Echte Oldersumer. Die diebischen Werftarbeiter Joke & Harm ermitteln - Lübbert R. Haneborger - E-Book

Echte Oldersumer. Die diebischen Werftarbeiter Joke & Harm ermitteln E-Book

Lübbert R. Haneborger

4,8

Beschreibung

Echte Oldersumer: Der urostfriesische Krimispaß - endlich als Buch. Sie sind zwei langjährige Mitarbeiter der Oldersumer Werft und eigentlich rechtschaffene Ostfriesen: die beiden Werftarbeiter Joke Bruns und Harm Janßen. Wäre da nur nicht ihr geheimes Laster, bei jeder möglichen Gelegenheit etwas mitgehen zu lassen, und ihre gleichzeitige Furcht, dabei schließlich doch von der Polizei aufgespürt zu werden. Deshalb bedarf es viel List und Tücke, um böswillige Verdächtigungen und Berufsverbrecher abzuschütteln, die ihre Pläne oder ihr Revier durchkreuzen. Dies um so mehr, als Harm nicht der Allerhellste ist. Dennoch halten Joke und Harm fest zusammen und behalten dabei (fast) immer Oberwasser und den Überblick. Denn sie sind kernig, komisch und kleinkriminell und - mehr als das - sind sie echte Oldersumer und waschechte Ostfriesen. Und sie sprechen die robuste Sprache der Küstenbewohner – und handeln auch nach ihr! Seit September 2012 sorgen die Kriminalgrotesken für viel Vergnügen und Furore im beschaulichen Hafenort und die Lesungen im Museum Alte Seilerei sind inzwischen legendär. Das lang erwartete Taschenbuch enthält sechs kuriose Kriminalfälle (rund um Paketdrohnen, einem Toten in der Badewanne, den großen Eisenbahnraub u.v.m.). Und es enthält die urkomischen plattdeutschen Weisheiten und Dialoge, die hier parallel in hochdeutscher Übersetzung abgedruckt werden. Aktuelle Informationen und Termine finden sich auf der Facebook-Seite: www.facebook.com/pages/Echte-Oldersumer/ Dort gibt es auch die Trickfilm-Videos mit Joke & Harm. Kurz gesagt: Ein Regionalkrimi-Phänomen aus dem Nordwesten!

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Über dieses Buch

Sie sind zwei langjährige Mitarbeiter der Oldersumer Werft und eigentlich rechtschaffene Ostfriesen: die beiden Werftarbeiter Joke Bruns und Harm Janßen. Wäre da nur nicht ihr geheimes Laster, bei jeder möglichen Gelegenheit etwas mitgehen zu lassen, und ihre gleichzeitige Furcht, dabei schließlich doch von der Polizei aufgespürt zu werden. Deshalb bedarf es viel List und Tücke, um böswillige Verdächtigungen und Berufsverbrecher abzuschütteln, die ihre Pläne oder ihr Revier durchkreuzen. Dies um so mehr, als Harm nicht der Allerhellste ist. Dennoch halten Joke und Harm fest zusammen und behalten dabei (fast) immer Oberwasser und den Überblick. Denn sie sind kernig, komisch und kleinkriminell – und mehr als das sind sie echte Oldersumer und waschechte Ostfriesen. Und sie sprechen die robuste Sprache der Küstenbewohner – und handeln auch nach ihr.

Lübbert R. Haneborger, geboren 1970 in Aurich, studierte Germanistik, Kunst und Soziologie an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg. Ende 2004 promovierte er am dortigen kunsthistorischen Institut mit einer Forschungsarbeit zur Bildform des Berner Hyperrealisten Franz Gertsch (betitelt „Aus nächster Ferne“). Neben seiner freien Tätigkeit als Kultur-Journalist (für das Ostfriesland Magazin) ist er auch als Sachbuch- und Krimiautor für Erwachsene und Kinder bekannt geworden (zuletzt mit dem Buch: „Das Schlosspark-Geheimnis“; Deutscher Gartenbuchpreis 2014 in der Kategorie „Bestes Buch zur Gartengeschichte“). Gemeinsam mit Silke Arends ist er seit 2011 zudem Herausgeber und Autor einer Reihe von Krimianthologien (deren fünfter Band, „7½ Inseln – 7½ Verbrechen“, im Sommer 2015 im Ostfriesland Verlag–SKN erschien). Mit den „Echten Oldersumern“, Joke und Harm, zeigt sich der Autor seit einer Überraschungslesung 2012 von seiner komödiantische Seite. Lübbert R. Haneborger lebt und arbeitet in Ostfriesland.

