Ein Idiot kommt selten allein - Claudia Hochbrunn - E-Book

Ein Idiot kommt selten allein E-Book

Claudia Hochbrunn

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Beschreibung

Alle Idioten - außer mir! Ob Miesmacher, Moralapostel, übertriebene Optimisten oder Märchenerzähler – wo man auch hinschaut, begegnen einem Idioten. Sie nerven und belästigen uns bei der Arbeit, während der Freizeit, im Internet und in der Politik. Wie wachsen diese Menschen heran und was macht sie aus? Welche Arten von Idioten gibt es? Und wie geht man am besten mit ihnen um? Claudia Hochbrunn analysiert mit viel Witz und scharfer Zunge die verschiedenen Persönlichkeitstypen und zeigt, wie wir mit ein wenig Feingefühl, ein bisschen Geduld und dem ein oder anderen Trick in der Kommunikation mit ihnen fertig werden.

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Seitenzahl: 217

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Claudia Hochbrunn

Ein Idiot kommt selten allein

Wie Sie Moralaposteln, Miesepetras und anderen schwierigen Zeitgenossen Paroli bieten

 

 

 

Über dieses Buch

Alle Idioten – außer mir!

Ob Miesmacher, Moralapostel, übertriebene Optimisten oder Märchenerzähler – wo man auch hinschaut, begegnen einem Idioten. Sie nerven und belästigen uns bei der Arbeit, während der Freizeit, im Internet und in der Politik. Wie wachsen diese Menschen heran und was macht sie aus? Welche Arten von Idioten gibt es? Und wie geht man am besten mit ihnen um? Claudia Hochbrunn analysiert mit viel Witz und scharfer Zunge die verschiedenen Persönlichkeitstypen und zeigt, wie wir mit ein wenig Feingefühl, ein bisschen Geduld und dem ein oder anderen Trick in der Kommunikation mit ihnen fertigwerden.

Vita

Claudia Hochbrunn ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Sie arbeitete viele Jahre lang in verschiedenen psychiatrischen Kliniken, beim Sozialpsychiatrischen Dienst, sowie im forensischen Maßregelvollzug mit Schwerverbrechern. Zum Schutz ihrer Patienten verfasst sie ihre Bücher unter Pseudonym.

Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, März 2023

Copyright © 2023 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

Covergestaltung zero-media.net, München

Coverabbildung FinePic®, München

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-644-01362-9

www.rowohlt.de

 

Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.

Inhaltsübersicht

Eine Gebrauchsanweisung anstelle eines Vorwortes

Die Evolution der schwierigen Zeitgenossen

Der Miesmacher

Der übertriebene Optimist

Der Missionar

Der Fanatiker

Der Moralapostel

Der Mitläufer

Der Nestbeschmutzer

Der Märtyrer

Der Märchenerzähler

Der Feigling

Der Selbsttest – welcher Typ bin ich?

Auswertung des Tests

Die besten Strategien im Umgang mit Schwierigen Zeitgenossen

Der richtige Umgang mit dem Miesmacher

Der richtige Umgang mit dem übertriebenen Optimisten

Der richtige Umgang mit dem Missionar

Der richtige Umgang mit dem Fanatiker

Der richtige Umgang mit dem Moralapostel

Der richtige Umgang mit dem Mitläufer

Der richtige Umgang mit dem Nestbeschmutzer

Der richtige Umgang mit dem Märtyrer

Der richtige Umgang mit dem Märchenerzähler

Der richtige Umgang mit dem Feigling

Fazit –Warum wir alle schwierige Anteile in uns tragen

Eine Gebrauchsanweisung anstelle eines Vorwortes

Haben Sie in letzter Zeit auch immer häufiger das Gefühl, die Welt wäre voller Idioten und Besserwisser? Egal wohin man schaut, überall trifft man Leute, die glauben, sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen und müssten deshalb überall ihren Senf dazugeben. Hieß es früher noch, wir seien ein Volk vo 83 Millionen Bundestrainern, wenn mal wieder irgendein fußballerisches Großereignis anstand, so ist in letzter Zeit immer häufiger die Rede von 83 Millionen Virologen oder einer gleichen Anzahl von Klimaforschern.

