Einfach Controlling - Stefan Hilbert - E-Book

Einfach Controlling E-Book

Stefan Hilbert

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Beschreibung

Das Controlling leistet Führungsunterstützung für die Planung, Steuerung und Kontrolle aller Unternehmensbereiche. Dazu laufen hier die Daten des Rechnungswesens und anderer Quellen zusammen, müssen adäquat aufbereitet und zur Grundlage für Entscheidungen gemacht werden. Der Autor vermittelt die grundlegenden theoretischen und instrumentellen Inhalte des Controllings, behandelt dabei die praktischen Anwendungsfragen und verdeutlicht anhand eines durchgehenden Beispiels, wie das Management durch Controlling unterstützt werden kann. Da Nachhaltigkeit für die Gestaltungs- und Lenkungsaufgabe immer relevanter wird und neben ökonomischen auch Fragen der Ökologie, des Sozialen und guter Unternehmensführung zu integrieren sind, wird eine systemische Herangehensweise vermittelt.

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Stefan Hilbert

[3]Einfach Controlling

Eine praxisorientierte Darstellung in Zeiten von Komplexität und Nachhaltigkeit

1. Auflage

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

1. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-043734-0

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-043735-7

epub: ISBN 978-3-17-043736-4

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

[5]Inhaltsverzeichnis

1

Vorwort

2

Management als Herausforderung und Zumutung

2.1

VUCA: Ein neues Paradigma für die Steuerung von Unternehmen

2.2

Entscheidungen zwischen Analytik und Intuition: Zum Entscheiden genötigt

2.2.1

Führen ist entscheiden

2.2.2

Wie wir entscheiden sollten

2.2.3

Wie wir tatsächlich entscheiden

2.2.4

Was das Controlling im Entscheidungsprozess erkennen sollte

2.2.5

Entscheiden zwischen Verstand und Intuition

2.2.6

Controlling als Führungs- und Entscheidungsunterstützung: Eine erste Annäherung

2.2.6.1

Ein kurzer Abriss über die Entstehung des Controllings

2.2.6.2

Klärung des Rollenverständnisses: Manager managen und Controller controllen

2.2.6.3

Controlling-Konzeption und Führungsunterstützung

2.3

Struktur im Dschungel von Pflichten und Möglichkeiten

2.3.1

Der Management-Kreislauf als Ausgangspunkt für den Controlling-Kreislauf

2.3.2

Unternehmen sind sozioökonomische Systeme

2.3.3

Das St. Galler Management-Modell als Rahmen für die Bewältigung des Steuerungsproblems

2.3.4

Nachhaltigkeit als unausweichliche Herausforderung für die Unternehmenssteuerung

2.3.4.1

Nachhaltigkeit als neue Realität

2.3.4.2

Von abstrakt zu operationalisierbar: Nachhaltigkeit greifbar machen

2.3.4.3

Von der Regulierung bis zu den Steuerungsgrößen

2.3.4.4

Ausgewählte Berichtsstandards und Konkretisierung der KPIs

2.4

Management kann auf die Unterstützung durch das Controlling zurückgreifen

2.4.1

Wesenselemente eines Controlling-Konzepts

2.4.2

Unternehmensziele als Ausgangspunkt für das Controlling

2.4.3

Aufgaben des Controllings und Controlling-Funktion

2.4.4

Instrumentenvielfalt zur Bewältigung abwechslungsreicher Aufgabenstellungen

2.4.5

Organisatorische Eingliederung des Controllings im Unternehmen

3

Mit dem Controlling durch das Geschäftsjahr

3.1

Kennzahlen sind des Controllers Basics

3.2

Ausgewählte Kennzahlen für ein schlankes Finanzcontrolling

3.2.1

Kapital- und Vermögensstruktur

3.2.2

Erfolg ist vielschichtig

3.2.3

Liquiditätsgrößen

3.2.4

Finanzkennzahlen auf einen Blick

3.3

Orientierung geben: Sich für das Richtige und gegen das Falsche entscheiden

3.3.1

Strategisches Controlling als Bindeglied zwischen strategischer Planung und strategischem Management

3.3.2

Unstrukturiertes in eine Struktur bringen: Instrumente zur Unterstützung der Strategieentwicklung

3.3.3

Bedeutung der strategischen Kontrolle

3.4

Kapazitäten für das Richtige bereitstellen: Investitionen steuern und lenken

3.4.1

Die taktische Planung als Bindeglied zwischen Strategie und operativer Umsetzung

3.4.2

Kernaspekte des Investitions-Controllings

3.4.3

Ausgewählte Verfahren der Investitionsbeurteilung

3.4.3.1

Statische Investitionsrechenverfahren

3.4.3.2

Dynamische Investitionsrechenverfahren

3.4.4

Worauf Controller beim Investitionsprozess achten sollten

3.5

Einfach richtigmachen: Unterjährig steuern und lenken

3.5.1

Inhalt und Aufgaben des operativen Controllings

3.5.2

Der Planungs- und Budgetierungsprozess

3.5.3

Die rollierende Planung als Lösung für den Umgang mit Instabilität und Komplexität auf der operativen Ebene

3.5.3.1

Kernelemente und Ablauf der rollierenden Planung

3.5.3.2

Das Forecasting im Kontext der rollierenden Planung

3.5.3.3

Beispiel der rollierenden Planung für die SchlaGu GmbH

3.5.4

Worauf es bei der Berichterstattung ankommt

4

Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

[9]1Vorwort

Wie sind Sie gestern zur Arbeit, zum Einkaufen oder nach Hause gekommen? Haben Sie das Auto genommen oder Bus und Bahn? Vielleicht haben Sie die Wegstrecke auch zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt? Hat alles auf Anhieb funktioniert oder gab es Verzögerungen? Auf welche Art und Weise Sie gestern auch unterwegs waren, Sie haben Controlling betrieben, bewusst oder unbewusst, Sie haben es wahrscheinlich nur nicht so genannt.

Der Begriff des Controllings kommt vom englischen Verb ›to control‹ und bedeutet unter anderem steuern/lenken. Genau das haben Sie gestern gemacht, Sie haben gesteuert und gelenkt. Sie sind irgendwo gestartet (Vielleicht in Ihrer Wohnung?) und hatten ein Ziel, denn Sie wollten zu einer bestimmten Uhrzeit an einem bestimmten Ort sein (Abteilungsbesprechung um 8.30 Uhr in der Verwaltung in Mannheim). Ihr Ziel war somit sogar sehr präzise. Das Ziel wollten Sie auf direktem Weg ansteuern, vielleicht waren Umwege erforderlich, da ein Stau auf der Straße genervt hat und Sie kurzfristig umplanen mussten (Planung ist wichtig im Unternehmen und damit auch im Controlling!). Folglich haben Störungen in Ihrer Umwelt auf Ihre Zielerreichung eingewirkt. Aus einer systemorientierten Perspektive würde man sagen, dass Ihre Zielerreichung (Ihr Erfolg), rechtzeitig zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort einzutreffen, von der Interaktion vieler am Straßenverkehr teilnehmenden Personen und technischer Anlagen (z. B. der Funktionstüchtigkeit Ihres Autos oder von Ampeln) abhängt. Dies alles im Blick zu behalten, erweist sich durchaus als komplexe und dynamische Herausforderung. Es ist unmöglich, zeitgleich alle Elemente und Bedingungen um Sie herum zu erfassen und einzeln zu bewerten. Ebenso führt die Interaktion der am Verkehr Teilnehmenden zu permanent neuen Situationen. Sie schauen auf das große Ganze, auf Muster bzw. den großen Kontext und sind gezwungen, den ursprünglichen Plan (schnell von A nach B auf direktem Weg zu gelangen) immer wieder anzupassen. Das ist normal und eine Controlling-Weisheit besagt: Planung heißt, den Zufall durch den Irrtum ersetzen. (Als Fan des Sängers Robbie Williams sei auch ein Verweis auf den Song ›Feel‹ erlaubt, denn in einer Textzeile heißt es: ›God laughs at my plans.‹).