Inhalt

Im Porträt:

Oldersum – Ein ostfriesisches Hafendorf an der Unterems

Oldersum-Karte

Joke und Harm

Die Fälle:

Der ungebetene Zaungast

Der große Eisenbahnraub

Die Brücke ins Nirgendwo

Der Tote in der Badewanne

Ufos über Oldersum

Inferno an der Unterems

Anhang:

Rezeptur und Zutaten

oder

Wie die „Echten Oldersumer“ zu herzhaften Knallbonbons wurden

Dank

Ostfriesland-Karte

Im Porträt

Oldersum – ein ostfriesisches Hafendorf an der Unterems

Einst Herrlichkeit und heute Werftstandort

Reeperbahn fern von St. Pauli:

Anfang 2011 wurde die alte Seilerei Diepen in Oldersum zu einem Museum und Veranstaltungsort

Auf den ersten Blick ist Oldersum kein besonderer Ort, nicht einmal ein besonders malerischer. Zumindest, wenn man ihn nur mit dem Auto durchquert. Aber hier leben liebenswerte Menschen und das Ostfriesische tritt noch so lebendig und so charakteristisch hervor, wie es in den größeren Städten auf der Halbinsel zwischen Dollart und Jadebusen bald durch das Hochdeutsche, bald durch den allgemeinen Zeitgeist verdrängt wird.

Der kleine Hafenort liegt an einer Abflussrinne in die untere Ems, die Oldersumer Sieltief genannt wird. Dem Ortsfremden mag der Name des kleineren Nachbarortes Gandersum heute aus den Medien bekannter sein, da hier 2002 eines der modernsten Sperrwerke Europas in Betrieb genommen wurde, welches Kreuzfahrtschiff-Neubauten der Papenburger Meyer Werft die Überführung über die Ems erleichtert.

Bevor es aber soweit war, hatte die Ortschaft Oldersum bereits eine reiche und wechselvolle Geschichte durchlebt und zählte einst zu den – im 14. Jahrhundert etablierten – ostfriesischen „Herrlichkeiten“, den Gefolgschafts- und Verwaltungsbezirken einflussreicher ostfriesischer Familien. Urkundlich erwähnt wurde Oldersum erstmals 1381 als „Oldersem“, spätere Schreibweisen waren „Uldersum“ und „Uildersum“. Wahrscheinlich ist jedoch, dass der strategisch günstige Flecken schon in vorchristlicher Zeit besiedelt war, wie gefundene Keramikscherben aus der römischen Kaiserzeit nahelegen. Der Ortsname verweist dabei auf das Alter des Fleckens und bedeutet so viel wie „Altes Heim“ oder auch „Heim“ oder „Dorf des alten Herren“.

Zur Zeit seiner ersten schriftlichen Erwähnung gehörte Oldersum den ostfriesischen Häuptlingen tom Brok, ab 1427 zu den Anführern der ostfriesischen Volksgruppen aus Neermoor – Focko Ukena (1370-1436) und dessen Sohn Uko Fockena (um 1408-1432). 1438 wurde Wiard Haiken der neue Herr und Häuptling von Oldersum, dessen Nachfahren die Herrlichkeit bis 1631 regierten. Dann wurde die hoch verschuldete Herrlichkeit – im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges – von ihrem neuen Herren für 1 000 Taler an die seinerzeit wirtschaftsstarke Stadt Emden verkauft.

Das Markt- und Waagerecht gehörten von alters her zu den Herrlichkeitsrechten und in dem 1558 verfassten Testament des Häuptlings Hero I. von Oldersum wird bereits ein Marktplatz in Hafennähe erwähnt.

Der Hafen

In gleich vierfacher Weise ist der Ort nah am Wasser gebaut, nämlich einerseits am erwähnten Unterlauf der Ems, andererseits aber an einem Wasserlauf, der die „Alte Maar“ genannt wird, drittens am Rorichumer Tief, das im Hafenbereich wiederum ins Oldersumer Sieltief mündet.

Schon seit der Zeit der ostfriesischen Häuptlinge gingen von hier aus (heute nicht mehr bestehende) Fähren zur anderen Emsseite hinüber. Die älteste war die Fähre nach Hatzum im Rheiderland. Später kamen Verbindungen nach Jemgum und Weener, aber auch nach Emden und Leer hinzu. Die Oldersumer Schifffahrt war fortan nicht nur zum Meer hin ausgerichtet, sondern auch zum ostfriesischen Binnenraum. Von dort her kamen die schwergewichtigen Waren aus Ziegeleien, Kalkbrennereien, Brauereien und Holzhandlungen, die wegen des einfacheren Transportweges allesamt am Wasser gelegen waren. Dazu kamen vor allem landwirtschaftliche Waren und während der Zeiten der Moorkolonisation riesige Mengen an Torf.

