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In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie wird die von allen bewunderte Denise Schoenecker als Leiterin des Kinderheims noch weiter in den Mittelpunkt gerückt. Neben den alltäglichen Sorgen nimmt sie sich etwa des Schicksals eines blinden Pianisten an, dem geholfen werden muss. Sie hilft in unermüdlichem Einsatz Scheidungskindern, die sich nach Liebe sehnen und selbst fatale Fehler begangen haben. Dann wieder benötigen junge Mütter, die den Kontakt zu ihren Kindern verloren haben, dringend Unterstützung. Denise ist überall im Einsatz, wobei die Fälle langsam die Kräfte dieser großartigen Frau übersteigen. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Doch auf Denise ist Verlass. Der Sophienlust Bestseller darf als ein Höhepunkt dieser Erfolgsserie angesehen werden. Denise von Schoenecker ist eine Heldinnenfigur, die in diesen schönen Romanen so richtig zum Leben erwacht. Mit Tragtaschen und Päckchen beladen, kam Denise von Schoenecker aus einem Maibacher Warenhaus. Aufatmend hielt sie am Gehsteig kurz inne. Es war immer dasselbe. Wenn sie nach Maibach fuhr, dann hatte sie stets eine lange Einkaufsliste bei sich, und meistens wurde es dann noch mehr, als sie vorgesehen hatte. Jetzt bereute sie, daß sie ihren Sohn Nick und dessen Freundin Pünktchen nicht mitgenommen hatte. Die beiden hätten ihr tragen helfen können. Auch hätten sie ihr beim Aussuchen neuer Bücher zum Vorlesen helfen können. Zwar wurde im Sommer weniger vorgelesen als im Winter, aber sowohl die kleinen als auch die größeren Kinder freuten sich über eine neue Geschichte. Denise von Schoenecker war für das Kinderheim Sophienlust verantwortlich. Sie verwaltete dieses Heim bis zur Volljährigkeit ihres Sohnes Nick, denn dieser war der eigentliche Besitzer. Er hatte Sophienlust, einst ein herrschaftlicher Besitz, von seiner Urgroßmutter Sophie von Wellentin geerbt. Die alte Dame hatte aber in ihrem Testament bestimmt, daß aus dem Herrenhaus ein Heim für elternlose oder Geborgenheit suchende Kinder werden solle. Diese Aufgabe hatte Denise von Schoenecker übernommen. Jeder, der nach Sophienlust kam, staunte über das Kinderheim. Bereits der Anblick des großen Gebäudes mit den grünen Fensterläden erweckte Gemütlichkeit. Die schlanke, noch immer jugendlich aussehende Frau überquerte die Straße. Sie hatte ihr Auto unweit des Warenhauses auf einem Parkplatz abgestellt, da sie Tiefgaragen haßte. Plötzlich stockte Denises Fuß. Im Vorbeigehen war ihr Blick auf eine Ankündigung gefallen, die sie interessierte. Sie trat näher heran, um das Plakat zu studieren.
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Mit Tragtaschen und Päckchen beladen, kam Denise von Schoenecker aus einem Maibacher Warenhaus. Aufatmend hielt sie am Gehsteig kurz inne. Es war immer dasselbe. Wenn sie nach Maibach fuhr, dann hatte sie stets eine lange Einkaufsliste bei sich, und meistens wurde es dann noch mehr, als sie vorgesehen hatte. Jetzt bereute sie, daß sie ihren Sohn Nick und dessen Freundin Pünktchen nicht mitgenommen hatte. Die beiden hätten ihr tragen helfen können. Auch hätten sie ihr beim Aussuchen neuer Bücher zum Vorlesen helfen können. Zwar wurde im Sommer weniger vorgelesen als im Winter, aber sowohl die kleinen als auch die größeren Kinder freuten sich über eine neue Geschichte.
Denise von Schoenecker war für das Kinderheim Sophienlust verantwortlich. Sie verwaltete dieses Heim bis zur Volljährigkeit ihres Sohnes Nick, denn dieser war der eigentliche Besitzer. Er hatte Sophienlust, einst ein herrschaftlicher Besitz, von seiner Urgroßmutter Sophie von Wellentin geerbt. Die alte Dame hatte aber in ihrem Testament bestimmt, daß aus dem Herrenhaus ein Heim für elternlose oder Geborgenheit suchende Kinder werden solle.
