Ein neuer Sheriff in Schmodge City - Paluten - E-Book

Ein neuer Sheriff in Schmodge City E-Book

Paluten

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Beschreibung

Eine Stadt lebt in Angst und Schrecken vor einer Banditenbande — und Paluten und sein bester Freund Edgar befinden sich mal wieder mitten im Geschehen! Kurzerhand wird Edgar zum Sheriff ernannt, denn Schweinesheriffs sollen die besten sein! Die Hoffnung der ganzen Stadt ruht nun auf den Schultern der beiden Abenteurer. Schnell ahnen die zwei frischgebackenen Westernhelden jedoch, dass in Schmodge City noch ganz andere Sachen fürchterlich schieflaufen... Ein wilder Ritt beginnt!

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Seitenzahl: 215

Veröffentlichungsjahr: 2025

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PALUTEN

FREEDOM

Ein neuer Sheriff in Schmodge City

Über die Autoren:

Paluten ist einer der erfolgreichsten YouTuber Deutschlands. Aus seinem Minecraft-Projekt FREEDOM ­entstand eine komplette Welt, die Millionen von Zuschauern begeisterte und einen Bestsellererfolg nach dem anderen feiert. In »Ein neuer Sheriff in Schmodge City« kehrt er zum zehnten Mal in diese Welt zurück, um mit seinem ­besten Freund Edgar neue Abenteuer zu erleben!

Klaas Kern mag Raumschiffe, Segelschiffe und alle anderen Fortbewegungsmittel, die ihn zu fremden Orten bringen – auch Zeitmaschinen. In Minecraft ist er allerdings meist zu Fuß unterwegs, denn mit dem Pferd fällt man einfach zu oft in irgendwelche Schluchten. Wenn er nicht gerade durch FREEDOM wandert, dann lebt der freie Autor mit seinen Hunden in Hamburg und denkt über neue Abenteuer nach.

Über die Illustratorin:

Irina Zinner ist freiberufliche Illustratorin aus Hamburg und illustriert alles, was ihr zwischen die Finger kommt. Dazu gehören eigene Comicprojekte und Illustrationen, die sie auf Instagram veröffentlicht, aber auch Auftragsarbeiten für Buchverlage, Trickfilme und Adventure-Games.

1. Auflage

© 2025 Community Editions GmbH

Weyerstraße 88–90

50676 Köln

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger aller Art, auszugsweisen Nachdruck oder Einspeicherung und Rückgewinnung in Datenverarbeitungsanlagen aller Art, sind vorbehalten. Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Die Inhalte dieses Buches sind von Autoren und Verlag sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann eine ­Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung von Autoren und Verlag für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Bei Fragen zur Produktsicherheit wenden Sie sich bitte an: [email protected]

Dies ist kein offizielles Minecraft-Produkt. Es ist nicht von Mojang genehmigt oder mit Mojang verbunden.

»Minecraft« and all its graphics are trademark or registered trademark of Mojang Synergies AB. © 2009–2025.

Umschlaggestaltung und Illustration: © Irina Zinner

Abbildung Autorenfoto: © Boris Lehfeld

Redaktion: Jessica Kleppel

Satz: Achim Münster, Overath

Gesetzt aus der DINPro und der Yearbook Solid.

Gesamtherstellung: Community Editions GmbH

eISBN 978-3-96096-479-7

www.community-editions.de

Howdy, Leute!

Herzlich willkommen zurück in der Welt von FREEDOM –

dieses Mal wird es ganz schön staubig!

Wir reiten durch die Prärie, lernen Lasso werfen und bringen ein paar

ziemlich fiese Banditen zur Strecke! Sattelt eure Pferde!

Euer Pdizzle aka Palle aka Patrick :)

- 1 -

Die Sonne ging gerade erst über Dorfd1 auf, aber Paluten brütete schon über einer Idee.

»Kakao ist lecker, richtig?«, fragte er seine kleine Hündin Sally2, die aufmerksam vor dem Küchentisch saß und Paluten beobachtete. Darauf standen eine bunte Packung, eine Tasse mit Löffel und eine dampfende Kanne Milch.

Sally bellte zustimmend.

Paluten nickte. »Wenn also Kakao lecker ist, dann ist mehr Kakao noch leckerer. Kannst du mir folgen?«

Dieses Mal klang Sallys Bellen weniger überzeugt. Paluten ließ sich davon nicht beirren. Er nahm die Packung in die Hand und betrachtete die Rückseite.