Das Sieltief, das im Hafenbereich in die Unterems fließt, hatten die Oldersumer schon im Mittelalter mit einem Sieltor versehen, so dass der Ort schon früh über einen tideunabhängigen Hafen verfügte. In der Gemeinde Moormerland, zu der Oldersum seit der Gemeindereform von 1972 zählt, gibt es keinen weiteren Hafen. Das Oldersumer Siel befand sich über die Jahrhunderte hinweg an ganz unterschiedlichen Stellen und wanderte bis ins 20. Jahrhundert schließlich bis weit an die Ems und deren Deichlinie heran. Heute ist das äußere Sieltor mit einer Durchlassbreite von 14,5 m darauf ausgelegt, auch breitere Schiffe passieren zu lassen, damit die im Hafen gelegene Werft wettbewerbsfähig bleibt.

Die Werft

Schiffbau wird in Oldersum schon seit mindestens 400 Jahren betrieben und früher gab es mit der Wiese-Bootswerft, der Schlömer Werft und der Schiffswerft Diedrich gleich drei bedeutende Betriebe am Standort. Die Schlömer Werft, die noch 1983 ihr 100-jähriges Bestehen feiern konnte, existiert heute nicht mehr, die Wiese-Werft wurde nur bis 1942 betrieben. Dafür kann die Schiffswerft Diedrich als modernes Schiffsbau- und Reparatur-Unternehmen auf eine inzwischen über acht Jahrzehnte währende Tradition zurückblicken. Einen Namen machte sie sich in der Region mit mehr als 80 Schiffsneubauten. Seit einigen Jahren bilden Umbauten, die Wartung oder Reparatur von Fährschiffen den Arbeitsschwerpunkt. Rund 30 von ihnen laufen jährlich die Werft zur Inspektion und Überholung an. Wer immer mit einem Fährschiff der sogenannten „Weißen Inselflotte“ auf eine der ostfriesischen Inseln übersetzt, benutzt mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Verkehrsmittel, das schon einmal die Werftheling in Oldersum gesehen hat.

Der „Oldersumer Hafenweg“

Gegenüber der Werft wurde im Sommer 2014 der kulturtouristische „Oldersumer Hafenweg“ eröffnet. Er führt vom Museum Alte Seilerei über die Alte Waage und die Siel- und Hafenstraße zum Schöpfwerk. Interessierte können auf seiner Wegstrecke an vier Seh- und Hörstationen viel über die frühere und heutige Hafenwirtschaft, altes Handwerk und den Küstenschutz erfahren. Mit Hilfe von mehr als zehn im Straßenpflaster platzierten Markierungen, die das Oldersumer Wappen auf einer Platte eingraviert zeigen, kann man dem Pfad leicht folgen. Und wer ein Smartphone oder Handy dabei hat, kann sich weitere Hintergrundtexte in Hochdeutsch, Plattdeutsch und Niederländisch auch bequem anhören (siehe S. 83). Eingelesen haben die Texte der als NDR-Moderator bekannt gewordene Leeraner Ludger Abeln und der Niederländer Cees de Bruin.

Die Seeschleuse

Im Zuge der Bauarbeiten für den neun Kilometer langen „Dortmund-Ems-“ oder „Ems-Seiten-Kanal“ wurde von 1894 bis 1897 in Hafennähe auch die Oldersumer Seeschleuse errichtet. Sie stellt seither die Verbindung des Ems-Seitenkanals mit der Unterems her. Nach fast 100-jährigem Bestehen wurde sie aufgrund festgestellter Schäden von 1989 bis 1992 mit einem Kostenaufwand von rund 7,5 Millionen Euro grundsaniert. Da der normale Kanalwasserstand (von NN -0,95 m) über und unter dem wechselnden Tidewasserstand der Ems liegt, ist die Oldersumer Schleuse entsprechend mit Flut- und Ebbetoren ausgerüstet. Heute wird das Bauwerk fast nur noch von (jährlich bis zu 1.500) Freizeitschippern (insbesondere des unweit gelegenen Yacht-Clubs Unterems) durchlaufen.