Diese Aufgabe hatte Denise von Schoenecker übernommen. Jeder, der nach Sophienlust kam, staunte über das Kinderheim. Bereits der Anblick des großen Gebäudes mit den grünen Fensterläden erweckte Gemütlichkeit.
Die schlanke, noch immer jugendlich aussehende Frau überquerte die Straße.
Sie hatte ihr Auto unweit des Warenhauses auf einem Parkplatz abgestellt, da sie Tiefgaragen haßte.
Plötzlich stockte Denises Fuß. Im Vorbeigehen war ihr Blick auf eine Ankündigung gefallen, die sie interessierte. Sie trat näher heran, um das Plakat zu studieren. Der Auftritt einer Pianistin in der Aula des Gymnasiums wurde angekündigt.
Denise suchte nach dem Datum des Klavierkonzerts. Zwar war ihr der Name der Pianistin nicht geläufig, aber in dieser Hinsicht wurde in Maibach nicht viel geboten. Maibach war eben nur eine kleine, ländliche Kreisstadt.
Denise nahm sich vor, ihren Mann auf das Konzert aufmerksam zu machen, als sie neben sich eine Bewegung spürte. Ein kleiner Junge strahlte sie an.
Denise lächelte ihm ebenfalls zu. Da wurde der Kleine zutraulich. Er streckte seine Hand aus. »Du, das ist meine Mami.«
Denise verstand nicht. Sie drehte sich um, suchte nach der Mutter des Jungen.
»Nein, das ist meine Mami!« Der Kleine zeigte auf das Plakat. »Sie tritt hier auf. Sie kann ganz prima Klavier spielen.« Man sah ihm an, wie stolz er auf seine Mutter war.
»Deine Mami ist die Ria Preiß?« fragte Denise interessiert.
»Ja.« Eifrig nickte der Junge. »Sie ist eine… eine Pi…« Vergebens suchte er nach dem richtigen Wort.
Denise half lächelnd aus. »Du meinst, eine Pianistin.«
»Ja. Wir fahren sehr viel herum, und ich darf immer mit meiner Mami mitkommen.«
»Jens, was machst du denn schon wieder?« Im Laufschritt kam eine hübsche, kaum geschminkte junge Frau heran.
»Das ist meine Mami«, sagte der Junge, wieder nicht ohne Stolz. Erst danach wandte er sich an seine Mutter. »Ich habe der Tante erzählt, daß du es bist, die Klavier spielen wird. Vielleicht kommt die Tante jetzt auch in unser Konzert.«
»Aber Jens!« Die Wangen von Ria Preiß röteten sich etwas.
»Das mußte ich doch tun. Sie hat das Plakat angesehen.«
»Jens, ich habe doch gesagt, daß du vor dem Geschäft warten sollst.« Die Stimme der Künstlerin klang jetzt streng.
Jens senkte den Kopf. »Aber die Tante hat doch so interessiert geguckt…«
Nun schüttelte Ria Preiß ärgerlich den Kopf. »Ich habe dir auch schon oft gesagt, daß du nicht zu allen Damen Tante sagen sollst. Da bist du schon zu alt.«
»Aber die Frau ist sicher eine ganz liebe Tante«, verteidigte sich der Junge.
»Entschuldigen Sie.« Ria Preiß legte ihre Hand auf den Kopf ihres Sohnes. Jetzt erst sah sie Denise von Schoenecker richtig an. »Mein Sohn ist leider verwöhnt. Er ist immer bei mir und daher gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen.«
»Ich werde einmal Mamis Ma… Manager.« Jens strahlte, nachdem er das für ihn so schwere Wort ausgesprochen hatte. »Ich bin sicher ein besserer Manager als Onkel Boris. Den schicken wir dann weg. Ich gehe ja auch bald in die Schule«, fuhr er vertrauensvoll fort. »Ich muß viel lernen, damit ich Mami ganz berühmt machen kann.«
Über das Gesicht der Pianistin glitt ein Schatten. »Nein, mein Liebling, du weißt doch, daß ich nicht mehr lange öffentlich auftreten werde. Wir werden es uns in unserem Häuschen gemütlich machen, und ich werde Klavierunterricht geben.«
»Das wird Onkel Boris aber gar nicht gefallen.« Jens lehnte sich an seine Mutter.