»In dem Rezept hier steht: ›Ein Teelöffel Kakao pro Tasse.‹ Hm …«

Nach einem kurzen Moment des Nachdenkens schob er den Löffel in die Packung. »Dann nehmen wir also zwei, damit unser Kakao noch leckerer wird. Ach was, drei.«

Da das braune Pulver gerade mal den Boden der Tasse bedeckte, fügte Paluten noch zwei weitere Löffel hinzu. Sally beobachtete ihn mit schräg gelegtem Kopf.

»Das wird der tollste Kakao aller Zeiten«, versicherte er ihr, als er die heiße Milch in die Tasse schüttete und umrührte. Nach ein paar Um­drehungen ließ sich der Löffel kaum noch in der zähen, dunklen Masse bewegen. Ein Teil des Kakaopulvers hatte sich nicht aufgelöst und schwamm als trockene Schicht auf der Flüssigkeit.

Paluten hielt einen Moment inne. Das sah nicht so lecker aus, wie er es sich vorgestellt hatte. Aber wenn er seine Theorie beweisen wollte, dann musste er das Experiment zu Ende führen. So machte Professor Ente3 das auch immer. Und er war der beste – und einzige – Wissenschaftler, den Paluten kannte.

Zögernd setzte er die Tasse an die Lippen. Sally winselte leise. Im Namen der Wissenschaft, dachte Paluten, als die Masse aus Kakao, Kakaopulver und Milch in seinen Mund schwappte.

Es klopfte an der Tür.

»Moment!« Das wollte Paluten rufen, doch heraus kam nur eine Wolke aus Kakaopulver. Sally schnaubte und wischte sich mit der Pfote über die Nase, als sie davon eingehüllt wurde.

Paluten schüttelte sich. Die eklig bittere Masse füllte seinen ganzen Mund aus. Sie war zäh wie Knetgummi. Er versuchte, sie runterzuschlucken, aber selbst das ging nicht.

Es klopfte erneut.

»Mmg nng«, machte Paluten, während er auf dem so gar nicht tollsten Kakao aller Zeiten herumkaute. Er ging zur Tür und zog sie auf.

Dort stand Edgar4 in der Morgensonne.

»Mnng gnng«, brachte Paluten anstatt »Guten Morgen« hervor. Er erwartete, dass seinem besten Freund auffallen würde, wie seltsam er klang. Doch Edgar trabte nur mit hängendem Kopf ins Haus.

Etwas stimmt nicht, dachte Paluten. Schnell steckte er den Kopf durch die Tür und sah sich draußen um. Alles wirkte normal. Ein paar Dorfbewohner unterhielten sich auf dem Marktplatz, und weiter entfernt sah er, wie Edgar Junior5 und Iggi6 mit Schulranzen auf dem Rücken in Richtung Schule gingen.

Er schloss die Tür. Sein Mund war wie ausgetrocknet. Der Kakao schien das letzte bisschen Flüssigkeit herauszuziehen.

Edgar setzte sich auf sein Hinterteil. Paluten sah, dass er sein Geschirr mit den Satteltaschen trug. Wollte er auf eine Reise gehen? Das hätte er doch bestimmt erzählt.

»Es ist etwas Schreckliches passiert«, sagte das kleine Schwein düster. »Etwas ganz Schreckliches.«

Sally leckte ihm mitfühlend über die Wange. Paluten gab sein Kakaoexperiment auf und spuckte die Masse aus. Sie klatschte neben Edgars Hufen auf den Boden. Sein bester Freund beachtete selbst das nicht. Nur Sally ging hin, schnüffelte kurz daran und wich mit entsetztem Knurren zurück.

Paluten spülte den bitteren Geschmack mit einem großen Schluck Milch herunter. Dann hockte er sich vor Edgar. »Was ist los?«, fragte er ernst.

Das kleine Schwein seufzte. »Weißt du noch, als wir zusammen in der Stadtbücherei von Schmalexandria waren und ich ein Buch für Edgar Junior ausgeliehen habe?«

»Natürlich.« Paluten erinnerte sich gut daran. Sie hatten danach noch Eis gegessen, weil es in der Stadt so heiß gewesen war.

