Eine Kugel für den Marshal - Pete Hackett - E-Book

Eine Kugel für den Marshal E-Book

Pete Hackett

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Beschreibung

Die Stadt brodelte wie ein Hexenkessel. Es war Samstag und die Cowboys von den umliegenden Ranches waren nach Lincoln gekommen, um den Teufel aus dem Sack zu lassen. Die hartbeinigen Kerle tranken, hurten, spielten, stritten und prügelten sich, kurz gesagt: Sie gaben sich dem hemmungslosen Laster und der Sünde hin. Die Saloons und anderen Etablissements der Town waren gerammelt voll. Im ‚Lonesome Rider Saloon‘ standen die Kerle in Dreierreihe am Tresen und traten sich gegenseitig auf die Zehen. Die Tische waren voll besetzt. Tabakrauch schlierte um die Lüster und Lampen und wölkte unter der Decke. Ein Gewirr von Stimmen erfüllte den großen Raum. Unterhaltungen wurden nur schreiend geführt, um sich überhaupt verständlich machen zu können. Grell geschminkte Mädchen verhießen den Kerlen eine kurze Zeit der Glückseligkeit und einen leeren Geldbeutel. Sie machten die Burschen ungeniert an, lachten, girrten, überboten sich gegenseitig mit ihren Reizen und priesen sich an wie eine Marktfrau ihre Ware. Tex Carson war Cowboy auf der Circle-M Ranch. Er war schon ziemlich angetrunken, als sich eines der Girls, eine hübsche Brünette mit Feuer im Blick und hochgesteckten Brüsten, an seinen Hals warf. „Hey, Sonny“, flötete das Mädchen, „du bist ein richtiger Mann. Auf einen wie dich habe ich gewartet.“ Sie rieb ihr Knie an seinem Oberschenkel, himmelte ihn mit den braunen Rehaugen an. „Du bist sicherlich ein Tiger im Bett. O ja, ich kann das erkennen. Für 'nen Drink und fünf Dollar bereite ich dir den Himmel auf Erden. Was meinst du?“

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Seitenzahl: 159

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Eine Kugel für den Marshal

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author  www.Haberl-Peter.de

© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

1. digitale Auflage 2014 Zeilenwert GmbH

ISBN 9783956172670

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Über den Autor

Eine Kugel für den Marshal

Über den Autor

Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war – eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie „Texas-Marshal“ und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: „Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung.“

Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie „Der Kopfgeldjäger“. Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.

Eine Kugel für den Marshal

Die Stadt brodelte wie ein Hexenkessel. Es war Samstag und die Cowboys von den umliegenden Ranches waren nach Lincoln gekommen, um den Teufel aus dem Sack zu lassen. Die hartbeinigen Kerle tranken, hurten, spielten, stritten und prügelten sich, kurz gesagt: Sie gaben sich dem hemmungslosen Laster und der Sünde hin.

Die Saloons und anderen Etablissements der Town waren gerammelt voll. Im ‚Lonesome Rider Saloon‘ standen die Kerle in Dreierreihe am Tresen und traten sich gegenseitig auf die Zehen. Die Tische waren voll besetzt. Tabakrauch schlierte um die Lüster und Lampen und wölkte unter der Decke. Ein Gewirr von Stimmen erfüllte den großen Raum. Unterhaltungen wurden nur schreiend geführt, um sich überhaupt verständlich machen zu können.

Grell geschminkte Mädchen verhießen den Kerlen eine kurze Zeit der Glückseligkeit und einen leeren Geldbeutel. Sie machten die Burschen ungeniert an, lachten, girrten, überboten sich gegenseitig mit ihren Reizen und priesen sich an wie eine Marktfrau ihre Ware.

Tex Carson war Cowboy auf der Circle-M Ranch. Er war schon ziemlich angetrunken, als sich eines der Girls, eine hübsche Brünette mit Feuer im Blick und hochgesteckten Brüsten, an seinen Hals warf.