Dann sind Sie doch in einen Stau geraten und das hat Sie wertvolle Zeit gekostet. Glücklicherweise haben Sie vor einem Jahr ein schnelles Auto gekauft und damit die Grundlage für eine zügige Fahrt zur Arbeit (Die Schaffung von Kapazitäten, damit überhaupt produziert werden kann, ist für Unternehmen auch wichtig). Ebenso hatten Sie sich vor Fahrtantritt versichert, dass genügend Sprit im [10]Tank ist und Sie nicht liegenbleiben. Beim Fahren achten Sie selbstverständlich auf die Geschwindigkeit, indem Sie beispielsweise den Tacho im Auge behalten. Beim Fahren waren Sie dann doch in Gedanken und haben nicht auf die Tachoanzeige geachtet. Tja, Versuchungen und Ablenkungen gibt es immer wieder und die Methodik des Controllings kann helfen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und zu rationalem Handeln gezwungen zu werden. Die rechtliche Umwelt hatte es dann leider auch nicht gut mit Ihnen gemeint, denn Sie wurden bei einer Geschwindigkeitskontrolle herausgefischt und dann aufgehalten. Um genau zu sein, meint es die rechtliche Umwelt durchaus gut mit uns, denn die Straßenverkehrsordnung gibt den Rahmen vor, innerhalb dessen sich ein komplexes und dynamisches Fortbewegen entwickeln kann. Also seinen wir durchaus nachsichtig mit dem Eingreifen der Ordnungskräfte, die einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung von Komplexität und Dynamik leisten. Und ein wenig (oder etwas mehr) Kontrolle ist auch geboten, sonst funktioniert es mit dem zielgerichteten Steuern nämlich auch nicht.

Sie sind doch zu spät zu Ihrem Termin gekommen und durften Ihrer Chefin Rede und Antwort stehen (Berichterstattung ist auch eine Aufgabe im Controlling!). Mittags haben Sie dann bei einer Tasse Kaffee in Ihrem Büro gesessen, haben den Tag Revue passieren lassen und überlegt, wie es beim nächsten Mal besser laufen kann (Die Analyse ist ein bedeutender Baustein des Controllings und zählt zu den Basics!). So, das war einfach Controlling, auch wenn Sie es nicht so genannt haben.

Sie sollten das Buch dennoch weiterlesen, denn bei aller Vorliebe zur Vereinfachung wollen Sie sicherlich ein vertiefendes und solides Verständnis über den Einsatz des Controllings im Unternehmen erhalten. Denn mit dem Steuern allein ist die Aufgabe des Managements nicht erledigt, zumal Steuerung nur funktioniert, wenn die Bedingungen innerhalb und außerhalb des Unternehmens insgesamt stabil sind. Dann kann mit Instrumenten auf ein Ziel hingesteuert werden. Aber die Umfelder von Unternehmen werden immer vielschichtiger, sprunghafter, dynamischer und komplexer, die Vorhersagbarkeit schwindet. Willkommen in der VUCA-Welt!

Das diesem Buch zugrundeliegende Verständnis von Unternehmen und ihren Umfeldern ist ein systemisches: Umfelder von Unternehmen (z. B. Märkte) und Unternehmen (z. B. Prozessketten, Abteilungen) bestehen aus (Teil-)Systemen, die ihrerseits eine Eigendynamik entwickeln und über hohe Vernetzung miteinander interagieren. Klassisches Ursache-Wirkungs-Denken hilft da nicht immer weiter. Insofern muss die zielgerichtete Unternehmenssteuerung, und genau damit befasst sich das Controlling, vermehrt ganzheitlich betrachtet und verstanden werden. Es hilft nicht immer, nur auf Ausschnitte zu schauen und diese separiert zu steuern. Denn das Gesamtsystem (Unternehmen und Umwelten) ist mehr als die Summe seiner Teile und das Controlling darf sich nicht nur auf einzelne Bestandteile beziehen.

Bei einem Unternehmen handelt es sich um ein von Menschen geschaffenes System. Und was der Mensch geschaffen hat, muss er auch beherrschen, steuern und lenken können. Soweit der Wunsch, denn dass dies nicht immer funktioniert, [11]hat Jeder und Jede von uns schon einmal erlebt. Anfangs verlief die Hauptversammlung noch gesittet, die Agenda strukturierte Inhalt und zeitlichen Ablauf, doch dann kamen kritische Fragen auf und die Stimmung kippte. Wir können ›Hauptversammlung‹ auch durch ›Abteilungstreffen‹ oder ›Familienfeier‹ ersetzen, um nur einige Beispiele aus dem realen Leben aufzugreifen. Aber bevor der Duktus des Negativen zu stark in den Vordergrund rückt, können schwer oder nicht steuerbare Entwicklungen auch im Positiven wirken. Euphorie, exponentielles Wachstum oder virale Ereignisse sind häufig nicht beherrschbar, geschweige denn steuerbar, können sich aber sehr wohl förderlich beispielsweise auf den Erfolg eines Unternehmens auswirken.

Sich mit Themen der Unternehmenssteuerung zu beschäftigen ist wichtig, nicht nur für große Konzerne, sondern auch und gerade für Kleinunternehmen oder allgemein ›Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU)‹. Die Erfahrungen aus der jüngsten Vergangenheit haben nämlich gezeigt, dass die Unsicherheit zunimmt (Wertewandel, Covid-Pandemie, Lieferkettenunterbrechungen, Energiepreissteigerungen, etc.) und damit ein systematisches Beschäftigen mit dem Unternehmen und gerade mit seinen Umwelten wichtig ist. Diese Beschäftigung muss organisiert, um nicht zu sagen institutionalisiert werden, damit eine Auseinandersetzung mit Herausforderungen nicht erst dann beginnt, wenn das Problem an die Unternehmenstür klopft oder die Tür einfach eintritt. Für diese Beschäftigung mit der Unternehmenssteuerung ist das Controlling zuständig, das Controlling unterstützt diesen Prozess. Nun könnte man meinen, dass eine derartige Unterstützungsfunktion in den Unternehmen längst installiert ist. Das ist aber nicht so. In Deutschland gibt es rd. 3,374 Mio. Unternehmen, 23.309 davon mit mehr als 250 Beschäftigten, das sind weniger als 1 % aller Unternehmen (Institut für Mittelstandsforschung, 2022). Hauptberufliche Controller1 gibt es hingegen ca. 120.000 (Grunwald-Delitz et al., 2021, S. 26). Rein rechnerisch würde also ein Controller fast 28 Unternehmen betreuen. Zugegebenermaßen sind bei diesen Erhebungen die Abgrenzungen nicht immer vollkommen trennscharf, sicherlich beschäftigen sich an unterschiedlichsten Stellen im Unternehmen von der Geschäftsführung bis auf die Ebene der Sachbearbeitung viele Personen auch mit Controlling-Aufgaben, ohne dass sie diese explizit als solche bezeichnen. Aber die Relation zeigt, welches Potenzial grundsätzlich für das Controlling besteht.

