Ein- und Ausblicke aus dem DDR-Alltag - Karin Vogler - E-Book

Ein- und Ausblicke aus dem DDR-Alltag E-Book

Karin Vogler

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Beschreibung

Ein- und Ausblicke aus dem DDR-Alltag, Mauern, Edelobst, Bananen zweimal jährlich, Studienplätze, Polikliniken, SERO, Fallsbeutel, Astronomie, Bückware, Tauschhandel, Teamgeist, Wohnungsknappheit und Vieles mehr Die Autorin berichtet unter anderem von Nachhaltigkeit, die in der heutigen Wegwerfgesellschaft leider weitestgehend verloren gegangen ist. Sie schreibt auch von nur auf Umwegen erreichten Zielen, trotz Versorgungsengpässen gut organisiertem gesunden Essen, Polikliniken, kulturellen Möglichkeiten, Teamgeist, Problemen bei Studienplätzen und Wohnungen, Reisen, Reparationsleistungen und Vielem aus verschiedenen Lebensbereichen mehr. Sie vergleicht soziale und andere Aspekte beider Gesellschaftsordnungen und kritisiert sowohl den Umgang mit erhaltenswürdigen Einrichtungen nach 1989, alsauch aktuelle Unzulänglichkeiten. Menschen, die die DDR nicht selbst erlebt haben, mag Vieles fremd vorkommen. Sozusagen gelernte DDR-Bürger werden manche erwähnte Geschehnisse vielleicht ähnlich erlebt oder empfunden haben. Der Titel des Buches ist eine gewollte Wortspielerei.

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Inhalt

Vorwort

Der Fallsbeutel

Knäcke- und Filinchenbrot

Ata und andere Reinigungsmittel

Schule und Ausbildung

Wohnung

Röntgenröhren und Arbeitswelt

Möbel, Teppich, Waschmaschine, ...

Tauschhandel

Reisen, Reichsbahn und Mitropa

Edelobst, anderes Obst und Gemüse,

Bananen

Taschenrechner, Lochkarten, Lochstreifen, erste Computer, ...

Fotografie

Auto, Fahrschule, ...

Umweltsch(m)utz, Umweltgruppe

Telefon

ZV-Lager, Kriegsübung, ...

Papiertaschentücher

Stoffe, Wandfarbe, ...

Bücher und Kalender

Musikkassetten und Schallplatten

Konzerte

Fernsehen

Rudolstädter Vogelschießen mit Jahrmarkt

Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke, Feiervorbereitungen, ...

Besondere Reparaturanlässe ...

Polikliniken, medizinische Versorgung

SERO

Pflastersteine, bröckelnder Putz, ...

Bürokratie

Nachwort

Dank und Quellen

Vorwort

Die DDR ist Geschichte, könnte man meinen. Zeitlich und politisch gesehen ist sie das auch. Aber in der DDR lebten Menschen, für die auch die DDR-Zeit Lebenszeit war. In meinem Fall waren es bis zum Mauerfall etwa 29 einhalb Jahre, die mich geprägt haben. Damals habe ich unter anderem gelernt, zwischen den Zeilen zu lesen und mein Umfeld kritisch zu hinterfragen, wobei ich schnell an Grenzen geriet.

Es war Vieles in der DDR nicht in Ordnung, aber es gab auch Vieles, was gut war. Nein, ich will die DDR nicht zurück, auf keinen Fall! Manches war auch einfach nur anders. Auf jeden Fall gab es mehr Erhaltenswertes als nur das Sandmännchen und den grünen Abbiegepfeil.

Wenn ich mich mit meinen Eltern, anderen Verwandten, Freunden oder Bekannten über vergangene Zeiten, insbesondere über die aus der DDR-Zeit unterhalte, denke und sage ich oft, `das müßte man eigentlich alles mal aufschreiben ´.

Das wollte ich aus Anlaß 25 Jahre, also ein Vierteljahrhundert Mauerfall schon tun. Leider machte mir meine Gesundheit einen Strich durch diese Rechnung.

Inzwischen habe ich etwa genauso viel Zeit nach dem Mauerfall gelebt wie davor. – Eigentlich ein geeigneter Zeitpunkt, um Zwischenbilanz zu ziehen.

Ich möchte anhand einiger mehr oder weniger typischer selbst erlebter und zum Teil im Umfeld mitbekommener, manchmal kurioser, oft nerviger, heute schlecht vorstellbarer Alltagsereignisse und teilweise einiger Vergleiche zur heutigen Zeit über Erinnerungen aus der damaligen Zeit berichten, weil ich nicht will, daß das alles in ein paar Jahrzehnten einfach so in Vergessenheit gerät.

