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Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. "Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser. Ein strahlend blauer Himmel wölbte sich über der Berghütte. Die Morgenarbeit nach dem Frühstück war getan. Alois hatte Anna geholfen. Jetzt saßen die beiden auf der Terrasse und gönnten sich einen Kaffee. »Ich bin gespannt, was Toni zu erzählen hat. Das Gespräch mit Bürgermeister Fellbacher und dem Gemeinderat müsste ja nun zu Ende sein«, sagte Anna. »Des wird ablaufen, wie immer«, sagte Alois. »Alle werden dafür sein, nur Franz Huber ist dagegen. Dass des net seine eigene Meinung ist, des weiß in Waldkogel jeder. Nix, was der Huber im Gemeinderat sagt, ist auf seinem Mist gewachsen. Der Franz muss machen, was der Ruppert Schwarzer ihm sagt.« »Das stimmt, Alois. Trotzdem habe ich ein bisschen Mitleid mit dem Huber.« »Mei. Anna, so ist des net. Pass auf dein weiches Herz auf! Mit dem Bazi brauchst du kein Mitleid zu haben. Er ist selbst Schuld.
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Ein strahlend blauer Himmel wölbte sich über der Berghütte. Die Morgenarbeit nach dem Frühstück war getan. Alois hatte Anna geholfen. Jetzt saßen die beiden auf der Terrasse und gönnten sich einen Kaffee.
»Ich bin gespannt, was Toni zu erzählen hat. Das Gespräch mit Bürgermeister Fellbacher und dem Gemeinderat müsste ja nun zu Ende sein«, sagte Anna.
»Des wird ablaufen, wie immer«, sagte Alois. »Alle werden dafür sein, nur Franz Huber ist dagegen. Dass des net seine eigene Meinung ist, des weiß in Waldkogel jeder. Nix, was der Huber im Gemeinderat sagt, ist auf seinem Mist gewachsen. Der Franz muss machen, was der Ruppert Schwarzer ihm sagt.«
»Das stimmt, Alois. Trotzdem habe ich ein bisschen Mitleid mit dem Huber.«
»Mei. Anna, so ist des net. Pass auf dein weiches Herz auf! Mit dem Bazi brauchst du kein Mitleid zu haben. Er ist selbst Schuld. Niemand zwingt ihn, für den Schwarzer zu arbeiten. Er hat sich eben kaufen lassen, der Franz. ›Wessen Brot ich ess‹, dessen Lied ich sing, sagt eine alte Weisheit. Der Franz könnte anders, wenn er wollte. Aber er will net. Er müsste aus dem Haus ausziehen, das dem Schwarzer gehört, und sich eine Arbeit suchen. Aber das tut er nicht. Also musst du ihn nicht bemitleiden.«
»Du hast schon recht, Alois. Aber er ist doch sehr isoliert hier in Waldkogel. Selbst am Stammtisch will ihn niemand haben. Meta hat mir erzählt, dass er neulich ins Wirtshaus kam. Alle Plätze waren besetzt, nur am großen Stammtisch war noch ein Platz frei. Franz Huber wollte sich dazusetzen. Die Gespräche verstummten sofort. Alle sahen ihn an. Franz tat, als würde er es nicht bemerken und setzte sich. Dann riefen alle nach Xaver und wollten zahlen. Teilweise legten sie das Geld auf die Bierdeckel und verließen sofort die Wirtsstube. Sie hatten kurz zuvor eine neue Runde Bier bestellt und die Gläser waren fast noch voll. Nur Pfarrer Zandler blieb sitzen.«
»Das gehört sich auch so. Schließlich ist er Geistlicher. Ist der Franz nicht aufgestanden und gegangen, Anna?«
»Nein! Zandler lud ihn auf einen Obstler ein. Dann fragte er ihn, ob er mit ihm gehen wolle. Das konnte der Huber nicht ablehnen. Er ging dann mit Pfarrer Zandler hinaus.«
»Der Zandler ist ein feiner Kerl. Er hat dem Huber eine Eselsbrücke gebaut.«
Der alte Alois schüttelte den Kopf. »Der Franz hat die falschen Freunde, Anna. Mit Schwarzer und seinen Kumpanen will niemand freiwillig was zu tun haben. Ich verstehe nicht, dass er sich dieser Ablehnung aussetzt. Mei, des muss ihm doch peinlich gewesen sein.«
