Eine Reise nach Luxor - Martin Merz - E-Book

Eine Reise nach Luxor E-Book

Martin Merz

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Beschreibung

Ägypten faszinierte die Menschen seit alters her und tut es heute noch, denn seine Menschen schufen eine Kultur, die ihresgleichen sucht. Der Autor beschreibt die Stätten des Neuen Reichs Ägyptens und begibt sich auf die Spuren berühmter Namen wie Ramses, Hatschepsut und Thutmosis. Die Reise geht von Luxor aus durch den gesamten Süden des Landes bis hin zu Abu Simbel, nahe der Grenze zum Nord-Sudan. Das Buch bringt dem Leser die große Vergangenheit Ägyptens näher, ohne das heutige Ägypten auszublenden. Seine Bestandsaufnahme fällt in eine Zeit des politischen Umbruchs und Neuanfangs unter dem General Abdel Fattah el-Sisi.

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Für Ahmed

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Warum Luxor?

Aktuelle Lage

Hinweis an den Leser

Das alte Ägypten

Dynastien Reiche Könige

Napoleon in Ägypten

Kleine ägyptische Sprachkunde

Erstaunliche Hieroglyphen

Die Zeit vor dem Neuen Reich

Religion und Götter

Kunst

Theben Ost

Das heutige Luxor

Der Tempel von Luxor

Karnak, Echnaton und Obelisken

Theben West

Das Tal der Könige

Hatschepsut und Thutmosis III.

Medinat Habu

Das Tal der Königinnen

Noble und Arbeiter

Die Kopten

Der Norden

Abydos

Dendera

Der Süden

Der Tempel von Esna

Der Tempel von el-Tot

Die Gräber von el-Kab

Der Tempel von Edfu

Kom Ombo

Abu Simbel

Der Isis Tempel von Philae

Schluss

Anhang

Personen und Götter im Buch

Verzeichnis der Bilder im Buch

1EINLEITUNG

WARUM LUXOR?

Warum willst du denn nach Luxor? Und wo ist das überhaupt, waren Fragen, die mir der eine oder andere vor der Reise stellte. Manch einer kennt Hurghada und Sharm-el-Sheikh, die ägyptischen Badeorte am Roten Meer, die auch von allen großen deutschen Reiseveranstaltern angeboten werden. Sie sind wegen ihrer phantastischen Korallenriffe vor allem bei Tauchern sehr beliebt. Aber Luxor kennen die meisten nicht. Zugegeben, ich kannte es vorher auch nicht.

Als ich im November 2011 das erste Mal in Ägypten war und die Pyramiden von Gizeh und Sakkara gesehen hatte, war mir klar, dass ich irgendwann auch den Süden Ägyptens bereisen wollte. Allerdings hatte ich nur eine sehr vage Vorstellung davon, was mich da erwarten würde. Mein gedanklicher Ausgangspunkt war das Tal der Könige, von dem ich natürlich schon gehört hatte und das mich am meisten reizte. Die Frage war also, was ist die Stadt in der Nähe dieses berühmten Tals. Da wollte ich hin. Diese Stadt ist Luxor. Den antiken Namen „Theben“ kennt man vielleicht noch eher aus dem Geschichtsunterricht. Zu meinem Bedauern muss ich lesen, dass schon seit Dezember 2009, seit der Installation einer neuen Verwaltung in Luxor, keine Kameras mehr ins Tal der Könige mitgenommen werden dürfen, was der kulturzerstörenden Wirkung des Massentourismus geschuldet ist. »Noch vor wenigen Jahren waren es nur mehrere Hundert Touristen, die jeden Tag ins Tal der Könige strömten. Nun sind es 4000. Außer mittwochs und samstags, wenn die Kreuzfahrschiffe anlegen, dann sind es 9000. Die ägyptischen Behörden richten sich für 2015 auf ca. 25.000 Touristen ein«. Soweit die Informationen auf einer Website namens thebanmappingproject.com, eigentlich eine Archäologen-Seite zur genauen Kartographie der Gräber im Tal der Könige, auf der ich unter anderen vorher recherchiert hatte.