„Hey, Sonny“, flötete das Mädchen, „du bist ein richtiger Mann. Auf einen wie dich habe ich gewartet.“ Sie rieb ihr Knie an seinem Oberschenkel, himmelte ihn mit den braunen Rehaugen an. „Du bist sicherlich ein Tiger im Bett. O ja, ich kann das erkennen. Für 'nen Drink und fünf Dollar bereite ich dir den Himmel auf Erden. Was meinst du?“

Eine schwielige Hand legte sich auf ihre Schulter und zerrte sie zurück. Eine grollende Stimme erklang: „Schau ihn dir genau an, Süße, er ist eine Niete. Er kriegt wahrscheinlich nicht mal einen hoch. Ich bin ein Mann. Ich kann dich einreiten wie ein heißblütiges Wildpferd. Und wenn ich mit dir fertig bin, wirst du alles bisher Dagewesene vergessen haben. Flaschen wie den“, er wies auf Tex Carson, „rauche ich in der Pfeife.“

Sofort ließ das Girl von Tex ab und wandte sich dem Sprecher zu. Es war ein großer, schwergewichtiger Mister mit dem Gesicht eines Preisboxers. Über seinem mächtigen, gewölbten Bauch spannte sich das Hemd. Er legte den Arm um sie und wollte sie mit sich ziehen, aber jetzt senkten sich in Tex Carsons alkoholvernebelten Verstand das Begreifen und das Aufbegehren, und er vertrat den beiden schnell den Weg.

„Dir haben sie wohl Kuhmist ins Gehirn geblasen, Mister!“, lallte er und bemühte sich, nicht zu wanken. „Nimm die Finger von der Lady. Sie gehört mir.“

„Sie gehört allen“, versetzte der andere trocken und schob Tex lässig mit einer Handbewegung zur Seite. „Aus dem Weg, du Pinscher!“

Der Cowboy stolperte, fing sich aber, und mit der Sturheit des Betrunkenen baute er sich erneut vor dem Schwergewichtigen und dem Girl vom horizontalen Gewerbe auf. „Okay, Mister“, geiferte Tex. „Ich muss dir wohl erst die Birne weichklopfen, damit du begreifst, dass ich gewisse Vorrechte bei ihr habe.“

Der Dicke lachte verächtlich auf. Da zog Tex auf und haute ihm ohne jede weitere Vorwarnung die Faust auf die Nase. Der Getroffene schrie erschreckt auf, taumelte einen halben Schritt zurück und ließ das Flittchen los. Es tauchte sofort im Gewühl der Gäste unter.

Sofort bildete sich ein Ring aus Leibern um die beiden Streithähne. „Gib‘s dem fetten Hurenbock, Tex!“, rief jemand lachend und voll wilder Vorfreude.

„Ja, hau dem Hurensohn noch ein paar auf die Nase, Tex!“, feuerte ein anderer an.

„Du beleidigst meine Mutter, Hombre!“, schnaubte der Dicke. „Dafür werde ich dich, wenn ich diese halbe Portion auf den Mond geblasen habe, ungespitzt in die Erde rammen.“

„Du redest zuviel!“ Tex stieß sich ab und flog regelrecht auf den Grobschlächtigen zu. Dieser wurde von dem plötzlichen Angriff überrascht, denn er suchte noch nach dem Sprecher, der ihn einen Hurensohn genannt hatte. Wie Dreschflegel wirbelten Tex‘ Arme durch die Luft. Er traf den Dicken am Kopf und in den Magen, konnte ihn aber kaum erschüttern. Nur ein abgrundtiefes Grunzen entrang sich diesem, und dann warf er sich einfach in Tex‘ fliegende Fäuste hinein, nahm noch einen Treffer hin, dann prallten die beiden Körper aufeinander.

Tex hatte das Gefühl, gegen eine Wand aus Granit geprallt zu sein. Seine Trunkenheit war wie weggewischt. Zwei mächtige Arme legten sich um seinen Oberkörper und pressten ihm mit unwiderstehlicher Gewalt die Luft aus den Lungen. Er japste wie ein Erstickender. Tex wand sich in der unerbittlichen Umklammerung wie ein Aal, versuchte seinen Gegner mit dem Knie zu treffen. Sein Gesicht lief dunkel an, er begann zu röcheln, die Augen traten ihm weit aus den Höhlen, sein Mund klappte auf.