»Wie man’s nimmt, Alois. An ihm scheint die Ablehnung abzuprallen. Mal sehen, wie es nach den nächsten Gemeinderatswahlen ist. Es kann gut sein, dass Huber nimmer in den Gemeinderat gewählt wird. Das wäre wirklich gut für Waldkogel. Er blockiert alles. Ich bewundere Fritz Fellbacher. Er hat eine Engelsgeduld. Ständig diese unnötigen Verzögerungen und Einsprüche und Anträge!«
Der alte Alois grinste. »Da mach dir mal keine Gedanken. Fritz Fellbacher ist ein schlauer Fuchs und kennt das politische Geschäft in- und auswendig. Bisher hat Fellbacher den Huber und durch ihn den Schwarzer immer in die Schranken gewiesen. ›Wer anderen eine Grube gräbt, der fällt selbst hinein‹, Anna.«
Es dauerte nicht mehr lange, dann kam Toni über das Geröllfeld. Er setzte sich mit an den Tisch. Anna holte ihm einen Becher Kaffee.
»Und wie war es?«, fragte der alte Alois.
Toni trank einen Schluck Kaffee. »Der Gemeinderat ist dafür. Alle wollen helfen, ein Heimatmuseum ins Leben zu rufen. Die Idee wurde mit großer Begeisterung aufgenommen, hat mir Fellbacher erzählt. Zu zeigen, wie in Waldkogel vor hundert Jahren gelebt, gewohnt und gearbeitet wurde, hat die Fantasie aller Gemeinderatsmitglieder beflügelt.«
»Auch die von Huber-Franz?«, fragte der alte Alois.
»Das habe ich Fellbacher auch gefragt«, sagte Toni grinsend. »Huber habe nix gesagt, nur eifrig Notizen gemacht. Leut, ich sage euch, ein geeignetes Gehöft zu finden, wird nicht einfach werden. Fellbacher und der Gemeinderat sind sich einig geworden, einen großen Hof zu erwerben, komplett mit Wohnhaus, Stallungen, Scheune und Garten. Es stehen einige alte Höfe in Waldkogel zum Verkauf. Aber ich gehe jede Wette ein, dass Schwarzer alles versuchten wird, dabei querzuschießen. Die Immobilien sind bisher nicht öffentlich angeboten worden. Fellbacher weiß aber von seinem Freund Zandler, welche Erben sich mit dem Gedanken tragen, zu verkaufen. Nun ja, Fellbacher erzählte, dass es nicht zu vermeiden war, dass konkret über die Objekte gesprochen wurde. Die Gemeinderatsitzung war gestern Abend. Ich denke, bereits heute Morgen haben alle Erben ein Kaufangebot vom Schwarzer auf dem Tisch. Darauf könnte ich wetten.«
»Toni, du findest niemanden, der dagegen wetten wird. Wir alle kennen Schwarzer und seine Machenschaften«, grinste der alte Alois. »Seit Jahren versucht er, mit allen Tricks, sich hier breitzumachen.«
Toni nickte und grinste. Er warf Anna einen liebevollen Blick zu. »Ja, das versucht er, sogar die Berghütte wollte er an sich reißen. Das gelang ihm nicht. Und ich denke, niemand wird an ihn verkaufen. Da mache ich mir keine Sorgen.«
»›Geld regiert die Welt‹, Toni«, sagte der alte Alois. »Vielleicht wird irgendjemand irgendwann doch schwach und verkauft an ihn. Dann haben wir eine Laus im Pelz und des mitten in unserem schönen Waldkogel.«
»Das kann ich mir net vorstellen. Wenn wir alle zusammenhalten, dann wird es bleiben, wie bisher. Schwarzer wird keinen weiteren Fuß nach Waldkogel setzen können. Wenn bekannt gewesen wäre, was für ein Bazi er ist, dann wäre schon damals verhindert worden, dass er hier ein Haus kauft«, sagte Toni. »Die Waldkogeler wissen, dass Geld wirklich nicht alles ist. Ein gutes Nachbarschaftsverhältnis, also Freundlichkeit und Zusammenhalt, kann man nicht mit Geld kaufen. In Waldkogel haben Werte und Traditionen einen hohen Stellenwert. Gebe der Herrgott, dass des noch lange so bleibt und wir hier zusammenleben wie in einer richtigen Dorfgemeinschaft, in der man zusammenhält.«
Toni trank einen Schluck Kaffee. Er schaute kurz hinauf zum Gipfelkreuz auf dem ›Engelssteig‹.