Ich erinnere mich daran, dass man auch im Ägyptischen Museum in Kairo nicht fotografieren durfte. Hier, wo die Grabfunde des Tutanchamuns einen ganzen Korridor einnehmen und einen schwindlig werden lassen. Ich weiß noch, wie überwältigt ich war, von der Schönheit der berühmten Totenmaske, von dem eleganten Streitwagen, den massiven Sarkophagen und all dem Gold und den Edelsteinen. Ehrfürchtig und ungläubig schlich ich um die Glaskästen. Ich ertappte mich bei dem unwillkürlichen Gedanken, dass es sich um Attrappen handeln müsste, da all dies zweifellos nicht echt sein konnte. Aber selbst dann wären es noch großartige Attrappen! Am tiefsten beeindruckt war ich von der perfekten Harmonie, die der Thron des Tutanchamuns ausstrahlt. Er erschien mir großartiger als alles, was ich je an menschlicher Kunst gesehen hatte. Auch Howard Carter, der das Grab von Tutanchamun 1922 gefunden hatte, bezeichnete den Thron »ohne zu zögern als das Schönste, was bisher in Ägypten gefunden worden ist«. Welche Empfindungen mussten wohl die Ausgräber gehabt haben? Carter schämt sich in seinen späteren Erinnerungen nicht zuzugeben, dass er einfach nur sprachlos war beim Anblick dieser Kostbarkeiten, so dass er lange Zeit kein einziges Wort herausbrachte. Leider gibt das Bild des Thrones auf Wikipedia, den die Ägypter, wie alle anderen Gegenstände nur noch im Glaskasten fotografieren lassen, um jegliche Beschädigung auszuschließen, nur einen sehr unzureichenden Eindruck davon. Selbst angesehene Ägyptologen dürfen den Heiligtümern nicht mehr näher kommen, es sei denn etwas muss, wie bei der Totenmaske eben geschehen, in Mainz restauriert werden. All dies waren die Grabbeigaben eines vergleichsweise unwichtigen Pharaos, der nach neuen Forschungsergebnissen im Alter von 18-20 Jahren wohl in einem Wagenrennen gestorben ist. Carter meinte sogar, das Bedeutendste an diesem Pharao sei gewesen, dass er gestorben sei. Doch schon diese Funde aus seinem Grab sind beispiellos in der menschlichen Kulturhistorie, so dass es für mich unvorstellbar ist, was man bedeutenderen Königen ins Grab gelegt haben mochte. Aber das ist leider, dank Jahrtausenden Grabräuber-Geschichte, nicht mehr zu erfahren. Und es ist nicht zu erwarten, dass nochmal ein unversehrtes Grab gefunden wird.

Der weltgeschichtlich wohl folgenreichste Traum war der des Nebukadnezar ca. 600 Jahre v. Chr. in der Interpretation Davids und dessen zahlreicher Nachfolger. Er handelte von den vier Weltreichen, an deren Ende die Apokalypse stehen würde. Er wirkte bis zum 6. August 1806 fort, als Kaiser Franz II. unter napoleonischem Erneuerungsdruck, das Ende des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation erklärte. Dieses hatte gemeinhin als das vierte Weltreich gegolten. 2400 Jahre lang hatten die Menschen geglaubt dieses letzte Reich aus Nebukadnezars Traum erhalten zu müssen, da sie sonst das Ende der Welt für gekommen hielten. Eine Zeitspanne, in der die großen monotheistischen Religionen entstanden, das Judentum, das Christentum, der Islam. Verschiedene Weltreiche kamen und gingen, bis zum Vortag der industriellen Revolution. Eine Zeitspanne wahrhaft biblischer Länge. Die „Pharaonen-Zeit“ der alten Ägypter mit ihren 31 Dynastien – sogar ohne die sogenannte Dynastie null, die allein schon fast 1000 Jahre umfasste! – dauerte länger, ungefähr nochmals 300 Jahre länger. Zur Zeit des Traums des Nebukadnezar allerdings war die glorreichste Zeit des alten Ägyptens schon vorbei, denn das Land befand sich in der sogenannten Spätzeit schon unter Fremdherrschaft, obwohl auch in dieser Phase noch wunderschöne Tempel erbaut wurden. Angesichts dieser atemberaubenden Dimensionen erlaubte ich mir, ein wenig zu träumen. Von einem Buch, das ich zur Vorbereitung meiner Reise lesen könnte. Eines, in das ich eintauchen könnte, wie in Karl Mays gesammelte Werke, nur mit dem für mich erfreulichen Unterschied, dass die Geschehnisse in diesem Buch alle wirklich geschehen sein würden. Aber schon nach kurzen Recherchen stellte ich ernüchtert fest, dass es scheinbar kein aktuelles Standardwerk zur Geschichte des alten Ägyptens gibt. Jedenfalls nicht bei den üblichen Online Händlern.