Da trat ein Weidereiter von hinten an den Dicken heran, griff ihm zwischen den Beinen hindurch und kniff ihn mit aller Gewalt in die Hoden. Gequält brüllte der dickleibige Mann auf, es hörte sich an wie der Brunftschrei eines mächtigen Damhirsches. Er ließ Tex sausen und aus der Drehung heraus schoss er seine Rechte ab. Der Bursche hinter ihm aber duckte sich und der Schlag zischte über ihn hinweg. Und schon war der unfaire Attentäter laut auflachend im Gewoge aus Leibern verschwunden.

Von der Seite her knallte Tex dem Schwergewichtigen die Faust gegen die Rippen, er glitt zurück, griff unter seine Weste, und als seine Hand wieder zum Vorschein kam, umklammerte sie den Griff eine Bowie-Knifes. Der scharfgeschliffene Stahl funkelte im Licht.

„Okay, Hurensohn, ich werde dir jetzt die Eier abschneiden und sie dir dann zu fressen geben!“

„Halt!“, rief jemand in der Runde lachend. „Es soll doch fair zugehen! – Fang, Dicker!“

Die Kerle ringsum hatten ihren Spaß. Derlei Abwechslung liebten sie.

Ein Dolch flog durch die Luft auf den Schwergewichtigen zu, er griff geistesgegenwärtig danach, verfehlte ihn aber und das Messer landete auf den Dielen. Der Grobschlächtige bückte sich danach. Da sprang Tex vor, die Faust zum Stoß erhoben.

Sein Sprung wurde abrupt abgebremst. Jemand packte ihn am Kragen und riss ihn zurück. Er verlor die Balance und krachte auf den Rücken. Der Dolch flog in hohem Bogen davon.

Waco Jordan hatte sich unnachsichtig einen Weg durch die Menge gebahnt und in den Kampf eingegriffen. „Hier werden keine Eier abgeschnitten, Cowpuncher“, sagte er laut und deutlich.

Der Dicke hatte das Knife in der Faust und stand geduckt da. Sein Gesicht war von den Treffern Tex‘ gezeichnet. Er atmete schwer.

„Weg mit dem Messer!“, klirrte Wacos Organ. Er zog den Colt und schlug ihn auf den Burschen an.

Der Mann ließ den Dolch fallen. „Ich habe nicht damit angefangen“, murmelte er und wischte sich über die Augen.

„Dann ist‘s ja gut“, erwiderte Waco und zu Tex gewandt, der noch immer am Boden lag und wie verzweifelt Luft in seine Lungen saugte, sagte er: „Eigentlich sollte ich euch Narren einsperren. Aber ein paar Tage im Bau bringen hirnverbrannte Kerle wie euch auch nicht zur Vernunft. – Wer ist noch von der Circle-M?“, fragte er in die Runde.

„Fast die ganze Crew ist hier“, versetzte jemand.

„Right. Kümmert euch um ihn und sorgt dafür, dass er ruhig bleibt. Andernfalls landet er im Knast. – Sie, Mister, kenne ich nicht. Ich rate Ihnen aber, 'nen anderen Saloon aufzusuchen.“

„Ich bin nur auf der Durchreise“, erklärte der Dicke.

„Dann reisen Sie schnell weiter. Männer wie Tex Carson sind nachtragend. Und ich will Sie nicht beerdigen hier in Lincoln.“

*

Die Nacht dauerte für Waco Jordan lange. Er hatte alle Hände voll zu tun. Es galt Schlägereien zu schlichten, Betrunkene aufzusammeln und in den Mietstall zu bringen, wo sie im Heu ihren Rausch ausschlafen konnten. Er jagte einen Falschspieler aus der Stadt und musste eine der Liebesdienerinnen vor einem allzu aufdringlichen Freier retten. Nach Mitternacht hatte Waco den alten Jacob nach Hause geschickt, denn Cindy sollte in einer wilden Nacht wie dieser nicht alleine sein in dem kleinen Haus, das sie, Waco und der alte Jacob gemeinsam bewohnten und das Cindy von ihrem Vater geerbt hatte.