Es handelt sich nicht um meine Biografie, auch wenn viele biografische Bezüge als Beispiele genannt beziehungsweise geschildert werden.

Ich schreibe bewußt in alter Rechtschreibung, weil ich diese für sinnvoller und logischer halte.

In der neuen Rechtschreibung ist Vieles verloren gegangen. Manchmal schüttelt es mich, wenn ich sehe, wie neuerdings Wörter getrennt werden, so als wären sie nur von einem Roboter initiiert.

Früher gab es ein Sprichwort: Die Trennung von st tut weh. Bei einigen Anwendungen ist das in meinen Augen sogar sinnentstellend.

Meinem Buch will ich solche Verschlimmbesserungen nicht antun.

Rudolstadt, im Juni 2019.

Der Fallsbeutel

Der Begriff „Fallsbeutel" wurde von Leni Statz, einer Saalfelder Künstlerin geprägt und bedeutet: Man mußte immer einen Einkaufsbeutel dabei haben, falls es irgendwo irgendetwas gab.

Diese Stoffbeutel waren meist aus Dederon gefertigt. Manche nähten sie auch selbst aus anderen Materialien. DeDeRon ist ein Kunstwort für den in Rudolstadt-Schwarza hergestellten Stoff, der nichts anderes war, als das in westlichen Gefilden bekannte Nylon, es mußte hier aber anders heißen.

Vermutlich alle DDR-Bürger waren mit mindestens einem solchen Beutel ausgestattet.

Sie waren und sind praktisch, wasch- und immer wieder verwendbar. Sie ließen sich schnell zusammen falten und gut in Hand-, Mantel-, Aktentaschen und so weiter verstauen, ohne wirklich viel Platz weg zu nehmen. Und immer, wenn man an einem Laden oder Kiosk vorbei kam, wo es gerade etwas gab, wonach man suchte oder was man in nächster Zeit gebrauchen konnte, hatte man den Beutel parat, um den Zufallseinkauf nach Hause zu tragen.

Es gab in der DDR eigentlich fast alles, nur nicht flächendeckend, nicht überall, nicht in der richtigen Menge und schon gar nicht immer.

Man mußte rauskriegen, wann es wo was gibt und möglichst rechtzeitig dort sein oder die richtigen Leute kennen. Was es nicht gab, war Armut im heutigen Sinne.

Plastetüten oder –beutel gab es so gut wie nicht, selten mal Papiertüten. Eigentlich war dies gar nicht so schlecht, denn die Umwelt wurde so hier wenigstens davon verschont.

Bei uns sagte man übrigens Plaste, nicht Plastic.

Chemisch ausgedrückt, ist Plaste eigentlich sogar exakter. Unter einer Plastik habe ich mir immer eine Skulptur oder etwas Ähnliches, künstlerisch Gestaltetes vorgestellt. Neuerdings verbreitet sich auch hier im Osten Deutschlands die englische eingedeutschte Bezeichnung Plastic.

Wenn wir mal so einen westlichen Foliebeutel mit buntem Aufdruck irgendwoher bekamen, wurde der sorgfältig aufbewahrt. Er galt als etwas Besonderes.

Wenn ich heute Plastebeutel benutze, dann grundsätzlich mehrmals, bis sie kaputt gehen.

Dann stecke ich sie in den gelben Sack, der alle zwei Wochen von der Abfallentsorgung abgeholt und danach hoffentlich umweltverträglich entsorgt wird.

Neben dem Fallsbeutel gab es eine Zeit lang auch noch ein Mininetz, sozusagen ein Fallsnetz, das den gleichen Zweck erfüllte wie der Beutel.

Es bestand aus dehnbarem Material und konnte so die zufällig erwischten Produkte fassen.

Die Beutel erfreuten sich aber größerer Beliebtheit und waren auch beständiger. Es kam ganz selten vor, daß mal ein Henkel abriß, und wenn, dann nähte man ihn wieder an.

Ich besitze heute noch mehrere Dederonbeutel aus DDR-Zeiten und benutze sie auch weiterhin zum Einkaufen.

Anfang der 1990er Jahre wurden die Ossis manchmal belächelt, wenn sie mit solchen Beuteln in der Alt-BRD gesehen wurden.

Inzwischen gibt es erfreulicherweise in ganz Deutschland Initiativen, Stoffbeutel statt Plaste- oder Plasticbeutel zu verwenden, um die Umwelt nicht noch mehr zu vermüllen.