Das Internet bietet zwar ungeheuer viele Fakten, aber man verliert sich schnell darin und die Zusammenhänge erschließen sich nicht so ohne Weiteres. Zudem ist es nicht wirklich inspirierend, das ist dann eher das genaue Gegenteil von Karl May.

AKTUELLE LAGE

Die Sicherheitslage in meinem Zielgebiet ist einigermaßen ruhig. Das Auswärtige Amt schreibt: »Gegen Reisen zu den archäologischen Sehenswürdigkeiten im südlichen Teil des Niltals zwischen Luxor und Assuan/Abu Simbel bestehen derzeit keine Bedenken«. Dass das nicht immer so bleiben muss, ist mittlerweile leider eine allzu gewohnte, bittere Erfahrung. Was ich noch heute bedauere, ist, dass ich (war es 2009 oder sogar schon 2010?) nicht mit einem Freund nach Damaskus gefahren bin. Er hat die alte Umayyaden Hauptstadt noch im Frieden und unzerstört erlebt, und mir anschließend von den Menschen und der unvergleichlichen Atmosphäre vorgeschwärmt. Damals dachte ich noch, dass ich einen Besuch später zweifellos nachholen würde. Vorbei. Für immer verloren nun. Damaskus, das wunderbare Aleppo: zerstört. Selbst die Wüstenstadt Palmyra wurde mit Mörsergranaten beschossen.

Schon im November 2011, als ich Kairo besuchte, war ein kritischer Zeitpunkt. Im Januar hatten die Proteste auf dem Tahrir Platz ihren Anfang genommen, um erst zum Jahresende, so schien es mir, wieder ein wenig abzuflauen. Am 26. November aber, wenige Tage nach meinem Aufenthalt, soll dann sogar Giftgas gegen die Demonstranten eingesetzt worden sein. Ich hatte seinerzeit einen friedlichen Moment erwischt, konnte mich frei bewegen, fühlte mich jederzeit sicher. Als aktuelle Warnung bezüglich Ägypten dient mir die Einschätzung von Peter Scholl-Latour, der in seinem letzten Buch vor seinem Tod im August 2014 „Der Fluch der bösen Tat“ Parallelen zu der Entwicklung nach 1990 in Algerien zieht. Er fürchtet, dass die enorme Repression des Abdel Fattah el-Sisi auf die Muslimbrüderschaft möglicherweise zur Bildung neuer, viel radikalerer Kräfte führt. Die gegenwärtige Situation auf der Sinai Halbinsel scheint ihm leider Recht zu geben.

Andererseits, was wäre, wenn die Muslimbrüderschaft noch an der Macht wäre? Was wenn Sisi nicht die Macht übernommen hätte? Außenstehenden mag es so scheinen, als wäre das ein ganz normaler Militärputsch gewesen. Ja, ein Putsch war es wohl und Sisi streitet in seinem ersten Interview, das er einem westlichen Medium gibt, auch nicht ab, dass es Hunderte Tote gegeben hat in seinem Kampf gegen die Muslimbrüderschaft. Wenige Tage vor meiner Abreise häufen sich dann die beunruhigenden Meldungen.

