Ein Heilgenlexikon - Wolfgang Kerbe - E-Book

Ein Heilgenlexikon E-Book

Wolfgang Kerbe

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Beschreibung

Wolfgang Kerbes Lyrik ist geprägt von Einflüssen des Zen, wie von katholischen Heiligenlegenden, von Walt Whitman, wie von modernem Poetry-Slam. Sie erzählt manche Geschichten und verhüllt andere in absichtlichem Obskurantismus.

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Inhaltsverzeichnis:

Achatius Klimax

Albertus Magnus

Allerheiligen

Alte Muster

An die namenlosen Heiligen

Anakletus I

Bruno

Buckelpiste

Christophorus

Daniel Comboni

Déjà vu

Déjà vu 2 (Goldberg Variationen)

Der Abschied

Der alte Wolf

Der Bauernbergpark Mann

Der Brunnen

Der Drachentöter

Der Golem

Der Goschpoidl

Der grüne Bogenschütze

Der Mondsee

Der Podagrist

Der Reisende

Der Schein

Der Schlaf

Der Schwammerlsucher

Der Wurm

Der Zerrissene

Der Zyklus

Desanthropomorphisierungskonzept

Die Hochzeit

Die Reise ins ICH

Die Zauberkönigin

Die Zeit

Dreizeiler

Emmeram von Regensburg

Epiphanius von Pisa

Fliegen II

Fursa

Genoveva Torres Morales

Geburtstag

Gedankenstrom

Georg von Kappadokien

Hemma von Gurk

Hieronymus

Ignazio de Santhià

Im Sumpf

Irenäus von Lyon

Josemaría Escrivá de Balaguer y Albás

Klemens Maria Hofbauer

Liebesgedicht (für Gabi)

Mind over matter?

Monolog des Uriel am Tag vor dem jüngsten Gericht

Müdigkeit

Ode an den Winter (in Zeiten der Klimaerwärmung)

One sweet day

Ornamentbrunzen

Reimfrei

Sackgasse

Schnitzelwirt

Schutzimpfung

Schwachsinn

Schwanengesang

Sprichwörtliches

Unterwäschenpoesie

Urszula Ledóchowska

Weihnachtszeit

Wiederkehr

Zwielicht

Achatius Klimax

Die Jakobsleiter rauf und runter

ja rauf das kennen wir doch!

Wo geht’s hier in den Keller?

zum Moloch, diesem alten Zündler

den wollen wir doch auch besuchen,

ihm beim Feuer machen helfen

doch nett ist es da unten nur

wenn man auch wieder gehen kann.

Drum bin ich Zeit meines Lebens

am Monte Latrum rumgesessen

und habe Leitern aufgestellt.

Leitern zu machen ist nicht schwer.

Sie dem Richtigen zu geben schon.

Keiner weiß ob er rauf oder runter will

wie lang sie sein soll

aus welchem Material

Die Standardeinheitsottonormalleitern

habe ich schnell unter dem Berg Latrum vergraben.

Dann war ich lang allein,

allein die Leitern zu erproben

und abzumagern.

Denn dünn steigt sich’s leichter

vor allem rauf.

Die Leitern zum Paradies

und all den andern Orten

darf ich betreuen,

bis ich genauso vergessen werde,

Doch eine Leiter habe ich dann noch,

eine Schweizer Taschenleiter.

Die werfe ich dann in die Luft

und so, wie ich es den anderen verboten habe,

steige ich auf ihr am Ende:

Irgendwohin

Albertus Magnus

Kreuzzugspredigender Naturwissenschaftler

in jedem Positivismusstreit würde ich obsiegen

jeder Neokonservative muss ein Bild von mir

unter seinem Kopfkissen liegen haben

Oder ein Zauberer

nur weil ich weiß dass Äpfel selten

aus eigenem Antrieb oder ohne äußere Kraft

nach oben fliegen

schon gar nicht die, die man sich im Paradiese überreicht.

Was bin ich nur?

Wer bin ich nur?

Meinen Schüler habt ihr höher gehoben als mich

obwohl ich auch den Aristoteles gelesen,

nein, ihn sogar verstanden habe.