Natürlich ist so eine Verallgemeinerung keine besondere Intelligenzleistung, denn derartige Slogans werden oft genug dazu missbraucht, andere Ansichten zu entwerten. Man packt die Menschen einfach ohne Unterschied in eine große Kiste, erklärt ihre Meinungen für irrelevant und fühlt sich selbst großartig. Die anderen sind die Idioten, man selbst hat es durchschaut. Die sozialen Netzwerke tun das Ihrige dazu und bieten jeder dieser Gruppen die passenden Slogans an, mit denen sie ihr Gegenüber mundtot machen können. Memes werden geteilt, die mal mehr, mal weniger intelligent Andersdenkende im besten Fall karikieren, im schlimmsten Fall hasserfüllt beleidigen.

Und leider ist niemand davor gefeit, selbst in derartige Verhaltensweisen zu verfallen. Es ist einfach zu verlockend, sich selbst für moralisch unfehlbar zu halten und umso unbarmherziger auf andere einzuschlagen. Im Mittelalter wurden unliebsame Mitmenschen als Hexen oder Ketzer verbrannt, und die Täter glaubten, sie handelten in Gottes Namen, ohne zu erkennen, dass sie dabei die Mittel seines Konkurrenten verwendeten. Aber auch das ist letztlich Ansichtssache.

In der heutigen Zeit verschwimmen die scharfen Trennlinien zwischen Gut und Böse immer mehr. So ist der Teufel in Form von Lucifer Morningstar in einer beliebten Fernsehserie ein total sympathischer Typ, während sein Zwillingsbruder, der Erzengel Michael, ein absolutes Arschloch ist. Zeitgleich hat Gott mit einer Demenz zu kämpfen und will deshalb in den Ruhestand gehen. Im Grunde verraten uns die beliebtesten Serien schon sehr genau, wie es um unsere Welt bestellt ist. Eigentlich sehnen wir uns danach, alte Strukturen und Denkmuster aufzubrechen und mehr Toleranz zu leben. Aber während der sympathische Serienteufel bei der Wahl um Gottes Nachfolge einen Erzengel aussticht und damit sehr deutlich zeigt, dass es kein einfaches Schwarz oder Weiß mehr gibt, wird die Kluft zwischen den Menschen in der Realität immer größer. Wer versucht, vermittelnd einzugreifen und zu diskutieren, erlebt oft genug, dass er die verfeindeten Gruppen nur dadurch eint, dass er sich selbst als gemeinsames Feindbild anbietet. Kompromisse sind für viele Leute uncool geworden, denn wer sich moralisch im Recht glaubt, ist nicht gewillt, auch nur einen Zentimeter von seiner Meinung abzuweichen. Lieber entwertet er sein Gegenüber, indem er es je nach eigener Weltanschauung als linksgrün versifft, faschistisch, rassistisch, islamistisch, ungläubigen Hund, Nazi, Kommunist oder Gutmensch bezeichnet (diese Liste ist nur ein kleiner Ausschnitt üblicher Beschimpfungsformen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

Allerdings hat die Geschichte gezeigt, dass Kompromisse nicht nur für ein angenehmes Arbeitsklima, sondern auch für das Gedeihen eines Staatsgefüges und letztendlich der ganzen Weltgemeinschaft zwingend erforderlich sind. Leider sind immer nur jene Menschen zu Kompromissen bereit, die in der Lage sind, die Perspektive ihres Gegenübers einzunehmen. Wer sich selbst als absolutes Maß aller Dinge sieht, will bekehren und diese Bekehrung im Zweifelsfall auch mit Gewalt durchsetzen. Beispiele dazu zeigen religiöse Streitigkeiten aller Art, die unseren Planeten vom Anbeginn der Religionen bis heute erschüttern.

Seit die sozialen Netzwerke ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens geworden sind, hat jeder, der über einen Internetzugang verfügt, die Möglichkeit, Andersdenkende aus der Ferne heraus zu beschimpfen. Die große gesichtslose Masse kann in Form von Shitstorms ganz unblutig zur Hexenverbrennung oder zum Kreuzzug im übertragenen Sinne aufrufen. Sie kann ganze Existenzen vernichten und sich dabei großartig fühlen.