»Darauf können wir keine Rücksicht nehmen. Du kommst ja nach den Sommerferien in die Schule.« Ria Preiß nahm ihren Sohn an die Hand. Mit einem Kopfnicken verabschiedete sie sich von Denise.
Jens wollte jedoch noch nicht gehen. Er entzog seiner Mutter die Hand. An Denise gewandt, sagte er: »Meine Mami hat ein großes Problem. Das Problem bin ich.«
»Aber Jens, du bist heute wieder einmal sehr vorlaut.« Rias Stirn kräuselte sich.
»Aber es ist doch wahr. Mami hat heute sogar schon geweint. Weißt du, Tante, ich will nicht, daß meine Mami traurig ist.«
»Das kann ich verstehen«, erwiderte Denise ernst. »Haben Sie wirklich Probleme? Vielleicht kann ich Ihnen helfen.« Sie sah von Jens auf dessen Mutter.
»Leider.« Ria seufzte. »Mein Manager hat für mich doch noch einige Termine angenommen. Dabei sollte in drei Wochen mein letzter Auftritt sein. Das Problem ist, ich habe niemanden für meinen Sohn. Daher wollte ich auch nicht mehr auftreten. Mein Manager hat es sicher gut gemeint, aber nun weiß ich nicht, was ich tun soll.«
»Mamis Manager ist Onkel Boris«, verkündete Jens.
»Das ist es ja.« Die Pianistin seufzte erneut. Boris Jonas ist mein langjähriger Freund. Er hat sich einfach über meine Wünsche hinweggesetzt. Was soll ich nun tun? Ich kann doch nicht die Termine platzen lassen. Wer zahlt die Konventionalstrafe?«
Denises Päckchen gerieten ins Rutschen.
»Ich glaube, die nette Tante braucht Hilfe!« rief Jens aus. Schnell lief er auf Denise zu und versuchte, das Päckchen festzuhalten.
»Tante, wir helfen dir tragen. Ich bin zwar noch nicht sehr stark, aber meine Mami kann helfen.«
»Natürlich. Wo wollen Sie denn hin?« Auch Ria Preiß griff zu.
»Danke. Mein Auto steht dort drüben.« Mit einer Kopfbewegung deutete Denise zum Parkplatz hinüber. »Ich habe selbst schon bemerkt, daß ich wieder einmal sehr viel eingekauft habe.«
Denise ging zu ihrem Wagen. Jens und die Pianistin folgten ihr.
»So, das wäre geschafft.« Denise sperrte die Autotür auf und legte die Tüten und Taschen auf den Rücksitz. Ria Preiß wollte sich verabschieden, aber Denise hielt sie zurück. »Moment noch!« Sie verschloß die Autotür wieder.
»Sicher will die Tante eine Karte für das Konzert haben«, meinte Jens.
Denise lächelte. Der Kleine war etwas vorlaut, aber er gefiel ihr.
»In das Konzert werde ich sicher gehen, aber ich habe noch eine andere Idee. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wissen Sie nicht, wohin Sie Jens geben sollen«, wandte Denise sich an Frau Preiß.
»Er muß ja in die Schule gehen. Da kann er mich nicht mehr begleiten. Jens hat seinen Vater nicht gekannt.« Sekundenlang schwieg Ria, dann fügte sie hinzu: »Er starb noch vor seiner Geburt. Ich bin allein.«
»Du hast Onkel Boris. Er ist aber nicht lieb. Er bestimmt immer über dich, und mich schickt er immer so früh ins Bett.«
»Aber Jens!« Verlegen zog Ria ihren Sohn an sich.
»Haben Sie etwas Zeit, Frau Preiß?« fragte Denise.
Ehe Ria antworten konnte, platzte Jens heraus: »Heute haben wir viel Zeit. Onkel Boris ist nämlich nicht da.«
»Gut, dann könnten wir doch einen Kaffee trinken gehen«, meinte Denise.
»Kaffee? Bekomme ich einen Kaffee?« Fragend sah Jens seine Mutter an.
