch Norddeutsche kommt in dem 1500-Seelen-Dorf äußerst konzentriert und charakteristisch zum Ausdruck. Der Ort an der Unterems verfügt mit seinen umliegenden Deichen, dem Hafen und den Werftgebäuden, mit Siel und Seeschleuse, Schiffen und Booten, der alten Seilerei und manch historischem Gebäude – und zudem früher noch mit der Windmühle und einem herrschaftlichen Burggebäude – gleich über eine Vielzahl von malerischen Aspekten. Das haben Künstler wie Jann Jakob Stein (1898–1942), Robert Koepke (1893–1968) oder Gerd Gramberg (1923–2013) bald begriffen und sich vor allem der Hafenlandschaft und Hafenwirtschaft gewidmet, um dabei bezaubernde Lichtstimmungen und Wasserspiegelungen einzufangen – wie in dem 1954 entstandenen Gemälde „Sommermorgen in Oldersum“ des gebürtigen Bremers Robert Koepke.

Jann Jakob Stein malt die Werft

Jann Jakob Stein, von dem ein Ölgemälde und ein Aquarell erhalten sind, die Oldersumer Motive zeigen, zählt zweifellos zu den Wiederentdeckungen der regionalen Kunstgeschichte im hohen Nordwesten. In seinem kurzen Leben war Stein mehr als nur der Dorfschulmeister, Organist und Chorleiter von Westerende-Kirchloog in der heutigen Gemeinde Ihlow bei Aurich. Seine Freizeit widmete der begabte Maler und Grafiker mit Hingabe der künstlerischen Interpretation der ostfriesischen Landschaft und der Menschen seiner direkten Umgebung und Zeit.

Von der Kritik bald als der „Maler der Geest“ apostrophiert, beeindruckt sein konzentrierter Blick auf die „Werft in Oldersum“ von 1934 (Öl auf Pappe, 45 x 56 cm, Privatbesitz Bad Salzuflen, Werkverzeichnis GE-OEOSF-30) zunächst durch eine meisterhafte Mischung aus impressionistischer Formauffassung und expressionistischer Farbkomposition. „Eine Tjalk unter Segel und kleinere Boote schieben sich aus dem Hafen auf die Helling, um den Schuppen der Werft […] zu erreichen. Der Bildausschnitt ist so eng gewählt“, wie Hei ko Jörn richtig bemerkte, „dass kaum ein Vordergrund bleibt und der Horizont durch die Boote und die Bauten der Werft verstellt ist. Mittendrin arbeiten zwei winzige Menschen. Das Durcheinander von mächtigen Bootskörpern wird nur durch die strengen Kompositionslinien der Mittel- und Waagerechten gehalten.“ Das Bild zeigt die alte Helling der in den 1970er Jahren geschlossenen Wiese-Werft am gegenüberliegenden Ufer der heutigen Schiffswerft Diedrich.

Jann Jakob Stein:„Werft in Oldersum“, 1934, Öl auf Pappe,45 x 56 cm, Privatbesitz Bad Salzuflen,Werkverzeichnis GE-OE-OSF-30.

Jann Jakob Stein:„Häuser am Hafen von Oldersum“, o.J., Aquarell auf Papier, Privatbesitz Kempen, Werkverzeichnis GE-AQ-OSF-18a.

Das Aquarell „Häuser am Hafen von Oldersum“, dessen Entstehungsjahr nicht bekannt ist, aber ähnlich liegen dürfte, befindet sich heute im Privatbesitz in Kempen (o.J., Aquarell auf Papier, GE-AQ-OSF-18a). Anders als es der Bildtitel vermuten lässt, stehen die der Straße abgewandten Hinterhäuser und mehr noch ihre wasserseitigen Gärten im Mittelpunkt von Steins Bildinteresse. Eine erneut außergewöhnliche Perspektive und eine ungewohnte Motivwahl, die der Ihlower Künstler atmosphärisch fein einzufangen weiß. Das eingangs abgebildete und Jahrzehnte später entstandene Gemälde des Oldersumer Malers Georg Kretzmer (auf Seite 6) greift Steins Perspektive und Motivik wie zufällig wieder auf.

Gerd Gramberg wählt den Fischereihafen

Die Auricher Brüder Karl („Kalli“, 1922–1998) und Gerd Gramberg sind, obwohl beide bereits verstorben, noch immer bekannte Größen in der Landschaftsmalerei Ostfrieslands. Auch von Gerd Gramberg, der als stillerer von beiden galt und sich hauptberuflich als Vermessungsingenieur der Katasterbehörde mehr auf die Erfassung des Oldenburger Landes verlegte, ist ein charakteristisches Oldersumer Motiv erhalten.

