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Vier Freundinnen. Vier Leichen. Ein großes Problem. Wie werde ich meinen toten Mann los? Diese Frage stellt sich Sally, als sie mit der blutbeschmierten, gusseisernen Pfanne vor der Leiche ihres Ehemanns steht. Ihn zu erschlagen, hatte sie nicht geplant. Eigentlich sollte sie jetzt die Polizei rufen. Eigentlich. Doch stattdessen genehmigt sie sich erst einmal ein schönes Stück Kuchen und lässt sich ein Schaumbad ein. Wenig Grund zur Trauer haben auch Ruth, Samira und Janey, die ebenfalls ihre tyrannischen Ehemänner entsorgen müssen. Dieses ungewöhnliche Problem schweißt zusammen: Die vier Frauen gründen eine Selbsthilfegruppe der besonderen Art – den Club der heimlichen Witwen. Und entwickeln ungeahnte Kreativität ... »Der Club der heimlichen Witwen« nimmt seine Arbeit auf – der unerhörteste Krimi des Jahres! »Sie haben es verstanden, ja? Nicht nur, wie es passierte, sondern auch, warum. Und wenn Sie das Warum verstanden haben, wird Ihnen auch klar sein, dass es ein Unfall war. Denn es war definitiv ein Unfall. Jedenfalls eine Art Unfall. Ein Jim-Unfall. Zumindest wird Ihnen klar sein, dass ich es nicht gewollt hatte. Nicht geplant hatte. Ich dachte nicht einmal nach, meine Hand bewegte sich … von selbst. Mehr oder weniger. Und überhaupt darf man niemanden dafür kritisieren, dass er sich verteidigt. Das ist nicht nur legal, sondern absolut korrekt und angemessen. Moralisch picobello. Ich schaue zur Bratpfanne. Vom Rand fällt noch ein Blutstropfen.« Ein unwiderstehliches Buch über die Macht der Freundschaft, mit viel schwarzem Humor und einer wichtigen Message Das perfekte Geschenk für die beste Freundin, Schwester, Mutter und jede Frau!
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Seitenzahl: 504
Wie werde ich meinen toten Mann los?
Diese Frage stellt sich Sally, als sie mit der blutbeschmierten, gusseisernen Pfanne vor der Leiche ihres Ehemanns steht. Eigentlich sollte sie jetzt die Polizei rufen. Eigentlich. Doch stattdessen genehmigt sie sich erst einmal ein schönes Stück Kuchen und lässt sich ein Schaumbad ein. Wenig Grund zur Trauer haben auch Ruth, Samira und Janey, die ebenfalls ihre tyrannischen Ehemänner entsorgen müssen. Dieses Problem schweißt zusammen: Die vier Frauen gründen eine Selbsthilfegruppe der besonderen Art. Und entwickeln ungeahnte Kreativität …
Alexia Casale
Roman
Aus dem Englischen von Christine Blum
Für alle Frauen,
die sich für andere Frauen stark machen.
Und für all die Frauen,
die mein Leben so wunderbar machen.
(P.S.: Ja, die gegenseitige Verpflichtung zur Hilfe beim Leichenverschwindenlassen ist absolut waschecht, das können Sie mir glauben. Natürlich erwarte ich von allen Mitgliedern gegenseitige Verbundenheit, Treue und wenn nötig Bereitschaft zum Zerstückeln.)
Eine meiner frühesten Erinnerungen ist die an Granny, wie sie Welsh Cakes in einer gusseisernen Bratpfanne macht, die schon damals schwarz vom Alter war, jedoch sorgfältig gepflegt.
Ich weiß noch, wie ich sie zum ersten Mal halten durfte, Grannys ausgestreckte Hand ein Stück unter meiner, weil die Pfanne für ihre Größe unglaublich schwer ist. Und ich weiß noch genau, wie sie mir zeigte, wie man sie waschen und pflegen muss, damit die seidige Patina erhalten bleibt. Jede dieser Erinnerungen ist in goldenes Licht gebadet, obwohl ihre winzige Schlauchküche keine Fenster hatte, durch die Sonnenlicht hätte hereinkommen können.
In ihrem Testament vermachte sie die Pfanne mir.
»Als Familienerbstück oder was?«, spottete mein Vater. Aber Liebe und Herz hatten noch nie zu seinen Begabungen gezählt.
Als Jim und ich zusammenzogen, bot er an, mir eine neue Pfanne zu kaufen. Als ich die von Granny fest an mich drückte, lachte er.
Jetzt steht sie mitten in den Scherben des Frühstücks, ein Stück ragt über die Arbeitsfläche heraus. Vom Rand tropft Blut.
Ich starre sie an, in meinem Kopf nur ein Gedanke: Wenn ich gerade gestorben wäre, wie hätte Jim es erklärt?
Hätte er beim heutigen Morgen angefangen? Dem Lockdown? Dem Tag unseres Kennenlernens?
In unserem Fotoalbum gibt es davon ein verwackeltes Bild. Ich bin siebzehn, er vierundzwanzig. Wir sind auf dem achtzehnten Geburtstag meiner besten Freundin, Neunzigerjahre-Mode und Alcopops pur. Nach Granny war Janey für mich die wichtigste Person auf dieser Welt.
In den fünf Minuten vor der Aufnahme hatte ich …
… ein Mädchen getröstet, das wegen der Trennung einer Boygroup in Tränen zerfloss, bis meine Witze ihr ein noch etwas verschnupftes Lachen entlockten …
… einen wankenden Typen, zweimal so groß wie ich, in einen Sessel gedrückt, damit er gefahrlos wegdämmern konnte …
… und dann den kompletten Haushalt davor bewahrt, in Flammen aufzugehen, weil vier stockbesoffene junge Weiber versuchten, auf einem kleinen, schiefen Kuchen achtzehn Kerzen anzuzünden.
Die Brandstifterinnen, angeführt vom Geburtstagskind, hatten mich schon länger um Hilfe gebeten, aber die Boygroup-Tränen und der wankende Hüne hatten mich aufgehalten, sodass ich gerade noch rechtzeitig kam, als eine der Kerzen umkippte, mitten in den Stapel Servietten hinein, der sinnvollerweise gleich danebenstand. Binnen eines Wimpernschlags hatte ich den rauchenden Wust ins Spülbecken befördert und den Wasserhahn voll aufgedreht.
Als ich mit einer Verbeugung den frenetischen Applaus entgegennahm, fiel ein Schatten über mich.
»Das hätte böse enden können«, sagte jemand. Und da war er.
Ich werde mir nie vergeben, dass ich nicht gleich erkannte, was vor mir stand – ein Mann, dem der Lebensüberdruss aus allen Poren dünstete, weil er mit seiner Mittelmäßigkeit nicht klarkam –, sondern mir einredete, hier sei jemand, den niemand sonst so recht zu würdigen wusste, eine gute Seele, die aufgrund ihres unscheinbaren Äußeren und ihrer ungeschickten Art allzu leicht übersehen wurde.
Das klingt, als wäre ich ein kleines Dummchen gewesen, aber nichts von dem, was darauf gefolgt war, wäre je passiert, wäre ich mir nicht so undankbar vorgekommen, als Jim plötzlich den Arm um mich legte und mich an sich zog – und ich entsetzt erstarrte … nur um zu bemerken, dass Janey mit ihrer brandneuen Kamera vor uns stand, weil sie dabei war, Fotos von der Menschentraube um ihren Kuchen zu schießen.
Was, ein Foto mit so einem Loser? Bloß nicht!, ätzte die Stimme in meinem Kopf. Sofort spürte ich meine Wangen brennen, angewidert von meiner blitzschnellen grausamen Reaktion.
»Oh, da muss ich sie dringend um einen Abzug bitten.«
Und wieder durchschossen mich Gewissensbisse, weil mich sein übertrieben launiges Grinsen so abstieß, wo mir doch klar war, dass er versuchte, witzig-charmant zu sein.
Ich war im Glauben, die Macht läge bei mir. Nicht im Traum kam ich darauf, dass mir Gefahr drohen könnte. Als daher einen Monat später Granny starb und ich plötzlich keinen Zufluchtsort vor dem Elend meiner Mutter und der Bösartigkeit meines Vaters mehr hatte, erschien es mir als mittleres Wunder, dass da noch Jim war, der Geld verdiente und zudem Eltern hatte, die bereit waren, die Anzahlung für eine Hypothek zu leisten. Denn zur Uni zu gehen, wie Janey es tat, war bei mir nicht drin – was hätte jemand wie ich auch mit einem Studium und den damit einhergehenden Schulden anfangen können? Ich wäre ja doch wieder zu Hause gelandet und hätte meinem Vater Miete zahlen müssen, statt mir Rücklagen anzusparen. Meine einzige Chance, von zu Hause wegzukommen, würde darin bestehen, mit einem Freund zusammenzuziehen, und zwar noch viele Jahre lang.
So lange konnte ich nicht warten. Erst recht nicht, wo vor meiner Nase die Verlockung eines sicheren Heims winkte. Egal, wie jung ich noch war! Ich redete mir ein, das Universum schuldete mir endlich mal ein bisschen Glück, und da war es: ein Ausweg von zu Hause.
Drei Wochen nach meinem Schulabschluss heirateten wir.
Unter dem Vorwand, mir den Brautstrauß zu reichen, flüsterte Janey mir zu: »Bist du dir wirklich sicher, dass du das willst, Sally?«, aber ich lachte nur, als hätte sie einen Witz gemacht, und los ging’s, durch den Mittelgang nach vorn zum Altar.