Inhaltlich ist das Buch in zwei Teile untergliedert. Kapitel 2 beinhaltet die theoretische Grundlegung des hier vertretenen Controllingverständnisses. In Kapitel 3 erfolgt die praktische Anwendung, insbesondere werden ausgewählte Instrumente des strategischen, investiven (operativ-taktischen) und operativen Controllings auf Basis eines Musterunternehmens, der SchlaGu GmbH, erörtert.

Bei der SchlaGu GmbH handelt es sich um ein fiktives Unternehmen, dessen Kerngeschäft in der Herstellung von Matratzen besteht. Ein Großteil der Matratzen wird für Möbelgeschäfte und Bettenfachgeschäfte produziert, ein kleiner Teil wird [12]im Direktvertrieb über einen Fabrikverkauf an Privatpersonen verkauft. Das Unternehmen ist in der zweiten Generation inhabergeführt und soll in den nächsten Jahren an Tochter Sarah übergeben werden, die in der Verwaltung des elterlichen Betriebs als Assistentin der Geschäftsführung bereits mitarbeitet. Sarah hat Betriebswirtschaftslehre studiert und möchte ein praktikables und schlankes Controlling-System aufbauen, um die Unternehmenssteuerung fit zu machen für die zunehmende Komplexität und Dynamik. Die im Buch verwendeten Beispiele sind bewusst einfach gehalten, da die einfache Nachvollziehbarkeit der Controllingthemen im Fokus steht.

In Kapitel 2 wollen wir schwerpunktmäßig über Steuerbarkeit nachdenken. Die Managementaufgabe ist vielfältig und wenn man Controlling betreiben will, sollte ein Grundverständnis für das Management vorhanden sein, zumal das Controlling das Management bei seinen Aufgaben unterstützt. In vielen meiner Seminarveranstaltungen berichten Teilnehmende, dass sie die Controlling-Funktion übernehmen sollen und zuvor andere Aufgaben im Unternehmen wahrgenommen haben. Eine häufig vorkommende Aussage zu Beginn der Seminare lautet: ›Ich soll jetzt bei uns im Unternehmen Controlling machen und ich weiß gar nicht, was mein Chef von mir will.‹ Daher wird in Kapitel 2 dem Themenkomplex des Managements Raum gegeben, um die Vielfältigkeit der Führungsaufgaben und die damit verbundenen Herausforderungen besser verstehen zu können. Dass im Management rationales Handeln erforderlich ist, scheint unbestritten. Management wird aber von Menschen wahrgenommen und Menschen werden von Emotionen, kognitiven Unzulänglichkeiten oder einfach bestimmten Vorlieben in ihrem Entscheidungsverhalten beeinflusst. Auch dies sollten Controller berücksichtigen. Letztendlich ist die Rationalitätssicherung im Unternehmen anzustreben und dieses Unterfangen stellt ein weiteres, wichtiges Bestreben des Controllings dar.

Controlling beschäftigt sich viel mit Struktur und Transparenz, der Management-Kreislauf oder der Controlling-Kreislauf helfen, die Aufgaben in Prozessschritte zu gliedern. Das St. Galler-Management-Modell bildet einen praktischen Rahmen, um Struktur in das Dickicht der VUCA-Welt zu bekommen. Controlling verfolgt auch keinen Selbstzweck, sondern ist auf die Zielsetzung des Unternehmens und dessen Stakeholder ausgerichtet. Controlling entwickelt sich dabei immer mehr interdisziplinär, verhaltensökonomische Aspekte haben ebenso Einzug gefunden wie die bereits erwähnte systemische Sichtweise. Gerade die zunehmende Relevanz der Nachhaltigkeit zeigt, welche Bedeutung der interdisziplinäre Diskurs und eine systemische Herangehensweise auch und gerade in Steuerungs- und Lenkungsfragen von Unternehmen erhält.

Vielleicht bieten diese Sichtweisen Anregung für die Weiterentwicklung des Controllings, das sich im Spannungsfeld von

Pflicht (Was muss das Controlling zwingend leisten, um die Unternehmensziele zu unterstützen?) und

Kür (Welche Impulse kann das Controlling beispielsweise für die nachhaltige Weiterentwicklung des Unternehmens geben?)

[13]bewegt. Controlling ist nicht als fertige akademische Disziplin erfunden worden, sondern hat sich über Jahrzehnte in der Unternehmenspraxis gebildet und weiterentwickelt. Damit verändern sich auch Aufgabenfelder und Anforderungen an alle Mitarbeitenden, die sich mit Controlling auseinandersetzen. Diesem Buch liegt das Verständnis eines führungsunterstützenden Controllings zugrunde, was sich einerseits auf die Funktion (Controlling ausführen) und auf die Institution (Controller bzw. Controllerin sein) auswirkt.

In Kapitel 3 werden Fragestellungen und Instrumente des strategischen, taktischen und operativen Controllings aufgegriffen. Als conditio sine qua non besteht dabei die Notwendigkeit, sich der normativen Orientierung bewusst zu sein. Sonst kann auch die Frage, ob wir das Richtige machen und das Falsche lassen, nicht beantwortet werden. Das klingt erst einmal simpel, ist es aber nicht. Schwache Signale (weak-signals) zu erkennen oder mit qualitativen Informationen umzugehen, erfordert spezielle Instrumente. Struktur und Muster, aber auch die Kybernetik von Systemen rücken ins Zentrum der Betrachtung und weniger die Detailsicht. Ein Mehr an Informationen hilft nicht immer, sondern kann dazu führen, dass Entscheidungen nicht oder zu spät getroffen werden.

Der Übergang von der strategischen Ausrichtung hin zur Umsetzung im Tagesgeschäft wird durch die erforderlichen Kapazitäten geschaffen. Denn im täglichen Tun wollen wir uns nicht auch noch um die personelle oder technische Ausstattung kümmern, diese muss einfach zur Nutzung der Potenziale vorhanden sein. Mit derartigen Fragen beschäftigt sich etwa das Investitionscontrolling und es soll die Frage beantworten helfen, ob wir das Richtige auch richtig machen können.