Möglicherweise ist die Welt auch einfach nur demokratischer geworden. Wenn man es ganz ehrlich betrachtet, ist es auch eine große Errungenschaft, dass nun jeder Idiot die Möglichkeit hat, seine Meinung in die Welt zu blasen und wissenschaftliche Erkenntnisse infrage zu stellen. Eine gesunde Demokratie wird das aushalten, auch wenn die Gefahr besteht, dass ein Idiot mit vielen Followern eine größere Reichweite erzielt als eine Wissenschaftlerin, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit keine Zeit hat, ständig in den sozialen Netzwerken herumzuhängen. Übrigens trifft das auch auf viele andere Menschen der normalen Durchschnittsbevölkerung zu, weshalb Shitstorms grundsätzlich nur die repräsentieren, die ständig im Internet rumhängen können, da sie entweder keine festen Arbeitszeiten haben oder sozial so isoliert sind, dass sie nach Feierabend lieber ihren Frust ins Netz blasen, weil sie keine Freunde im wirklichen Leben haben.

Wer mein Buch Ein Arschloch kommt selten allein kennt, der weiß, dass vieles im Auge des Betrachters liegt. Niemand ist frei von Fehlern, und jeder glaubt, das Richtige zu tun. Und vielleicht sind diejenigen, die wir für Idioten halten, in Wirklichkeit ganz nette Zeitgenossen, wenn man mal von ihren Macken absieht. Aber um die netten Anteile dieser Menschen zu finden, muss man sich näher mit ihnen befassen. Verständlicherweise neigen die meisten Leute dazu, Menschen mit skurrilen Meinungen zu meiden. Im privaten Umfeld bekommen sie im Zweifelsfall Hausverbot, in den sozialen Netzwerken erfüllt die Funktion «Blockieren» diese Aufgabe. Deshalb kann jeder gemütlich in seiner eigenen Blase bleiben, Feindbilder pflegen und die Spaltung der Gesellschaft vorantreiben. Denn man selbst ist ja immer der Gute, weil man der Held oder die Heldin in seiner eigenen Geschichte ist.

Dieses Buch soll auf unterhaltsame Weise helfen, scheinbar skurrile Menschen besser zu verstehen und zugleich eigene problematische Verhaltensweisen zu erkennen und zu hinterfragen. Außerdem soll es dabei helfen, Strategien zu entwickeln, damit man sich in einer Diskussion mit schwierigen Zeitgenossen nicht mehr so hilflos fühlt, sondern sie schneller durchschaut und adäquat darauf reagieren kann.

Natürlich ist alles mit einem Augenzwinkern zu verstehen. Wer bierernste Analysen erwartet und nicht in der Lage ist, über sich selbst zu lachen, ist hier falsch. Humor ist der wichtigste Abwehrmechanismus, den wir Menschen haben. Wer nicht alles ernst nimmt, ist schneller bereit, anderen zu verzeihen.

Und wer weiß, vielleicht ist so manch einer, den man in den sozialen Netzwerken für einen widerlichen Troll hielt, in Wirklichkeit ein netter Mensch, dem man einfach nur mal eine Chance geben müsste.

Aber nicht, dass Sie mich missverstehen. Alles zu verstehen, heißt keinesfalls, alles zu verzeihen. Oft genug sind klare Grenzen notwendig im menschlichen Miteinander – aber sie sollten gesichtswahrend gezogen werden, um sich keinen Feind fürs Leben zu schaffen.

Natürlich gibt es die hier vorgestellten Typen nicht ausschließlich in ihrer Reinform. So wird jeder Mensch beim Lesen sicherlich auch die eine oder andere Eigenschaft bei sich selbst finden, die dann aber von anderen Eigenheiten abgemildert wird. Aus diesem Grund gibt es in der Mitte des Buches auch einen Selbsttest, wo jeder selbst feststellen kann, zu welcher Gruppe er besondere Affinität hegt. Im letzten Teil werden dann Strategien benannt, wie man mit diesen schwierigen Zeitgenossen am besten umgehen sollte.

 

Dieses Buch soll helfen, Menschen besser zu verstehen und Gräben zu überwinden, ohne sich dabei selbst den Idioten unterzuordnen. Wobei auch diesmal wieder gilt: Der Idiot liegt immer im Auge des Betrachters.