Knäcke- und Filinchenbrot

Knäckebrot gehörte zumindest in Rudolstadt und Umgebung zur Mangelware, manchmal mutierte es auch zur sogenannten Bückware.

Wenn man Verkäuferinnen gut kannte, oder eine Verkäuferin etwas benötigte, was ein Kunde besorgen konnte, erhielt man manchmal Sachen, die es nur selten gab, bevorzugt, beziehungsweise wurden diese aufgehoben und aus einem Fach unter dem Verkaufs- oder Kassierertresen herauf geholt, also die Verkaufskraft mußte sich dazu bücken, daher der Beiname Bückware.

Manchmal war das Ganze in eine größere Papiertüte oder Zeitung gepackt, damit die anderen Kunden den Inhalt nicht sehen konnten.

Teilweise gelangte man auch durch monatelanges möglichst tägliches Fragen nach einem bestimmten Produkt in diesen Genuß, wenn also die Verkäuferin entsprechend genervt war, Mitleid hatte oder manchmal auch sich freute, wenn sie einen Kundenwunsch erfüllen konnte und mal nicht sagen brauchte: "Nein, haben wir nicht."

Natürlich traf das nicht nur auf Knäckebrot, sondern auf fast alle schlecht zu bekommenden Waren zu.

Im sogenannten Reformhaus, einem Laden, in dem es Diätprodukte gab, erwischte man von Zeit zu Zeit ein Päckchen Knäckebrot. In anderen Lebensmittelläden war es hier Zufall, wenn mal so etwas im Regal oder in einem Karton davor stand, denn meistens brauchten die Verkäuferinnen die Kartons gar nicht ausräumen, weil ihr die Einzelpäckchen förmlich aus der Hand gerissen wurden und schnell wieder vergriffen waren.

In größeren Städten konnte man schon eher mal dazu kommen, wenn es Sachen gab, die man sonst nicht kriegte.

Als die Verwandten aus Rostock erfuhren, daß es hier kein Knäckebrot gab, klapperten sie in Rostock mehrere Kaufhallen ab und schickten mehrmals Pakete mit Knäckebrot nach Rudolstadt. Wir wußten bis dahin gar nicht, daß es so viele verschiedene Sorten Knäckebrot gab.

Zeitweise hatten meine Eltern ein richtiges Lager von Knäckebrot zu hause.

Als ich dann später in Rostock studierte, brachte ich auch ab und zu ein paar Päckchen Knäckebrot mit nach hause.

Seit etwa Mitte der 1970er Jahre wurde Filinchenbrot, eine Art Knusperbrot in der DDR hergestellt. Auch das entwickelte sich schnell zur Mangelware und war noch seltener erhältlich als Knäckebrot. Auch Filinchen wurde zu hause gesammelt, wenn man mal welches erwischte.

Schließlich konnte man nie wissen, wann es das nächste Mal welches gibt.

Zum Glück war sowohl Knäckebrot, alsauch Filinchenbrot sehr lange haltbar, so daß es nicht verdarb.

Selbstverständlich gab es zumindest ab Ende der 1950er Jahre genügend zu Essen in der DDR.

Die Lebensmittelmarken der Nachkriegszeit wurden in der DDR im Frühsommer 1958, also etwa 8 Jahre später als in Westdeutschland, abgeschafft. Es brauchte niemand mehr zu hungern.

Die Grundnahrungsmittel waren preiswert, so daß sie sich jeder leisten konnte.

Nur wollte man eben nicht jeden Tag das Selbe essen und mal einen anderen Geschmack im Mund haben.

Letzteres war halt nicht immer einfach zu organisieren.

Dabei hätte es eigentlich gar keine oder nur wenige Überseeimporte gebraucht, die damals schon der Umwelt geschadet hätten, sondern lediglich eine bessere und regelmäßige Verteilung.

Ata und andere Reinigungsmittel

Ata, ein pulverförmiges Scheuermittel gab es in der DDR eigentlich immer, sowohl in Konsum-, alsauch HO-Läden.

Konsum und HO waren Handelsketten.

Konsum arbeitete auf genossenschaftlicher Basis. Darin konnten Kunden Mitglieder werden und erhielten für jeden Einkauf Konsummarken, die sie jedes Jahr im Januar in einem Heft zur Rückvergütung einreichen konnten und einige Monate später den Rabattpreis in Höhe von rund 1,6 % der Einkäufe ausgezahlt bekamen. HO, kurz für Handelsorganisation, war staatlich geführt, wurde als eine Form des sogenannten Volkseigentums bezeichnet und entprach praktisch Einzelhandelsunternehmen, aber eben unter staatlicher Aufsicht.