Krisenhafte Situationen aus den letzten Jahren haben gezeigt, welch hohe Anforderungen plötzlich und überraschend an die Steuerung von Unternehmen gestellt werden. Die kurzfristige Messung und Steuerung des Erfolgs stellt einen Aufgabenschwerpunkt des operativen Controllings dar. Erfolg ist nicht immer gleichzusetzen mit Gewinn, wie uns die Erfahrung zeigt. Corona oder die Energiepreissteigerungen wirkten schnell und heftig, Gewinnmaximierung trat in den Hintergrund und die Liquiditäts- bzw. Überlebenssicherung avancierte zum wichtigsten Ziel von Unternehmen. Erfolg ist somit vielschichtig und in diesem Zusammenhang ist auch immer wieder die Frage zu beantworten, ob das jeweilige Instrument auch misst, was es messen soll. Exemplarisch wird in operativer Sicht beispielsweise die Vollkostenrechnung der Deckungsbeitragsrechnung gegenübergestellt, um die Frage nach dem Erfolg beantworten zu können. Zudem ist festzustellen, dass die Vernetzung mit den Teilumwelten und die damit einhergehenden Komplexitäten auch in der operativen Sicht wirkmächtig sind, eine zu starke Fokussierung auf unternehmensinterne Steuerungsgrößen kann fatal sein.

Neben theoretischem Anspruch verfolgt das Buch aber auch die Zielsetzung, praktische Relevanz zu besitzen. ›Einfach Controlling‹ soll dazu beitragen, dass Studierende, Praktikerinnen und Praktiker aus der Wirtschaft oder vielleicht auch Lehrende Anregungen für Steuerungs- und Lenkungsfragen von Unternehmen erhalten. Vielleicht impliziert der Titel auch, dass ein einfacher Zugang zur Thematik möglich ist und falls dies gelingen sollte, hat das Buch Mehrwert [14]geschaffen. ›Einfach‹ soll aber auch dazu motivieren, Controlling einfach zu machen.

Die in diesem Buch aufgegriffenen Themen stellen lediglich eine Auswahl dar, die zugegebenermaßen subjektiv ist. An vielen Stellen wird aus didaktischen Gründen auch eine starke Vereinfachung vorgenommen. Es wird auch nicht der Anspruch erhoben, ein Almanach über das Controlling zu verfassen. Vielmehr soll das Grundverständnis für Notwendigkeit und Anwendung des Controllings geschaffen werden. Dabei sind an vielen Stellen persönliche Erfahrungen des Verfassers aus seiner langjährigen Tätigkeit im Controlling, aus der Lehrerfahrung an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Mannheim und Durchführung von praktischen Seminarveranstaltungen für Unternehmen, eingeflossen.

Ein Buch entsteht nicht einfach so, für die Konzeptionierung und das Schreiben braucht man einfach Unterstützung. Ich danke daher meiner Frau Ulrika, für ihre Unterstützung und ihren Rat, ihr widme ich dieses Buch. Auch danke ich sehr herzlich Herrn Dr. Uwe Fliegauf vom Kohlhammer-Verlag, der dieses Projekt erst möglich gemacht hat sowie Herrn David Jäger, der das Werk sorgfältig lektorierte.

Sollten trotz eines Höchstmaßes an Sorgfalt Fehler in diesem Werk enthalten sein, sind diese selbstverständlich mir anzulasten und sind Ausgangspunkt für Verbesserungen. Oder, um es mit einer Controlling-Weisheit auszudrücken: Aus Fehlern lernen.

Prof. Stefan Hilbert, im Frühjahr 2023

1

Der besseren Lesbarkeit geschuldet, und ausschließlich aus diesem Grund, wird in diesem Buch auch das generische Maskulinum verwendet.

[15]2Management als Herausforderung und Zumutung

2.1VUCA: Ein neues Paradigma für die Steuerung von Unternehmen

Lernziele für das Kapitel 2.1

Sie können das Akronym VUCA beschreiben und verstehen, warum VUCA das neue Paradigma für das Management ist.

Sie erkennen insbesondere die zunehmende Bedeutung von Dynamik und Komplexität im Zusammenhang mit der Unternehmenssteuerung.

Sie erhalten einen ersten Eindruck davon, warum Management auf Unterstützung durch das Controlling zurückgreift.

In arbeitsteiligen und weltweit vernetzten Gesellschaften ist es erforderlich, dass das Zusammenwirken zielgerichtet und koordiniert abläuft. Dies betrifft erwerbswirtschaftliche Unternehmen (Konzerne oder Kleinbetriebe) ebenso wie Non-Profit-Organisationen, beispielsweise Vereine, Verbände, Wohlfahrtsorganisationen, Kirchen, staatliche Hochschulen oder Interessenverbände. All diese Institutionen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie soziale Systeme darstellen, auf ein Ziel hin ausgerichtet sind und gemanagt werden müssen. Management bedeutet in diesem Zusammenhang die Führung eines zweckgerichteten, sozialen Systems. Management benötigt unbedingt ein Objekt, z. B. das Unternehmen, denn ein Führen an sich wäre sinnlos (Ulrich/Probst, 1991, S. 240).

Management ist vielfältig und vielschichtig und kann verstanden werden als »zielorientiertes Gestaltungs- und Lenkungshandeln in Betrieben als organisierten, kontinuierlich zweckgerichteten menschlichen Handlungsgemeinschaften« (Jung et al., 2018, S. 6). Ausgeführt wird diese Tätigkeit von Personen, die als Führungskräfte die Gestaltungs- und Lenkungsfunktion im Unternehmen übernehmen (Jung et al., 2018, S. 6). In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung wird bisweilen eine Abgrenzung zwischen Management und Führung vorgenommen, dabei enthält das Management als umfassenderer Begriff sämtliche Führungsaufgaben im Unternehmen und die Führung wird auf die Mitarbeiterführung beschränkt (Thommen et al., 2020, S. 548). Im weiteren Verlauf dieses Buches wird zwischen Management und Führung nicht explizit unterschieden und die Begriffe werden synonym verwendet, wie dies in der betriebswirtschaftlichen Literatur häufig erfolgt.

[16]Das Management ist stetigen Herausforderungen ausgesetzt, denn das Führen und Steuern bezieht sich auf das soziale System Unternehmen, das als offen, komplex, dynamisch, autonom, marktgerichtet und produktiv beschrieben werden kann (Thommen et al., 2020, S. 8). Diese Verflechtung mit anderen Systemen ist essenziell, denn Unternehmen erhalten ihre Existenzberechtigung durch die Austauschbeziehungen eben mit anderen Systemen (Jung et al., 2018, S. 9). So kann etwa seit längerem festgestellt werden kann, dass das Handeln von Unternehmen verstärkt einer öffentlichen Exponiertheit unterliegt und Unternehmensentscheidungen nicht nur von der Öffentlichkeit wahrgenommen, sondern auch kritisch hinterfragt werden (Ulrich, 1998, S. 438).

Der Bezug zu anderen Systemen (z. B. sozio-ökonomisch, politisch-rechtlich, technologisch, natürlich) in einer globalisierten Welt sowie die Interaktion von Subsystemen (z. B. Abteilungen, informelle Gruppen) steigern Dynamik und Komplexität. Malik identifiziert Komplexität als einen Haupttreiber der fundamentalen Transformation vom 20. ins 21. Jahrhundert und führt als weitere Treiber an (Malik, 2015, S. 51-72):

Demografie

Ökologie

Wissenschaft

Technologie

Ökonomie und

Verschuldung.