»Junior hat das Buch verschlungen und mir nach ein paar Tagen zurückgegeben«, fuhr Edgar fort, »damit ich es wieder in die Bücherei bringen kann.«

Er hielt inne.

»Und?« Paluten fragte sich, wohin die Geschichte führen würde.

Sein bester Freund senkte kläglich den Kopf. »Ich habe es vergessen«, flüsterte er. »Das Buch steckte die ganze Zeit in meiner Satteltasche, aber ich habe nicht mehr daran gedacht. Und jetzt ist es zu spät.«

Er drehte sich zur Seite und zog ein dickes Buch aus der rechten Satteltasche. Paluten nahm es ihm aus dem Mund. Schweinemärchen für kleine und große Ferkel, stand in geschwungener Schrift auf dem Einband. Als er es durchblätterte, sah er viele Bilder mit tapferen Schweinen, die sich Drachen, Riesenkraken und anderen Ungeheuern stellten.

»Letzte Seite«, sagte Edgar, ohne den Kopf zu heben.

Paluten schlug das Buch von hinten auf. Innen am Buchdeckel klebte ein Zettel mit einem Datum. Rückgabe bis zum …, stand darüber.

»Das war vor einem Monat«, erklärte das kleine Schwein. »Da hätte ich das Buch spätestens zurückgeben müssen. Aber das habe ich nicht getan.«

»Deshalb machst du dir so große Sorgen?«, hakte Paluten nach.

Edgar nickte. »Sieh mal, was ganz unten steht.«

Der Kürbiskopf richtete den Blick auf die klein gedruckte rote Schrift. »Bei verspäteter Rückgabe wird pro Tag ein Bußgeld gemäß Paragrafen 13b erhoben«, las er vor. »Was ist Paragraf 13b?«

Das kleine Schwein zuckte mit den Schultern. »Ich habe schon Professor Ente und General Dieter7 danach gefragt. Die wissen es auch nicht. Aber beide meinten, das klingt sehr ernst. Und jetzt habe ich Angst, dass ich ganz viel bezahlen muss.« Er seufzte erneut. »Hätte ich das doch nicht vergessen.«

Paluten schloss das Buch und steckte es zurück in Edgars Satteltasche. Er konnte die Sorge seines besten Freunds verstehen. Edgar wollte immer alles richtig machen. Deshalb war jeder Fehler für ihn besonders schlimm. Hinzu kam die Sorge um die Strafe.

»Je schneller du das Buch zurückbringst, desto besser«, sagte Paluten. »Sonst wird das Bußgeld ja immer höher.«

»Ich weiß«, Edgar wurde ganz kleinlaut, »… aber ich trau mich nicht.«

Sally ließ winselnd die Ohren hängen. Sie fühlte mit dem kleinen Schwein. Paluten rutschte neben seinen besten Freund und legte ihm den Arm um die Schultern. »Soll ich mitkommen?«

Edgar nickte.

»Gut, dann brechen wir noch heute Morgen auf«, entschied Paluten. »Aber erst mal trinken wir Kakao.«

»Müssen wir?«, fragte das kleine Schwein mit einem Blick auf die dunkle, zähe Masse auf dem Boden.

Paluten lachte. »Die muss ich noch wegmachen. Und wir trinken richtigen Kakao, kein Kakaoexperiment.«

»Dann gerne.«

Als sie fertig waren, brachten die beiden Freunde Sally in die Schule. Dort würden sich Iggi und Junior um sie kümmern. Dann gingen sie los. Als sie Dorfd hinter sich ließen, sah Paluten, dass Edgars Gedanken nur um das Wort Bußgeld kreisten. Er machte sich wirklich große Sorgen.

Hoffentlich nicht zu Recht, dachte Paluten mit einem mulmigen Gefühl im Bauch, während sie in den Wald hineingingen.

- 2 -

Die Türme von Schmalexandria tauchten bald in der Ferne über den Baumwipfeln auf. Doch je näher sie der Stadt kamen, desto langsamer wurde Edgar. Irgendwann blieb er stehen und schnüffelte am Wegesrand herum.