Die Evolution der schwierigen Zeitgenossen

Wir alle kennen sie, die Miesmacher, die Fanatiker, die übertriebenen Optimisten, Moralapostel und viele mehr. Doch warum wird ein Mensch so? Vieles davon ist in unserer Kindheitsentwicklung begründet. Unsere frühen Erfahrungen prägen uns. Aber nicht alles lässt sich damit erklären, denn viel häufiger sind negative Verhaltensweisen, die wir uns erst als Jugendliche oder Erwachsene aneignen. Auf den ersten Blick erleichtern uns diese Angewohnheiten das Leben, sonst hätten wir sie nicht so sorgsam kultiviert. Aber auf den zweiten Blick schaden sie mehr, als dass sie nutzen. Wäre beispielsweise Klauen erlaubt, warum sollte man dann noch arbeiten, wenn man sich alles ohne Gegenleistung nehmen kann? Natürlich weiß jeder mit klarem Verstand, dass niemand mehr etwas produzieren würde, wenn er für seine Arbeit keinen Gegenwert erhält. Also schufen die Menschen Regeln im Miteinander, die sicherstellen sollen, dass jeder seinen gerechten Anteil an der Arbeit trägt. Letztlich geht es nämlich immer darum, dass Menschen Angst haben, auf die eine oder andere Weise zu kurz zu kommen oder übervorteilt zu werden. Das betrifft nicht nur das Materielle, sondern auch ideelle Werte, wenn sie daran gehindert werden, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es gern wollen.

 

Die meisten Kinder und Jugendlichen stecken voller Idealismus und wollen alles besser machen als ihre Eltern. Deshalb stellen sie in der Pubertät erst einmal alles infrage. Das ist auch völlig richtig, denn wenn niemals jemand etwas infrage gestellt hätte, wäre die Menschheit heute vermutlich noch nicht einmal auf dem Steinzeitniveau angekommen. Stellen Sie sich mal vor, wie eine der heutigen Diskussionen von Eltern mit Kindern im Teenageralter wohl in der Steinzeit ausgesehen hätte:

«Das kommt gar nicht infrage! Nur weil die Grumpfs offenes Feuer in ihrer Höhle haben, musst du nicht auch noch mit solchen Ideen ankommen. Jeder vernünftige Urzeitmensch weiß doch, dass Feuer gefährlich ist.»

«Aber Mama, bei den Grumpfs ist es viel wärmer. Und außerdem hat Papa Grumpf sich aus einem Holzpfahl und einem spitz geschlagenen Stein eine Waffe gebaut, mit der er Tiere töten kann, und die schmecken frisch gebraten viel besser als das angefressene Aas, das Papa immer sammelt.»

«Ja, und was ist mit Onkel Grumpf passiert? Der ist bei der Mammutjagd tödlich verunglückt. Da lob ich mir doch deinen Papa, der geschickt genug ist, die Geier rechtzeitig vom Aas zu vertreiben. Dieses gefährliche neumodische Zeugs kommt mir nicht in die Höhle!»

 

Wenn wir bei diesem Beispiel bleiben, wird unser Steinzeit-Teenager irgendwann eigene Erfahrungen machen. Und je nachdem, wie die verlaufen, bilden sich seine späteren Verhaltensweisen heraus.

Sollte er bei Familie Grumpf positive Erfahrungen machen und sich zu einem Grillexperten und exquisiten Steinschläger entwickeln, wird er diese Erkenntnisse an seine eigenen Kinder weitergeben. Seine Eltern werden sich zwar darüber beklagen, dass die Jugend von heute der Untergang sei, aber spätestens im Alter werden sie froh sein, dass ihr Kind genügend Mammutfleisch von der Jagd heimbringt und die Höhle im Winter mit Feuer heizen kann.

Sollte unser Steinzeit-Teenie jedoch zwei linke Hände haben, sich beim Spiel mit dem Feuer kräftig verbrennen und außerdem beide Daumen beim Bearbeiten von Steinzeitwerkzeug blau hauen (und dafür womöglich noch ausgelacht werden), wird er sich mit Sicherheit dem konservativen Ideal seiner Eltern anschließen. Feuer ist gefährlich, Steinzeitwerkzeuge sind was für Tierquäler, denn ein anständiger Urmensch tötet keine Tiere, sondern lebt von Beeren und Aas.