Für eine erste Annäherung an die Wechselwirkungen und die sich daraus ergebenden Implikationen für das Management dient Darstellung 2.1.1, beispielhaft ist hierbei die Einbettung eines Unternehmens in sein direktes Umfeld (Branchenumwelt) und in die allgemeine Umwelt skizziert. Ferner sind bei dieser Darstellung wesentliche Treiber aus den Umweltbereichen aufgeführt (z. B. Nachhaltigkeit in der politisch-rechtlichen Umwelt).

Heute heißt das Management-Paradigma ›VUCA‹ (Amerland, 2023). Dieses Akronym beinhaltet die englischen Begriffe ›Volatility‹ (Schwankung, Volatilität), ›Uncertainty‹ (Unsicherheit), ›Complexity‹ (Komplexität) und ›Ambiguity‹ (Vieldeutigkeit, Ambiguität).

Bei Volatilität handelt es sich ursprünglich um einen Begriff aus der Statistik, ausgedrückt als Varianz oder Standardabweichung, der die Unsicherheit des Ausmaßes einer Veränderung quantifiziert. So ist die Schwankung eines Kursverlaufs am Aktienmarkt oder der Öl- oder Gaspreis an den Energiemärkten über einen definierten Zeitraum durch ein derartiges Volatilitätsmaß beschreibbar. Aus diesen Vergangenheitsbeobachtungen können Wahrscheinlichkeiten abgeleitet werden, Schwankungen werden damit fassbar und im Rahmen von Risikomodellen in gewisser Weise auch beherrschbar. ›In gewisser Weise‹ deutet schon darauf hin, dass die Beherrschbarkeit kein Absolutum darstellt, wie anhand des Beispiels für den Gaspreismarkt in Darstellung 2.1.2 nachvollzogen werden kann. Der Gaspreis in

Dar. 2.1.1:Unternehmen und seine Umwelten

Europa entwickelte sich über einen langen Zeitraum stabil, der Gaspreis schwankte um 1,82 Euro um den Durchschnittspreis von 5,43 Euro, für die Prognose und Planung ein ›angenehmes‹ Szenario. Die Schwankungen nahmen aber ab dem Jahr 2021 und dann nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine deutlich zu (Durchschnittspreis: 29,00 Euro; Schwankung um den Durchschnittspreis: 15,67 Euro), was z. B. die Prognose von Kosten und Geschäftsjahresergebnissen sowie die Planung der Unternehmen für die Folgejahre durchaus erschwert. Volatilität ist zwar meist auch beherrschbar, beispielsweise können Preisschwankungen durch entsprechende Future- oder Forward-Kontrakte abgesichert werden (sofern diese am Markt existieren), dies ist aber mit Absicherungskosten verbunden und belastet die Unternehmensergebnisse. Das Controlling beschäftigt sich sehr stark mit den Themen Prognose und Planung, wie wir an anderer Stelle des Buches noch feststellen werden. Durchschnittsbetrachtungen können da eine gute Unterstützung sein, insbesondere wenn die Vergangenheitswerte eben stabil sind oder klaren Mustern folgen.

Ungewissheit hingegen bringt zum Ausdruck, dass eben keine verlässlichen Gesetzmäßigkeiten aus Beobachtungen vergangener Ereignisse vorliegen und Wahrscheinlichkeiten nicht ermittelt werden können. Lange geltende Gesetzmäßigkeiten an den Märkten oder über große Zeitspannen andauernde, stabile politische Allianzen sind keine Konstanten mehr und betreffen auch die Entscheidungssituation im Management. Ein Mangel an Klarheit erschwert die Einschätzung aktueller und künftiger Entwicklungen (Mack/Khare, 2016, S. 6).

In den letzten Jahren werden Veränderungen verstärkt wahrgenommen und lassen den Eindruck entstehen, dass Unsicherheit etwas völlig Neues ist. Unsicherheit bestand aber schon immer, sie war jedoch in gewisser Weise beherrschbarer,

Dar. 2.1.2:Preisentwicklung für Erdgas in Europa (Quelle: eigene Darstellung und eigene Berechnung, Daten von Statista2)

da sie in vorhersagbareren Pfaden abgelaufen ist. Entwicklungen aus der Vergangenheit konnten häufig als gute Datenbasis für künftige Entwicklungen herangezogen werden, trotz aller Schwankungen entwickelte sich die Welt in stabileren Bahnen. Heute ist, auch durch den Anstieg von Vernetzungen, in vielen Bereichen zunehmende Instabilität (keine stabilen Muster) feststellbar und die Vorhersagbarkeit schwindet (Dufft et al., 2018, S. 35). Unsicherheit ist nicht immer gleichzusetzen mit Risiko, das aufgrund existierender Wahrscheinlichkeiten für Umweltzustände beherrschbar ist. Unsicherheit geht verstärkt mit Ungewissheit einher, dann gibt es nämlich keine Wahrscheinlichkeiten und Entscheidungen sind auf einer neuen Grundlage zu treffen. Vielleicht helfen Heuristiken, also einfache Daumenregeln dann weiter, das werden wir in Kapitel 2.2 vertiefen.

Häufig wird der Begriff der Komplexität umgangssprachlich oder mit obskurer Bedeutung verwendet. Komplexität entsteht etwa durch eine immer stärker zunehmende Vernetzung von Teilsystemen (Dufft et al., 2018, S. 35). Gerne werden Komplexität und Kompliziertheit gleichgesetzt, obwohl beide Begrifflichkeiten unterschiedliche Bedeutung haben. Der Bau einer Maschine beispielsweise ist ein kompliziertes Unterfangen. Es ist etwa eine Vielzahl an Materialien, Zeiträumen und Arbeitsschritten aufeinander abzustimmen. Diese Probleme sind aber grundsätzlich zu bewältigen, da ein Konstruktionsplan beim Zusammensetzen hilft oder Arbeitspläne die Fertigungsschritte strukturieren, Planung kann folglich helfen. Zudem verändert sich die Maschine nicht von selbst, sie ist statisch. In vielen Unternehmen besteht noch heute ein ähnliches Grundverständnis für die Managementaufgabe: Problemstellungen werden analysiert (Nach dem Motto: ›Ich brauche mehr Informationen!‹) und dann werden Einzelentscheidungen getroffen (Nach [19]dem Motto: ›Handeln, Führung zeigen und nicht zaudern‹). Das Verständnis für die Organisation (Unternehmen) ist dabei ein eher technisch-statisches: Problem erkannt, Problem gelöst und weiter geht es. Ursache-Wirkung und lineares Denken und Handeln sind dabei die Leitmaximen.