»Riech mal an der roten Blume hier«, forderte er Paluten auf. »Die kribbelt richtig schön in der Nase.«

Das tat sie wirklich. Und sie roch nach Zitronenbonbons, stellte Paluten fest. Edgar zog den Kopf aus dem Blumenkelch und sah sich suchend um. Seine Nase war mit gelbem Blütenstaub bedeckt. Schließlich warf er einen Blick zum Himmel hinauf. »Wollen wir ein bisschen im Gras liegen und uns die Wolken ansehen? Die da hinten über den Bäumen sieht aus wie General Dieter.«

Paluten musste grinsen, als er den Blick auf die weiße Wolke über der Tanne richtete. Es sah tatsächlich so aus, als hinge ein riesiger Hühnerkopf am Himmel. Ein Stückchen weiter entdeckte er eine Wolke, die wie ein …

Moment!, unterbrach Paluten seine Gedanken. Edgar suchte krampfhaft nach Dingen, die sie vom Weitergehen abhielten, oder? Zuerst die Blume, jetzt die Wolken. Paluten stemmte die Hände in die Hüften, als ihm ein Verdacht kam. »Willst du Zeit schinden, bis die Bücherei schließt?«, fragte er seinen besten Freund.

Das kleine Schwein setzte zu einem energischen Kopfschütteln an, hielt dann jedoch inne. »Ja, schon …«, gab es kleinlaut zu.

»Damit machst du es nur schlimmer«, sagte Paluten, während er seinen Rucksack zurechtrückte. Das Gebäck, das Claudia8 ihnen mitge­geben hatte, wog schwer darin. »Warum essen wir nicht eine von den leckeren Apfeltaschen? Und danach gehen wir ohne weitere Pause zur Bücherei. Es ist ja nicht mehr weit.«

»Ich hab keinen Hunger«, erwiderte Edgar. Paluten hob überrascht die Augenbrauen. Wenn Edgar das Gebäck seiner Frau ablehnte, war die Lage ernst.

»Ich bin mir sicher, dass du dich besser fühlen wirst, sobald du weißt, wie hoch die Strafe ist«, versicherte Paluten seinem besten Freund.

»Wenn du meinst.« Edgar schien daran zu zweifeln. Doch er riss sich zusammen und trabte los. Nur um sich im nächsten Moment auf sein Hinterteil zu setzen. »Ich habe einen Stein im Huf.«

Paluten seufzte. »Edgar …«

»Wirklich!« Das kleine Schwein hob seinen linken Vorderhuf. Zwischen den beiden Hälften klemmte ein kleiner grauer Stein. »Kannst du mir helfen?«

»Klar.« Paluten war sich ziemlich sicher, dass Edgar das Problem allein hätte lösen können – falls es überhaupt ein Problem war. Trotzdem hockte er sich neben ihn und zog den winzigen Stein ganz vorsichtig h­eraus. »Ist es jetzt besser?«, fragte er.

Das kleine Schwein stellte sich auf alle vier Beine und belastete probeweise den Huf. »Danke, viel besser. Aber zur Sicherheit sollte ich den Huf schonen, falls er doch ver…«

Es schluckte den Rest des Satzes herunter, als es Palutens misstrauischen Blick bemerkte. »Oder wir gehen einfach weiter in die Stadt«, sagte Edgar dann.

»Gute Idee«, stimmte Paluten zu. Gemeinsam gingen sie weiter den Weg entlang, bis sich der Wald lichtete.

Nun konnten sie nicht nur die Turmspitzen sehen, sondern ganz Schmalexandria. Die Stadt lag in einer Schlucht und war rechts und links von hohen, schroffen Felswänden umgeben. Es sah aus, als würde sie in einem Schraubstock stecken, der sie jeden Moment zerquetschen konnte. Doch sie stand dort schon seit vielen Hundert Jahren, also würde das wohl nicht so bald passieren.

Es gab nur eine große Straße in Schmalexandria, aber viele kleine Gassen, die sich zwischen den Türmen hindurchwanden. Da die Bewohner so wenig Platz hatten, war jedes Gebäude sehr hoch. Das Land vor der Schlucht wurde für Felder und Weiden benötigt. Paluten vermutete, dass sie es deshalb nicht zubauen wollten.

Edgar wurde ganz still, als sie Schmalexandria betraten. Paluten versuchte einige Male, ihn aufzumuntern, aber sein bester Freund reagierte kaum darauf. Ihm schlug das Herz bestimmt bis zum Hals.