Tatsächlich wird auf diese Weise die massive Kränkung überspielt, die im eigenen Versagen liegt. Und selbst wenn unser Steinzeit-Teenie nicht ausgelacht wurde, so spürt er dennoch seine Unterlegenheit im Vergleich zu anderen, weil er mit den neuen Errungenschaften nicht so gut zurechtkommt. Aber kein Mensch will sich unterlegen und damit minderwertig fühlen. Er braucht etwas, worin er selbst gut ist. Wozu soll er sich weiter mit seinen Eltern streiten, die diese modernen Spinnereien, die ihm selbst auch nur Enttäuschungen gebracht haben, ablehnen? Also versöhnt er sich mit ihnen und lästert dann gemeinsam mit ihnen über die Familie Grumpf. Man sucht nach Fehlschlägen und erfreut sich daran, dass man selbst durch die Wahrung der Traditionen davor gefeit ist. Man selbst hat schließlich noch nie einen Onkel bei der Mammutjagd verloren. Dass der Papa ein Auge beim Kampf mit einem Geier um ein Stück Aas eingebüßt hat, wird runtergespielt, schließlich hat Papa ja noch ein zweites Auge. Es ist anzunehmen, dass auf diese Weise die Schadenfreude erfunden wurde.

Im Folgenden wollen wir uns jetzt mit den einzelnen Typen befassen, die uns mit ihren skurrilen Verhaltensweisen im besten Fall ein Kopfschütteln abnötigen und im schlimmsten Fall zur Weißglut treiben.

Der Miesmacher

Der Miesmacher ist ein Menschentypus, der in allem immer nur das Schlechte sieht. Freude ist ihm fremd, und selbst wenn er Erfolg hat, kann er ihn nicht genießen, sofern er nicht der Beste ist. Noch unangenehmer ist die Tatsache, dass er auch anderen Menschen die Freude an Dingen verleidet. Er findet nicht nur ein Haar in der Suppe, sondern mindestens einen Zopf, wenn nicht gar eine vollständige Perücke. Aus diesem Grunde ist der Miesmacher gefürchtet und nicht sonderlich beliebt.

 

Der Oberbegriff des Miesmachers umfasst zwei sich ähnelnde Untertypen, die jedoch einige Unterschiede aufweisen, die man beachten muss, wenn man die richtigen Umgangsstrategien mit ihnen finden will.

 

So gibt es den Miesmacher in seiner Vollausprägung, der mit allem unzufrieden ist und beim Schlechtmachen auch vor sich selbst nicht haltmacht. Dieser Menschentypus ist auch als Miesepeter bekannt. Für Frauen hat sich der Begriff der Miesepetra zwar noch nicht durchgesetzt, aber es spricht nichts dagegen, diesen zu verwenden.

 

Der zweite Typus ist der Neidhammel, der immer nur das schlechtmacht, was er nicht selbst haben kann. Wer auf korrektes Gendern Wert legt, kann weibliche Neidhammel selbstverständlich auch neidische Zicke oder kurz Neidzicke nennen.

1. Der Miesepeter

Dieser Menschentypus hat in seiner frühesten Kindheit oft Zurückweisungen von seinen Eltern erfahren. Häufig hatten sie keine Zeit, sich mit ihm zu beschäftigen, oder haben Versprechen nicht eingehalten. Klassisch für die Kindheit des Miesepeters sind gemeinsame Erlebnisse mit der Familie, auf die er sich lange gefreut hat und die dann ohne nachvollziehbaren Grund abgesagt wurden. Wenn dem Kind beispielsweise lange ein Zoobesuch versprochen war, aber die Eltern den Ausflug plötzlich canceln, ist die Enttäuschung bei jedem Kind groß. Der Unterschied zwischen dem Miesepeter und anderen Kindern besteht in der Art, wie die Eltern damit umgehen. Während manche Eltern ihren Kindern offen erklären, warum sie den Ausflug absagen mussten – also beispielsweise, weil Mutti als Krankenschwester plötzlich für eine Extraschicht einspringen muss –, reagieren die Eltern künftiger Miesepeter völlig anders. Sie glauben, die Enttäuschung ihres Kindes besser lindern zu können, indem sie an seinen Verstand appellieren: «Sieh mal, so ein Zoo ist doch eigentlich Tierquälerei. Da sind die Tiere nur eingesperrt, und die wären doch viel lieber in freier Natur. Das kann man sich als anständiger Mensch doch gar nicht antun. Wir tun den Tieren doch einen viel größeren Gefallen, wenn wir das nicht länger unterstützen.»