Private Geschäfte wurden seit den 1970er Jahren leider kaum noch von staatlicher Seite akzeptiert und deren Besitzer vielfach zum Aufgeben gezwungen. Neudeutsch würde man das heute als Mobbing bezeichnen, wobei der Staat samt Stasi als Mobber fungierte.

Als es in einem Konsum in Rudolstadt mal wieder kurzzeitig Knäckebrot gab, stand vor dem Regalfach ein handgeschriebenes Schild mit der Aufschrift: „Bitte jeder nur ein Päckchen". Das Knäckebrot war schnell alle und irgendein Witzbold stellte das Schild vor die Ata-Päckchen. So dachten alle nachkommenden Kunden, daß es bald kein Ata mehr gibt und so kauften alle Ata ein. Den Kassiererinnen fiel irgendwann mal auf, daß fast jeder ein Päckchen Ata im Einkaufskorb hatte. Es soll wohl über eine Stunde gedauert haben, bis eine Verkäuferin oder Kassiererin das Schild vorm Ata entdeckte und entfernte.

Auch ich hatte noch einige Jahre nach 1989 noch genügend Ata-Vorrat.

Auch an anderen Reinigungsmitteln fehlte es nicht. Allerdings hatte man kaum Auswahl.

Irgendwann in den 1970ern wurde ein neues Waschpulver entwickelt. Davon existierte dann sogar eine gekörnte Form, die sich gut handhaben ließ und auch hartnäckige Verschmutzungen bewältigen konnte. Dieses Waschpulver war dann besonders in kleineren Städten wieder schlecht zu bekommen.

Also, immer, wenn ein Familienmitglied oder jemand aus dem Bekanntenkreis in eine größere Stadt fuhr, bekam die- oder derjenige den Auftrag, solches Waschpulver und andere Mangelwaren mit zu bringen.

Einfache Seife und Zahnpasta kriegte man in jeder Drogerie. Nur besondere Sorten durfte man nicht erwarten.

Einige Leute bekamen stark duftende Seife öfters mal von Westverwandten geschickt. Diejenigen, die über Westgeld verfügten, konnten sowas auch im Intershop kaufen. Wenn meine Eltern mal ein Stückchen westlicher Seife geschenkt bekamen, was sehr selten vorkam, konnte ich das gar nicht mit nutzen, denn aufgrund von Allergien, die erst viel später (2014) zufällig bei mir diagnostiziert wurden, vertrug ich die Westseife nicht. Heutzutage muß ich nach einfacher, wenige Duftstoffe enthaltender Seife suchen.

Als ich die ersten zwei bis drei Jahre zur Schule ging, fiel mir früh immer ein unangenehmer Geruch in der Schule auf, der daher rührte, daß damals die alten Holzdielen mit terpentinölgetränkten Spänen gereinigt wurden.

Erst so um 1970 wurden die Fußböden unserer Schule modernisiert und konnten fortan mit anderen Putzmitteln gewischt werden, so daß der morgendliche üble Geruch von Montag bis Sonnabend weg fiel.

Ich hatte noch sonnabends Schule, was aber weder ich, noch andere Schülerinnen und Schüler ungewöhnlich fanden. Es war eben zu jener Zeit normal, auch sonnabends in die Schule zu gehen. Wir hatten nur maximal fünf Stunden Unterricht, wochentags waren es meist sechs und oft nachmittags noch Sport oder Arbeitsgemeinschaften.

Auch Erwachsene gingen damals noch sonnabends zur Arbeit. Die 5-Tage-Woche wurde erst später eingeführt.

Für den Sportunterricht mußte man vorallem in den ersten Schuljahren einen sogenannten Kulturbeutel mitbringen, der unter anderem einen Waschlappen oder / und ein kleines Handtuch enthalten sollte, womit wir wieder bei den Reinigungsmitteln gelandet wären.

Eine besondere Art von Reinigungsmitteln begegnete mir Anfang der 1970er Jahre in der Schule, als eine heftige Grippewelle grassierte.

Es wurden in mehreren Räumen Waschschalen und Desinfektionsmittel dazu aufgestellt, wo sich alle Kinder mehrmals täglich die Hände waschen mußten.