Alte herrschaftliche Waage und die Bierkriege

Dass Oldersum in früherer Zeit durch die beschriebene Binnenschifffahrt auch zu einem belebten Handelsplatz wurde, belegt ein Gebäude an der Emder Straße. Nicht nur die 18 Kilometer entfernt gelegene Ledastadt Leer kann noch heute mit einer historischen Waage glänzen, sondern auch Oldersum. Alle Handelswaren, die den Ort erreichten und die von hier aus weiterverkauft wurden, mussten in dem öffentlichen Gebäude aus dem frühen 16. Jahrhundert zur Garantie der Marktgerechtigkeit abgewogen werden. 1745 hatte die Stadt Emden das Gebäude der öffentlichen Waage erneuern lassen. Allein in dem kurzen Zeitraum von Mai bis August 1745 wurden 115 Tonnen Käse umgesetzt und abgewogen.

Im Jahre 1633 gab es jährlich bereits zwei Märkte im Ort, im Jahr 1700 genehmigte der Graf den dritten Markt. Markttage wurden am 30. Mai, am 2. und 23. September abgehalten, wobei der Michaelis-Markt Ende September der größte und wichtigste war.

Ein besonderes Handelsgut stellte in früherer Zeit auch das Bier dar. Zwischen den Oldersumern und den Emdern entbrannte sogar ein Krieg um das Verkaufsrecht des Hefegebräus. Die alten Oldersumer waren passionierte Bierbrauer, so dass der Markt, der vor Ort regelmäßig abgehalten wurde, landläufig „Hoppmarkt“ hieß, also der Markt, auf dem der Hopfen (besonders aus Westfalen) eingekauft wurde. Auch soll das Bier des Ortes recht anständig gewesen sein, ganz im Gegensatz zu dem Bier der ostfriesischen Seehafenstadt, das die Oldersumer verächtlich als „Jier“ (also „Jauche“) bezeichneten.

Schließlich setzten die Emder eine Akzise auf das Oldersumer Bier, das heißt, sie besteuerten es viel höher als die Erzeugnisse der eigenen Stadt, was Graf Johann von Ostfriesland anno 1580 wieder untersagte. Die Reibereien aber hielten an. Als bei Mönnikeborgum, ein Stück nördlich von Oldersum, die Brücke über die Grove baufällig wurde, ließen die Oldersumer eine neue Brücke bauen, die die Fahrtrinne unter ihr ein wenig schmaler ausfallen ließ. Die Emder Bierbrauer, die ihr Süßwasser über diesen Schiffsweg aus dem Landesinneren holen mussten und deren Kähne recht breit waren, liefen hier fortan in eine Sackgasse.

Seeschleuse und Segelboote

Der Yacht-Club Unterems

Hafen und Sielanlage (mit der Werft)

Schiffswerft Dietrich

Das Schöpfwerk

Blick auf die Alte Maar

In eine Sackgasse war Ende des 20. Jahrhunderts auch die Nutzung der Alten Waage – zuletzt als Tischlerei und Wohnhaus – gelangt. So machte sich der örtliche Heimatverein nach dem Gebäudekauf 2007 an die Sanierung des Baudenkmals. Für die gelungene denkmalpflegerische Arbeit – immerhin rund 3800 ehrenamtliche Arbeitsstunden – erhielt der Verein Anfang 2015 eine Belobigungsurkunde der Niedersächsischen Sparkassenstiftung. Heute dient das Gebäude – mit dem Wappen der Stadt Emden von 1745 über dem Eingang – als Gästequartier nach dem Vorbild der englischen „Bed and Breakfast“-Pensionen. Außerdem soll ein Raum zukünftig Trauzimmer der Gemeinde werden.

Die Oldersumer Burg(en)

Gleich gegenüber der Alten Waage hat der Heimatverein Oldersum mit finanzieller Unterstützung der Gemeinde Moormerland 2006 auf dem ehemaligen Marktplatz ein Stahlmodell der Oldersumer Burg aufgestellt, die im 20. Jahrhundert genauso niederging wie die Alte Kirche oder die Mühle des Ortes. Es entbrannten immer wieder Streitigkeiten unter den ostfriesischen Häuptlingen um die ursprünglich zwei Oldersumer Burgen. Herrscher Focko Ukena ließ sich sogar mit Seeräubern ein. 1433 intervenierte deshalb unter anderem eine Hamburger Streitmacht in Ostfriesland und zerstörte beide Oldersumer Burgen. Nur eine wurde danach wieder aufgebaut. Vermutet wird, dass die zweite Burg in der Nähe von Kirche und Alter Seilerei zu finden war. Laut einer Sage soll es damals einen unterirdischen Gang von der Burg zur Kirche gegeben haben, der sogar unterhalb des Sieltiefs verlief. Noch heute kennen alteingesessene Oldersumer auch die Bezeichnung „Junkersweg“, die darauf hinweisen könnte, dass es über das Sieltief hinweg zudem eine Zugbrücke gegeben hat.