Sie kamen an einem Stand vorbei, an dem eine ältere Frau gerade Äpfel auspresste. Sarahs kleiner Saftladen, stand auf einem Banner über ihr. Edgars Mundwinkel zuckten kurz, als er das las. So ganz hatte er seinen Humor noch nicht verloren.

»Guten Tag«, sagte Paluten höflich, als sie an dem Stand vorbeigingen.

Die Frau nickte ihm und Edgar zu. »Guten Tag, ihr seid nicht von hier, oder?«

»Nein, wir kommen aus Dorfd und …«

Die Frau, die vermutlich Sarah hieß, ließ ihn nicht ausreden. »… und ihr wollt zur Berufsberatung, richtig? Hier kommen schon den ganzen Tag Fremde vorbei.«

»Nein, wir …«, setzte Paluten zu einer Antwort an.

Dieses Mal ließ Edgar ihn nicht ausreden. Er hob die Augenbrauen. »Berufsberatung?«, hakte er nach.

Vermutlich-Sarah presste mit bloßen Händen einen Apfel aus. Der Saft tropfte in eine große Karaffe. »Einmal im Jahr kommt der Berufsberater. Wenn ihr möchtet, kann er euch erklären, für welchen Job ihr geeignet seid. Sein Stand ist in der nächsten Gasse links.«

»Danke!« Edgar trabte so schnell los, dass Paluten Mühe hatte, ihn einzuholen.

»Willst du wieder Zeit schinden?«, fragte er, als er zu seinem besten Freund aufgeschlossen hatte. Dessen Hufe klapperten auf dem Kopfsteinpflaster. »Du weißt doch, dass du dich dadurch nicht besser fühlst.«

»Das will ich auch nicht«, erklärte Edgar. »Ich möchte mich nur vorbereiten. Du hast selbst gesagt, dass ich mich besser fühlen werde, wenn ich weiß, was mich erwartet. Wenn ich also weiß, dass ich meine Strafe mit einem Job abbezahlen kann, werde ich nicht so große Angst davor haben.«

Das war logisch, entschied Paluten, als er und Edgar in die nächste Gasse einbogen. An deren Ende stand ein weißes Zelt mit der Aufschrift Berufsberatung. Ein Maulwurf, der ungefähr so alt wie Edgar Junior war, saß auf einem viel zu großen Stuhl vor einem Klapptisch, hinter dem ein streng aussehender Mann Broschüren durchblätterte.

»Balletttänzer?«, sagte der Mann gerade. »Da sehe ich keine großen Chancen für dich. Du bist viel besser im Bergbau aufgehoben.«

Er schob dem kleinen Maulwurf eine Broschüre über den Tisch. Der nahm sie zweifelnd in die großen Schaufeltatzen. »Aber ich tanze so gerne.«

Der Berufsberater scheuchte ihn mit einer ungeduldigen Geste weg. »Der Nächste!«

Als der Maulwurf vom Stuhl rutschte und mit hängendem Kopf davonging, kletterte Edgar auf seinen Platz. Währenddessen sah sich Paluten am Stand um. An die Zeltplane war ein Poster geklebt. ­Gesuchte Berufe, stand ganz oben. Darunter gab es eine sehr kurze Liste.

Pferdeüberzeuger (m/w/d)

Paluten hatte noch nie von dem Beruf Pferdeüberzeuger gehört.

»Ah, ein Schwein!«, sagte der Berufsberater gerade erfreut. »Ich habe genau den richtigen Job für dich.«

Edgars Laune wurde sichtbar besser. »Welchen denn?«, fragte er.

»Trüffelschwein«, antwortete der Berufsberater.

Palutens bester Freund runzelte die Stirn. »Was ist das?«

Der Berufsberater zog bereits eine Broschüre aus dem Stapel. »Du wühlst den ganzen Tag im Dreck und suchst nach wertvollen Pilzen, sogenannten Trüffeln. Besser geht es doch nicht.«

Edgar schüttelte energisch den Kopf.

»Er macht sich nicht gern schmutzig«, erklärte Paluten. »Edgar ist ein sehr sauberes Schwein.«

Der Berufsberater verzog das Gesicht und legte die Broschüre zurück. »Für Schweine hätte ich sonst nur noch Küchenabfallfresser im Angebot.«

»Darf ich mir aussuchen, was ich dabei esse?«

»Natürlich nicht«, schnaubte der Berufsberater. »Das ist Arbeit, kein Spaß.«

Der ist aber nicht nett, dachte Paluten. »Fragen Sie Edgar doch mal, was er gerne macht«, schlug er vor.