14. Februar: Eine Bestätigung der Befürchtungen ist die heutige Nachricht, dass Sisi 24 der bisher jahrelang unverkäuflichen französischen Kampfjets Rafale bestellt hat. Er brauchte diese, nach eigener Aussage, so dringend, dass die französische Armee auf einige der ihr zugedachten Exemplare vorläufig verzichtet. Als Grund verweist Hollande auf islamistische Rebellen, die über die Libysche Wüste einfallen könnten. Genau auf diesen Aspekt hatte auch Peter Scholl-Latour noch hingewiesen.

16. Februar morgens: IS Milizen enthaupten 21 ägyptische Kopten in Libyen und stellen das ganze als 5-minütiges Video ins Internet. Die Botschaft, die sie darin übermitteln: »Eine in Blut geschriebene Nachricht an die Nation des Kreuzes«.

Das koptische Kreuz oder Anch Symbol stand im alten Ägypten für das Leben.

16. Februar abends: Die ägyptische Luftwaffe fliegt zusammen mit der libyschen Angriffe auf Derna, in Libyen, wo die Milizen ihre Basis haben sollen. Ca. 40 Islamisten werden getötet.

17. Februar: Die Töne werden schriller und die Meldungen immer absurder. Jetzt drohen libysche IS Milizen Italien anzugreifen und Rom zu erobern. Gleichzeitig schicken sie von Libyen aus immer mehr Flüchtlinge, jetzt unter Waffengewalt, auf Boote Richtung Italien. Zum ersten Mal wird ein Rettungsboot der Italiener von den Schiebern beschossen.

Auf Al-Jazeera sieht und hört man die Panzer, die angeblich jetzt in ganz Ägypten auf den Straßen für Sicherheit und Ordnung sorgen sollen. Nichts darüber finde ich in westlichen Medien.

Mehrere ausländische Seiten melden, dass Sisi die UN um eine Resolution oder sogar eine Intervention – das wird nicht ganz klar – in Libyen bittet. Laut manchen Medien soll sich Italien anschließen. Insgesamt bietet die deutsche Presse zeitweise ein verheerendes Bild. Überall wird auf den ersten Seiten von der Orangenhaut irgendeines Promis berichtet, aber nur in winzig kleinen Meldungen über all diese erschreckenden Ereignisse.

18. Februar: Mittlerweile berichten auch die deutschen Medien in angemessener Weise über die Situation in Libyen und Ägypten. Das Thema ist nun doch angekommen.

Die Welt, die islamische zumal, ist in Aufruhr. Es ist keine Besserung in Sicht und man möchte gar nicht daran denken, wohin das noch führt. Es scheint alles immer noch schlimmer zu werden.

HINWEIS AN DEN LESER

Das folgende Kapitel ist ein Ergebnis meiner eigenen Erkundungen in Sachen Geschichte und Kultur des alten Ägyptens. Die Jahrtausende im „Schweinsgalopp“, wenn man so will. Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert und nachgelesen, bin aber dennoch kein Ägyptologe, auch wenn ich mich auf dieser Reise manches Mal so fühlen durfte.

Man möge mir die grobe Vereinfachung und die Ungenauigkeiten nachsehen, die ich mir sicher habe zu Schulde kommen lassen. Für jeden Hinweis diesbezüglich bin ich sehr dankbar.

Wer mit den Basisdaten der ägyptischen Geschichte vertraut ist, mag getrost einzelne Abschnitte überspringen oder gleich direkt zum nächsten Kapitel „Theben Ost“ auf Seite → springen. Dort beginnt die eigentliche Beschreibung der Reise, die ich im Februar und März 2015 unternommen habe.

Ein besonderes Dankeschön geht an die Universität Heidelberg, die Großes geleistet hat bei der Digitalisierung alter Werke zum Thema Ägypten. Ihre Webseite ist jedem, der tiefer in die Materie einsteigen möchte, nur zu empfehlen. Die Links dazu finden sich in dem kleinen Bildverzeichnis am Ende des Buches.