Bei komplexen Sachverhalten stellt sich die Problemstellung aber anders dar. »Komplexität wird definiert als Fähigkeit eines Systems, in einer gegebenen Zeitspanne eine große Zahl von verschiedenen Zuständen annehmen zu können.« (Ulrich/Probst, 1991, S. 58) Komplexe Systeme sind nicht statisch, sie weisen eine spezielle Dynamik auf, da ihre Elemente quasi unvorhersehbar neue Verbindungen miteinander eingehen. Somit ist Komplexität sehr eng mit dem Aspekt der Vernetzung verbunden (Vester, 2019, S. 16). Und der Aspekt der Vernetzung lässt bereits erkennen, dass die Komplexitätsthematik in einer zunehmend digitalisierten Welt immer bedeutender wird. Wir sind von vernetzten Systemen umgeben. »Alles Lebende, jedes gesellschaftliche, ökologische, wirtschaftliche, finanzielle System ist komplex« (Thurner, 2020, S. 35). Vernetztes, ganzheitliches Denken und Handeln wird für ein erfolgreiches Management immer wichtiger.

Anhand eines kleinen Beispiels soll das Komplexitätsproblem kurz erläutert werden: Angenommen, Sie sind als Führungskraft zu einem Unternehmen gewechselt und freuen sich auf die neue Aufgabe und Funktion. Als Abteilungsleiter ›Controlling und Konzernsteuerung‹ sind Sie ab sofort Teil eines Teams von 25 Mitarbeitenden (Sie selbst eingeschlossen). Die Aufgabe ist nicht ganz neu, bisher waren Sie als Gruppenleiter im Controlling eines Branchenmitbewerbers beschäftigt.

Nun gilt es, die Abteilung inhaltlich und personell zu führen. Gerade die persönlichen Beziehungen sind Ihnen wichtig. Führungsarbeit ist auch Beziehungsarbeit, denn der persönliche Austausch, die Stimmung im Team, stellt aus Ihrer Erfahrung heraus einen wichtigen Erfolgsfaktor dar. Sie gehen zuerst analytisch an die Ausgangsfrage heran und versuchen zu beantworten, wie viele Beziehungen zwischen allen Mitgliedern Ihres Teams bestehen können. Sie selbst müssen also 24 persönliche Kontakte pflegen, um Ihrem Führungsanspruch gerecht zu werden. Das bedeutet, 24 regelmäßige Feedbackgespräche führen, um 24 Personen gerecht werden zu wollen, mit fachlichen und persönlichen Anliegen. Aufwändig, aber machbar.

Aber auch die Stimmung im Team wollen Sie nicht vernachlässigen. Bei 25 Personen bedeutet das, dass n*(n-1)/2, also 300 ungerichtete 2er-Beziehungen möglich sind, wenn sich ein vollständiges Beziehungsnetzwerk ausbildet, also alle miteinander interagieren. 300 Beziehungskonstellationen im Blick zu behalten, ist herausfordernd, um nicht zu sagen, dass es sich dabei um ein komplexes Unterfangen handeln kann. Denn es kommt hinzu, dass diese Beziehungen nicht stabil oder von Dauer sein müssen. Neue Freundschaften können sich bilden, alte Verbindungen zwischen den Teammitgliedern können sich wieder auflösen oder eine andere Qualität erhalten. Kurzum, derartige Beziehungsnetzwerke unterliegen einer Dynamik und heute erkannte Zusammenhänge können sich im Zeitablauf ändern.

Bereits nach der ersten Woche merken Sie, dass einige Ihrer Mitarbeitenden gut miteinander zurechtkommen, bei einigen Teammitgliedern sind die wechselseitigen Sympathien nicht gleich verteilt. Also überlegen Sie neu und beziehen nun ein, [20]dass die wechselseitige Sympathie nicht nur auf beiden Seiten gleich sein muss: Wenn eine Beziehung zwischen zwei Personen besteht, kann es durchaus sein, dass eine Person die andere genauso ›toll‹ findet, wie umgekehrt. Es kann aber auch sein, dass eine Person die andere ›toll‹ findet, die andere Person erwidert dies aber nicht und findet seinen Kollegen ›doof‹. Dass die wechselseitigen Sympathien nicht immer offen ausgesprochen werden, ist ein anderes Thema und erhöht die Komplexität zusätzlich. Wenn nun also diese Unterschiede in den Beziehungen berücksichtigt werden, ergeben sich n*(n-1) Möglichkeiten, d. h. als Führungskraft erweitert sich das Konstellationsnetzwerk auf 600 mögliche gerichtete Beziehungen. (Eine lesbare Einführung in das Thema der Komplexität und Dynamik von Netzwerken finden Sie beispielsweise bei Thurner, 2020). Dass vielleicht einige Personen untereinander keine Beziehung pflegen und nicht miteinander interagieren, sei an dieser Stelle ausgeschlossen. Es würde zwar das Netzwerk verringern, erleichtert die Führungsaufgabe aber nicht, da gelebte Antipathien und der damit verbundene unterbundene Informationsaustausch weder der Zusammenarbeit noch der Teamstimmung förderlich sind. Für die Visualisierung des Beispiels dient Darstellung 2.1.3, wobei hier der 3-Personen-Fall dargestellt ist.

Dar. 2.1.3:Ungerichtete und gerichtete Beziehungen

Sie müssten nun also 600 Beziehungen managen, steuern oder lenken. Analytisch könnten Sie sich dem Problem mit Unterstützung der IT nähern, ein derartiges Netzwerk zu analysieren ist bei der Leistungsstärke heutiger IT-Systeme kein Problem. Auch bei sehr großen Netzwerken wie beispielsweise Kunden oder Lieferanten ist dies mit moderner Technik zu bewältigen. Stefan Thurner vom ›Complexity Science Hub Vienna‹ stellt mit seinen Forschungsarbeiten etwa unter Beweis, dass auch die Player auf großen Finanzmärkten mit Ihren Beziehungen [21](z. B. Einlagen, Kreditverträge, Finanz-Derivate) und die dort ausgebildeten Netzwerke mit leistungsfähigen Computern analysiert und daraus Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können. Ein Beispiel hierfür ist in einem Gemeinschaftsprojekt mit anderen Forschenden für den Finanzmarkt Mexiko publiziert (Poldena et al., 2015).

Aber zurück zu Ihrem Ausgangsproblem, Sie haben 600 wechselseitige Beziehungen im Blick zu halten. Analytisch machbar, mit der KI auch grundsätzlich durchführbar. Wollen Sie dies aber? Wollen Sie Ihre persönliche Führungsarbeit auf eine KI übertragen? Wenn Sie dies nicht anstreben, müssen Sie heuristisch, also mit einer Daumenregel vorgehen. Denn Zeit und kognitive Ressourcen limitieren Ihre zu bewältigende Aufgabe. Und intuitiv gehen Führungskräfte auch so vor, sie wenden Heuristiken an. Sie schauen, welche Gruppen sich innerhalb der Abteilung ausgebildet haben. Wer geht mit wem in die Pause? Zwischen welchen Personen bestehen vielleicht sogar freundschaftliche Beziehungen? Wer kritisiert die Arbeit von wem oder die Person besonders oft? Usw. Diese Form der Intuition ist evolviert, sie hat sich bei sozialen Wesen, die wir Menschen nun einmal sind, über Jahrtausende herausgebildet und sie ist auch robust. Sie müssen demzufolge keine Beziehungen in Ihrer Abteilung zu optimieren versuchen, Sie müssen vielmehr auf Stimmungen reagieren und auch auf Ihr Bauchgefühl hören. Sie sollten aber auch immer reflektieren, ob Sie bei einem derartigen Führungsstil nicht systematisch Fehler begehen. Vielleicht sind Sie anfällig für Schmeichelleien einzelner Mitglieder Ihrer Gruppe. Einige Komplimente sind ernst gemeint, andere Komplimente dienen nur einem bestimmten Zweck und sollen Ihr Entscheidungs- und Führungsverhalten beeinflussen. Cialdini etwa belegt anhand vieler Beispiele, dass Menschen eine ausgeprägte Schwäche für Schmeicheleien haben und auf positive Komplimente automatisch positiv reagieren, selbst wenn diese ganz offensichtlich eine Übertreibung darstellen (Cialdini, 2017, S. 241).