Der Mann verdrehte die Augen, kam der Bitte aber nach. »Also gut, was machst du gerne?«

Edgar musste darüber nicht nachdenken. »Ich helfe meiner Frau Claudia gerne beim Backen und gehe gerne mit meinem besten Freund Paluten auf Abenteuer – aber nur, wenn sie nicht so gefährlich sind, dass ich Angst bekomme. Ich lese Edgar Junior gerne Geschichten vor, in denen die Bösen bestraft werden und die Guten gewinnen. Und ich finde es toll, wenn ich meine Borsten nach dem Baden in der Sonne trocknen kann.«

Er schien noch mehr sagen zu wollen, aber der Mann lachte höhnisch. »Was ist denn das für ein Blödsinn? Nichts davon lässt sich zu Geld machen. Borsten trocknen, vorlesen …« Er schüttelte den Kopf. »So ein Quatsch.«

Der Berufsberater machte Paluten richtig wütend. »Sie wollen ihm offensichtlich nicht helfen, das ist alles. Und Sie wissen nichts über Schweine.«

Edgar rutschte bereits von seinem Stuhl und wandte sich ab. »Richtig. Wir wollen nicht den ganzen Tag im Dreck wühlen, und wir fressen nicht – wir essen.«

»Dann viel Glück beim Geldverdienen, ihr Traumtänzer!«, rief der Berufsberater ihnen nach. »Der Maulwurf vor euch war vernünftiger!«

Die beiden Freunde bogen in die Hauptstraße ein und gingen weiter. Ein Schild verriet Paluten, dass es sich bei dem Turm, dem sie sich näherten, um die Bücherei handelte. Die offene Tür wirkte wie ein aufgerissenes Maul, das nur darauf wartete, sie zu verschlingen. Edgar blieb davor stehen und räusperte sich nervös. »Jetzt weiß ich immer noch nicht, wie ich meine Strafe bezahlen soll. Ich mache ja nichts gerne, was irgendwie nützlich ist.«

»Das stimmt nicht«, widersprach Paluten. »Dass du Claudia beim Backen hilfst, ist für sie sehr nützlich. Dein Sohn freut sich, wenn du ihm vorliest. Und ich möchte ohne dich auf kein Abenteuer gehen, weil du mein allerbester und allernützlichster Freund bist.«

Er legte Edgar die Hand auf die Schulter. »Gehen wir rein.«

Edgar schluckte, nickte dann aber entschlossen. »Ja, gehen wir rein.«

Gemeinsam betraten sie die dunkle Bücherei.

- 3 -

Drinnen war es so still, dass Edgar und Paluten selbst ihr eigener Atem viel zu laut vorkam. Durch die zugezogenen Vorhänge fielen dünne Streifen aus Sonnenlicht. Staub tanzte in der Luft zwischen hohen, mit Büchern vollgestopften Regalen. Vor ihnen standen einige Holztische mit unbequem aussehenden Stühlen und ein paar Leselampen. Nur eine davon war eingeschaltet. Ein Mädchen mit langen braunen Zöpfen saß dort neben einem Stapel Bücher, der ihr fast bis über den Kopf reichte.

»Guten Tag«, sagte Paluten höflich, als er ein paar Schritte nach vorn tat.

»Pssst!«, machte das Mädchen und deutete mit dem Kinn auf die Plakate, die an den freien Stellen zwischen den Regalen hingen.

RUHE!!!

stand darauf und

SCHWEIGEN IST EINE TUGEND!

und

EIN LAUTER MUND TUT BLÖDSINN KUND!

Paluten und Edgar schlossen rasch den Mund. »Tschuldigung«, nuschelte das kleine Schwein aus dem Mundwinkel. Dann gingen beide Abenteurer auf Zehen- und Hufspitzen durch den Lesesaal der Bücherei. Das Mädchen schüttelte den Kopf und widmete sich wieder den Büchern.