Etwa 10 Jahre später brach im Bezirk Rostock die Maul- und Klauenseuche aus. Da einer der Hörsäle der Sektion Physik im Gebäude der Tierklinik beheimatet war, durften wir als Studenten diesen in jener Woche nur über eine desinfizierende Seuchenmatte betreten. Die Uni und die Stadt Rostock wollten verhindern, daß die Krankheit sich auf die Tiere der Tierklinik oder des benachbarten Zoos ausbreitet, was wohl auch gelungen ist. Gleichzeitig wurde gemunkelt, daß der gesamte Bezirk Rostock vorübergehend unter Quarantäne gestellt werden sollte. Diese extreme Hygiene- und Vorsichtsmaßnahme trat aber dann doch nicht in Kraft. Vielleicht handelte es sich dabei aber auch nur um eine Fakemeldung des Buschfunks.

Schule und Ausbildung

Da der Stadtteil Cumbach in den 1960ern noch keine eigene POS (Polytechnische Oberschule) hatte, wurde ich in die hinterm Nordufer der Saale gelegene Anton-Sommer-Schule eingeschult. Anton Sommer war ein Dichter aus der Region um Rudolstadt, der in Mundart schrieb. Mundart war allerdings zu DDR-Zeiten an Schulen generell nicht erwünscht und offiziell sogar verpönt. Inzwischen finden sich glücklicherweise ab und zu ein paar Leute, die Regionaldialekte meist als Hobby, beziehungsweise ehrenamtlich noch pflegen.

Die Schultüte, auch Zuckertüte genannt, mußte lange vorher besorgt werden, die Inhalte auch.

Das verlangte Eltern manchmal viel Organisationstalent und Kreativität ab. Meine Zuckertüte, die natürlich nicht nur mit Süßigkeiten gefüllt war, war so schwer, daß ich sie gar nicht allein bis nach Hause tragen konnte.

Auch nach einem geeigneten Schulranzen mußte schon mindestens ein halbes Jahr vor der Schuleinführung Ausschau gehalten werden. In der heutigen Zeit kann man da ja sogar die Farbe aussuchen. In der damaligen Zeit achtete man aber auch mehr darauf, daß solche Sachen lange ganz blieben, nicht nur, weil sie schwer zu beschaffen waren.

Nach den ersten 3 Schuljahren fanden jeweils Schwimmlager in den Sommerferien im hiesigen Freibad statt. Meistens gab es mehrere Kurse, die sich jeweils 2-3 Wochen hinzogen. Man konnte sich aussuchen, an welchem man teilnehmen wollte. Noch bevor das Bad für alle Besucher öffnete, lernten jeden Morgen außer am Wochenende etwa 2 Stunden lang die Schwimmanfänger das Schwimmen oder trainierten es nach der 2. oder 3. Klasse. Die Eltern brauchten nur ein ganz geringes Entgelt dafür zahlen. In anderen Orten, die über eine eigene Schwimmhalle verfügten, gab es übers ganze Jahr verteilt, zum Teil sogar in den Schulsport integriert, Schwimmunterricht. So fand man in der ehemaligen DDR nur ganz wenige Nichtschwimmer.

Von Klasse 1 bis 4 gehörte neben Deutsch, Mathe und Sport auch Unterricht in Schulgarten, Nadelarbeit (Handarbeit), Werken, Musik, Zeichnen und Heimatkunde zum Lehrplan.

Schulgarten, Nadelarbeit, Werken und Heimatkunde fielen ab der 5. Klasse weg, dafür kamen Physik, Chemie, Biologie, Geschichte, Erdkunde und Russisch dazu. Englisch gab’s erst ab der 7. Klasse und leider nur 2 Stunden pro Woche. An manchen Schulen wurde auch Französischunterricht angeboten.

Englischsprachige Musik drang natürlich auch nach Thüringen vor. Ich hörte meistens NDR2.

Offiziell war es natürlich verboten, Westsender zu hören.

Scheinbar wurde der Norddeutsche Rundfunk vom Brockensender so verstärkt, daß er hier ganz gut empfangbar war. Auch von DDR-Sendern konnte man ab und zu ausländische Musik hören.

Mit meinem Kassettenrekorder Sonett nahm ich per Mikro einige Songs vom Radio auf.

Verbindungskabel gab’s damals noch nicht, jedenfalls nicht für jeden Radiotyp.

Da ich nun Englisch lernte, wollte ich die Texte der englisch gesungenen Lieder verstehen. So spulte ich strophen- oder zeilenweise immer wieder die Kassette zurück, bis ich den jeweiligen Text aufgeschrieben hatte. Mit Hilfe eines Wörterbuchs, das ich inzwischen im Buchladen ergattert hatte, versuchte ich nun, zu übersetzen.