»Wie wäre es mit einem Eis?« schlug Denise vor.
»Schokoladeneis esse ich am liebsten. Mami, bekomme ich ein Schokoladeneis?«
»Ja, du bekommst eins.« Ria sah von ihrem Sohn auf Denise. Sie fand die dunkelhaarige Frau sehr sympathisch, aber sie verstand nicht, was sie wollte.
Denise erriet ihre Gedanken. Ich verwalte ein Kinderheim«, erklärte sie.
»Ein Kinderheim…« Auf Rias Gesicht erschien Abwehr. »Ich denke nicht daran, meinen Sohn in ein Heim zu geben. Ich suche eine nette Frau, bei der Jens für ein, zwei Monate wohnen kann. Danach habe ich meine Verpflichtungen erfüllt. Boris muß einsehen, daß ich dann nicht mehr auftreten kann.«
»Jens könnte, solange Sie wollen, bei uns bleiben – eine Woche oder drei Monate. Das Kinderheim gehört zu Wildmoos. Es liegt etwas außerhalb des kleinen Ortes. Die Kinder werden mit Kleinbussen zur Schule gebracht. Die kleineren zur Schule in Wildmoos, die größeren hierher ins Gymnasium. Nun, es ist nur ein Vorschlag.«
»Mami, ich will bei der lieben Tante wohnen«, rief Jens begeistert aus.
»Dann darfst du vor allem nicht mehr Tante sagen«, belehrte seine Mutter ihn.
Denise lächelte. »Alle Kinder nennen mich Tante. Und zwar Tante Isi.«
»Das finde ich prima. Es klingt wirklich gut. Wie heißt du wirklich?«
»Denise.« Sie sah Ria an. »Verzeihung, ich habe mich noch nicht einmal vorgestellt.« Sie nannte ihren vollen Namen.
»An ein Kinderheim habe ich wirklich nicht gedacht«, sagte Ria verlegen. »Jens ist ohne Vater aufgewachsen, aber ich habe versucht, immer für ihn dazusein.«
Jens senkte den Kopf. Mit der Schuhspitze begann er Kreise in den Sand zu zeichnen.
»Jens, stimmt das etwa nicht?« fragte Ria hilflos. »Ich mußte doch Geld verdienen. Du hast mich auch immer begleiten dürfen. Haben wir nicht schon viele schöne Reisen zusammen gemacht?«
»Schon, aber Onkel Boris war immer dabei.« Jens’ Kopf sank noch tiefer.
»Jens, wie oft soll ich dir noch sagen, daß wir Onkel Boris brauchen? Er organisiert doch alles. Wir haben ihm viel zu verdanken. Nur durch ihn konnte ich auftreten.«
Offensichtlich hatte Jens das schon sehr oft gehört. Deshalb überging er es. »Mami, bekomme ich jetzt mein Eis?« fragte er.
»Dort drüben ist ein Café. Es hat eine schöne Terrasse«, meinte Denise.
»Hat es auch Schokoladeneis?« fragte Jens erwartungsvoll.
»Hat es«, bestätigte Denise.
»Los, auf was warten wir noch?« Jens nahm die Hand seiner Mutter. Die andere streckte er nach Denise aus. »Tante Isi muß auch mitkommen.«
*
»Aber Ria, dann ist doch alles in Ordnung!« Erfreut griff Boris Jonas nach der Zuckerdose und reichte sie seiner Freundin.
Die beiden saßen mit Jens am Frühstückstisch, und Ria hatte Boris gerade von Sophienlust erzählt.
»Danke.« Ria nahm die Zuckerdose entgegen, aber ihre Miene verschloß sich.
»Was hast du eigentlich?« Unwillig sah Boris sie an. »Jens will doch nach Sophienlust. Er sagt selbst, daß es dort sehr schön ist. Wo siehst du Schwierigkeiten?«
»Ich habe nicht die Absicht, Jens in ein Kinderheim zu geben.« Ria sah Boris nicht an, aber alles in ihr hatte sich versteift. Sie haßte diese Gespräche. Boris wußte doch, daß sie sich nicht von Jens trennen wollte.