Der Heimatverein hat das Gemälde mit dem Titel „Oldersum, Fischereihafen“ aus dem Jahr 1952 im Sommer 2019 erworben. Das Bild ist gekennzeichnet von dem für Gerd Gramberg typischen expressiven Malstil, wobei seine Farben ganz untypisch für die expressive Malerei im Erdigen und Naturalistischen verbleiben. Gezeigt werden zwei Fischerboote auf der Ems, gesehen vom Oldersumer Sieltief hinüber zum Sieltor in der Bildmitte. Rechts sind die Gebäude des Entwässerungsverbandes zu erkennen, links die Schiffswerft Julius Diedrich, dahinter die inzwischen nicht mehr existente Schlömer-Werft.

Gerd Gramberg: „Oldersum, Fischereihafen“, 1952, im Besitz des Heimatvereins Oldersum.

Hartmut Dierks: „Oldersumer Burg (nach einer Grafik, entstanden um das Jahr 1580)“, 2014, im Besitz des Heimatvereins Oldersum.

Georg Kretzmer macht Geschichte lebendig

Wenn die Oldersumer selbst über einen Künstler sprechen, der ihr Dorf würdig auf die Leinwand oder die Hartfaserplatte bannte, so erinnern sich die Älteren unmittelbar an Georg Kretzmer (1920–2001). Verheiratet mit Elisabeth („Liesel“, geb. Kretschmer (1921–2000)), die aus Eichenstein in Schlesien stammte, war der Autodidakt auch im Hafenort zuhause und lebte hier bis zuletzt in der Jakob-Wäcken-Straße. Georg und Elisabeth Kretzmer haben in ihrem Leben zwei Söhne, drei Enkel und zwei Urenkel aufwachsen sehen. Georg Kretzmer war nach der Volksschule bei Malermeister Zeemann in die Lehre gegangen und arbeitete späterhin bei den bekannten Rheinstahl-Nordseewerken in Emden als Industrie-Maler und Lackierer. Daneben malte er aber immer auch künstlerisch. Zahlreiche seiner naturalistischen Ortsansichten zeigen sein Heimatdorf. Die Oldersumer Motive befinden sich teils im Besitz des Heimatvereins, aber auch im privaten Besitz – und bildeten eine Sonderpräsentation im Rahmen der 4. Oldersumer Kunstausstellung 2019.

An Kretzmers Kunstfertigkeit fasziniert bis heute die malerische Authentizität, mit der er Oldersumer Gebäude oder ganze Straßenzüge aus vergangenen Jahrzehnten wachhält. Das, was die Papierabzüge jener Jahre mangels Technik nicht leisten können, weil ihre Farben verblasst sind, spricht aus seinen Bildern umso mehr. Es ist die fotografische Präzision, gepaart mit einer farbharmonischen Lebendigkeit, die die Zeit überdauert hat. Zugleich wirken die Arbeiten wie die Hintergründe, die der belgische Surrealist René Magritte in seinen Bildern ganz ähnlich hinterlassen hat. In einem seiner Gemälde etwa erkennen wir frühere Bauernhöfe und die alte Oldersumer Windmühle, die im Ortszentrum nahe der späteren Sparkasse stand.

Durch die Bilder des Oldersumer Malers Georg Kretzmer bleiben auch die Eindrücke des früheren Oldersum lebendig. Dieses Straßenporträt der historischen Villen „An der Rotbuche“ gibt hierfür ein stimmungsvolles Beispiel.

Die Oldersumer Straße „An der Rotbuche“ heute. Die Befestigung von Straße und Bürgersteig und die weitere Bebauung haben die Natur, oben im Bild, sichtlich zurückgedrängt.

Georg Kretzmer: „Alte Waage mit Blick auf das Oldersumer Geschäftshaus Diepen“, um 1960, Ölgemälde, im Besitz des Heimatvereins Oldersum.

Das gleiche Motiv in einem Foto von heute: Das Geschäftshaus der Familie Diepen musste in den 1960er Jahren dem Bau der Landesstraße 2 weichen. Die alte Ortsdurchfahrt, rechts durch die Siel- und Hafenstraße (oben), verlor schnell an Bedeutung.