Nachdem die erste Burg mehrfach zerstört und durch Wiard Haiken wieder aufgebaut wurde, bauten Hero I. im Jahr 1558 und Hicko II. im Jahr 1564 sie zu einer großzügigen Vierseitenanlage aus, die im heutigen Burgmodell anschaulich wird. In den folgenden Jahrzehnten fanden mehrmals Kampfhandlungen um die Burg statt. 1678 wurde der Südflügel des Osterhauses durch münstersche Truppen abrissreif geschossen. Der Nordflügel folgte aufgrund von Baufälligkeit 1772. Das Westerhaus diente noch bis 1819 als Amtssitz des Verwalters und wurde 1871 an einen Privatmann verkauft. 1954 riss man die letzten Gebäudeteile ab. Die Burg stand nahe dem Ufer des heutigen Werftgeländes.

Museum Alte Seilerei

Beim Begriff Reeperbahn denkt wohl jeder zunächst an die berühmte Rotlichtmeile in Hamburg-St. Pauli. Aber der Begriff Reeperbahn bezeichnet eigentlich nur ein langes Gebäude oder einen Platz, wo Seile und Reepe (Taue oder Trossen) für die Schifffahrt hergestellt und verdrillt werden. Solch eine Reeperbahn war auch für den Oldersumer Hafen erforderlich und in Gestalt der „P.B. Diepen Reepschlägerei und Seilerei, Oldersum“ bis 1999 aktiv. 1847 vom Jemgumer Peter Bruns Diepen gegründet, entstanden hier neben Seilerwaren auch Kuhdecken oder Mühlensegel. Zuletzt lebte die Familie Diepen jedoch nur noch vom Handel mit dem Tauwerk, da die 200 Meter lange Bahn die neue Norm von 220 Metern Länge nicht mehr erfüllte. Das Unternehmen wurde verkauft und hat seinen Sitz heute in Riepe.

Die alte Seilerei aber wurde 2007 samt Inventar von der Gemeinde Moormerland erworben und durch einen Nutzungsvertrag dem Heimatverein Oldersum e.V. überlassen. Dieser sanierte die Seilerei durch seinen „Förderverein Alte Seilerei Oldersum e.V.“ und widmete sie ab April 2011 in ein Technik- und Handwerksmuseum um. Das „Museum Alte Seilerei“ dient dem Heimatverein heute außerdem als Veranstaltungs- und Ausstellungsort. Gleich hinter der Seilerei befindet sich zudem der „Oldersumer Obstgarten“, dessen Apfelbäume seit ein paar Jahren in jedem Herbst den Rahmen für das „Oldersumer Apfelfest“ bilden. An der Wand der Seilerbahn findet sich außerdem ein alter Sinnspruch von 1567. Er besagt (in hochdeutscher Übersetzung): „Ach Neider lass Dein Neiden sein. Was Gott mir gönnt, das ist Mein. Wie es Gott behagt so ist es besser, beneidet als beklagt.“

Reformation und Religionsgespräch

Apropos Gott! Wenn die Zünfte und Bierbrauereien in alter Zeit die weltlichen Besonderheiten Oldersums markierten, so ist der Ort wegen des sogenannten „Religionsgespäches“ auch in religiöser Hinsicht besonders. Früher als in anderen Regionen Deutschlands hielt bereits um 1519 (also zwei Jahre, nachdem Martin Luther im Oktober 1517 seine 95 Thesen in Wittenberg veröffentlicht hatte) der Oldersumer Pastor Henricus Arnoldi seine Gottesdienste nach dem neuen, dem „evangelischen“ Bekenntnis ab. Er konnte sich der Unterstützung des damaligen Herrschers Hero I. von Oldersum sicher sein, der genauso wie sein „Mithäuptling“ Junker Ulrich von Dornum (1466-1536) das reformatorische Gedankengut förderte. So beherbergte Ulrich im Jahre 1529 auch den Reformator und Doktorvater Martin Luthers, Andreas Bodenstein (1480-1541, genannt Karlstadt), auf der Oldersumer Burg.