»Die Engel auf dem ›Engelssteig‹, die wachen und schützen die Waldkogeler auf eine besondere Weise«, sagte Toni.
Er erinnerte sich daran, wie es damals war. Der alte Alois hatte der Gemeinde die sanierungsbedürftige Berghütte verkauft, da seine Söhne sie nicht übernehmen wollten, sah er keine Möglichkeit, sie zu halten. Die Gemeinde Waldkogel hatte das Dach der Berghütte neu decken lassen, da es nach vielen Jahrzehnten undicht war. Weil keine Straße auf die Berghütte hinaufführte, musste alles Baumaterial hinaufgeflogen werden. Das hatte die Sanierung sehr teuer gemacht. Währenddessen hatte Schwarzer über Huber Druck ausgeübt, dass die Gemeinde die Hütte ihm verkauft. Aber auch Toni hätte die Berghütte gern gekauft. Tonis Familie hatte zusammengelegt. Doch die Summe, die zusammenkam, deckte nicht die Unkosten der Gemeinde. Einen Kredit auf ihr Haus und die Gastwirtschaft bekamen Tonis Eltern nicht. Sie vermuteten, dass dahinter auch Schwarzer steckte, der als Immobilienhai, Bauunternehmer und Großinvestor über die besten Verbindungen verfügte. Doch dann begegnete Toni seiner großen Liebe. Er kämpfte um Anna. Und die gab für ihn ihr bisheriges Leben auf und überraschte ihn mit der Berghütte. Sie hatte den Kauf heimlich – mit Hilfe von Pfarrer Zandler und dem alten Alois – eingefädelt.
Toni lächelte vor sich hin.
»Also, um noch einmal zum Heimatmuseum zurückzukommen: Ich habe Fellbacher versprochen, mit dir zu reden, Alois. Du kannst eine Liste machen, wie das damals so war und was wichtig ist, um das Leben von vor hundert Jahren darzustellen.«
»Mei, Toni, ich bin noch keine hundert! Doch ich mache die Liste. Als ich ein kleiner Bub war, lebten meine Großeltern noch. Meine Eltern wohnten bei ihnen. Es war damals so, dass es eine gemeinsame Küche gab und eine gute Stube für alle, die zur Großfamilie gehörten. Als Rückzugsorte gab es nur die Schlafkammern. Meine Großmutter benutzte die Sachen, die Teil ihrer Aussteuer waren und die sie mit in die Ehe gebracht hatte.«
Alois bekam träumerische Augen, als er an seine Kindheit dachte.
»Gut, Toni, ich werde aufschreiben, an was ich mich erinnere. Ich werde auch in meiner Kammer kramen und wenn ich mal wieder drunten im Dorf bin, auf dem Dachboden stöbern. Es muss noch ein altes Fotoalbum geben. Daraus kann man bestimmt viele Anregungen bekommen.«
Der alte Alois trank einen Schluck Kaffee.
»Eigentlich wollte ich erst zum Herbst wieder runter in mein Haus. Aber ich kann eine Ausnahme machen. Wenn du das nächste Mal ins Dorf fährst, nimmst du mich mit, Toni! Ich bleibe eine oder zwei Nächte unten, sonst wird mir das zu anstrengend. Außerdem muss ich den Dachboden durchstöbern. Das macht viel Arbeit.«
Toni schlug vor, dass Sebastian und Franziska ihm dabei helfen könnten. Sie würden dann abends bei seinen Eltern übernachten. Anna fand, das sei eine gute Idee.