In einem anderen Gemälde wird der Blick geöffnet von der Alten Waage zur Bildrechten hinüber zu dem Geschäftshaus der Familie Diepen, das in den 1960er Jahren dem Bau der Landesstraße 2 zum Opfer fiel. Inzwischen kaum mehr vorstellbar, führte die Durchgangsstraße früher durch die Siel- und Hafenstraße, an der unter anderem die beiden Modehäuser Köhlke und Stindt zu finden waren. Heute erkennt man, wenn man das gleiche Motiv in den Kamerasucher nimmt, an gleicher Stelle eine Baulücke, an der sich – nun weiter entfernt – die Durchgangsstraße nach rechts wegbewegt. Zum Glück ist außerhalb des linken Bildbereiches ein Großteil der Diepen’schen Seilerei als Museum und Veranstaltungsort erhalten geblieben. Und der Motivvergleich mit der heutigen Situation verrät zugleich, dass Kretzmer sein Bild in der sommerlichen Mittagszeit erfasst haben muss, wie die starken Schlagschatten der Gebäude im Umfeld der traditionsreichen Waage zeigen.

Hartmut Dierks malt ein Bild von einer Burg

Unweit davon war die Oldersumer Burg zu finden, deren letzte bauliche Reste im Jahre 1954 abgerissen wurden, um einem Schiffshelgen der Schlömer-Werft Platz zu machen. Der Künstler Hartmut Dierks hat die alte Pracht des herrschaftlichen Gebäudeensembles 2014 in einem Gemälde im Auftrag des Oldersumer Heimatvereins wieder auferstehen lassen (s. S. 13), das – monumental vergrößert – als Theaterhintergrund diente.

Als erfahrenem Realisten und Mitglied des Kulturrings und Kunstkreises Rhauderfehn e.V. ist Dierks dabei eine Ansicht um 1580 gelungen, die einmal mehr zeigt, dass die Oldersumer ihre eigene Geschichte würdigen, es aber zugleich verstehen, im Hier und Jetzt zu leben.

Die Kunstfreunde zeigen neue Facetten

Wenn vom Hier und Jetzt die Rede ist, sollen die „Kunstfreunde Oldersum“ nicht unerwähnt bleiben, markieren sie doch einen neuen Zeitabschnitt in der künstlerischen Verortung des Hafendorfes. Im Oktober 2017 traf sich diese Gruppe örtlicher und ortsnaher Kunstschaffender und Autodidakten erstmals unter dem Dach des Heimatvereins. Der Belebung der Kunstszene im Dorf gelten die gemeinsamen Aktivitäten der beteiligten Künstlerinnen und Künstler. Motiviert vom Erfolg der ersten Präsentation im Veranstaltungshaus des Heimatvereins haben sich daraus 2018 die „Kunstfreunde Oldersum“ gegründet. Jährlich richten die Mitglieder seither zusammen mit dem Heimatverein eine kleine Kunstausstellung aus. Die mehr als zwölfköpfige Gruppe präsentiert darin Arbeiten, die zwischen gegenständlicher und abstrakter Bildsprache pendeln und in den unterschiedlichsten Techniken erscheinen. Im Corona-Jahr 2020 fand eine Ausstellung zum Jahresthema „Fische“ statt. Pfiffigerweise konzipierten die „Kunstfreunde“ dieses Projekt als Open-Air Ausstellung und präsentierten ihre Werke in den Fenstern von Geschäfts- und Bürgerhäusern. Dadurch gewannen sie ihrem Thema von Fenster zu Fenster, von Ort zu Ort, immer neue Aspekte und Dialoge ab.2

Nach einer historischen Fotografie (li. unten im Bild) schuf der Oldersumer Jörg Deuber 2019 dieses kleinformatige Tiffany-Glaskunstwerk vonder ehemaligen „Seilerei Diepen“ (aus Glas und Zinnelementen). Gezeigt wurde es erstmals in der Jahresausstellung der„Kunstfreunde Oldersum“ am 28. und 29. September2019 im Dorfgemeinschaftshaus „Alte Schule“.

Dieses stimmungsvolle Gemälde mit dem Titel „Am Bootssteg“ (Acryl auf Leinwandkarton, 50 x 40 cm, 2019) stammt von der Oldersumer Malerin Anke Escher. Es zeigt den Blick über den Hafen von einem Steg an der Hafenstraße in Richtung derrückwärtigen Waage. Die Künstlerin ist Gründungsmitglied der„Kunstfreunde Oldersum“, einer Interessengemeinschaft, die sich erstmals 2017 unter dem Dach des örtlichen Heimatvereins versammelte.