Und in Regensburg hat es mich auch nicht

so lange gehalten wie meine Kollegen

den Wolfgang und den Emmeram

ja zaubern kann ich schon ein bisschen

das verrate ich im Geheimen

als Kreuzzugspredigender Schutzpatron

der Naturwissenschaftler

Allerheiligen

Allerheiligen, Allerseelen

dem Mut, dem Trost, dem Heil gewidmet

Heilig, dreifach sogar

an düsteren Novembertagen

an Grabstätten vorbei

durch gelbe, weiße, rosa Blumen

wandeln viele

doch nicht alle

Allerheiligen müde Seelen

die Blätter fallen von den Bäumen

bedecken das Gras zwischen den Gräbern

aller Heiligen und aller Seelen

die nicht mehr unter uns sind

und trotzdem da

niemals verloschen

in Mut, Trost und Heil

ein Sonnenaufgang im Nebel

feine Tropfen umschweben mein Gesicht

heller wird es außen

und wärmer innen drinnen

zwischen den Gräbern, auf dem Laub

das von den Bäumen gefallen ist

zwischen den Blumen hindurch

rosa, weiß und gelb

lasst uns ein Fest feiern

zum Gedenken an alle Heiligen

alle Seelen

und lasst uns stark sein

dass all ihre Präsenz uns nicht übermannt

über dem Laub

sondern uns Trost gibt und Mut und Heil

Alle Heiligen, Allerseelen

mitunter bedrückt es mich

dass viele nicht mehr da sind

doch sehe ich die Blätter, die Blumen

den Nebel, das Licht

ich spüre sie, die Millionen

ganz nah bei mir

und doch nicht bedrohlich

eher beschützend

und sie spenden Mut, Trost und Heil

Ich gehe nach Hause

und alle Seelen aller Heiligen

kommen mit mir

und bleiben doch auch dort

wo sie noch hingehören.

Alte Muster

Alte Muster niederzuschreiben, nachdem sie aufgebrochen sind

alte Lieder zu singen, bevor du sie vergessen hast

noch ältere Lieder zu hören, bevor sie überhaupt vergessen sind.

Die richtige Zeit zu erkennen um die rechten Dinge zu tun

nicht im Alkohol zu versinken, wenn niemand mit dir teilt

nicht mehr zu reden, als Meister Ryokan empfiehlt

das Selbst zu finden indem du es vergisst

die Künste zu achten, so niedrig sie auch scheinen mögen

den Tropfen Wasser ins Meer zurück zu werfen

hier zu sein, im Hier und Jetzt

die alten Muster zu beherrschen, nachdem man sie erkannt hat

und sie zu erkennen, nachdem man sie in ihrer Alltäglichkeit

entlarvt hat

Öfter im Buch der Weisheit zu lesen, als diese zu verkünden

da zu sein, wenn der Freund dich braucht

die alten Muster nicht zu verehren, sondern sie abzulegen

An die namenlosen Heiligen

Es gibt wohl das Grab des unbekannten Soldaten

den Friedhof der Namenlosen

aber wo gedenke ich eurer?

Die Kirche der namenlosen Heiligen,

gibt es sie denn?

unwissend, wie ich bin,

habe ich sie noch nicht mit Google gesucht

noch nicht in der Bibliothek nach ihnen geforscht

noch keine Datenbank befragt

noch nicht einmal einen Freund

und doch gibt es sie

die spurlos Verschwundenen

die Märtyrer ohne Andenken

die unbekannten Verkünder des Glaubens.

Oder sind sie nicht allgegenwärtig

da draußen, auf der Straße

in der Kälte, in irgendeinem Krieg

in irgendeiner Katastrophe

einer Hungersnot, einem Orkan.

Kann man nicht ohnehin von ihnen erfahren,

wenn man zwischen den Zeilen lesen kann,

wenn man in die Sprünge und Risse schaut

und Gänseblümchen so liebt, wie Orchideen,

Zecken wie Wale dem Naturschutz unterwirft

die Farben sieht, jenseits von schwarz und weiß

ich aber werde nun täglich zu ihnen beten

ich werde auch täglich für sie beten

damit sie hervorkommen können

aus dem Schatten, dem Zwielicht, der Dunkelheit,

dass sie erkannt werden

geschätzt, geliebt, verehrt

so wie die anderen im Heiligenlexikon.

Und schließlich wird auch jemand anderer

eine Kerze für sie anzünden

und noch eine,

bis dass ein Feuerschein ihre Geschichte erzählt

und sich bedankt

für all ihre Taten.

Anakletus I

Ein unbekannter Soldat der doch einen Namen trägt

ein Namenloser der doch einen Namen trägt

zu hohen Ehren gelangt

und doch vergessen

ein Meister, ein Kämpfer, ein Verfolgter?