»Also, dann kommst du morgen mit mir runter, Alois.«
Sie einigten sich, dass sie vormittags hinunter zur Oberländer Alm wandern würden. Dort könnte sich Alois ausruhen und einen kleinen Schwatz mit Wenzel und Hilda Oberländer halten. Anschließend würden sie ins Tal fahren.
»Hilda und Wenzel haben bestimmt auch noch alte Sachen, die sie beisteuern können, Toni«, sagte Anna.
Alois wollte noch alte Freunde aufsuchen und sie ansprechen.
Damit war Toni wieder einen wichtigen Schritt weiter. Fellbacher hatte ihn gebeten, ihm bei der Organisation zu helfen. Toni hatte dem Bürgermeister gern seine Unterstützung zugesagt.
*
Es klingelte am Tor. Niklas, der Nico gerufen wurde, schaute auf seine Armbanduhr. Es war nach zwanzig Uhr. Er stand auf und ging zur Haustür. Durch die Glastür sah er seinen Freund Jochen vor dem Gartentor stehen. Er betätigte den Türöffner und machte die Haustür auf.
»Jochen, das ist ein Überraschung! Wo kommst du her?«
Die Freunde umarmten sich. Niklas bat Jochen herein. Sie gingen auf die Terrasse hinter dem Haus und setzten sich. Niklas bot Jochen etwas zu Essen an, doch der hatte unterwegs gegessen. So holte Niklas zwei Bier.
»Ich kann dir gar nicht sagen, wie ich mich freue, dich zu sehen. Wie lange ist es her, dass wir zusammen ein Bier getrunken haben?«
Sie prosteten sich zu.
»Es ist wirklich schon eine Weile her. Das ist eben so, wenn man Frau, Kinder, Familie und einen Beruf hat, der keinen Feierabend kennt, Nico. Da ist die Freizeit knapp bemessen. Ich war gerade in der Nähe und dachte, ich schaue mal vorbei, nachdem ich seit Wochen nichts mehr von dir gehört habe. So sehen wir uns wenigstens kurz. Wenn du erst mal verheiratet bist und mit Pia Kinder hast, wirst du auch erleben, dass die Zeit knapper wird. Wo ist Pia? Hat sie Dienst?«
»Wir haben uns getrennt«, sagte Niklas mit ruhiger Stimme und sah Jochen dabei nicht an.
»Wirklich? Das kommt überraschend für mich. Wann?«, staunte Jochen. »Ihr seid so ein schönes Paar gewesen. Auf unserm Polterabend waren sich alle sicher, dass ihr die Nächsten seid, die den Schritt vor den Traualtar wagen.«
Niklas lächelte bitter.
»Was ist?«, fragte Jochen.
»Ja, es gab eine Zeit, da konnte ich mir ebenfalls sehr gut vorstellen, dass ich mit ihr mein Leben verbringe. Wir verstanden uns gut. Manchmal dachten wir das Gleiche, bevor wir es aussprachen, wie es eben ist, wenn sich ein Paar gut versteht. Heute weiß ich, es war nur eine zuckersüße Oberfläche, wie bei einem Scherzartikelbonbon. Darunter schmeckte er nicht.«
Jochen lachte herzlich über den Vergleich.
»Entschuldige, Nico, aber der Vergleich ist wirklich komisch.«
»Tue dir keinen Zwang an, Jochen! Der Vergleich beschreibt es gut.« Niklas trank einen Schluck Bier.
»Hast du dich deshalb in den letzten Wochen nicht gemeldet?«, fragte Jochen.