Und schon darf das enttäuschte Kind sich nicht mehr darüber ärgern, dass es nicht in den Zoo kam. Schließlich würde es durch einen Zoobesuch automatisch zu einem Tierquäler werden, der sich an dem Elend eingesperrter Mitgeschöpfe ergötzt. Das Gemeine daran ist, dass es den Eltern überhaupt nicht um das Tierwohl geht. Sie wollen nur moralisch edel dastehen, um eigene Ziele durchzusetzen (meistens handelt es sich dabei um Moralapostel, die wir später kennenlernen werden). Unbewusst spürt das Kind das auch, aber es ist noch nicht in der Lage, diese Gefühle richtig einzuordnen. Es fühlt sich einfach nur unwohl und schiebt das auf sein schlechtes Gewissen wegen der armen Tiere, die in Käfigen leiden müssen.

Wenn nun in der Schule andere Kinder von ihrem Wochenendausflug in den Zoo schwärmen, spürt der neu heranreifende Miesepeter erneut einen Anflug von Neid und Traurigkeit, aber das darf er sich nicht eingestehen. Er will ja niemanden darum beneiden, sich der Riege der Tierquäler angeschlossen zu haben. Also reagiert der kindliche Miesmacher genauso auf die Erzählungen der anderen Kinder, wie seine Eltern auf ihn reagiert haben. Er hält ihnen Vorträge über Tierquälerei, wie abscheulich Zoos sind und dass ein anständiges Kind die niemals betreten würde, weil es sich sonst sofort mitschuldig macht. Falls er noch in der 1. Klasse der Grundschule ist, wird er damit vermutlich Erfolg haben und lauter erschütterte Kinder zurücklassen. Sollte er bereits in der 4. Klasse sein, ist es nicht mehr ganz so einfach, hier riskiert er, von selbstbewussten Kindern ausgelacht oder als Neidhammel beschimpft zu werden.

Dabei ist er sich im Gegensatz zu einem Neidhammel gar nicht darüber bewusst, dass er wirklich neidisch ist. Er hat die Neidgefühle ganz tief in seinem Herzen vergraben und bekämpft sie, indem er sich zum Rächer schwacher Zootiere aufschwingt. Wenn es hart auf hart kommt, wird er die Ehre der armen Zootiere mit der Faust verteidigen und blutige Nasen der unbelehrbaren Zoobesucher in Kauf nehmen. Dass diese Attacken eigentlich seinen Eltern gelten, die ihn enttäuscht haben, wird ihm erst in zwanzig Jahren während seiner ersten Psychotherapie bewusst werden.

Da der jugendliche Miesepeter zu Hause ständig mit Eltern zu tun hat, die zwar unzuverlässig sind, aber für alles logisch klingende Ausreden zur Hand haben, wird er sein Verhalten immer mehr anpassen. Es hat ja auch Vorteile, ein Miesmacher zu sein. Wer die hohe Kunst des Miesmachens beherrscht, kann problemlos Kritiker werden, sei es für Literatur oder die neue Vielzweckgartenschere, die sofort stumpf wurde, obwohl man damit nur sieben Bäume beschnitten hat.

Ein Miesmacher hat zahlreiche Möglichkeiten, Anerkennung zu bekommen, seit es das Internet gibt. Gerade Bewertungsportale für Hotels, Gastronomie, Ärzte oder bei Onlinehändlern sind die ideale Spielwiese für den Miesepeter. Hier kann er zeigen, was er gelernt hat. Der Miesepeter begnügt sich im Gegensatz zum Neidhammel nicht damit, einfach nur eine nichtssagende Rezension zu verfassen und dann einen Stern zu geben. Nein, der echte Miesepeter ist ein Virtuose, der sich Zeit lässt und für einen guten Verriss mehr Energie aufbringt als so manche Politikgröße für ihre Doktorarbeit. Er will das Gegenüber mit seinem Verriss treffen und verletzen, so sehr, wie das Leben ihn selbst ständig verletzt.