Als Dad mir dort oben den Schleier lüftete, hielt er inne, zog ein Taschentuch heraus und rieb an einem eingebildeten Schmutzfleck auf meiner Wange herum, wobei er einen mitleidigen Blick mit Jim wechselte und einen knallroten Striemen hinterließ, wie einen Bluterguss. Meine Mutter schaute betont nicht hin; sie führte wahre Ausgrabungen in ihrer Handtasche durch, als müsste darin ein Verschütteter gerettet werden.
Ob sie ahnte, dass ich dabei war, auf ein Leben genau wie das ihre zuzusteuern? Falls ja, sagte sie es mir nicht. Nur ihre Umarmung, als sie mir Glück wünschte, bevor Jim mich unter Salven von Reis und Blütenblättern aus der Kirche führte, war etwas zu fest.
Jetzt stehe ich blinzelnd da und habe das vage Gefühl, ich müsste aufwachen und wieder dort sein, weil alles weniger unbegreiflich wäre als hier in der Küche zu stehen, in meinem Haus, mit Grannys Bratpfanne, von der das Blut zu Boden tropft.
Aber vielleicht ist es gar nicht mein Leben, das von einem Augenblick zum nächsten nicht wiederzuerkennen ist. Vielleicht bin es ich selbst. Und bin gar nicht scheinbar in einem Albtraum gefangen, aus dem ich nur aufwachen müsste, sondern vielleicht bin ich zum ersten Mal seit zwanzig Jahren hellwach.
Plötzlich erkenne ich, dass es nicht nur die Bratpfanne ist, die unbegreiflich ist. Sondern auch der Schmerz in meinem Handgelenk und die blauen Flecken von gestern und vorgestern und vorvorgestern. Die Tatsache, dass mein Leben im Lockdown sich fast gar nicht von meinem Leben davor unterscheidet.
Wie kam es dazu, dass meine Welt zu wenig mehr als diesem Haus geschrumpft ist, dass all meine Freundschaften sich in die Vergangenheit verflüchtigt haben, dass selbst mein Kontakt zu den Kindern schwindet? Natürlich weiß ich die Antwort. Die Sache ist nur: Bis jetzt habe ich mich geweigert, mir diese Frage überhaupt zu stellen.
Jetzt stürzt die Erkenntnis so heftig auf mich ein, dass ich einen Moment lang wanke, aber unter meinen Füßen ist weiterhin festes Linoleum, um mich herum die stille Küche. Das Dröhnen in meinem Kopf kommt von den gesammelten Erinnerungen aus zwanzig Jahren, die sich zu einer völlig anderen Geschichte zusammensetzen als der, die ich mir immer eingeredet habe.
Wie die an meinen letzten Besuch beim hiesigen Lesezirkel vor fünf Jahren. Damals wusste ich nicht, dass es der letzte sein oder dass mit ihm jeglicher regelmäßige Kontakt zu anderen Leuten enden würde. Ich war zu abgelenkt davon, wie alle darüber lachten, dass ich an einem glühend heißen Sommertag in einer Strickjacke gekommen war. Darunter waren meine Arme von blutunterlaufenen Fingerabdrücken gemustert, Vergissmeinnichtblau über verblassendem Butterblumengelb, aber ich zwang mich, nicht darüber nachzudenken, und lachte eifrig mit, weil ich ein nettes, lockeres Stündchen mit den anderen verbringen wollte, einfach nur fröhlich und unbekümmert. Und so kam es auch. Vor schierer Erleichterung sang ich den ganzen Heimweg lang. Doch als ich ins Haus trat, war Jim schon da, weil er wegen Kopfschmerzen früher Feierabend gemacht hatte. Und ich redete mir ein, dass es meine Schuld war, was als Nächstes passierte. Dass er wegen seiner Migräne nicht mehr klar denken konnte. Und es keinerlei Absicht war, als er mir das kochende Wasser aus dem Wasserkocher über die Hand schüttete.
Genau wie es keine Absicht war, als er mir die Finger in der Schranktür einklemmte oder mir einen so harten Stoß mit dem Ellbogen versetzte, dass mir einen Monat lang die Rippen wehtaten. All das waren Unfälle. Einfach nur Unfälle.
So viele Unfälle.
Aber die Kinder waren doch fast fertig mit der Schule, also konnte ich nicht einfach gehen – ich musste nur noch ein kleines bisschen durchhalten. Nur kam dann die Uni, und sie brauchten ein Zuhause für die Ferien, und was waren schon die paar Jahre mehr gegen die Tatsache, dass ich die beiden noch gelegentlich ein paar Wochen lang unter meinem Dach haben würde, bevor sie endgültig flügge werden würden …
Dann machte Charlie seinen Abschluss, fand einen Job und zog aus, gerade als Amy fertig wurde; für kurze Zeit zog sie danach wieder bei uns ein, um sich etwas Geld zusammenzusparen, damit sie mit ihrem Freund zusammenziehen konnte. Dann war auch sie weg, direkt vor Weihnachten, und als ich mir endlich sicher war, dass ihre Beziehung halten würde …
… kam der Lockdown.
Und da saßen wir. Nur er und ich. Den ganzen März und April und bis in den Mai hinein, und immer noch kein Ende in Sicht …
So also kam es zu diesem heutigen Morgen, an dem ich Jim seine Tasse Tee an den Tisch brachte und er einen Blick darauf warf – einen Tick zu hell – und sein Gesicht sich verzerrte …
Mit eisernem Griff packte er mich am Handgelenk und zog mich mit einem solchen Ruck zum Tresen, dass ich stolperte und mir den Kopf an der Dunstabzugshaube stieß. Ich griff panisch nach einem Halt und bekam den Rand des Kochfelds zu fassen, wobei meine Finger die Pfanne streiften. Neben mir packte Jim den Kessel und ließ etwas von dem kochenden Wasser über meine Hand spritzen. Meine Haut schrie in der Erinnerung an das letzte Mal, als wir so vor dem Herd standen.
Wie lange wird er mich diesmal hier festhalten? Selbst die Stimme in meinem Kopf zitterte vor Angst, denn jetzt im Lockdown, wo mich niemand zu sehen bekommen würde, gab es nichts mehr, was ihn davon abhalten würde, einfach mehr und mehr davon über mich zu kippen …
Wie jeder andere hatte auch ich immer mal von Frauen gelesen, die zurückgeschlagen hatten, aber ich verstand sie nicht einmal ansatzweise. All die Jahre waren sie mir wie eine fremde Spezies erschienen. Ich hatte mich gefragt, ob sie ein Stadium der Verzweiflung erreicht hatten, das bei mir noch ausstand, oder eine Art inneres Reservoir an Kraft und Mut besaßen – und, falls dem so war, wo man so etwas herbekam.
Dann nahm ich Grannys Bratpfanne und schlug Jim damit den Schädel ein.
Sie haben es verstanden, ja? Nicht nur, wie es passierte, sondern auch, warum. Und wenn Sie das Warum verstanden haben, wird Ihnen auch klar sein, dass es ein Unfall war. Denn es war definitiv ein Unfall.
Jedenfalls eine Art Unfall.
Ein Jim-Unfall.
Zumindest wird Ihnen klar sein, dass ich es nicht gewollt hatte. Nicht geplant hatte. Ich dachte nicht einmal nach, meine Hand bewegte sich … von selbst.
Mehr oder weniger.
Und überhaupt darf man niemanden dafür kritisieren, dass er sich verteidigt. Das ist nicht nur legal, sondern absolut korrekt und angemessen. Moralisch picobello.
Ich schaue zur Bratpfanne. Vom Rand fällt noch ein Blutstropfen.
Ich sehe zu, wie er neben Jim auf dem Boden landet. Jim liegt auf dem Bauch, das Gesicht von mir abgewandt. Er könnte auch einfach ein Schläfchen machen, wäre da nicht die größer werdende Blutlache um seinen Kopf herum.
»Schau, wozu du mich gebracht hast!« Ich dachte, es würde in hämischem, schadenfrohem Ton kommen, aber es ist ein Flüstern, hohl wie ein Echo. Statt Triumph schießt mir Verzweiflung durch die Adern.
Ich taumle zum Telefon, nehme es und wähle die 9. Und dann noch einmal. Mein Finger schwebt über der Ziffer …
Ich knalle den Hörer auf die Basis und wanke durch die Hintertür in den Garten hinaus.
Draußen ist alles ganz normal. So schrecklich normal; ganz gewöhnliche Laute, Anblicke, Gerüche für Anfang Mai in einem Vorort in Südostengland. Der Himmel ist bedeckt, aber nicht finster, hinter den Wolken gleißt eine farblose Sonne. In Nawars Garten nebenan verliert der Kirschbaum seine letzten Blütenblätter; die Magnolie fängt jetzt erst richtig an. Alles geht seinen gewohnten Gang. Abgesehen davon, dass hinter mir, in der Küche, Jim tot am Boden liegt.
Mein Blick fällt auf einen halb hinter der Gießkanne versteckten Topf bunter Stiefmütterchen. Ich hebe ihn auf und drücke ihn an die Brust, lege die Hand über den auf die Topfseite gedruckten Gruß: Für die beste Mum der Welt! In Liebe, Amy und Charlie x
»Es tut mir so leid«, flüstere ich. Meine Brust wird eng, bis das Atmen wehtut und jeder Herzschlag eine Qual ist. Ich kneife die Augen zu, und Tränen rollen mir über die Wangen. »Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid …«
Mechanisch streichle ich über den kalten glasierten Ton. Die Stiefmütterchenblätter streifen meine Finger, als wollten sie mich trösten.