»Ja, ich wollte mit niemanden darüber reden, weil ich nicht andauernd Rechenschaft darüber abgeben wollte. Ich kenne die Sprüche alle. ›Pia war doch so eine liebe junge Frau‹. Oder ›Jeder Mensch hat seine Ecken und Kanten‹. Ein weiterer Ratschlag war: ›Da muss man sich zusammenraufen‹ oder ›In jeder Ehe gibt es mal Streitereien oder Missverständnisse‹. Ich wollte nichts hören. Ich musste wieder lernen, allein zu sein und allein zu leben. Das gelingt mir jetzt besser, als in den ersten Tagen und Wochen. Doch ich werde noch eine Weile brauchen, bis ich ganz darüber weg bin.«
»Gut Ding will Weile haben und ›Zeit heilt alle Wunden‹. Das stimmt, aber keine Angst, jetzt bekommst du keine klugen Sprüche mehr von mir.«
»Jochen, es ist kein Liebeskummer. Das ist es nicht, was mich beschäftigt. Ich verstehe nicht, wie ich Pia so durch die rosarote Brille sehen konnte. Erst als wir vor einem Jahr zusammenzogen, begannen die Schwierigkeiten. Aus dem lieben, anschmiegsamen Kätzchen wurde eine Raubkatze, die den ganzen Tag faucht und angreift.«
»Wie meinst du das?«
»Bei ihr kam ein Charakterzug zum Vorschein, der das gemeinsame Leben immer schwieriger machte. Sie war herrschsüchtig. Alles wollte sie bestimmen. Sie bekam schon einen Wutanfall, wenn ich im Badezimmer meinen Kamm nicht an den Platz legte, den sie dafür vorgesehen hatte. Sie plante den ganzen Haushalt wie eine Feldherrin. Sie machte sogar einen Stundenplan, wann wer was zu machen hatte. Im Grunde ist das keine schlechte Idee. Aber sie verkehrt sich ins Gegenteil, wenn stur daran festgehalten wird. Sie konnte das bei ihrer regelmäßigen Arbeitszeit gut einhalten. Bei mir ist es nicht so einfach. Meine Termine richten sich nach meinen Kunden. Da muss ich flexibel sein. Was ist schon dabei, wenn abends der Abfall nicht in die Mülltonne kommt und ich ihn erst am nächsten Morgen hinausbringe? Was ist dabei, wenn ich, statt am Freitag, am Samstag mit dem Auto in die Waschstraße fahre? Sie setzte mich permanent unter Druck und wollte mich erziehen.«
Jochen machte große Augen. Er war sehr verwundert. So hatte er Pia nicht eingeschätzt. »Das klingt nach Hausfrauentyrannei.«
»Jochen, es klingt nicht nur so, es war so. Außerdem wollte sie mich überreden, im Unternehmen ihres Vaters anzufangen. Dass ich andere Pläne habe, das interessierte sie plötzlich nicht mehr. Es ist bitter für mich, feststellen zu müssen, dass sie mir etwas vorgemacht hatte. Sie ging mit mir auf jede Vernissage. Sie wusste, was mir Kunst bedeutet. Sie wusste auch, dass ich vom Erbe meines Vaters gut leben kann und ich seine Arbeit als Kunsthändler gern fortsetze. Unsere Eltern hatten mir und meinem Bruder immer die Wahl gelassen, was wir später machen wollten. Ich habe das Talent, das Kunstverständnis und die Liebe zur Kunst von meinen Vater geerbt. Mein Bruder Laurenz ist lieber Jurist und Betriebswirt geworden.«
»Wie geht es Laurenz?«, fragte Jochen.
»Er ist glücklich. Seine Frau Martina erwartet das dritte Kind. Sie wollten mich besuchen und hier in unserem Elternhaus die Ferien verbringen. Auch dachten sie daran, dass ich nach Pias Auszug Aufmunterung bräuchte. Aber das wollte ich nicht. Weißt du, Jochen, rede ich mit Laurenz über die Sache mit Pia, dann schwingt immer die Sorge des großen Bruders mit. Und meine Schwägerin Martina ist sehr lieb. Aber ich muss nicht bemuttert werden. Ich brauche nur Abstand. Ich hatte schon immer vor, das Haus umzubauen. Das werde ich jetzt in Angriff nehmen. Ich ziehe in die oberen Etagen. In den Anbau kommt ein Atelier. Hier im Erdgeschoss wird eine Galerie eingerichtet, die in den Garten übergeht. Dort stelle ich die Steinobjekte auf und größere Kunstwerke aus Metall. Ich will junge Künstler und unbekannte Maler entdecken und fördern.«
»Das ist doch eine gute Idee.«