»Was willst du dann tun? Du mußt die Termine einhalten. Du kannst es dir nicht leisten, sie platzen zu lassen. Für deine zukünftige Karriere ist das wichtig.«
»Ich denke nicht an eine Karriere, Boris. Wann wirst du das denn endlich begreifen?« Hart stellte die Pianistin die Zuckerdose auf den Tisch zurück.
Interessiert hatte Jens seinen Blick zwischen den Erwachsenen hin- und hergehen lassen. Jetzt meinte er: »Meine Mami denkt an mich.«
»Sei still!« fuhr Boris ihn an.
»Mami!« rief Jens klagend aus. Er spielte den Beleidigten. Sogar Tränen stiegen in seine Augen.
Boris, ein etwas fülliger Mann, tat sein Verhalten schon wieder leid. Er wußte, wollte er bei Ria etwas erreichen, mußte er sich mit Jens gut stellen. »Du findest es doch sehr schön in diesem Kinderheim?« fragte er daher den Jungen freundlich.
»Es heißt Sophienlust«, belehrte Jens ihn.
»Nun, so erzähle schon davon«, forderte Boris ihn auf.
Das ließ sich der Junge nicht zweimal sagen.
»Es ist ganz toll dort. Man kann überall spielen, auf der Wiese und im Park. Aber es gibt auch einen großen Spielplatz. Den müßtest du sehen. Da gibt es Schaukeln, Turngeräte und Sandkisten. Dann sind da auch eine Menge Kinder, mit denen ich spielen kann. Langweilig wird es mir dort sicher nicht.«
»Also!« Boris sah Ria herausfordernd an. »Jens ist dort sicher gut aufgehoben. Was willst du sonst mit ihm tun?«
»Mami hat gesagt, daß ich zu Tante Isi darf«, verkündete Jens strahlend. Er freute sich darüber. »Wenn es mir aber dort nicht gefällt, muß ich nicht bleiben. Wir probieren es gleich nächste Woche aus.«
»Es wird dir schon gefallen.« Boris nickte zufrieden. Alles schien in bester Ordnung zu sein.
»Moment, ich denke nicht daran, so weiterzumachen.« Ria schob ihre Kaffeetasse von sich. »Ich werde dich nicht im Stich lassen, Boris. Die Termine, die du vereinbart hast, halte ich ein, aber dann ist endgültig Schluß.«
»Das verstehe ich wirklich nicht, Ria.« Boris lehnte sich zurück. »Durch dieses Heim wird dir die Gelegenheit geboten, deinen Beruf weiterhin auszuüben.«
»Keine Sorge, mein Lieber«, unterbrach Ria ihn. »Ich übe meinen Beruf weiter aus. Ich werde Klavierstunden geben.«
»Und davon glaubst du leben zu können?« Boris lachte verächtlich auf, merkte aber sogleich, daß er schon wieder einen Fehler gemacht hatte. Er versuchte einzurenken. »Ich meine es doch nur gut. Seit Jahren berate ich dich, versuche dir alle Steine aus dem Weg zu räumen.« Er legte seine Hand über Rias Rechte. Zärtlich strich er über ihren Handrücken.
Hatte er nicht recht? Ria zögerte kurz, dann entzog sie ihm ihre Hand. »Nicht jetzt«, sagte sie.
»Aber es geht doch um Jens«, hielt Boris ihr entgegen. »Er ist kein kleines Kind mehr. Er kann ruhig zuhören. Hättest du nicht laufend Rücksicht auf ihn genommen, wärst du in deiner Karriere bereits viel weiter. Wie oft mußten wir ein Angebot ausschlagen, weil dir eine Reise mit dem Kind zu weit oder zu umständlich war.«
»Stimmt«, gab Ria zu. »Und jetzt geht es überhaupt nicht mehr, denn Jens kommt zur Schule.«
»Ria!« Boris räusperte sich. Er war entschlossen, seiner Freundin wieder einmal einen Vortrag zu halten.