Im Juni 1526 initiierte Ulrich in der örtlichen Kirche das erwähnte „Oldersumer Religionsgespräch“, ein öffentliches Streitgespräch zwischen dem Emder Prediger Georg Aportanus (1495-1530) und dem katholischen Dominikanerprior Laurens Laurensen (1495-1553). Die im Anschluss von Ulrich verfasste Schrift über das Streitgespräch fand weite Verbreitung und trug auf diese Weise zur schnellen Durchsetzung des Protestantismus in Ostfriesland bei. Oldersum selbst folgte seit dieser Zeit überwiegend der reformierten Lehre.

Die erste Oldersumer Kirche war um das Jahr 1400 entstanden. In ihr befand sich auch ein Grabgewölbe für die Oldersumer Häuptlinge. Das Gotteshaus brannte aber Anfang 1916 aufgrund eines technischen Defektes völlig aus. In den Jahren 1921 bis 1922 wurde die heutige Kirche errichtet. Die Kirche erhielt erst 1956 einen separaten Glockenturm, nachdem man übergangsweise einen hölzernen Glockenturm nutzte. 1954 wurde am Heereweg eine römisch-katholische Kirche für die zahlreich aufgenommenen Heimatvertriebenen und Flüchtlinge des Zweiten Weltkrieges erbaut. Daneben gab es eine Baptistengemeinde.

Alte Waage

Museum Alte Seilerei

Das Oldersumer Klottjehus

Modell der Burg (um 1580)

Park am Oldersumer Sieltief

Ev.-ref. Kirche mit Glockenturm

Das Klottjehus und der Oldersumer Heimatverein

Das plattdeutsche Wort Klottje bedeutet soviel wie: ‚ausgelassenes Fest’. Ein Gebäude mit dem Namen Klottjehus (auch -huus) ist dementsprechend dem ‚fröhlichen Beisammensein’ gewidmet. In der Oldersumer Zinngießerstraße Nr. 4 findet sich ein solches Klottejhus, das zugleich als Vereins- und Veranstaltungshaus des Heimatvereins fungiert. Der Oldersumer Hinderk Aakmann hatte den Heimatverein 1959 ins Leben gerufen, um bürgernahe Kulturarbeit zu organisieren und die Geschichte und Traditionen des Ortes zu pflegen. Zunächst traf man sich im ehemaligen Armenhaus des Ortes, später fiel der Blick auf die kleine Baptistenkapelle in der Zinngießerstraße, die nach dem Zerfallen der Gemeinde Ende der 1960er Jahre leer stand. Mitte der 1970er Jahre wurde die Kapelle angekauft und zum heutigen Klottejhus umgebaut, wozu im Wesentlichen der Bau von Bühne und Sanitäranlagen zählten. Schließlich legen die Oldersumer wert darauf, (seit 1959) einmal jährlich eine eigene Theaterproduktion zu zeigen, wobei ihr Programm vom plattdeutschen Lustspiel bis zum ernsten Historientheater reicht. Mit Stücken wie „Dusend Dalers“ (2006 im Oldersumer Park aufgeführt) oder „De gerechte Waag“ (2009, zum 50-jährigen Bestehen des Heimatvereins) sorgte man über die Ortsgrenzen hinweg für Aufmerksamkeit.

Einmal im Monat gibt es im Vereinshaus die Klottjeabende, zum Teil verbunden mit einem saisonalen Essen, daneben stehen auch Autorenlesungen, Vorträge oder Teenachmittage auf dem Programm. Heute zählt der Heimatverein rund 300 Mitglieder und engagiert sich in vielen Zweigen eines gedachten Vereinsbaumes für den Ort. So widmet man sich etwa einem Foto- und Bucharchiv, dem Naturschutz oder der deutsch-niederländischen Zusammenarbeit.

Obwohl die Einwohnerzahl Oldersums sich seit 1600 (von 800 auf 1565 Einwohner im Jahr 2007) nur knapp verdoppelt hat, herrscht ein reges Vereinsleben. Ganze 23 Vereine, Fördervereine und Gruppen sind vertreten. Kulturell erwähnenswert sind – neben dem 1903 begründeten Männergesangverein oder dem Shanty-Chor von 1979 – zudem jährliche Festlichkeiten wie der „Oldersumer Herbst“ (im September) oder die im Zwei-Jahrestakt stattfindenden „Oldersumer Schollentage“ (Ende Mai). Mit den im Herbst 2007 gegründeten „Oldersumer Puppenspölers“ hat sich aus kleinen Anfängen in einer Teestube zudem eine weitere Theatergruppe etabliert. Mit ihrer mobilen Bühne sind die sieben Puppenspielerinnen in Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern oder Altersheimen der Region unterwegs und spenden die Erlöse ihrer Auftritte für wohltätige Zwecke.