Bei Ambiguität kann es zu unterschiedlichen Interpretationen von Situationen und Entwicklungen kommen, es fehlt einfach Klarheit. Diese Mehrdeutigkeit erschwert das Entscheiden, da bewährte, analytische Entscheidungsprozeduren nicht angewendet werden können (Mack/Khare, 2016, S. 6). Ambiguität ist beispielsweise dadurch gekennzeichnet, dass keine Wahrscheinlichkeiten über mögliche Umweltzustände vorliegen, wie dies etwa zu Beginn der Corona-Krise der Fall war. Der Blick in die Vergangenheit hatte wenig geholfen, da eine derartige Pandemie bisher nicht existierte. Solche Situationen von Unsicherheit mögen Menschen nicht, sie reagieren meist mit Ambiguitätsaversion, d. h. sie haben Angst vor dem Unbekannten (Daxhammer/Facsar, 2018, S. 222). Im realen Leben, speziell im Geschäftsleben, treten derartige, ambiguitive Situationen vermehrt auf, da es häufig nicht nur eine Antwort auf Fragen gibt, sondern völlig unterschiedliche Lösungsansätze für Problemstellungen bestehen können. Wir werden noch feststellen, dass eine wesentliche Aufgabe des Controllings auch darin besteht, die Informationsbedürfnisse des Managements zu befriedigen und darüber hinaus beratend tätig zu sein. Damit leistet das Controlling einen wichtigen Beitrag im Umgang mit unklaren Entscheidungssituationen.

[22]Beispielhaft für die in Darstellung 2.1.1 enthaltenen Themen und Umweltbereiche von Unternehmen seien an dieser Stelle einige Herausforderungen für das Management im Jahr 2023 aufgeführt, wobei kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird (die Hauptaspekte sind entnommen bei Amerland, 2023).

Der Angriff der Ukraine durch Russland hat in der Folge zu massiven Energiekostensteigerungen aufgrund von Problemen bei der Gasversorgung geführt (Inflation und Lieferketten als Faktoren der ökonomischen Umwelt). Energiekostensteigerungen betreffen nicht nur aktuelle Geschäftsjahresergebnisse, sondern können auch dazu führen, dass der Industriestandort bei anhaltend hohen Energiekosten an Attraktivität verliert. Damit ergeben sich Herausforderungen nicht nur für das operative Management (z. B. unerwartete Energiepreissteigerungen und ihre Auswirkungen auf Kosten und Gewinne), sondern auch strategische Überlegungen von Unternehmen sind betroffen, da aus dem politisch-rechtlichen Umfeld (z. B. Handelssanktionen) mit den neuen geopolitischen Gegebenheiten etwa die langfristige Energie- und Ressourcenversorgung überdacht werden muss.

Die anhaltende Inflation stellt einen Problembereich dar, der auch die Managemententscheidungen im kurz- und mittelfristigen Bereich determiniert. Insbesondere Investitionsentscheidungen und das Kostenmanagement sind hiervon im Unternehmen betroffen.

Als Exportnation ist Deutschland stark mit den globalen Märkten vernetzt. Lieferketten wurden in der Corona-Krise unterbrochen und stellen nach wie vor einen kritischen Faktor dar. Unternehmen sind, auch wenn sie nur auf dem nationalen Markt ihre Produkte anbieten, von (internationalen) Beschaffungsmärkten abhängig.

Der zunehmende Klimawandel rückt Themen der ökologischen Umwelt verstärkt ins Zentrum des Interesses der Öffentlichkeit. Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 ist eines der Hauptziele der Politik und wird das Setting des Managements dauerhaft verändern. Ökonomische, ökologische und soziale Zielsetzungen in die Gesamtausrichtung des Unternehmens zu integrieren, wird zu einer großen Herausforderung für die Unternehmensausrichtung und -steuerung. Einmal mehr gibt die Regulierung (politisch-rechtliche Umwelt) den Rahmen für das Management vor.

Der Fachkräftemangel ist bereits heute spürbar und auf die sich verändernde Bevölkerungsstruktur zurückzuführen (sozio-demographische Umwelt). Aber nicht nur die Quantitäten auf den Arbeitsmärkten (Teil der Beschaffungsmärkte) ändern sich, auch ein Wertewandel bei jungen Menschen ist feststellbar. Die Generation Z legt zunehmend Wert auf Work-Life-Balance, die Generation Y stellte bereits die Sinnfrage und auch die Generation X (der auch der Verfasser dieses Buches angehört) folgt einem eigenen inneren Kompass. Pluralität der Generationen in Unternehmen bleibt vorerst beherrschendes Thema für die Personalbeschaffung und Mitarbeiterführung.

[23]Die technologischen Entwicklungen wirken sich umfassend aus. Nicht nur im Bereich der Produktion (Digitalisierung von Prozessen), auch die Arbeitsbedingungen ändern sich durch digitale Möglichkeiten (Stichwort: Homeoffice) und zudem führen Vergleichsportale und die zunehmende Vernetzung zu einem Mehr an Informationen und kritischeren Verbrauchern auf den Absatzmärkten.

Krisen- und Risikomanagement werden weiterhin ein wesentlicher Erfolgsfaktor des Managements sein. Ebenso gilt es, die Anpassungsfähigkeit von Organisationen zu initiieren, wenngleich Menschen nicht gerade Fans von Veränderungsprozessen sind. Aus diesen Herausforderungen kann man vorerst schlussfolgern, dass auf der Instrumentenebene etwa Frühwarn- und Frühaufklärungssysteme im Management an Bedeutung gewinnen.