Ich stolpere zurück nach drinnen. Darauf bedacht, nicht auf den Boden zu schauen, stelle ich die Blumen sanft mitten auf den Tisch, wo ich sie von Anfang an haben wollte. Jim fand, sie stünden dort im Weg, nahm den Topf und knallte ihn draußen derart neben die Hintertür, dass eine der farbenfrohen Blüten die Hauswand streifte und abgerissen wurde. Ich fand sie später, wie sie da wie achtlos hingeworfen lag.
Ich zwinge mich, wieder zum Telefon auf der Arbeitsfläche zu gehen und es zu nehmen. Beiße die Zähne zusammen und drücke die 9.
Mein Blick geht zurück zu den Stiefmütterchen. Von hier aus ist die Schrift auf dem Topf gerade noch lesbar. Ich will mich abwenden, aber dann müsste ich dem ins Auge sehen, was diebeste Mum der Welt gerade dem Vater ihrer Kinder angetan hat.
Meine Hand mit dem Telefon zittert. Die 9 auf dem Display verschwimmt. Dann blinkt sie und erlischt. Zeit überschritten.
Noch einmal drücke ich sie. Kann mich wieder nicht überwinden.
Wenn ich die Polizei rufe, verlieren meine Kinder ihre beiden Eltern auf einmal.
Wie konnte ich es so weit kommen lassen? Ich habe ihnen gegenüber so oft versagt, auf so vielerlei Art. Aber das hier ist mehr als ein Versagen. Es ist der absolute Ruin.
Langsam stelle ich das Telefon zurück auf die Basis. Wende mich vom Wasserkessel, der Pfanne, dem Telefon und Jim ab und lasse mich auf einen Stuhl sinken, den Blick auf die herrlichen Farben der Stiefmütterchen geheftet. Die kleinen Gesichter scheinen lächelnd zurückzublicken. Eine blaue, leicht zur Seite geneigt, sieht fast mitfühlend aus, wie eine Freundin, die mich einlädt, ihr all meine Sorgen auszuschütten.
Janey, sagt mein Herz. Ich will Janey.
Aber selbst wenn ich unsere Freundschaft nicht kaputt gemacht hätte, wie hätte ich Janey in diese Sache hineinziehen können?
»Ich wollte schon immer mal schauen, wie es ist, mit der Wand zu reden wie Shirley Valentine«, vertraue ich dem mitfühlenden Stiefmütterchen an, in so heiterem Ton, dass die Welt ins Irreale verzerrt scheint, »aber eigentlich kann ich auch zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen …« Ich schiele zu Jim. »Sozusagen.« Ich wende den Blick wieder ab. »Es heißt ja, wenn man mit Pflanzen redet, gedeihen sie besonders gut, anders als Wände oder …« Ich widerstehe dem Drang, noch einmal zu Jim zu schielen. »Ich werde dich Petunia nennen, weil Jim sich furchtbar darüber aufregen würde. Er konnte Albernheit nicht ausstehen. Und Dummheit. Und mich.« Ich wische eine Spur Dreck von der Seite des Blumentopfs. »Du findest wahrscheinlich, das war doch offensichtlich, aber ich war da ein bisschen schwer von Begriff.«
Die violetten und blauen Gesichter links sehen nachsichtig aus, aber das magentafarbene in der Mitte blickt höchst ungläubig.
»Okay, ja, es waren über zwanzig Jahre«, fahre ich es an. »Aber immerhin bin ich jetzt auf den Trichter gekommen.«
Unweigerlich gleitet mein Blick zu Jim. Das Blut scheint sich nicht weiter auszubreiten, was mich erleichtert; es wird schon schwer genug sein, es aus den Fugen zu schrubben.
Kein guter Gedanke. Falsche Richtung. Aber bitteschön, so ist es.
»Ich weiß, ich sollte die Polizei rufen, aber ich will einfach nicht, Petunia«, höre ich mich sagen. »Ich will nicht ins Gefängnis, jetzt, wo ich endlich frei bin.« Neben meinem Ellbogen liegt Jims Zeitung, von vorn bis hinten voll vom Corona-Lockdown. »Na ja, frei ist relativ – mich mit jemandem treffen oder irgendwohin gehen kann ich momentan nicht. Aber ich könnte … ein Stück Kuchen essen.«
Da Jim mir nicht mehr vorwerfen kann, ich wäre ein Fettkloß, tappe ich zu dem Oberschrank mit unseren Vorräten und öffne ihn. Eine Mauer aus Baked Beans starrt mir entgegen. Mein Blick schweift zu Jim, dann zurück zu den Dosen. Einen Moment später schleife ich den Mülleimer herbei, um sie zu entsorgen – dann halte ich inne und packe sie stattdessen in eine Tragetasche. »Soll sich die Tafel darüber freuen. Aber ich esse nie wieder Baked Beans auf Toast, das sag ich dir, Petunia.«
Ich hole einen Teller, ein Messer und eine Gabel heraus. Dann werfe ich einen weiteren, trotzigen Blick auf Jim und fange an, den Kuchen direkt aus der Packung zu essen. Ohne dass ihn mir jemand wegreißt und in den Müll wirft, weil ich eklig und unwürdig bin. Ein paar Minuten verstreichen ereignislos.
Dann klingelt es an der Tür.
Die Buttercreme wird mir buchstäblich sauer auf der Zunge. Mein Blick geht zum Fenster in der Erwartung, beidseits des Gartens entgeisterte Nachbarn über den Zaun starren zu sehen, vielleicht auch Polizisten, die den Gartenweg entlangkommen … aber da ist kein lebendes Wesen, nicht einmal ein Vogel, der auf dem Rasen nach Würmern pickt.
Weiß die Person da draußen Bescheid, oder ahnt sie nur etwas? Soll ich Jim verstecken oder mich ganz still verhalten und hoffen, dass sie wieder weggeht?
Es klingelt noch einmal. Resignation ergießt sich in meine Adern wie Blei.
Die Gefängnisse sind nicht mehr so wie früher, rede ich mir zu. Heute gibt es da Elektrizität. Und Büchereien. Nur das Essen ist wahrscheinlich …
Meine Augen wandern zu der Tragetasche voller Baked Beans.
Ehe ich dem Drang nachgeben kann, mich umzudrehen und zur Hintertür hinaus zu fliehen – was vermutlich chancenlos wäre, sicher steht auf dem Weg hinter dem Grundstück ein Beamter –, trotte ich in die Diele. Vor mir droht die Haustür und dahinter das Verhängnis. Spiel aus, vorbei.
Erst beim Drücken der Türklinke fällt mir auf, dass ich noch die Gabel in der Hand halte. Wer weiß, vielleicht bringt mir die etwas in Sachen Schuldunfähigkeit?
Auf dem Fußabtreter steht ein junger Mann mit Maske. Im ersten Moment vergesse ich Corona völlig und denke, der will mich jetzt überfallen, und was er wohl machen wird, wenn er Jim sieht.
»Päckchen. Ich bräuchte ’ne Unterschrift«, sagt er und hält mir ein Touchpad hin.
»Mumpf?«, bringe ich fragend heraus, während ich auf der Straße hinter ihm nach Polizisten Ausschau halte.
Sie ist leer bis auf den kleinen, vor Paketen überquellenden Postwagen.
»Tut mir leid, dass ich Sie beim zweiten Frühstück störe. Was gibt’s denn Gutes?«
Ich folge seinem Blick zu der Gabel in meiner Hand. »Kuchen«, erkläre ich. »Ich esse gerade ein Stück Kuchen. Mögen Sie Kuchen auch gern?« Es klingt ein bisschen, als hätte ich sie nicht mehr alle.
»Mhm«, sagt er vorsichtig und präsentiert mir nachdrücklich das Touchpad.
Wie aus der Ferne beobachte ich, wie sich mein Finger ausstreckt und ein paar Kringel auf das Touchpad malt. Ist das meine Unterschrift? Es scheint nicht sonderlich wichtig zu sein; der Postbote desinfiziert den Bildschirm mit einem Tuch, lässt mir ein Päckchen vor die Füße fallen und verschwindet hastig.
Ich bleibe mit erhobener Gabel und offenem Mund im Türrahmen stehen. Ein Vorhang im Haus gegenüber bewegt sich leicht, aber weit und breit kommt niemand, um mich zu verhaften.
Nach einer Weile mache ich zwei unsichere Schritte rückwärts und schließe die Tür. Einen Moment lang starre ich sie an, dann die Gabel, noch einmal die Tür und wieder die Gabel. Ich habe das Gefühl, gleich in Tränen oder Gelächter auszubrechen, aber keines von beidem passiert. Da trotte ich wieder den Flur entlang in die Küche.
Nachdem ich den Rest des Victoria Sponge Cake vernichtet habe, geht es mir besser, auch wenn mein Gehirn mich am laufenden Band mit schlechten Erinnerungen an Partys und Kuchen bombardiert. Wie mein Vater an meinem siebten Geburtstag die Torte an die Wand pfefferte und Granny mich aus dem Zimmer trug, obwohl sie viel zu alt und ich viel zu schwer war, und mich eine Woche lang mit zu sich nahm. Die Party, auf der ich Jim kennenlernte. Unsere Hochzeitstorte. Aber immer wieder wandern meine Gedanken zu den Partys, auf denen ich gar nicht war. Oh, wie viele ich über die Jahre verpasst habe, angefangen mit Janeys zwanzigstem Geburtstag.