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1 Dass auch die Oldersumer Werftarbeiter Joke & Harm einmal mit der großen Kunstgeschichte in Berührung kamen, lesen Sie in diesem Band in der Kriminalgroteske „Der bilderspuckende Guckkasten“ ab S. 22.

2 Quellentexte:

Jakob Janshen: „Uns Ollersum“; im Flyer zur 4. Kunstausstellung der Oldersumer Kunstfreunde. Oldersum 2019.

Heiko Jörn: „Das künstlerische Werk Jann Jakob Steins“; in: Jann Jakob Stein (1898–1942) – Künstler der Geest – Werkverzeichnis. Bearbeitet und herausgegeben von Antke und Hinrich Keller, Bernhard Buttjer und Dr. Lübbert R. Haneborger. Emden 2015, S. 22-24.

Alle Kunstwerke abgebildet mit Zustimmung der Rechteinhaber.

Joke & Harm

Und in diesem beschaulichen Dorf namens Oldersum leben auch Joke Bruns und Harm Janßen. Sie sind zwei langjährige, aber unerkannte Mitarbeiter der örtlichen Schiffswerft Diedrich3 und eigentlich rechtschaffene Ostfriesen. Wäre da nur nicht ihr geheimes Laster, alles mitgehen zu lassen, was nicht niet- und nagelfest ist!

Um dieses Laster zu verheimlichen und nicht selbst ins Netz der Polizei zu geraten, sind sie nicht zimperlich, wenn ihnen andere Übeltäter in die Quere kommen oder boshafte Verdächtigungen auf ihnen lasten. Mit viel List haben sie schon so manches Mal ihre Haut gerettet. Weil sie kernig, komisch und kleinkriminell sind, haben sie (fast) immer Oberwasser. Aber mehr als das, sind sie: echte Oldersumer.

Joke Bruns, Werftarbeiter aus Oldersum –Verdacht: bandenmäßiger Diebstahl und grober Unfug

Harm Janßen, Werftarbeiter aus Oldersum –Verdacht: exzessiver Diebstahl und anfallsweiser Mundraub

Deshalb sprechen sie auch die unmissverständliche Sprache der Küstenbewohner – und handeln nach ihr. Und sie haben ein Motto, das sie selbst auf unnachahmliche Weise beschreibt:

„Well ’n Bült arbeidt, dürt ok mal ’n Stück mit na Huus nehmen!“

– „Wer viel arbeitet, darf auch mal ein Stück mit nach Hause nehmen!“

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3 Impressionen von der realen Schiffswerft, ihrem Angebotsspektrum und dem täglichen Tun ihrer Mitarbeiter sind seit einiger Zeit (auch) in Bewegtbildern unter www.schiffswerft-diedrich.de zu erleben.

Die Fälle

Der bilderspuckende Guckkasten 4

Der Fall:

Zweimal innerhalb von nur 24 Stunden wird Opa Sparringa Opfer einer Explosion und glaubt beide Male, seinen Augen nicht trauen zu dürfen. Joke und Harm kümmern sich rührend um den Pensionär und entdecken durch Zufall einen Bilderschatz, für den sich auch die Polizei und ein windiger Galerist brennend interessieren

Die Personen:

Joke Bruns, immer noch Dreher auf der Schiffswerft Diedrich, auch wenn die Rente langsam näherrückt, undHarm Janßen, Industriemechaniker, ebenfalls auf der Schiffswerft Diedrich beschäftigt, und zusammen Experten auf einem Gebiet, auf dem sie zunächst nur „Eulen und Krähen“ erblicken,Opa Sparringa, der den technischen Fortschritt verpennt und die Tollpatschigkeit gepachtet hat,Luise Ritzmann, die nicht nur mit dem Schnabel, sondern auch mit ihrem Telefon flink ist,Kriminalhauptkommissar Wiard Christophers, der aus Meisterwerken sein Meisterstück machen will,und ein Oldenburger Kunstexperte namens Puck Hollmann, der die Polizei unterstützen soll

Die Spielorte:

das kleine Haus von Opa Sparringa an der Sielstraße,der Garten und der Schuppen gleich dahinter – an zwei aufeinanderfolgenden Tagen