An der Rückwand des Lesesaals stand eine breite Theke. In dem Regal dahinter stapelten sich Bücher, die ein weißhaariger Mann gerade sortierte. Als Paluten näher kam, hörte er den Mann leise vor sich hin singen. »A kommt vor B, C tut keinem weh. D und E spielen schön im Schnee.« Er hielt kurz inne. »Was kommt noch mal nach E? Ach ja, F. Richtig.«

Edgar zog das überfällige Buch aus der Satteltasche, stellte sich auf die Hinterläufe und legte es auf die Theke. Paluten nickte ihm aufmunternd zu. »Das wird schon nicht so schlimm«, flüsterte er.

Das Mädchen hob den Kopf, als wollte es ihn ausschimpfen. Doch als es sah, dass er und Edgar vor der Theke standen, kehrte sein Blick ins Buch zurück.

Sie nimmt diese Plakate wohl sehr ernst, dachte Paluten.

Neben ihm räusperte sich Edgar.

»Huch!« Der Mann fuhr herum. Er hatte freundliche, helle Augen und ein rundes Gesicht. »Ich habe euch gar nicht gehört.« Er legte die Bücher beiseite. »Das war als Kompliment gemeint. Die meisten donnern durch diese Bücherei, als wären sie unter Elefanten aufgewachsen.«

»Das würden wir nie tun«, versicherte Paluten ihm leise. »Das Mädchen hat uns die Plakate gezeigt.«

Der Bibliothekar lächelte. »Das ist Martha. Sie bereitet sich auf die Aufnahmeprüfung für die EI-FS9 vor und will nicht abgelenkt werden.«

»Die EI-FS?« Palutens Augen leuchteten auf. »Da waren …«

»Zuerst ich«, unterbrach ihn Edgar. Er wollte die Abgabe des Buchs wohl nicht länger aufschieben, sondern schnell hinter sich bringen.

»I-ich möchte da-das Buch zurückgeben«, stammelte er, als der Mann ihn ansah, und schob es mit der Nase über die Theke.

Der Bibliothekar nahm es in die Hand. Erst da fiel ihm das verkrampfte Gesicht des kleinen Schweins auf. »Ach herrje«, sagte er bestürzt. »Hat es dir nicht gefallen?«

»Doch«, erwiderte Edgar mit immer noch zitternder Stimme, »und mein Sohn fand es auch toll, aber …« Er presste die Lippen aufeinander.

»Sehen Sie mal hinten rein«, bat Paluten an seiner Stelle den Bibliothekar.

Der Mann schlug das Buch auf der letzten Seite auf und betrachtete einen Moment den Stempel. »Ach herrje«, sagte er dann erneut. »Das ist ja überfällig.«

Edgar nickte und trat nervös von einem Huf auf den anderen. »Was passiert denn jetzt?«, fragte er.

»Moment.« Der Bibliothekar zog eine Art Rechenmaschine unter der Theke hervor. Sie bestand aus mehreren straff in einen Holzrahmen gespannten Schnüren. Bunte Kugeln reihten sich daran auf wie Perlen an einer Kette.

Der Mann schob einige hin und her, murmelte, kratzte sich am Kopf und verschob wieder einige Kugeln. Dann seufzte er. »Martha, kannst du mir kurz helfen?«

Das Mädchen stand, ohne zu zögern, auf und stellte sich zu dem Mann hinter die Theke. Sie warf einen Blick auf das Rückgabedatum, verschob zwei Kugeln und sagte: »Sechsunddreißig.«

Edgar schluckte. »Sechsunddreißig Goldmünzen?«

»Nein, sechsunddreißig Tage«, erklärte Martha. Ihre dunklen Zöpfe hüpften bei jeder Bewegung auf und ab. »Seit du das Buch zurückgeben solltest.«

»Ach herrje.« Zu Palutens Verwunderung schob der Bibliothekar das Buch wieder Edgar zu. »Ich darf leider nichts annehmen, was länger als dreißig Tage überfällig ist. Ihr müsst zur zentralen Bußgeldstelle.«

Zentrale Bußgeldstelle. Das klang sogar für Paluten bedrohlich. Neben ihm quiekte Edgar entsetzt. Sein Gesicht war so weiß wie das Laken eines Schlossgespensts. »Wo ist denn diese B-bußgeldstelle?«

»In der Bücherei von Schmodge City«, antwortete der Mann. »Das ist ziemlich weit weg von hier.«