Es hatte Wochen gedauert, bis ich überzeugt war, dass Jim sich ohne Probleme um Charlie würde kümmern können (unser Sohn, wenn es ihm passte; meiner, wenn es um irgendwas ging, was mit Arbeit verbunden war). Mit acht Monaten war Charlie so weit, dass er zweimal am Tag auch das Fläschchen akzeptierte, also dachte ich mir, wenigstens für ein paar Stunden müsste es jetzt gehen.
Leise vor mich hinsingend hüpfte ich mit meinen Lieblingspumps in der Hand die Treppe hinunter und schleuderte mir an der Tür die Hausschuhe von den Füßen – zum ersten Mal seit Ewigkeiten, schien mir.
Dann sah ich auf. Jim stand düster im Türrahmen zum Wohnzimmer. Wie er mich musterte, von oben bis unten und wieder zurück … Ich zog mein Dekolleté etwas höher, trotzdem verfinsterte sich sein Blick.
Oben begann Charlie zu wimmern. Ich wartete darauf, dass Jim an mir vorbei zur Treppe gehen würde, um ihn zu trösten. Stattdessen drehte er sich um, verschwand ins Wohnzimmer und zog die Tür hinter sich zu. Charlies Wimmern steigerte sich zu ausgewachsenem Gebrüll. Und ich stand da, starrte die Wohnzimmertür an, wünschte mir mit aller Macht, sie würde aufgehen, Jim sich als der Mann erweisen, für den ich ihn gehalten hatte …
Dann zog ich die Hausschuhe wieder an, ließ die Pumps auf der Fußmatte stehen und stapfte die Treppe hinauf.
Das war der erste große Riss in der Freundschaft zwischen Janey und mir. Schon damals spürte ich das, aber ich sagte mir, es würde noch viel Zeit sein, um ihn zu kitten.
Einen Monat später half sie mir, das Begräbnis meines Vaters zu organisieren, wie ich einst ihr geholfen hatte, und ein paar Wochen lang schien es, als käme alles wieder in Ordnung … Aber immer wieder musste ich gemeinsame Unternehmungen absagen. Konnte mich immer schwerer dazu aufraffen, sie zurückzurufen, wenn sie mich anrief. Ließ immer mehr Zeit verstreichen, bis ich mich mal wieder mit ihr austauschte. Enttäuschte sie wieder und wieder.
Enttäuschte mich selbst.
Ließ den Abstand zwischen uns immer größer werden, bis ich mich so nach ihr sehnte, dass es schmerzte, aber solange Charlie ein Baby war, schien es unmöglich, etwas dagegen zu tun. Wenn Charlie in den Kindergarten kam, würde es besser werden, dachte ich mir, aber als er gerade mal zehn Monate alt war, stellte sich heraus, dass ich wieder schwanger war, weil Jim und ich mit Kondomen einfach nur Pech hatten. Da dachte ich mir …
Stopp.
Mein Gehirn spult zurück.
… wieder schwanger war, weil Jim und ich mit Kondomen einfach nur Pech hatten …
Die Erkenntnis tritt mir in die Wangen, auch wenn sie nicht frisch und wund ist, sondern dumpf und schal.
Ich wusste es. Schon immer. Nein, ich bin nicht ganz so blöd, wie Jim immer behauptete.
Als ich mir nicht mehr vormachen konnte, meine Periode käme nur ein bisschen zu spät, wurde mir klar, dass niemand so viel Pech mit Kondomen haben konnte, aber es beschäftigte mich so, zu akzeptieren, dass ich schon wieder schwanger war, dass ich mühelos verdrängte, was Jim getan hatte. Und warum.
Tief in mir wusste ich schon damals, dass er es getan hatte, um mich an sich zu binden, aber das Grauen, an diesen Mann nun nicht nur durch die Ehe, sondern durch zwei Kinder gefesselt zu sein, war so überwältigend, dass es sich eher wie Taubheit über mich legte.
Und trotz allem waren selbst damals nicht nur Grauen und Verzweiflung im Spiel, sondern auch Liebe.
Die Schwangerschaft mit Charlie war nicht geplant gewesen und auch die mit dem Baby nicht, das zu Amy werden würde, aber von dem Augenblick an, als ich es erfuhr, liebte ich die beiden, also konnte ich nichts bereuen. Das war keine bewusste Entscheidung: Ich liebte sie, fertig, aus. Es war das Einzige, was daran einfach war. Und mein Gott, etwas Einfaches hatte ich bitter nötig, denn erst jetzt, da es endlich vorbei ist, kann ich im Rückblick klar erkennen, warum ich einknickte, statt einfach zur Tür hinaus zu Janeys Geburtstagsfeier zu marschieren trotz Charlies Gebrüll und Jims brütendem Schweigen hinter der Wohnzimmertür.
Hass platzt überall aus mir heraus wie Brandblasen – und ist im nächsten Moment wieder verschwunden, ich bin nur noch müde, und mir ist kalt, wie ich da in der Küche stehe mit dem toten Jim neben mir.
Aber die Haustür ist geschlossen, der Paketbote längst weg, niemand ahnt auch nur das Geringste.
»Ich dachte wirklich, das war’s«, sage ich zu Jim. »Ab ins Gefängnis, gehen Sie nicht über Los, ziehen Sie nicht …« In mir kommt ein so wilder Drang zu lachen auf, dass mich schwindelt. Ich packe den Rand der Arbeitsfläche und atme mir die Panik aus den Lungen. »Vielleicht könnte ich zuerst wenigstens irgendwas einziehen … Eis! Ich könnte ein Eis einziehen.« Ich wende mich Jim zu. »Hast du gehört, mein Lieber? Kuchen zu Mittag und Eis zum Dessert. Noch mal so richtig zuschlagen, bevor wieder Baked Beans auf Toast auf dem Plan stehen … lebenslänglich.«
Weil es so still ist, schalte ich das Radio ein. Gerade läuft ›I Can See Clearly Now‹. Instinktiv öffne ich den Mund, um mitzusingen … dann schiele ich zu Jim und schließe ihn wieder. Vielleicht sollte ich mir das Singen für die letzte Dusche aufsparen – obwohl, ein langes gemütliches Bad wäre vielleicht passender als eines der Dinge, die man sich vor dem Knast noch gönnen sollte. Wahrscheinlich wird es umso schwerer, die Polizei zu rufen, wenn ich mir vorher noch einmal vor Augen führe, was mir dort alles entgehen wird, aber ich brauche wenigstens ein bisschen was Schönes, bevor ich vom einen Albtraum in den nächsten gestürzt werde.
Natürlich weiß ich, dass ich nicht für immer und ewig in der Schwebe zwischen dem Mord an Jim und den Konsequenzen bleiben kann. Aber der Teil meines Ichs, der nach der Bratpfanne gegriffen hat, hat noch nicht sein letztes Wort gesprochen. Ich weiß, eigentlich sollte ich einfach nur traurig und verzweifelt sein, aber irgendwie ist da eine Art total verrückter … Hoffnung?
Vielleicht ist es der Schock, denn es gibt auf der ganzen Welt keine Möglichkeit, Jims aus dem Schädel gelaufenes Gehirn wieder dort hineinzustopfen.
Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, besiegt zu sein.
Zum ersten Mal, seit ich überhaupt denken kann, habe ich ein Gefühl von Macht.
Ich breche die Flasche duftenden Badeöls an, die ich seit Jahren für besondere Gelegenheiten aufhebe, gebe einen großzügigen Schuss davon ins Wasser und schäume es ordentlich auf, ehe ich mich mit einem Weinglas in der Hand darin zurücklehne. Es ist Billig-Kochwein aus dem Supermarkt, aber inzwischen habe ich herausgefunden, welche davon trinkbar sind, sodass ich mir gelegentlich ein Glas gönnen kann, ohne als Zugabe einen finsteren Blick von Jim zu riskieren, weil ich sein sauer verdientes Geld verschwende.
Vom Waschbeckenrand späht Petunia auf das Gebirge aus Blasen herab, das sich um mich auftürmt. Flüchtig kommt mir der Gedanke, unterzutauchen und nicht wieder hochzukommen, aber Ertrinken ist nun wirklich kein Tod, den ich mir für mich wünsche. Nicht einmal, um dem Gefängnis zu entgehen.
Plötzlich höre ich Janeys Stimme, hell und fröhlich und spöttisch, als stünde sie bei mir im Zimmer. »Na hör mal, Mut, wo ist dein Mut geblieben?« Eine Parole, die wir uns in einer besonders langweiligen Geschichtsstunde Anfang der Sekundarschule zurechtgebastelt und ab da ständig zueinander gesagt hatten.
Ich hatte es ihr zugebrüllt, als sie bei ihrem großen Auftritt im Schultheaterstück erstarrte. Sie schrie es mir zu, als ich beim Ausflug in den Abenteuerpark zu ihrem sechzehnten Geburtstag Bammel vor der Seilrutsche hatte. Wir feuerten uns heiser damit an, wenn wir im Sportunterricht Runden um den Schulsportplatz rennen mussten. Flüsterten es vor Klassenarbeiten. Grölten es lachend ins Telefon, wenn wir uns gegenseitig anriefen: »Wer ist da?« – »Hey, Mut, hier Mut!«
Wie konnte ich diese lange Funkstille zwischen uns zulassen? Die Antwort liegt zum Teil unten in der Küche, aber nur zum Teil.