Die Stadt kam erst zur Ruhe, als schon der Tag anbrach. Waco war hundemüde. Er überlegte, ob er nach Hause gehen sollte in sein Bett oder ob er zur Shining Star Ranch reiten sollte, um sich von Joana Sloane die Stunde des Sonnenaufgangs versüßen zu lassen. Schließlich aber beschloss er, in der Stadt zu bleiben und im Jail auf einer der Pritschen zu schlafen.

Als Waco aufwachte, hatte er keine Ahnung, wie lange er geschlafen hatte. Draußen war es taghell. Er wusch sich und kleidete sich an. Waco fühlte sich wie gerädert. Die harte Holzpritsche in der Gefängniszelle war nicht mit Joanas weichem Bett zu vergleichen.

Joana! Der Gedanke durchfuhr ihn wie ein Blitz und Waco verspürte ein wohliges Prickeln unter der Haut. Sekundenlang erstand ihr Bild vor seinem geistigen Auge – die langen, schlanken Beine, der flache Bauch, die üppige Rundung ihrer Hüften, die festen Brüste …

Waco verdrehte die Augen und merkte, wie sich beim Gedanken an sie in seiner Hose etwas zu rühren begann.

Er rückte seinen Revolvergurt zurecht, angelte seinen Stetson vom Haken neben der Tür und drückte ihn sich auf den Kopf, dann verließ er das Office. Seine Absätze hämmerten auf den dicken Vorbaubohlen. Das grelle Sonnenlicht blendete ihn und er zog sich den Hut tiefer in die Stirn. Die Augen lagen jetzt im Schatten. Von seinem schmalen, gebräunten Gesicht waren nur noch die Nase, der Mund und das kantige Kinn zu sehen.

Heißer Wind aus dem Süden trieb den feinen Staub auf der Main Street vor sich her. Irgendwo bellte ein Hund. Am Vorbaugeländer hielt Waco an. Ja, sein ganzer Körper schmerzte von der primitiven, ungewohnten Lagerstatt und Waco bereute jetzt, dass er nicht in seinem Bett oder bei Joana geschlafen hatte.

Waco reckte seine breiten Schultern, seufzte, schwenkte den Blick die Straße hinauf und hinunter, ließ ihn über die falschen Fassaden der Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite schweifen – und sah weiter unten auf dem Vorbau des ‚Lonesome Rider Saloons‘ Strykers Schießhund Corby. Der hochgewachsene Gunman lehnte lässig an einem der kunstvoll geschnitzten Vorbaupfosten und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Tief an seinem rechten Oberschenkel hing das Holster mit dem schweren Coltrevolver.

Waco verspürte beim Anblick des Schnellschießers einen galligen Geschmack im Mund. Die Kerben zu beiden Seiten seiner Mundwinkel vertieften sich.

Über die Distanz von etwa 150 Yards starrten sich die beiden Männer sekundenlang an. Waco glaubte um Corbys schmallippigen Mund ein hämischen Grinsen huschen zu sehen. Corby spuckte verächtlich aus. Seine Gestalt löste sich ruckhaft vom Vorbaupfosten, seine Arme sanken nach unten, er machte auf dem Absatz kehrt und ging in den Saloon. Die Badwings der Pendeltür schwangen hinter ihm aus.

Waco wandte sich nach rechts. Von der Kirche am Ende der Stadt her wehte Gesang an sein Gehör; ein vielstimmiger Choral, angeführt vom alten Reverend und der ehrenwerten, rechtschaffenen und absolut tugendhaften Miss Virginia Mosley, die sich berufen fühlte, die Fahne von Sitte und Moral in den Sturm von Lasterhaftigkeit und Todsünde in dieser Stadt zu halten.

Die Straße war wie leergefegt. Nach und nach lösten sich die Verkrampfungen und Verspannungen in Waco. Er ging in den Mietstall, sattelte sein Pferd, führte es hinaus in den Hof und saß auf. Als er die halbe Strecke bis zur Shining Star Ranch zurückgelegt hatte, fühlte er sich wieder geschmeidig wie ein Puma.