»Können Sie uns nicht wenigstens verraten, wie viel er bezahlen muss?«

Der Mann schüttelte den Kopf. »Das muss meine Chefin Frau Doktor Simone Coruja entscheiden.« Er verzog das Gesicht. »Sie ist leider sehr streng.«

Edgar sah aus, als würde er gleich in Ohnmacht fallen. Das waren durch und durch schlechte Nachrichten. Paluten legte ihm die Hand auf den Vorderhuf, mit dem er sich an der Theke abstützte. »Wir werden gemeinsam nach Schmodge City gehen und mit Frau Doktor Coruja reden.«

»Ihr solltet lieber reiten«, riet ihnen der Bibliothekar. »Das geht schneller.«

»Wenn ihr ein Pferd findet«, fügte Martha hinzu.

Paluten runzelte die Stirn. »Sind Pferde so schwer zu bekommen?«

Das Mädchen grinste. »Nein, aber sie sind wählerisch.«

Das war eine seltsame Aussage. Setzte man sich hier nicht einfach auf ein Pferd und ritt los, so wie in Dorfd? Bevor Paluten nachhaken konnte, steckte Edgar das Buch zurück in die Satteltasche. »Verschwenden wir keine Zeit«, sagte das kleine Schwein ernst. »Mit jedem Tag wird dieses Bußgeld ja höher.«

»Moment.« Der Bibliothekar kritzelte rasch etwas auf einen Zettel, stempelte das Stück Papier ab und reichte es Paluten. »Zeigt das Doktor Coruja. Dann weiß sie, dass ihr das Buch heute abgeben wolltet.«

»Danke.« Paluten faltete den Zettel sorgfältig zusammen und steckte ihn in seine Hosentasche. Als er aufsah, bemerkte er, dass Edgar bereits mit hängendem Kopf zum Ausgang trabte. Vor der riesigen offen stehenden Tür wirkte er klein und verloren.

»Hoffentlich geht das gut aus«, sagte Martha, die ihn ebenfalls beobachtete. »Er scheint ein sehr nettes Schwein zu sein.«

»Das netteste«, stimmte Paluten zu. Dann verabschiedete er sich von dem Bi­blio­thekar und dem Mädchen. »Danke für den Zettel. Und viel Glück mit der EI-FS.«

»Danke. Ich gebe mir echt Mühe, weil ich sonst Saftpresserin werden muss, hat der Berufsberater gesagt.« Martha verdrehte die Augen.

Dieser Berufsberater will wohl wirklich jedem seine Vorschläge aufzwingen, dachte Paluten. Er folgte Edgar aus der Bücherei und trat in helles Sonnenlicht. Sein bester Freund zeigte mit dem Huf auf ein Schild. »Da geht es zu den Mietställen.«

Nur drei Kreuzungen später standen sie vor dem Gelände. Pferde weideten hinter einem Holzzaun auf einer großen Wiese. Ein Junge saß auf dem Zaun und ließ die Beine baumeln.

»Wir hätten gerne ein Pferd«, sagte Edgar zu ihm.

Der Junge musterte die beiden Abenteurer. Er hatte kurze blonde Haare und viele Sommersprossen. »Ist einer von euch Pferdeüberzeuger?«, fragte er.

Edgar schüttelte den Kopf.

»Was ist ein Pferdeüberzeuger?«, wollte Paluten wissen.

»Das ist jemand, der Pferde überzeugt«, antwortete der Junge. Als er sah, dass das die beiden Abenteurer nicht weiterbrachte, seufzte er. »Also, hier in Schmalexandria könnt ihr nicht einfach ein Pferd mieten. Es hat das Recht, sich auszusuchen, mit wem es wohin reitet. Ein Pferdeüberzeuger vermittelt zwischen Pferd und Reiter. Wenn ihr keinen dabeihabt, könnten die Verhandlungen schwierig werden.«

Paluten winkte ab und sprang über den Zaun. »Pferde mögen uns.«

Edgar trabte unter den Brettern hindurch. »Fragen wir das graue«, schlug er vor.

Es war eine große Stute, die langsam vor sich hin kaute. Als Paluten und Edgar auf sie zugingen, richtete sie die Ohren nach vorn. Sie war aufmerksam. Das war ein guter Anfang, entschied der Kürbiskopf.

»Hallo«, sagte er freundlich, »dürfen wir auf dir reiten? Wir müssen nach Schmodge …«