Die Sehnsucht lässt eine Woge von Tränen in mir aufsteigen, aber das kann ich momentan nicht gebrauchen, also nehme ich zur Stärkung einen Schluck Wein und lasse dann die Hand mit dem Glas über den Rand baumeln, wie es Frauen in Filmen öfter tun. Es ist wahnsinnig unbequem.
Da stelle ich das Glas auf den Boden, ziehe den Arm zu mir ins heiße Wasser und lasse ein paar Blasen zwischen den Fingern zerplatzen.
»Ich bin immer noch nicht niedergeschlagen, Petunia«, gestehe ich, hebe einen Fuß aus dem Wasser und wackele mit den schaumigen Zehen. »Und ich glaube, das werde ich auch nicht mehr, weil mir nun mal klar geworden ist, wie glücklich ich jetzt bin.«
Petunias kleine Gesichter nehmen die Beichte erfreulich unbekümmert hin.
»Wenn das Problem mit dem Knast nicht wäre, wäre das hier das erste Schöne, was mir widerfahren ist, seit die Kinder weg sind. Aber das kann ich der Polizei nicht sagen, oder? Ich meine, sicher könnte ich das, aber das würde definitiv in Tränen enden – bei mir, bei den Kindern, bei allen, denen ich noch was bedeute …«
Ich hatte vor, bei den Worten zu lachen. Stattdessen wird mir die Kehle eng. Meine Augen fangen an zu brennen, ich kann mir gerade noch einreden, dass ich Seife hineinbekommen habe.
Ich nehme einen Schluck Wein und taste auf dem Boden nach der Schale Chips, die ich dort deponiert habe. »Aber was« – knusper – »soll ich« – knusper – »der Polizei erzählen? Vor allem, wo Jim unten in der Küche schon seit Stunden vor sich hin fault – ha! Auf der faulen Haut liegt! Falls« – knusper – »es je eine Chance gab, dass sie mir glauben, hab ich mir die mit dem Kuchen und … und dem hier wahrscheinlich gründlich versaut.«
Irgendwann hieve ich mich wieder aus der Wanne, trockne mich ab, greife nach meinem schäbigen alten Bademantel – und überlege es mir anders. Mit Petunia und der Weinflasche in der Hand stolziere ich nackt ins Schlafzimmer. Mithilfe eines Stuhls, auf den ich steige, hole ich den Karton ganz hinten aus dem Aufsatz über dem Kleiderschrank und ziehe den seidenen Morgenrock heraus, den ich mir vor zwei Jahren gekauft habe, um mich etwas aufzumuntern – vergeblich; nur zu bald merkte ich, dass ich viel zu viel Angst hatte, Jim könnte mich darin sehen, um ihn je anzuziehen.
Der Stoff gleitet mir durch die Finger wie Wasser. Ich schlüpfe erst mit einem, dann dem anderen Arm in die Ärmel. Es fühlt sich an, als wäre ich in Quecksilber gehüllt, so kühl ist die Seide. Schnell ziehe ich mir darunter einen Slip an.
»Ja, ich weiß, der ist langweilig und brav«, sage ich zu Petunia. »Ich kaufe mir demnächst neue.«
Ich breche ab. Es wird keine neuen Slips geben – oder wenn, dann nur Marke Kittchen.
Mechanisch kehre ich in die Küche zurück. »Wenn du mich jetzt sehen könntest, mein Lieber«, sage ich im Vorbeigehen zu Jim. »Schade, dass du so mit Verwesen beschäftigt bist.« Es soll locker-flockig klingen, aber tatsächlich kommt es in hartem, scharfem Ton, als wären meine Stimmbänder zu straff gespannt.
Mein Handy summt. Es ist eine Nachricht von Charlie: ein YouTube-Link zu ›Here Comes The Sun‹. Ohne Kommentar. Seit Beginn des Lockdowns schreibt er nichts mehr dazu. Weil Jim, nachdem wir Tag für Tag rund um die Uhr miteinander eingesperrt waren, jede Nachricht auf meinem Handy zu sehen verlangte. Es dauerte vier Tage, bis ich kapierte, dass er die Hälfte von Charlies Nachrichten löschte, bevor ich sie überhaupt gesehen hatte, und auf die restlichen nur mit Kritik antwortete. Vor ihm sicher waren nur Links zu Songs – mit Musik hatte Jim nichts am Hut.
Mein Finger bleibt über dem Link schweben. Wie kann ich mich am Trost meines Sohnes freuen, während zwei Schritte entfernt sein toter Vater liegt?
Auf der Arbeitsfläche leuchtet vorwurfsvoll der rote Knopf des Festnetztelefons. Ich muss endlich die Polizei rufen und mein Verbrechen gestehen, statt es weiter hinauszuzögern und Musik zu hören.
Here comes the sun, lockt die Stimme in meinem Kopf.
Und da fällt die Entscheidung, einfach so.
»Ich rufe überhaupt nicht die Polizei, oder?«, flüstere ich Petunia zu. »Ich hab meine Zeit schon abgesessen. Meine Strafe verbüßt. Den Schuh ziehe ich mir nicht mehr an!« Ich stupse gegen Jims Knöchel. Der Hausschuh rutscht ihm vom Fuß. »Ich kann nur hoffen, dass das Glück nicht nur dem Kühnen, sondern auch dem Tollkühnen hold ist, denn ich bin immer noch ganz froh, dass es dich gekostet hat und nicht mich.«
Ich wende mich von ihm ab und nehme Petunia und die Weinflasche mit an den Tisch. »Das Einzige, worum es mir leidtut, ist die Bratpfanne – die muss ich jetzt neu patinieren, das ist ein Riesenumstand, selbst wenn man nicht noch eine Leiche loswerden muss.« Ich versuche zu lachen, aber alles, was herauskommt, ist ein ersticktes Keuchen. »Ich kann dich ja nicht einfach zur Mülldeponie bringen.« Mit dem Weinglas auf halbem Weg zum Mund denke ich kurz darüber nach, verwerfe den Gedanken aber. Die Mülldeponie ist seit vierzehn Tagen geschlossen, und mit einer Leiche dort einzubrechen würde garantiert nicht gut enden. »Dass es mir eilig ist, würden die sicher verstehen, aber es gibt so strenge Vorschriften, was als Müll gilt.« Unglücklich schaue ich auf Jim hinunter. »Ich könnte dich im Garten vergraben, aber für ein so großes Loch bräuchte ich einige Zeit, und bis dahin würdest du mir hier anfangen zu stinken.« Ich lege den Kopf schief, nehme mein Handy und tippe in die Suchleiste ein:
»Entsorgen … von … Tierkadaver. Sorry, mein Lieber, aber besser kann ich dich momentan nicht beschreiben.«
Verzweiflung – und verzweifelte Taten – standen auch andernorts auf dem Plan. Keinen Kilometer Luftlinie entfernt hielt Samira, einen Stapel frisch gewaschener Handtücher auf dem Arm, auf der Treppe inne und spürte, wie ihre Welt zusammenbrach.
Sie hatte die Handtücher ins Bad bringen wollen, da hatte die Stimme ihres Mannes hinter der Schlafzimmertür sie erstarren lassen. Nein, er hatte sie weder angebrüllt noch ihr etwas befohlen noch auf diese Art mit der Zunge geschnalzt, die ankündigte, dass es bald schmerzhaft werden würde. Und doch hatte sie gewusst, noch ehe sie das erste Wort aufschnappte, dass sich nun die Schlinge unaufhaltsam zuzog, so wie am Vorabend seine Hand um ihre Kehle, als sie ihn davon abzuhalten versucht hatte, seinen Zorn an ihrer Tochter auszulassen.
Es war ein wütend gedämpftes Zischen, das hinter der Tür erklang, dann knisterte unheilvoll eine zweite, blecherne Stimme durch den bis zum Anschlag aufgedrehten Lautsprecher. Eine Minute später war das Schicksal ihrer Tochter entschieden. Doch anders als bei dem Gespräch, das zu ihrer eigenen Heirat geführt hatte, würde es vor der Durchführung der nikah kein sorgsam arrangiertes Treffen zwischen den beiden jungen Leuten geben. Leila würde ihren künftigen Ehemann nicht zu sehen bekommen, ihr würde nicht leichter ums Herz werden bei seinem Lächeln, ihr Puls sich nicht beschleunigen beim Anblick seiner Gesichtszüge und seiner stattlichen Gestalt. Sie würde nicht ebenso erwartungsvoll wie nervös der Begegnung mit dem Mann entgegenfiebern, von dem sie schon so viel gehört hatte – dem Mann, von dem alle Menschen, die sie liebten, versicherten, er würde perfekt zu ihr passen. Sie würde sich nicht fröhlich mit ihrer Familie in die Vorbereitungen für die walima stürzen im Glauben, dies sei der Beginn eines glücklichen, geborgenen, guten Lebens.
Auf Leila warteten nur Elend, Angst und der bittere Geschmack des Verrats. Niemand würde die Braut, wie vom Islam gefordert, um ihr Einverständnis in die Ehe bitten – man würde sie ihr schlicht aufzwingen. Und statt sich gegen diesen Frevel gegen Gott und die eigene Tochter zu verwahren, würde ihr Vater statt ihrer das Ehegelöbnis unterzeichnen, nicht um zu zeigen, dass er seine Tochter liebte und unterstützte, sondern damit sie nicht einmal bei dieser Gelegenheit ihre Weigerung aussprechen konnte.