Doch Ria ließ es nicht soweit kommen. Sie unterbrach ihn: »Ich sagte doch schon, nicht jetzt.«
»Laß nur, Mami«, warf Jens ein. »Ich werde sowieso einmal ein Manager. Dann brauchen wir Onkel Boris nicht mehr.«
Nur mit Mühe konnte Boris Jonas eine heftige Erwiderung hinunterschlucken. Ria jedoch mahnte: »Iß auf, mein Liebling. Wir wollen doch nicht den ganzen Vormittag in der Gaststube sitzen.«
»Gehen wir zwei dann spazieren?« fragte Jens und schob sich den letzten Rest des Brötchens in den Mund. Er kaute, schluckte. Dabei sah er zu Boris hin. »Onkel Boris muß sicher noch arbeiten.«
»Da täuschst du dich, mein Kleiner«, sagte Boris.
»Aber Mami tritt doch heute abend auf. Da mußt du doch nachsehen, ob alles in Ordnung ist. Nicht wahr, Mami? Ein Manager muß das tun.«
»Eigentlich nicht. Ein Manager vermittelt Auftritte. Aber ich bin mehr als ein Manager. Ich sorge mich um deine Mami. Deshalb kümmere ich mich auch darum, daß sie es überall gemütlich hat. Ich begleite euch auch, sooft ich kann.« Boris lächelte.
Jens runzelte die Stirn. »Ich glaube nicht, daß du das tun mußt. Mami und ich kommen gut allein zurecht. Als du nicht da warst, haben wir uns überhaupt nicht gelangweilt.«
»So«, sagte Boris gedehnt. Er sah zu Ria hin. Es fiel ihm immer schwerer, dem Jungen nicht über den Mund zu fahren.
Jens musterte den Manager, den er nicht besonders mochte, ungeniert. »Du bist Mamis Manager. Mehr bist du nicht.«
»Doch! Vielleicht heirate ich deine Mami.« Jetzt lächelte Boris zuckersüß.
Jens erschrak. »Meine Mami braucht keinen Mann. Ich werde ja einmal ein Mann. Dann werde ich auf sie aufpassen.«
»Das ist doch Unsinn.« Boris sah Ria an, die lächelte, und sagte scharf: »Wie kannst du über so etwas lachen? Es wird noch so weit kommen, daß du deinen Sohn um Erlaubnis bittest, wenn du etwas unternehmen willst.«
»Aber Boris, er ist erst sechs.«
»Für sein Alter ist er vorlaut und frech. Ein paar auf den Hintern würden ihm hin und wieder nicht schaden.«
»Mami, er darf mich doch nicht schlagen?« Vorsichtshalber rückte Jens etwas näher an seine Mutter heran.
»Du mußt dir wirklich angewöhnen, deinen Mund zu halten. Jetzt bist du bald ein Schuljunge. Nur kleine Kinder plappern einfach drauflos.« Ria sah ihren Sohn liebevoll an. Sie konnte ihm einfach nicht böse sein. Er war nun mal der Sonnenschein ihres Lebens.
»Ich werde darüber nachdenken, Mami, denn frech sein will ich nicht.«
Als seine Mutter darauf nicht antwortete, fuhr er fort: »Ich lüge auch nicht.«
»Dessen bin ich nicht so sicher. Ich weiß nur, daß du es faustdick hinter den Ohren hast.« Mit grimmiger Miene trank Boris seine Kaffeetasse leer.
»Seid ihr dann fertig?« fragte Ria bewußt munter. Sie war immer bemüht, zwischen ihrem Sohn und Boris zu vermitteln. »Ich hätte Lust, irgend etwas zu unternehmen.«
»Mußt du nicht auch noch üben?« erkundigte sich Boris.
»Ich habe gestern länger als üblich geübt. Wenn ich mich am späten Nachmittag noch eine Stunde an den Flügel setze, dann genügt es«, entschied Ria.
»Du mußt es wissen.« Beleidigt lehnte Boris sich im Stuhl zurück.
Ria überhörte den Unterton in seiner Stimme. »Es ist so schönes Wetter heute. Habt ihr denn keine Vorschläge?« Sie sah von Boris auf ihren Sohn.
»Doch, Mami.« Jens rutschte vom Stuhl. »Wir könnten doch zu diesem Waldsee fahren. Du weißt doch, zu dem See, an dem die Kinder von Sophienlust zum Baden gehen.«
»Keine schlechte Idee«, lobte Ria. »Ein Sonnenbad würde uns nach diesen vielen Regentagen nicht schaden.«
»Ich will aber auch im See baden«, rief Jens. Aufgeregt schmiegte er sich an seine Mutter.