Oft trügt im Leben der erste Schein und selbst im fortgeschrittenen Alter kann es vorkommen, dass die Augen unvermittelt auf Gegenstände treffen, die alle Erfahrung und Erwartung im Nu übertreffen. In einem Ort wie dem Hafendorf Oldersum würde man vor allem eines erwarten: norddeutsche Beschaulichkeit. Was sich aber an einem schönen Sommertag und in der darauffolgenden Nacht zutrug, ließ nicht nur den Beteiligten die Augen übergehen, sondern bescherte dem alten Opa Sparringa in der Folge auch so manchen Albtraum, weil ihn die neuen Bilder und Eindrücke bis in den Schlaf verfolgten. Dabei hatte alles so harmlos begonnen. Schon den ganzen Tag über hatte der Werftarbeiter Joke Bruns mit sich und seinem Dasein gehadert, war ihm doch nur wenig auf seiner Werkbank gelungen und hatte zudem eine Ahnung in der Luft gelegen, die er weder definieren noch konkreter greifen konnte. Als er in diesem Zustand schließlich mit seinem Arbeitskollegen Harm Janßen das Werfttor und die Arbeit hinter sich ließ, wollte das sonnenbeschienene Oldersum partout keine Veränderung in seine Gedankenwelt bringen. So lamentierte er, als beide mit ihren Arbeitstaschen an der alten Bankstelle vorbeitrotteten, lautstark:

„… un wenn du dann eerst een Malöör hest, Harm – denn steiht mitmaal ok noch d’ Baas tegen dien Warkbank un schellt: De Verbindungsstück mit de Gewindkoppen d’r an, de ik nu al för ’t darde Maal verbogen un nich neei henkregen harr – de kunnen wi ja am besten gliek vergolden! Wenn de Baltrumfähr denn

„… und wenn dir erst ein Unglück passiert ist, Harm – dann steht plötzlich auch noch dein Boss neben der Werkbank und schimpft: Das Verbindungsstück mit den Gewindeköpfen dran, das ich nun schon zum dritten Mal verbogen und nicht neu hingekriegt hätte – das könnten wir ja am besten gleich vergolden! Wenn die irgend wennehr överhoopt noch maal klaar worden un ut d’ Haven lopen dee, denn harr he an de hele grote Revision nich maal 50 Euro verdeent!“

„Ik weet wall, Joke, ik hebb ’t höört! Nett as all anner Kollegen, ok wenn ik d’r 30 Meter van of was un achter d’ sloten Kabinendöör to schweißen satt!“, bedauerte ihn Harm Janßen an diesem Nachmittag schon zum wiederholten Male.

„He funn ja ok gaar kien Enn mit sien Düveln un Dönnern! Ok nich, as se all repen: ,Jens Diedrich, bedaar di! Daar word ’t ok nich beter van.’ – Aver villicht was ik vandaag ok nich recht bi d’ Saak, umdat mi al de hele Dag de Nöös jöken deit, Harm.“

„Ja, denn sallt du vandaag wall noch wat Neeis gewahr worden, Joke!“

Baltrumfähre dann irgendwann überhaupt noch mal fertig würde und aus dem Hafen auslaufen könnte, dann hätte er nicht mal 50 Euro an dem ganzen großen Revisionsauftrag verdient!“

„Ich weiß wohl, Joke, ich hab’s auch gehört! Genauso wie alle anderen Kollegen, auch wenn ich 30 Meter von euch entfernt hinter einer geschlossenen Kabinentür geschweißt habe!“, bedauerte ihn Harm Janßen an diesem Nachmittag schon zum wiederholten Male.

„Er hat ja auch gar kein Ende gefunden mit Geschimpfe und Getöse! Auch nicht, als sie schon alle riefen: ,Jens Diedrich, beruhige dich! Davon wird es auch nicht besser.’ – Aber vielleicht war ich heute auch nicht so richtig bei der Sache, weil mir schon den lieben langen Tag die Nase juckt, Harm.“

„Ja, dann wirst du heute bestimmt noch was Neues erfahren, Joke!“

Diese Erkenntnis schien sich unmittelbar zu bewahrheiten, kaum dass beide an der Alten Waage vorbeigelaufen kamen und einen gewaltigen Knall und splitterndes Glas hörten. Wie vom Donner gerührt, blieben beide erschrocken an der Hecke zu Opa Sparringas Garten stehen und es sollte nur einen Augenblick dauern, dass der 79-jährige Oldersumer völlig verschreckt und mit rußverschmiertem Gesicht aus seinem Garten auf den Fahrradweg trat.

„Wat büst du hier dann so an herumkluntern, Opa Sparringa?“, wunderte sich Harm Janßen und rückte die rote Pudelmütze auf seinem Kopf zurecht.

„Ja, ik weet ok nich, wo ik dat hatt hebb. Mitmaal kwamm d’r Qualm ut d’ Feernseher!“, beklagte sich der Rentner.