Was die walima anging, so hatte Samira in der Zeitung einen Artikel über eine solche gelesen, wo man die Braut – ein Kind, sogar noch jünger als Leila – unter Drogen gesetzt hatte, damit sie nicht mitbekam, was geschah. Würde Leila eines Tages vor den Videoaufnahmen ihrer eigenen Hochzeit sitzen und sich dabei betrachten müssen, wie sie lächelte, statt sich zu wehren? Was würde sie denken, wenn sie sah, wie all ihre Verwandten so taten, als wohnten sie einer rechtmäßigen Hochzeit bei, wo doch alles in ihnen sich dagegen hätte sträuben müssen, wie schändlich man sie und ihren Glauben verriet?
»Der Bräutigam hat der Braut die mahr zu zahlen, nicht ich seinen Eltern doppelt so viel!«, ereiferte sich ihr Mann hinter der Tür.
»Das bisschen Geld sollte der Ruf unserer Familie dir wert sein, Yafir«, knisterte die Stimme aus dem Lautsprecher. »Sie kann froh sein, so eine Partie zu machen. Etwas Besseres wirst du für sie nicht finden.«
Yafir rang sich einen zustimmenden Seufzer ab. »Sobald man wieder fliegen darf, kommen wir rüber, dann muss auf der Stelle die Trauung abgehalten werden.«
Samira sank gegen das Geländer. Die Stimmen verschwammen zu weißem Rauschen. Bei der Rückkehr von dieser Reise würde die Ehe ihrer Tochter nicht nur schriftlich besiegelt, sondern vollzogen worden sein – falls Leila überhaupt wieder mit zurückkäme. Denn diese würde ihr Schicksal nicht gehorsam akzeptieren; sie würde toben und rebellieren, und wenn man ihr den Ungehorsam durch Prügel auszutreiben versuchte, würde sie sich nur noch heftiger wehren, bis zum bitteren Ende … wenn sie dieses Ende nicht vorher in die eigenen Hände nehmen würde.
Unwillkürlich schlossen sich Samiras Augen bei der Erinnerung an die Meldung in den Nachrichten, wie ein Mädchen Chlorbleiche getrunken hatte, um einer Zwangsheirat zu entgehen. Sie hatte es überlebt – um wenige Monate später von ihren Eltern ermordet zu werden.
Unten im Wohnzimmer hörte Samira, wie ihre Töchter sich leise unterhielten. Was würde mit Leilas voller, tiefer Stimme geschehen, wenn sie Bleichmittel trank? Was würde ihr Ehemann tun, wenn sie sich, statt gefügig mit ihm ins Bett zu gehen, gegen ihn wehrte, weil sie sich nicht als rechtmäßig verheiratet betrachtete und sich ihm – und folglich Gott – kein bisschen verpflichtet fühlte?
Und würde sie, Samira, sich dann sagen – in einem Monat, einem Jahr, wenn es nur noch eine Tochter gab, die sie in die Arme schließen konnte: Das war der Moment, in dem ich es noch hätte verhindern können?
Ihre Hände krallten sich so fest um den Wäschestapel, dass ihr vom Druck die Fingergelenke schmerzten.
Schon morgen würden die Planungen dafür anlaufen, dass die Hochzeit stattfinden konnte, sobald man irgend reisen durfte. Schon morgen würden alle es wissen – einschließlich Leila. Schon morgen würde es vielleicht egal sein, dass kein Weg mehr an der Heirat vorbeiführte. Denn schon morgen würde Leila anfangen, sich dagegen aufzulehnen.
Sei es durch die Hand ihres Vaters oder durch ihre eigene, mit dem morgigen Tag wäre Leilas Tod besiegelt.
Und alles nur wegen dieser Gerüchte. Dieses leeren Geredes. Weil auf einem Foto aus der Schule vom Valentinstag ganz im Hintergrund zu sehen war, wie ein anderes Mädchen Leila eine Rose gab. Woher wollte irgendjemand wissen, ob dahinter mehr stand als ein freundschaftlicher Austausch? Nur weil ihre Hände sich berührten? Wie konnte etwas so Kleines, Unscheinbares dazu führen, dass ihrer aller Leben zusammenbrach? Und doch …
Das ist der Moment, in dem es kein Zurück mehr geben wird, wenn ich nicht sofort etwas dagegen tue.
Ihr dröhnte der Kopf von dieser Erkenntnis, dann ebbten Grauen und Panik allmählich ab, und zurück blieb nur ihr Nachhall in einer tiefen Stille voll glasklarer Zielstrebigkeit.
Sie legte die Handtücher ins Regal im Bad, strich und zupfte sie so liebevoll glatt, als striche sie ihren Kindern vor dem Einschlafen übers Haar. Während ihre Hände so beschäftigt waren, flitzten ihre Gedanken von einer Idee zur nächsten. Ohne jede Panik. Tatsächlich fast ohne jegliche Gefühlsregung. Dafür war keine Zeit; es gab zu viel zu tun.
Leise stieg sie die Treppe hinunter und versuchte die Haustür zu öffnen. Es überraschte sie nicht, dass diese verschlossen war und der Schlüssel nicht wie gewohnt am Haken hing. Der Flur schien sich einen Moment lang ins Unendliche zu dehnen; dann, plötzlich, war alles wieder wie immer. Sie ging in die Küche zur Hintertür. Auch sie war verschlossen und der Schlüssel nicht wie üblich unter dem Topf Koriander auf der Fensterbank. Doch die schmale Seitentür in die Garage gab nach, als sie die Klinke drückte. Selbst im Dämmerlicht, das dort herrschte, sah sie sofort, dass die Fernbedienung für das Garagentor nicht an ihrem Platz im nächsten Regal lag. Dennoch tastete sie zur Sicherheit danach, spürte unter den Fingerspitzen das glatte Plastik der Flaschen mit Schimmel- und Fleckentferner, die scharfen Kanten einer verrosteten Mausefalle, den dicken Pappkarton mit Rattengift, dann die Flasche mit dem Rohrreiniger und die mit dem Bleichmittel.
Wieder kam ihr das Mädchen in den Sinn, das die Bleichmittelvergiftung überlebt hatte, nur um ermordet zu werden.
Das ist der Moment, in dem ich es noch verhindern kann. Jeder Weg aus dem Haus war versperrt. Zu versuchen, Yafir umzustimmen, würde ihn nur zu Gewalt provozieren, und sich zu wehren wäre mehr als zwecklos.
Mit Honig fängt man Fliegen, hatte sie einmal im Fernsehen gehört, und jetzt kam der Satz ihr wieder in den Sinn. Es gab herzlich wenig, worin sie den Ansprüchen ihres Mannes genügte, aber Kochen war eines dieser wenigen Dinge.
Bald darauf stand sie in der Küche, und die vertrauten Tätigkeiten des Schnippelns, Hackens und Reibens verdrängten erfolgreich den Gedanken daran, was ganz am Schluss auf sie wartete. In Töpfen und Pfannen zischte und blubberte es, sie rührte und würzte, der Duft von Knoblauch, Zwiebeln und Gewürzen breitete sich aus. Die blauen Flecken, die ihre Arme unter den aufgerollten Ärmeln zierten, hätte man auf den ersten Blick beinahe für ein gemustertes langes Unterhemd halten können.
»Kannst du mal zuhören, Mum?« Neben ihr tauchte Leila auf. »Ich hab vorhin von Huma gehört, ihr Vater und die anderen Onkel überlegen schon, wo wir wohnen sollen, bis ich achtzehn bin und er mit einem Ehegattenvisum hierherkommen kann. Die sind nicht dabei, zu versuchen, jemanden für mich zu finden – das Ganze ist so gut wie im Kasten!«
Als Samira nicht aufsah, sondern einfach weiter rührte und rührte, gab Leila einen erstickten Laut von sich. »Du glaubst mir nicht, aber bald ist es zu spät –«
»Lass mich deinem Vater das Abendessen machen, dann …«
»Was dann? Ich lasse ihn mich doch nicht tatenlos mit irgendeinem Unbekannten verheiraten! Du weißt genau, was er mir antun wird, wenn ich nein sage, aber da mache ich einfach nicht mit!«
»Er wird dich nicht anrühren.«
»Ach, schau dir deine Arme an! Klar wirst du versuchen, mich zu beschützen, aber wenn ich dieser Heirat nicht zustimme, schaffst du das nie. Ich will nicht, dass dir was passiert – natürlich nicht! –, aber ich kann niemanden heiraten, den ich nicht … vor dem mir … Und wenn ich mich weigere, wird er dich nicht nur schlagen. Er wird dich totschlagen, und dann mich! Wir müssen abhauen. Wir müssen aus dem Haus raus und …«
Samira hob einen Topfdeckel an. Ein höchst aromatischer Dampf erfüllte die Küche. »Die Haustür und die Hintertür sind fest verschlossen. Die Schlüssel hat er«, sagte sie und rührte noch einmal um. Vom Löffel tropfte rote Sauce zurück in den Topf. »Und wohin könnten wir in diesem Lockdown schon gehen?« Sie schüttelte den Kopf. »Lass uns nur noch das Abendessen durchstehen, dann nimmst du Maryam mit nach oben, damit sie ihre Hausaufgaben macht, und ich kläre das mit deinem Vater.«
»Ach, dein Chicken Lahori kann auch keine Wunder bewirken.« Verzweifelt starrte Leila zu Boden.