Am Holm vor dem Shining Star Ranch waren zwei Pferde angeleint. Müde ließen die Tiere die Köpfe hängen. Sie waren verstaubt und verschwitzt und schlugen mit dem Schweif nach den blutsaugenden Bremsen an ihren Flanken. Waco sprang aus dem Sattel, führte sein Pferd zum Hitchrack, leinte es an und ging um die beiden Tiere herum. Das Brandzeichen, das sie trugen, kannte er nicht. Also waren es Fremde, denen die Pferde gehörten. Waco registrierte, dass in den Scabbards die Gewehre steckten. Er tätschelte eines der Tiere am Hals. Der Braune schnaubte und sah ihn aus großen, trüben Augen an.

Waco hatte kaum Verständnis für Männer, die ihr Pferd nach einem harten Ritt sich selbst überließen und nicht ordentlich versorgten.

Er sah schnell in die Runde. Die Menschen auf der ehemaligen Ranch schliefen noch. Die Mädchen hatten gewiss bis zum frühen Morgen gearbeitet.

Waco betrat das große Haus und stand in der Halle. Durch die großen Fenster fiel Licht. Er strebte der Tür zur Bar entgegen. Sie war geöffnet. Er näherte sich ihr von der Seite und lugte in die Bar. Es roch nach erkaltetem Tabakrauch und vergossenem Brandy. Die beiden Fremden standen an der Bar. Abel O'Connor befand sich hinter dem Tresen. Seine Miene war verschlossen und wirkte wie aus Holz geschnitzt.

Soeben sagte einer der Fremden mit heiserer Stimme: „Zum letzten Mal, Alter: Mein Partner und ich sind hier eingekehrt, weil wir uns den Staub vieler Meilen aus den Hälsen spülen und anschließend ordentlich bumsen möchten. Also schaff uns zwei von deinen Huren her. Mein Partner und ich sind ganz wild darauf, ein Rohr zu versenken. Also hurtig, mein Freund, schwing die Hufe. Oder müssen wir dir Beine machen?“

Jetzt bemerkte der grauhaarige Keeper Waco. In seinen aristokratisch anmutenden Zügen zuckte kein Muskel. Doch Waco glaubte in seinen Augen so etwas wie Erleichterung wahrzunehmen. Abel erwiderte: „Ich sagte es bereits, Gentlemen, die Mädchen haben bis Sonnenaufgang gearbeitet und schlafen jetzt. Spülen Sie sich den Staub aus den Hälsen und kommen Sie später wieder auf die Ranch. Sie werden dann auf Ihre Kosten kommen. Das kann ich Ihnen versichern.“

Einer der beiden Kerle schnitt Abel mit einer ungeduldigen Handbewegung das Wort ab. „Ranch!“, fauchte er mit wildem Spott. „Puff sagt man doch zu so etwas.“ Seine Hände stießen blitzschnell über den Tresen und packten Abel an der Jacke. Mit einem Ruck zerrte er den Keeper dicht zu sich heran, sein heißer Atem streifte Abels Gesicht, als er hechelte: „Ich denke, Amigo, ich muss einen raueren Ton anschlagen. Wir werden dir jetzt die Hammelbeine lang ziehen und uns dann holen, was wir möchten. Mir scheint, du bist dümmer als du aussiehst. Was jetzt kommt, hast du dir selber zuzuschreiben.“

„Langsam, Hombre – ganz langsam!“

Wacos Worte stießen wie ein Peitschenhieb in die drohende Atmosphäre. Einen Herzschlag lang versteiften die beiden Kerle am Tresen, dann wirbelten sie herum. Sprungbereit standen sie da und belauerten Waco, die Hände neben den griffbereit abstehenden Coltknäufen.

Es waren Burschen von der übelsten Sorte, heruntergekommen, verschlagen, skrupellos und tödlich. Das begriff Waco sofort. Und einen Sekundenbruchteil lang dachte er an Stan Stryker, für den eine Reihe von Kerlen von derselben Spezies arbeitete.