2DAS ALTE ÄGYPTEN

DYNASTIEN REICHE KÖNIGE

EpochenZeitspannenDynastienFrühdynastische ZeitCa. 3032–2707 v. Chr.1–2Altes ReichCa. 2707–2216 v. Chr.3–6Erste ZwischenzeitCa. 2216–2137 v. Chr.7–11Mittleres ReichCa. 2137–1650 v. Chr.11–12Zweite ZwischenzeitCa. 1650–1550 v. Chr.13–17Neues ReichCa. 1550–1070 v. Chr.18–20Dritte ZwischenzeitCa. 1070–664 v. Chr.21–25SpätzeitCa. 664–332 v. Chr.26–31

Als Zwischenzeiten werden die Zeiten bezeichnet, in denen die Einheit des Reiches (gemeint ist damit die Einheit von Unter- und Oberägypten, mit deren erster Vereinigung auch die 1. Dynastie beginnt) nicht gegeben war. Unterägypten ist die Region von Kairo hin zum Nildelta, Oberägypten die Region von Kairo den Nil aufwärts bis zum heutigen Sudan. Als Sinnbild für die Reichseinigung stehen dabei die weiße Krone des Südens (links vom Pluszeichen), die mit der roten Krone des Nordens zur ägyptischen Doppelkrone vereinigt wird, deren erster Träger und damit erster Herrscher über das gesamte Ägypten König Narmer gewesen sein soll. Nach früheren Vorstellungen war es ein sagenumwobener König Menes; die neuere Forschung geht aber davon aus, dass es eher Narmer war und stützt sich dabei vor allem auf die sogenannte Narmer Palette.

Die Einteilung in Dynastien stammt noch von Manetho, einem ägyptischen Priester, der im dritten Jahrhundert vor Christus lebte. Allerdings, und das macht es schwierig, ist sein Werk nur teilweise erhalten und auch das zu großen Teilen nur in Abschriften von Abschriften in verschiedenen Sprachen von verschiedenen Autoren mit dementsprechenden Verfälschungen. Dennoch ist die Einteilung in Dynastien auch heute noch gebräuchlich.

Die Einteilung in Reiche und Zwischenzeiten hingegen wurde von der neuzeitlichen Forschung vorgenommen. Die Datierung insbesondere des Mittleren Reichs und der zweiten Zwischenzeit beruht auf einer schwierigen und mangelhaften Faktenlage. Manche Forscher ordnen die Herrscher der 13. Dynastie (Manetho gibt ca. 50 Herrscher für die 13. Dynastie an) noch dem mittleren Reich zu, die meisten allerdings rechnen sie — wie oben angegeben — zur zweiten Zwischenzeit. Ungeachtet der Datierungsproblematik ist aber unzweifelhaft, dass ein Niedergang an diesem Schnittpunkt, d. h. zwischen dem Ende des mittleren Reichs und der zweiten Zwischenzeit stattfindet und vielleicht auch in der ersten nachweisbaren Frau auf dem Thron des Pharaos seinen Ausdruck findet. Nofrusobek (13. Dynastie) war die erste Frau, die ihr Geschlecht nicht geleugnet zu haben scheint, was bemerkenswert ist, da selbst ca. 350 Jahre später noch Hatschepsut (18. Dynastie) sich auf Reliefs als Mann mit Bart darstellen ließ. In all dem zeigt sich, dass gerade diese Perioden sehr schwer zu datieren sind. Generell muss man gerade bei der älteren Geschichte Ägyptens immer auf divergierende Daten und Fakten gefasst sein.

Für den sehr kurzen Überblick, der hier gegeben werden soll, ist das aber nicht von Belang. Hier soll die Geschichte Ägyptens nämlich nur in zwei Phasen betrachtet werden. Die Zeit vor dem neuen Reich und das neue Reich selbst. Vor dem Beginn des neuen Reiches war Ägypten abgeschottet vom Rest der Welt, auch wenn Handelsbeziehungen in die Levante und in den Sudan bestanden. Erst mit dem neuen Reich gewannen Einflüsse von außen an Bedeutung und die Ägypter eroberten Länder außerhalb ihres angestammten Gebietes.