... und außerdem

Es gebe noch so viel mehr zu berichten aus dem kleinen Hafenort. Zum Beispiel, dass eine Oldersumer Familie am Großen Sieltief aus Begeisterung für den Fußballverein „Kickers Emden“ ihr Wohnhaus in den Vereinsfarben Blau und Weiß gestrichen hat.

Dass das Dorf als wahrscheinlich erstes auf der ostfriesischen Halbinsel mit Dr. Aldert Boersma im März 2014 einen niederländischen Haus- und Landarzt verpflichtete, nachdem sich kein deutscher Arzt finden lassen wollte, als der bisherige Landarzt das Pensionsalter erreicht hatte.

Oder dass täglich etwa 120 Güter- und Personenzüge der Deutschen Bahn durch den kleinen Ort fahren, obwohl der Oldersumer Bahnhof heute lediglich aus einer Schrankenwärterstelle besteht.

So verwundert es nicht, dass Ortsbürgermeister Albert Hirsch und seine Mitstreiter mit der Parkanlage am Sieltief, den beschriebenen Sehenswürdigkeiten und der gelebten Geschichte und Kultur im September 2014 eine namhafte Jury im Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ von den Vorzügen Oldersums überzeugen konnten.1

1 Quellentexte:

Arends, Silke: Ein Mann, der gerne motiviert. Über den Keerlke-Preisträger Jakob Janshen. In: Ostfriesland Magazin, Heft 5, 2003, S. 104-105.

Arends, Silke: Als die Emder Oldersum kauften. Augenblicke eines historischen Schauspiels. In: Ostfriesland Magazin, Heft 5, 2006, S. 6-7.

Arends, Silke: „De gerechte Waag“. Der Heimatverein Oldersum wird 50 Jahre. In: Ostfriesland Magazin, Heft 4, 2009, S. 168-169.

Arends, Silke: Die Reeperbahn von Oldersum. Die ehemalige Seilerei wird zum Museum. In: Ostfriesland Magazin, Heft 11, 2009, S. 14-17.

Arends, Silke: Früh übte man sich in Toleranz. Ein Stück zum Oldersumer Religionsgespräch. In: Ostfriesland Magazin, Heft 10, 2013, S. 92-95.

Bloem, Holger (Text) / Stromann, Martin (Fotos): Wasserreich Moormerland. Stilles, weites, schönes Land. In: Ostfriesland Magazin, Heft 4, 2013, S. 20-39.

Euhausen, Klaus: Oldersum. Landkreis Leer. Via: http://www.ostfrie-sischelandschaft.de/fileadmin/user_upload/BIBLIOTHEK/HOO/HOO_Oldersum. Eingesehen am 22.01.2015.

Haneborger, Lübbert R.: Der Landarzt mit dem gelben Nummernschild. Porträt des niederländischen Hausarztes von Oldersum, Dr. Aldert Boersma. In: Ostfriesland Magazin, Heft 4, 2015, S. 70-71.

Janhsen, Jakob: Der Bierkrieg und die alte Waage / Der Hafen / Der Junkersweg / Sturmflut 1962. Texte für den Audioguide „Oldersumer Hafenpfad“, 2014.

Kannegieter, Herbert: Oldersumer Chronik. Emden, Selbstverlag, 1987.

Lüppen, Karin: Alte Waage ist als Gästequartier beliebt. In: Ostfriesen Zeitung, Ausg. Aurich-Wiesmoor, 12.2.2015.

Marzinek-Späth, Edeltraud: Mehr als ein Kinderspiel. Die Oldersumer Puppenspölers. In: Ostfriesland Magazin, Heft 1, 2009, S. 12-13.

Requardt-Schohaus, Eva: Bald hundert Jahre – und topfit. Die Oldersumer Schleuse. In: Ostfriesland Magazin, Heft 4, 1993, S. 67-69.

Tirrel, Dennis: Der Kickers-Tempel von Oldersum. In: Ostfriesen Zeitung, 8.11.2014.

Wikipedia. Internet-Lexikon.