»Wir werden sehen. Hol jetzt bitte deine Schwester und sorg dafür, dass sie sich die Hände wäscht.«
»Mum, bitte … Wir müssen nur hier rauskommen, wir können zur Polizei gehen, zur Frauenhilfe …«
»Wir essen jetzt zu Abend, Leila«, sagte Samira so schneidend wie das Blatt ihres Lieblingsmessers. Sie durfte sich durch Leilas Verzweiflung nicht aus dieser sanften, seltsamen Ruhe reißen lassen, die auf der Treppe über sie gekommen war. Im Moment war ihr Ziel einzig, dass ihren Kindern nichts zustieß. Dafür würde sie sorgen. Um jeden Preis.
»Und sag deinem Vater Bescheid«, befahl sie. »Dann komm wieder runter und hilf Maryam den Tisch decken. Wenn wir ihn jetzt vor dem Essen verärgern, wird das nur böse enden.«
Mit einem Schluchzer riss Leila sich los. Während die Schritte ihrer Tochter im Flur verklangen, wandte Samira sich dem vollgestopften Gewürzregal zu. Ganz hinten zwischen den Zimtstangen und der schwarzen Senfsaat stand die besondere Zutat, die sie aus der Garage eigens für die Portion ihres Mannes mitgebracht hatte.
Die Seite der Packung, die hervorschaute, war mit einem Totenschädel mit zwei gekreuzten Knochen bedruckt.
»Rosemary! Ja, so ein Zufall«, strahle ich den kleinen Lorbeerbaum im Regal mit reduzierter Ware im Baumarkt an, klappe den Kindersitz im Einkaufswagen auf und stelle ihn darauf. »Petunia hat mich gefragt, ob ich ihr eine Freundin einladen könnte.«
Zu ›Feeling Good‹ aus der Lautsprecheranlage mitsummend schlendere ich den Gang mit dem Haustierzubehör entlang; dabei ziehe ich mein Handy heraus und schicke Charlie einen YouTube-Link zu dem Song.
»Man kann heute einfach alles online recherchieren, Rosemary. Wenn zum Beispiel ein verwesender Kadaver da ist, den man nicht wegbekommt, wie eine tote Maus in einem Spalt in der Wand, kann man den Gestank loswerden, indem man Katzenstreu reinkippt. Das entzieht dem Kadaver die Feuchtigkeit, und schwupps, hört er auf zu riechen. Genial!« Ich hieve eine Großpackung Katzenstreu in meinen Wagen, dann nach kurzem Nachdenken noch eine. »Essig und Natron helfen anscheinend auch, aber das haben wir beides zu Hause«, erkläre ich Rosemary, während wir an einem Zeitungsregal vorbeikommen. Die Schlagzeilen informieren mich freundlich: Häusliche Gewalt erreicht im Lockdown ungeahnte Ausmaße!
Wie viele Frauen standen heute Morgen wohl in der Küche und wurden von ihren Männern am Handgelenk gepackt, als der Kessel zu pfeifen anfing?
Was auch weiter geschehen mag, so eine Frau werde ich nie wieder sein.
Im nächsten Gang sitzt ein vielleicht siebenjähriges Mädchen auf dem Boden und daddelt auf einem Handy. In der Nähe sehe ich niemanden, aber etwas entfernt steht eine Jugendliche in knallig lila Stiefeln, genau passend zu ihrem Hidschab – unverkennbar die ältere Schwester. Sie schaut gerade einen Schwung Duschvorhänge mit Fotomotiven von exotischen Orten durch: ein Dschungel, ein Strand, eine Höhle hinter einem Wasserfall.
»Und was soll ich dann sagen?«, zischt sie in das Handy, das sie sich dicht vor die Lippen hält. »›Oh, tut mir leid, Onkel Ayaan, mein Dad ist gerade total gefesselt von Bali‹?« Dann schaut sie sich verlegen um und zuckt zusammen, als sie mich bemerkt.
Ich schenke ihr das strahlendste Lächeln, das ich zustande bringe, in der Hoffnung, dass es sich in meinen Augen über der Maske niederschlägt. »Schönen Tag noch«, rufe ich ihr im Vorbeigehen fröhlich zu und werfe dabei verstohlen einen Blick in ihren Wagen. Ich wundere mich zwar, was eine vielleicht Siebzehnjährige mit Seil und Gaffertape will, bin aber erleichtert, dass auch sie zwei Großpackungen Katzenstreu darin hat. Ich hatte schon Sorge, dass meine beiden verdächtig wirken könnten, vor allem zusammen mit meinen anderen, ziemlich zusammengewürfelten Einkäufen, aber vielleicht sind in der Pandemie seltsame Einkaufskombinationen die neue Regel.
Irgendwie weckt die Zusammenstellung ein Déjà-vu in mir, aber bald lenkt mich die schiere Auswahl an Sägen ab. Wer konnte ahnen, dass es so viele Modelle gibt? Ich schaue auf die Etiketten, aber auf keinem steht etwas Hilfreiches wie »Ideal zum Zersägen von Leichen«. Nicht einmal ein kleiner Tipp wie »Für Holz und Knochen geeignet«.
Mit einem Seufzer nehme ich eine mit hölzernem Griff und einem Blatt, das so lang ist wie mein Arm. Nach kurzem Zögern lege ich noch eine kleine Bügelsäge dazu – und tausche im letzten Moment die mit dem blauen Griff gegen eine mit tiefrotem ein. »Damit man die«, ich schaue mich verstohlen um, »Rostflecken nicht so sieht.«
Und da aller guten Dinge drei sind, nehme ich noch eine weitere.
An der Kasse bin ich in Gedanken schon so bei der grässlichen Aufgabe, die vor mir liegt, dass ich erst, nachdem ich mich an einer der Klebemarkierungen auf dem Boden in die Schlange eingereiht habe, bemerke, dass das Mädchen mit den meinen so ähnlichen Einkäufen in der Nachbarschlange steht. Ausdruckslos starrt sie auf ihr Handy und fährt zusammen, als ihre kleine Schwester eine Packung Süßigkeiten in den Wagen wirft. Prompt nimmt sie sie wieder heraus.
Das Kind macht flehende, große Augen. »Das kriegt Dad doch gar nicht mit, wenn er in der Garage in Quarantäne bleibt. Bi-i-i-itte, Leila!«
Leila wendet sich wieder ihrem Handy zu.
»Eine bei mir in der Klasse hat gesagt, ihre Mum hat gesagt, dass jetzt das Ende der Welt anfängt«, fährt die kleine Schwester unbeeindruckt fort. »Dass zuerst die Pest kommt und dann der Hunger. Und wenn Hunger kommt, dann müssen wir vorher so viel Süßes essen, wie’s nur geht!«
Leila hebt den Blick nicht vom Display.
»Das ist unfair!«, jammert ihre Schwester und tritt nach einem der Räder des Wagens. »Auuu!«, quiekt sie auf und hält sich den Fuß.
Leila zeigt darauf. »Weißt du noch, als du gefragt hattest, was ›sofortiges Karma‹ bedeutet? Genau das.«
Die Frau hinter mir räuspert sich vernehmlich. Ich bemerke, dass meine Kasse frei ist, eile schnell nach vorn und fange an, die Sachen aufs Band zu legen.
»Eine Plane wäre noch gut gewesen«, brummt die Kassiererin.
Fast lasse ich die Rolle Seil fallen, so ruckartig hebe ich den Kopf.
Mein Gesichtsausdruck lässt sie die Stirn runzeln. »Für unters Katzenklo, wenn Sie das Tier daran gewöhnen … Ist es ein Lockdown-Welpe? Oder ein Kätzchen?«
»Eine Katze!«, rufe ich hastig. »Ja! Ich kriege ein Kätzchen! Miezi!«
Die Frau schaut mich an, als wäre ich durchgeknallt.
Dann wandert meine Sägensammlung das Band entlang. »Die sind nicht für die Katze. Natürlich. Ha, ha«, sage ich fröhlich. Dann wird mir bewusst, dass ich das »ha, ha« auch laut ausgesprochen habe. »Das ist … die sind … für einen Busch«, stammle ich hastig. »Ich muss den schneiden. Trimmen.«
Die Kassiererin starrt noch immer die Sägen an. »Die meisten Leute nehmen dazu eine Heckenschere«, sagt sie schwach. »Wollen Sie eine? Ich könnte jemanden bitten, eine zu holen.«
»Ja! Eine Heckenschere. Wunderbar. Danke!«
Sie ruft eine Mitarbeiterin zu sich, mit einem Gesicht, als würde sie lieber nach einer Zwangsjacke schicken. »Und äh, brauchen Sie auch ein Katzenklo?«, fragt sie vorsichtig.
»Katzenklo?«
»Na, für die Katze.« Betont schaut sie die beiden Säcke Katzenstreu an.
»Oh, ja! Das heißt, nein. Danke. Das hab ich schon.«
Die Frau will die Sägen neben die Kasse legen, aber ich schnappe sie ihr vor der Nase weg und packe sie ein. »Die behalte ich zur Sicherheit trotzdem. Man kann nie wissen, ja? Und der Lockdown wird noch eine Weile dauern, wer weiß, was ich in der Zeit noch alles werkeln will.«
Als ich zwanzig Minuten später die Katzenstreu aus dem Auto hieve, zuckt wieder der Vorhang im Wohnzimmer des Hauses gegenüber. Ich greife in den Kofferraum, nehme vornübergebeugt die Tasche, aus der seitlich die Sägen ragen, und schaffe es mit Mühe, die Haustür so aufzuschließen, dass ich sie drinnen abstellen kann, ohne dass der Inhalt von der Straße aus zu sehen gewesen wäre.