Könige des neuen Reichs

18. Dynastie19. Dynastie20. DynastieAhmoseRamses ISethnachtAmenophis ISethos IRamses IIIThutmosis IRamses IIRamses IVThutmosis IIMerenptahRamses VHatschepsutAmenmesseRamses VIThutmosis IIISethos IIRamses VIIAmenophis IISiptah/TausretRamses VIIIThutmosis IV Ramses IXAmenophis III Ramses XEchnaton Ramses XISemenchkare  Tutanchamun  Eje  Haremhab  

NAPOLEON IN ÄGYPTEN

Der napoleonische Feldzug nach Ägypten in den Jahren 1798 – 1801, hauptsächlich als Kriegszug geplant, der den Engländern ihre traditionelle Einflusssphäre im Nahen Osten streitig machen sollte, scheiterte zwar letztlich in dieser Zielsetzung, erbrachte aber stattdessen ungeahnte Ergebnisse ganz anderer Art. Denn in Napoleons Gefolge reisten auch zahlreiche Wissenschaftler mit, deren Resultate etwas später zum ersten Mal eine breitere europäische Öffentlichkeit mit ägyptischer Kultur und Geschichte konfrontierten. Davor waren es nur vereinzelte europäische Reisende, die Ägypten besucht hatten, ohne nachher größeres Aufsehen in ihren Heimatländern zu erregen. Die Systematik und Breite der wissenschaftlichen Erschließung durch die französischen Wissenschaftler hatte eine andere Qualität. Die Zeichnungen und zugehörigen Erläuterungen der Forscher fanden ein Jahrzehnt später in 24 prachtvollen Bänden der „Description de l’Egypte“ ihren Ausdruck, herausgegeben von „l’Empereur Napoléon Le Grand“ persönlich, wie es auf dem Umschlag vermerkt ist. Die Resultate sind heute noch sehenswert, mehr als sie lesenswert sind, denn alle Erläuterungen krankten zu der Zeit noch daran, dass man die Schrift dieser Kultur nicht lesen konnte und ihre Zeichen nicht verstand. So sah sich das staunende französische Publikum einer zwar visuell tief beeindruckenden, gleichzeitig aber auch völlig unverständlichen, Kultur gegenüber.

Durch das Mittelalter hindurch hatten sich immer wieder interessierte Gelehrte in der westlichen und der islamischen Welt an der Entzifferung versucht. Aber erst Napoleons Feldzug brachte ein Fundstück zutage, das den entscheidenden Anstoß zur Entzifferung gab, den Stein von Rosetta, nach der naheliegenden ägyptischen Stadt der Fundstelle benannt. Er enthielt nämlich, soweit war es seinen Entdeckern klar, den gleichen Text in drei verschiedenen Sprachen Hieroglyphen, Demotisch und Altgriechisch. Obwohl sie den Stein von Rosetta später an die Engländer verloren (heute im British Museum), hatten die Franzosen vorher noch Kopien angefertigt, die später in größeren Kreisen bekannt wurden. Im Laufe der folgenden Jahre beteiligten sich zahlreiche kluge Köpfe quer durch Europa an dem Rätsel der Hieroglyphen.

Mein erster Gedanke war, dass es doch nun ganz einfach sein musste, die Hieroglyphen zu entziffern, weil man Altgriechisch ja nun noch verstand und lesen konnte. Dass die Entschlüsselung dieses so exotischen Schriftsystems aber noch bis 1822 dauern sollte, lag an Schwierigkeiten, die mich an meine erste Begegnung mit den japanischen Alphabeten erinnerte. Trotz intensiver Anstrengungen mir die Zeichen bestimmter U-Bahn-Stationen in Tokio einzuprägen, um nur ja wieder zum Hotel zurückzufinden, sah ich mich gelegentlich mit der meine Bemühungen zunichtemachenden Eigenart der Japaner konfrontiert, nicht stets dasselbe Alphabet zu benutzen, so dass statt in Kanji auf einmal Stationsnamen in Katakana angezeigt wurden, obwohl dieses Alphabet normalerweise nur für fremdsprachige Wörter verwendet wird. So waren auch die tapferen Entzifferer wohl in einer ähnlichen „Lost in translation“ Situation. Denn die Hieroglyphen hatten sich über die Jahrtausende natürlich gewaltig entwickelt, wurden von einer ursprünglich reinen Bilderschrift, so wie jeder Laie auch beim Anblick denken würde und antike Autoren zu bestätigen schienen, zu einer Schrift die Bildzeichen, Lautzeichen und Deutzeichen kombinierte. Die Zahl der Hieroglyphen wuchs von ursprünglich 700 Zeichen auf 7000 Zeichen an. Fast schon japanische bzw. chinesische Verhältnisse! Dank seiner genialen Sprachbegabung (er beherrschte schon mit 18 Jahren 8 alte Sprachen, darunter ganz wesentlich für die Entzifferung der Hieroglyphen das Koptische), gelang es dem Franzosen Jean-François Champollion schließlich aber doch das Rätsel zu lösen. Leider verstarb er zwar mit 42 Jahren viel zu früh, aber immerhin erst, nachdem er nochmal Ägypten bereist und seine Entdeckungen an zahlreichen Beispielen verifiziert hatte.