Joke & Harm

Und in diesem beschaulichen Ort namens Oldersum leben auch Joke Bruns und Harm Janßen. Sie sind zwei langjährige Mitarbeiter der örtlichen Werft und eigentlich rechtschaffene Ostfriesen. Wäre da nur nicht ihr geheimes Laster, überall etwas mitgehen zu lassen!

Und um dieses Laster zu verheimlichen und nicht selbst ins Netz der Polizei zu geraten, sind sie nicht zimperlich, wenn andere Übeltäter ihre Wege kreuzen, wenn Berufsverbrecher den Weg nach Oldersum finden oder boshafte Verdächtigungen auf ihnen lasten.

Joke Bruns, Werftarbeiter aus Oldersum – Verdacht: bandenmäßiger Diebstahl und grober Unfug

Harm Janßen, Werftarbeiter aus Oldersum – Verdacht: exzessiver Diebstahl und anfallsweiser Mundraub

Mit Bauernschläue, List und Tücke haben sie sich schon manches Mal ihrer Haut erwehrt. Sie haben (fast) immer Oberwasser, denn sie sind kernig, komisch und kleinkriminell. Aber mehr als das sind sie echte Oldersumer.

Deshalb sprechen sie die unmissverständliche Sprache der Küstenbewohner – und handeln auch danach. Und sie haben ein Motto, das sie selbst auf unnachahmliche Weise beschreibt:

„Well ’n Bült arbeidt, dürt ok mal ’n Stück mit na Huus nehmen!“*

* „Wer viel arbeitet, darf auch mal ’n Stück mit nach Hause nehmen!“

Die Fälle

Der ungebetene Zaungast

Der Fall:

Eine morgendliche Leiche am

Oldersumer Burgmodell

Die Personen:

Joke Bruns, Dreher auf der Schiffswerft Diedrich

Harm Janßen, Industriemechaniker auf Diedrichs Werft

Opa Sparringa, Pensionär auf Reisen

Focko Ukena, ehemals Fotograf, jetzt Leiche

und ein flüchtiger Ganove

Die Spielorte:

Oldersum im Allgemeinen

das Burgmodell an zentralem Ort

eine Bushaltestelle

Opa Sparringas Küche in der Sielstraße

eine Angelstelle am Kanal

Es war kaum fünf Uhr in der Früh, als zwei Männer in groben Arbeitshosen gemächlich durch den Ort schritten. Entlang der Emder Straße, vorbei an der Tankstelle und der ehemaligen Seilerei Diepen, überquerten sie die Brücke und richteten ihren inneren Blick auf Diedrichs Werft und eine Schiffsrenovierung, die auf ihren letzten Schliff wartete.

Sie waren nicht mehr die Jüngsten, die beiden Werftarbeiter: Joke Bruns und Harm Janßen hatten seit Jahrzehnten als Dreher und Industriemechaniker bei dem Oldersumer Schiffsbaubetrieb ihre Kräfte und Ideen gelassen. Aber immer noch sahen sie es gerne, wenn einer der überholten und frisch gestrichenen Inselversorger wieder Fahrt Richtung Küste aufnahm und dort täglich Tausende von Ostfriesland-Urlaubern zwischen Festland und Inselhafen übersetzte.

Die Beschaulichkeit in Oldersum mochten sie mit solch touristischer Aufgeregtheit nicht tauschen – die Beschaulichkeit nicht und auch nicht die Ruhe, denn sie waren keine Männer der vielen und erst recht keine der großen Worte. Und alles war gut und ging seinen gewohnten Gang, bis zu diesem Morgen, bis zu jenem Moment, als Joke seinen Kollegen unvermittelt am Ärmel riss und in Richtung des Burgmodells wies, wo eine menschliche Gestalt im frühherbstlichen Nebel am Boden lag.

Original

„Musst even kieken, Harm. Ik glööv, he hett ’n bietje to vööl hatt güstern Avend! Of sien Ollske hett

hum na buten sett!“ „Meenst dat?“, fragte Harm zweifelnd.

Übersetzung

„Musst eben gucken, Harm. Ich glaube, er hat ein bisschen zu viel (Alkohol) gehabt gestern Abend! Oder seine Alte hat ihn nach draußen (vor die Tür) gesetzt.“

„Meinst du das?“, fragte Harm zweifelnd.2

Beide gingen auf das Modell des Heimatvereins zu, auf den einstigen Wehr- und Prachtbau am Hafen, der bis 1631 der Herrlichkeit Oldersum ein Gesicht gegeben hatte und dem bis 1954 Flügel um Flügel verloren gegangen war.