Manchmal treibt das sehr skurrile Blüten, wenn der Miesepeter nicht erkennt, wo er die Grenze ziehen sollte. Ein echter Miesepeter bewertet alles. Wenn man Miesepeter in voller Aktion erleben will, sollte man sich bei einem bekannten Onlinehändler, dessen Name an kriegerische Frauen erinnert, die 1-Sterne-Rezensionen über Sexspielzeug durchlesen. Aber bitte nur im Inkognito-Modus, falls man keinen Wert darauf legt, später ständig entsprechende Werbung zu bekommen. Es ist kaum zu glauben, wie detailreich da über zu scharfe Nähte bei aufblasbaren Gummipuppen geklagt wird, an denen der Rezensent sich verletzt hat. Überhaupt sind negative Online-Rezensionen zu allen möglichen Gegenständen eine wahre Fundgrube, wenn man die Psyche seiner Mitmenschen studieren will.

Wenn der Miesepeter sehr erfolgreich ist, schafft er es mit seinem Verhalten häufig in Talkshows oder sogar in die Spitzenpolitik.

Miesepeter in der Politik zeichnen sich durch eine besondere Eloquenz in ihrer Argumentation aus, wenn sie andere auseinandernehmen. Sie sind hervorragend vorbereitet und lassen am politischen Gegner kein gutes Haar. Das Hauptproblem besteht darin, dass sie zwar ausgezeichnete Analysen abfassen, was alles schiefläuft, aber nicht in der Lage sind, konstruktive Lösungsvorschläge anzubieten. Allerdings ist es von Vorteil, einen Miesepeter im Wahlkampfteam zu haben, sofern man auch wenigstens zwei übertriebene Optimisten hat, die konstruktive Vorschläge liefern, während der Miesepeter die Konkurrenz demontiert.

Wenn es um eigene Erfolge geht, fällt es dem Miesepeter oft sehr schwer, einen Sieg zu genießen. Er ist es so sehr gewohnt, sich immer sofort auf das Schlechte zu fokussieren, dass er seine Erfolge schon mal übersieht oder kleinredet. Das kann in der Politik von Vorteil sein. Ein Miesepeter ist die perfekte Besetzung als Deutscher Bundespräsident, der ja von Berufs wegen ständig mahnen und tadeln und an die deutsche Verantwortung erinnern muss. Da ein echter Miesepeter sich auch immer sehr gut auf alles vorbereitet, kann er somit staatstragende und viel bejubelte Reden schwingen, vor allem, wenn es um Gedenktage rund um die Weltkriege oder Naturkatastrophen geht.

Als Bundeskanzler wäre ein Miesepeter allerdings ungeeignet, weil man da konstruktive Lösungsvorschläge bei komplizierten Verhandlungen erwartet.

Wenn der Miesepeter sich gut in seiner Rolle eingelebt hat und die Stärken seiner Persönlichkeit auszuspielen weiß, hat er keinen Grund, irgendetwas an seinem Leben zu ändern. Er ist am Ziel angekommen und dort, wo er nun steht, auch wirklich gut aufgehoben.

Problematischer ist es mit den erfolglosen Miesepetern, die sich darauf beschränken müssen, alles in ihrer privaten Umgebung schlechtzumachen. Ein einziger, für andere unsichtbarer Schönheitsfehler kann ihm bereits die Freude an allem verleiden.

Wenn eine Miesepetra beispielsweise mit ihrer Freundin shoppen geht und die Freundin ein schickes Oberteil anprobiert, wird Miesepetra erst einmal schauen, ob sich auch nirgendwo etwas abzeichnet oder es gar an Problemzonen spannt. Dafür sind Miesepetras als Shopping-Partnerinnen sehr geeignet. Aber wenn nun alles sitzt und die Freundin mit dem Oberteil zur Kasse gehen will, wird Miesepetra es ihr aus der Hand nehmen und sagen: «Lass erst mal gucken, ob auch alle Nähte gut verarbeitet sind.»

Und dann wird Miesepetra so lange suchen, bis sie irgendeine unbedeutende Kleinigkeit gefunden hat. Wenn die Freundin auch eine Miesepetra ist, ist ihre Freude damit fortgeblasen. Sie wird nun die Verkäuferin fragen, ob die das Teil noch einmal in «heil» hat. Falls das gleiche Kleidungsstück noch auf Lager ist, schauen die beiden Miesepetras sehr genau hin – und werden mit Sicherheit wieder irgendetwas finden, das nicht passt. Am Ende gehen sie dann sehr miesepetrig ohne einen Einkauf nach Hause.