Erstaunlich, wie viele, leider manchmal tragische Genies das Frankreich dieser Zeit hervorgebracht hat. War es der Geist der Revolution oder eher der Napoleons? Es scheint, als wäre dies das goldene Zeitalter französischer Wissenschaft und Ingenieurskunst gewesen, das so nicht mehr wiederkam. Ich fühlte mich durch Champollion an jemanden erinnert, von dem ich vor ein paar Jahren zum ersten Mal gelesen hatte, Évariste Galois, der als 20-Jähriger in einem Duell starb, und erst posthum in der Welt der Mathematik berechtigten Ruhm erlangte. Er hatte noch viel weniger Zeit für seine Wissenschaft als Champollion und starb im selben Jahr wie dieser, 1832.

Der berühmte Joseph Fourier dagegen war, obwohl auch einmal nur knapp der Guillotine entkommen, im Gegensatz zu Champollion und Galois, auf der Sonnenseite derjenigen, die ihren Namen auf dem Eiffelturm inskribieren konnten. Für die Ewigkeit steht sein Name Seit’ an Seit’ mit anderen legendären Namen jener Zeit wie Pasteur, Ampère, Becquerel, Lavoisier, Foucault. Fourier war einer der Teilnehmer des napoleonischen Feldzugs und Mitautor der „Description de l’Égypte“. Während der französischen Besatzungszeit Ägyptens beteiligt er sich in leitender Funktion am Aufbau des Institut d’Égypte, einer Bibliothek, die ca. 200.000 wertvolle Bände, u. a. auch die Erstauflage der „Description“ beherbergte. Er organisiert archäologische Expeditionen und hilft beim Aufbau einer ägyptischen Verwaltung nach französischem Vorbild.

Dass das Institut d’Égypte schließlich im Dezember 2011, einen Monat nach meiner ersten Ägypten Reise, den Flammen der Revolution zum Opfer fällt, ist ein weiterer bedrückender Beleg für die Gefahren, denen sich heutzutage die Kultur gerade (aber nicht nur) in den arabischen und islamischen Ländern gegenübersieht. Die Kollektion war die wohl wertvollste Sammlung historischer Bücher in Ägypten. Nur mit großer Mühe konnte ein Viertel der Bücher vor den Flammen gerettet werden.

Vom Abenteuer in Ägypten wieder zurück in Frankreich kreuzen sich dann Fouriers Wege mit denen von Champollion und Galois in einer Weise, die deren Leben jeweils entscheidend verändern sollte. Dem einen, Champollion, zeigt Fourier die aus Ägypten mitgebrachten Kopien des Steins von Rosetta, woraufhin jener in fiebriger Rastlosigkeit die Entzifferung der Hieroglyphen beginnt. Dem anderen, Galois, versagt er als Mitglied einer wissenschaftlichen Kommission die Anerkennung seiner Arbeit und stürzt ihn damit in eine Krise, von der Galois sich nicht mehr erholt und die schließlich in einem sinnlosen Duell ihr Ende findet.

In einem wahrhaft genialisch-martialischen Impuls hatten die Franzosen unter