Sie maßen sich sekundenlang aufmerksam, schätzten sich ein, und plötzlich dehnte der eine der beiden Fremden: „Aaah, der Sternschlepper.“

Waco setzte sich in Bewegung. Langsam näherte er sich den Kerlen. Der Teppich verschluckte das Geräusch seiner Schritte. Zwei Schritte vor den beiden hielt Waco an. „Der Stern ist in dieser Minute bedeutungslos, Hombre. Mir gehört dieser Laden. Und weil das so ist, solltet ihr beide euch jetzt blitzartig verabschieden.“ Waco verlieh seiner Stimme einen scharfen Unterton. „Kerle, die ihre Pferde dursten lassen und sich an alten Männern vergreifen, haben jegliches Gastrecht auf der Shining Star Ranch verwirkt. Verschwindet!“

Der andere der beiden Fremden, ein Bursche mit einem schwarzen Bart und einem Gesicht, in dem ein jahrelanges Lotterleben unübersehbare Spuren hinterlassen hatte, stieß voll wildem Zynismus hervor: „Town Marshal und Puffbesitzer! Wie verträgt sich denn dieses? Na, wenn das mal kein Witz ist.“

Waco ging nicht darauf ein. „Ich zähle bis drei“, gab er zu verstehen. „Und wenn ihr dann nicht zur Türe hinaus seid, raucht's.“

Der Schwarzbärtige leckte sich über die Lippen, seine Rechte stahl sich noch näher an den Coltkolben heran, der Handballen berührte ihn. In seinen dunklen Augen erschien ein tückisches Funkeln. „Dein Stern nötigt uns nicht den geringsten Respekt ab, Mister. Und dass du Chef in diesem Hurenhaus bist, trifft sich gut. Du wirst jetzt dem alten Geier hinter dem Schanktisch anordnen, zwei besonders scharfe Weibsbilder …“

Dort, wo Abel stand, knackte es metallisch. Und im nächsten Moment meldete sich der Oldtimer, dessen Wiege einst in Schottland stand: „Mit den beiden Ladungen in dieser Shotgun schieße ich euch die Hintern weg, wenn ihr es so wollt. Beginnen Sie jetzt zu zählen, Waco. Bei drei werde ich schießen.“

Die beiden Sattelstrolche standen starr wie Mumien.

Waco glitt zwei Schritte zur Seite, um aus dem Schussfeld der Schrotflinte zu kommen. „Eins!“

Der Kumpan des Schwarzbärtigen fasste sich. Er kniff die Augen zusammen, in ihnen zeigte sich ein gehässiges Glitzern. „Okay. Diese Runde geht an euch. Aber denkt nur nicht, dass es damit sein Bewenden hat. Wir werden sicherlich 'ne gewisse Zeit in Lincoln bleiben. Und ihr werdet höllisch auf der Hut sein müssen. Mein Name ist Clayburne – Joe Clayburne. Merke dir diesen Namen, Marshal.“ Er dehnte das letzte Wort ganz besonders in die Länge, als wollte er ihm einen besonderen Ausdruck verleihen, fasste seinen Komplizen am Oberarm und ließ erneut seine Stimme erklingen. „Gehen wir, Lee. Sie sind im Moment am Drücker.“

„Ich werde ein Auge auf euch Kerle haben“, versprach Waco. „Solltet ihr für Unruhe sorgen, jage ich euch aus der Stadt.“

Clayburne lachte höhnisch auf und zog seinen Kumpan zum Ausgang. „Dazu bedarf es mehr als eines Bordellchefs, der einen Stern 'rumschleppt“, rief er gehässig über die Schulter.

Waco folgte ihnen. Sie leinten ihre Pferde los, schwangen sich in den Sattel, zogen die Tiere herum und ritten wortlos davon.

Waco wartete, bis sie aus seinem Blickfeld verschwunden waren, machte kehrt und ging in die Halle zurück. „Mit den beiden müssen wir rechnen“, empfing ihn Abel, der die Shotgun mit beiden Händen quer vor seiner Brust hielt.

*

Waco ging in das Nebengebäude, in dem Joana wohnte. Es war das frühere Bunkhouse der Ranch, in dem die Mädchen der Shining Star Ranch ihre Privaträume hatten. Sie hatte ihm gefehlt in der vergangenen Nacht, und in ihm brannte das Feuer einer ungezügelten Leidenschaft.

Waco war spitz wie Nachbars Lumpi, um es auf einen Nenner zu bringen.

Er klopfte an ihre Tür. Einmal, zweimal …

„Bist du es, Waco?“, ertönte es schlaftrunken.

„Ja. Mach auf. Ich bin scharf wie ein Rasiermesser.“