Das wirft die Frage auf, wie ich Jim am Adlerblick der guten Edwina von gegenüber vorbeischleuse, der inoffiziellen Coronawachtmeisterin unserer Straße. Vielleicht muss ich davor so viel absonderliches Zeug anstellen, dass niemand sich etwas dabei denkt, wenn mein Leben als heimliche Witwe in die Leichenentsorgungsphase geht.
»Es gibt vielleicht keinen Menschen, den sie sich nicht vom ersten Moment an zum Feind gemacht hätte«, sage ich zu Rosemary, als ich sie vom Beifahrersitz nehme, wo ich sie die Fahrt über angeschnallt hatte, »aber blöd ist sie nicht. Leider. Wenn sie senil wäre, würde ihr keiner glauben, egal was sie beobachtet.«
Ich schiele noch einmal zu Edwinas dynamischen Vorhängen hinüber. Dabei erhasche ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung auf der Straße.
Den Bürgersteig entlang trottet eine Frau, gebeugt unter dem Gewicht von vier vollgestopften Einkaufstaschen. Trotzdem weicht sie auf die Fahrbahn aus, als ihr zwei halbwüchsige Jungen entgegenkommen.
»Guten Tag«, grüßt sie freundlich.
Der eine zeigt ihr den Stinkefinger, der andere beachtet sie überhaupt nicht, weil er gerade die Verpackung eines Schokoriegels in eine Hecke wirft.
Ich seufze und nehme mir vor, den Müll aufzulesen, sobald ich die Einkäufe nach drinnen gebracht habe, aber die Frau ist bereits dabei, ihn aus den Zweigen zu fischen. Dann schlägt sie ihn in ein Taschentuch ein und steckt ihn in die Tasche.
Etwas an dieser Handlung zieht mir das Herz zusammen – ich habe diese Frau noch nie gesehen, und doch hätten wir in diesem Augenblick ein und dieselbe Person sein können.
Nach diesem Erlebnis kommt mir das Haus noch viel einsamer vor, als ich die Tür hinter mir schließe und zu Jim in die Küche gehe. Wegen dieser Sache werde ich jetzt immer einsam sein, denke ich, während ich meine neu erworbenen Sägen auf die Arbeitsfläche lege.
Bis heute war der Lockdown ein Desaster, der mein Leben in einen permanenten Albtraum verwandelte. Jetzt ist er eine Atempause – aber die wird nicht anhalten. Wenn die Welt wieder ihren normalen Gang geht, muss ich Jim ganz und gar losgeworden sein.
»Irgendwelche Ideen?«, frage ich Rosemary und Petunia und starre auf Jim und die Plane neben ihm hinunter. »Am leichtesten wäre es wohl, ihn zu rollen, aber …«
Aber ich will nicht sehen müssen, was Grannys Bratpfanne mit seinem Schädel angestellt hat. Allein bei dem Gedanken daran rebelliert mein Magen. Andererseits kann ich ihn nicht lassen, wo er ist.
Ich ziehe ein Paar Gummihandschuhe über, bücke mich über seine Füße und hebe sie an – und kreische auf und pralle zurück, bestürzt, wie weich er sich anfühlt. Einen Moment lang erwarte ich fast, dass der Leichnam zerfließt wie in einem Horrorfilm. Als nichts passiert, wage ich mich wieder nach vorn und stupse sein Bein an.
»Ich dachte, du wärst bretthart«, erkläre ich ihm. »Setzt die Totenstarre erst später ein?« Ich schiele zu meinem Handy. »Noch was, was ich besser nicht googeln sollte. Tierkadaver schön und gut, aber es sollte sich besser kein Muster ergeben.«
Tief hole ich Luft, hebe noch einmal seine Beine an und lege sie auf die Plane. Dann nähere ich mich seiner Körpermitte. »Beim Heben den Rücken gerade halten«, ermahne ich mich und schaffe es mit einem Ächzen, seinen Unterkörper auf die Plane zu zerren. Zu guter Letzt postiere ich mich neben seine Schultern, schließe die Augen und hebe mit einem Ruck seinen Oberkörper an.
Etwas raschelt, und ich bin gezwungen, ein Auge zu öffnen und dann auch das andere. Jims über den Boden schleifende Stirn zerknittert die Kante der Plane.
Mit angeekeltem Wimmern hebe ich seine Schultern so hoch, dass der Kopf frei baumelt, und lasse ihn mit dem Gesicht nach unten auf die Plane sinken. Die ganze Prozedur wiederhole ich noch dreimal, bis der ganze Körper einen guten Meter vom Rand entfernt liegt.
Beim Anblick der Pfütze, wo sein Kopf lag, muss ich beinahe würgen. Aber ich reiße mich zusammen, nehme das bereitgestellte Wischtuch und den Kraftreiniger und mache mich an die Arbeit. Die Fugen schrubbe ich mit Jims Zahnbürste aus, bis nichts mehr darauf hinweist, dass hier ein Missgeschick passiert ist. Also, abgesehen von der Leiche auf der Plane.
Danach lege ich Wischtuch, Zahnbürste und Gummihandschuhe neben Jims Füße und genehmige mir ein großes Glas Kochsherry und fast ein ganzes Stück Brie.
»Irgendwie muss ich den Alkohol ja aufsaugen«, erkläre ich Rosemary und Petunia, die es klugerweise vorziehen, zu schweigen.
Als Nächstes schiebe und zerre ich mit aller Mühe die beiden Säcke Katzenstreu neben die Plane und gehe dem ersten mit einem Küchenmesser zu Leibe. Im Plastik entsteht ein gezackter Riss.
Ich tauche einen Messbecher in die Körner, halte ihn über Jims Füße … und erstarre.
Sobald die Katzenstreu ihn berührt, gibt es wirklich kein Zurück mehr. Dann wird die Polizei mir nie im Leben mehr abnehmen, dass es ein Unfall oder Selbstschutz war. Dass ich so lange gezögert habe, sie zu holen, sähe schon nicht gut aus, aber noch ginge es. Falls ich es täte.
Ich schaue zum Telefon hinüber, dann wieder auf den Messbecher in meiner Hand.
Hätte Jim mich umgebracht, wenn ich ihm nicht die Bratpfanne über den Schädel gezogen hätte? Hätte ich vielleicht die Polizei rufen sollen, schon als ich erkannte, wie schrecklich es im Lockdown noch werden würde? Wenn ich sie nun gerufen hätte, gleich nachdem Amy ausgezogen war? Oder wenn ich schon vor Jahren gegangen wäre? Die Kinder geschnappt hätte, und tschüs … oder ihn erst gar nicht geheiratet hätte?
Aber ohne Jim gäbe es weder Charlie noch Amy.
Ich starre auf ihren toten Vater hinunter. Wie ist das miteinander zu vereinbaren – meine Liebe zu ihnen und was ich getan habe? Oder ist es unmöglich? Aber es zu ändern ist ebenfalls unmöglich, und alles ist besser, als dass die beiden herausfinden müssen, was ihre Eltern für Menschen sind. Das hier ist meine einzige Möglichkeit, sie davor zu bewahren.
Ich lasse mich von der Woge des Surrealen davontragen und hebe wieder den Messbecher.
Tu’s schon, rede ich mir zu. Du hast sowieso keine andere Wahl, also kipp endlich die Katzenstreu über deinem toten Mann aus.
Mir entschlüpft ein Schnauben, dann ein Auflachen. Tja, sieht so aus, als rutschte Alice gerade unaufhaltsam ins Kaninchenloch, aber wenn es nötig ist, dass ich ein bisschen irre werde, damit ich das Notwendige tun kann, dann sei’s drum.
»Prost, mein Lieber«, sage ich und leere den Messbecher über Jims Füße.
Eine Staubwolke steigt auf, und ich stolpere zur Hintertür und lüfte erst einmal. Als sie sich verzogen hat, schnalle ich mir eine Maske um und dekantiere systematisch die Streu über Jims Fußknöchel, Waden, Knie und Schenkel, ganz langsam und vorsichtig. Als der Sack halb leer ist, nehme ich ihn wankend auf die Arme und lasse den Rest in einem steten Strom über seinen Po, Rücken und schließlich den Kopf rieseln.
Das Gleiche wiederhole ich mit dem zweiten Sack, dann entledige ich mich des zweiten Paars Handschuhe, gehe zum Vorratsschrank, hole alles an Reis und Salz heraus, was darin ist, und streue es obendrauf. Wenn Reis bei nass gewordenen Handys helfen soll, muss er eine ähnliche Wirkung haben wie Katzenstreu. Und das Salz hält hoffentlich das Ungeziefer fern.
»Wie bei unserer Hochzeit!«, merke ich an, während ich meinen Mann mit Reis bestreue. »Nur dass die Ehehölle schon hinter uns liegt.«
Mit diesem erfreulichen Gedanken schlage ich das kürzere Ende der Plane über Jims Rücken, dann knie ich mich neben seine Leiche, eine Hand an seiner Schulter und die andere an der mir zugewandten Seite seiner Hüfte. Damit die Katzenstreu und der Reis ihre Wirkung tun können, muss ich Jim hübsch luftdicht verpacken. Und sollte beides nicht wie gewünscht wirken, ist es umso wichtiger, dafür zu sorgen, dass es nicht stinkt und … nichts austritt.