Wenn die Freundin selbst keine Miesepetra ist, wird sie vielleicht schon aus Erfahrung klug sein und der Miesepetra das Oberteil gar nicht in die Hand geben, sondern es gleich zur Kasse bringen. Oder aber sie lässt Miesepetra nach Fehlern suchen, in der Hoffnung, dass sie einen findet, der einen Preisnachlass rechtfertigt. Miesepetras und Miesepeter sind übrigens selbst nie zufrieden, wenn sie einen Preisnachlass bekommen, denn der bringt ihnen ja keine Perfektion. Darin unterscheiden sie sich vom Neidhammel, der gezielt etwas schlechtmacht, um davon Vorteile zu haben.

Der Miesepeter ist also für jeden, der auch einige dieser Anteile hat, eine echte Bedrohung, wenn es darum geht, die Freude über eine neue Anschaffung zu zerstören. Bei anderen Menschentypen ist es davon abhängig, ob sie in der Lage sind, die Eigenschaften des Miesepeters konstruktiv zu nutzen.

2. Der Neidhammel

Anders als der Miesepeter ist es dem Neidhammel möglich, sein Verhalten zu steuern und zu kontrollieren. Während der Miesepeter oft das Kind von Moralaposteln ist, wird die Eigenschaft des Neidhammels gezielt von Eltern an die Kinder weitergegeben. Die Kinder lernen am Modell. Angenommen, der Neidhammel möchte gern in den Zoo gehen, aber seine Eltern haben keine Zeit oder (was häufiger bei Neidhammeln ist) kein Geld dafür, dann werden die Eltern ihr Kind nicht mit moralinsauren Ausreden abspeisen, sondern ihm das korrekte Handwerkszeug liefern, um sich selbst durch Entwertung besser zu fühlen.

Stellen wir uns folgende Szene vor:

«Mama, die Eltern von Julia haben eine Jahreskarte für den Zoo. Die erzählt da immer von. Können wir nicht auch mal in den Zoo gehen?»

«Ach ja, die Möllers. Die können sich das ja auch leisten. Weißt du, dass der Vater von der Julia ständig beim Chef rumschleimt und deshalb deinen Papa überboten hat, obwohl er viel weniger kann? Und deshalb hat der Papa nun weniger Geld, sodass wir nicht in den Zoo gehen können, aber Möllers müssen der Julia ja auf deine Kosten nun auch noch eine Jahreskarte schenken. Das sind ganz widerliche Typen.»

«Aber ich möchte gern in den Zoo, Mama.»

«Da kannst du dich bei Julia und ihren Eltern bedanken, dass wir uns das nicht leisten können. Die könnten dich ja auch mal einladen, aber das fällt den feinen Herrschaften, die hier nur auf unsere Kosten leben, ja nicht ein.»

«Aber was soll ich denn in der Schule sagen, wenn alle in den Zoo dürfen, aber ich nicht?»

«Du bist doch ein kluger Junge, Lukas. Eigentlich ist die Julia doch ein ganz armer Mensch, weil sie es nötig hat, sich daran zu ergötzen, eingesperrte Tiere anzusehen. Du kannst ihr sagen, dass du nicht in den Zoo gehst, weil du die Freiheit der Tiere respektierst und Menschen verachtest, die diese Tierquälerei auch noch mit einer Jahreskarte unterstützen.»

«Aber ich will doch auch in den Zoo, Mama.»

«Wir haben dafür kein Geld. Und schuld daran ist die Familie von der Julia. Willst du wirklich zulassen, dass die sich weiterhin gut damit fühlt, auf unsere Kosten regelmäßig in den Zoo zu gehen?»

Da Lukas erkennt, dass er keine Möglichkeit hat, selbst in den Zoo zu kommen, will er natürlich die eingebildete Julia bestrafen. Und deshalb erzählt der Neidhammel nun die gleiche Geschichte wie der Miesepeter, von wegen, dass er den Zoo ablehne, weil das Tierquälerei sei.

Der Unterschied liegt darin, dass der Neidhammel im Gegensatz zum Miesepeter nicht selbst daran glaubt, sondern es gezielt einsetzt, um Julia fertigzumachen. Derartige Verhaltensweisen sind sehr weit verbreitet und fanden bereits in Fabeln Einzug, man denke nur an den Fuchs, der nicht an die Trauben herankam und sagte, sie seien zu sauer.