Lange hat das Denken und Handeln in vornehmlich linearen Ursache-Wirkungszusammenhängen zuverlässig funktioniert, als beispielsweise wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen stabil waren oder sich stetig entwickelten (Boysen, 2021, S. 13). Sich kontinuierlich entwickelnde Größen waren ein Garant dafür, dass auch die Zukunft in gewisser Weise beherrschbarer war. Ein Beispiel für sich kontinuierlich entwickelnde Umweltfaktoren sind etwa demographische Daten (sozio-ökonomische Umwelt). Unternehmen könnten sich bereits heute darauf einstellen, wie groß der Absatzmarkt für ein bestimmtes Produkt ist, das eine ältere Zielgruppe (z. B. Rentnerinnen und Rentner) anspricht. Denn wer in 10 oder 15 Jahren im Rentenalter sein wird, wissen wir heute schon, da diese Generation bereits geboren wurde und heute der Gruppe der ›Best Ager‹ zugerechnet werden kann. Wer das heute nicht berücksichtigt, hat weniger ein Könnens- und mehr ein Wollensproblem. Schwieriger wird es natürlich, wenn sich Größen diskontinuierlich entwickeln. Aber auch derartige Brüche (oder externe Schocks) sind bisweilen mit Methoden des Risikomanagements berechenbar. Dies alles wirkt sich auch auf das Instrumentarium des Managements aus, um der Steuerungsfunktion im Unternehmen nachzukommen. Pläne können bei Stabilität erstellt und Strategien langfristig verfolgt werden, Zielvereinbarungen und die Kontrolle funktionieren dann meist zuverlässig. Mit zunehmender Vernetzung, bei Diskontinuitäten und steigender Dynamik verändert sich auch der Rahmen für das Management und reines Ursache-Wirkungsdenken und damit die Vernachlässigung systemischer Zusammenhänge wird zu Problemen führen. Absolute Sicherheit über die Zukunft wird man dennoch nicht erreichen. Aber Zukunft solle man nicht voraussehen wollen, sondern ermöglichen, um es mit einem Bonmot von Antoine de Saint-Exupery zusammenzufassen.

Management ist als eine reflexive Gestaltungspraxis, die »aus interdependenten Interaktionen, die historisch und situativ eingebettet stattfinden und sich in fortlaufender Entwicklung befinden« (Rüegg-Stürm/Grand, 2020, S. 49), zu verstehen. Wesenselement des Managements ist somit unverzichtbar die Auseinandersetzung mit Komplexität und Dynamik. Gerade der in der jüngsten Vergangenheit aufkommende Nachhaltigkeitsgedanke ist ein Beispiel dafür, warum gerade Komplexität, Vernetzung und Dynamik die Steuerungsaufgabe im Unternehmen vor neue Her[24]ausforderungen stellen. Ökonomie (Ecological), Soziales (Social) und Aspekte guter Unternehmensführung (Governance) sind in ihrer Gänze zu erfassen und in die Managementaufgabe zu integrieren. Dabei kann es sich um keine triviale Aufgabe handeln, für die ein Beherrschen einfacher Ursache-Wirkungszusammenhänge ausreicht. Unternehmen sind keine komplizierten Maschinen, die mit Ingenieursdenken beherrscht und bei Fehlfunktionen instandgesetzt werden können. Es sei nochmals darauf verwiesen, dass es sich bei Unternehmen um offene, soziale Systeme, die in verschiedene Umfelder eingebunden sind, handelt. Unternehmen werden dabei nicht nur von ihren Umfeldern beeinflusst, vielmehr beeinflussen sie auch unterschiedlichste Umfelder. Gerade der Einfluss, der von der Produktionstätigkeit von Unternehmen auf die natürliche Umwelt ausgeht (Stichwort: Klimawandel), erfährt derzeit starke Beachtung. Für die Aufgabenbewältigung des Managements, nämlich der Steuerungsfunktion des Unternehmens nachzukommen, könnte daraus gefolgert werden, »dass wir selbst viel enger in die komplexen Systeme unserer Umwelt und der uns umgebenden Biosphäre eingebunden sind, als es uns das herkömmliche lineare Ursache-Wirkungs-Denken, das die Welt noch dazu in Sparten einteilt, weismacht.« (Vester, 2012, S. 30). Somit kann festgestellt werden, dass das Management systemisch betrachtet in ein Zusammenspiel von Umwelt und Organisation eingebunden ist und einen komplexen Entwicklungszusammenhang bildet, der dadurch gekennzeichnet ist, dass

alle Aktivitäten in vielschichtige Kontexte eingebunden sind,

Handlungen nicht isoliert, sondern immer in den interdependenten Interaktionen mit anderen Handlungen zu sehen sind und

das Zusammenspiel der Handlungen einer anhaltenden Interaktionsdynamik unterliegt, die nicht immer vorbestimmbar ist (Haas, 2010; Rüegg-Stürm/Grand, 2020, S. 49).

Es gilt, unser Welt- und Organisationsverständnis, das »von Linearität, Objektivität, Vorhersagbarkeit, Berechenbarkeit und Kausalität« (Dufft et al., 2018, S. 35) bestimmt ist, zu hinterfragen. Das bedeutet nicht, dass alles über den Haufen geworfen werden muss. Denn viele Instrumente, die etwa das Controlling für die Unterstützung des Managements bereithält, haben ihre Berechtigung und wirken auch heute noch. Für die Bewältigung der Führungsaufgaben im Unternehmen ist es jedoch geboten,

die eigenen mentalen Modelle zu erkennen,

die mentalen Modelle anderer (z. B. Mitglieder des Managements) zu verstehen und

den Umgang mit Systemen zu reflektieren (Dufft et al., 2018, S. 38).

Diese Vorüberlegungen sind wichtig, um den Kern der Problemfelder des Managements besser fassen und verstehen zu können. Wir haben dadurch ein Gefühl dafür erhalten, welch spannende, aber auch herausfordernde Aufgabe Unternehmens[25]führung ist und warum Unterstützung, beispielsweise durch das Controlling, sinnvoll ist.

Shortcuts für das Controlling

Controlling leistet Führungsunterstützung für das Management.

Das Controlling muss helfen, die Umfelder des Unternehmens zu strukturieren (z. B. in allgemeine Umwelt und branchenspezifische Umwelt), um mögliche Chancen und Risiken zu erkennen.

Das Controlling muss ein Verständnis für den Umgang mit einer VUCA-Welt im Unternehmen unterstützen.

2.2Entscheidungen zwischen Analytik und Intuition: Zum Entscheiden genötigt

Lernziele für das Kapitel 2.2

Sie können Managemententscheidungen unter Risiko und unter Ungewissheit unterscheiden.

Sie erhalten ein erstes Verständnis dafür, welche Entscheidungsprobleme auf den unterschiedlichen Managementebenen bestehen können.

Sie lernen wesentliche Fehler, die im Entscheidungsverhalten auftreten können, kennen.

Sie lernen, wie ein rationaler Entscheidungsprozess auszusehen hat.

Sie können Prozessrationalität von Ergebnisrationalität unterscheiden.

Sie verstehen, warum in manchen Situationen gute Intuition helfen kann und einem rationalen Entscheidungsprozess überlegen ist.

2.2.1Führen ist entscheiden

Manager gestalten und lenken. Folglich besteht ein Wesensmerkmal des Managements darin, Entscheidungen zu treffen, genaugenommen sogar Entscheidungen treffen zu müssen. Die Gestaltungs- und Steuerungsaufgabe des Managements hat mehrere Implikationen, sie ist

in gewisser Weise ein Segen, da dem Management ein Orientierungsvermögen zugesprochen wird, denn wer Management betreibt, nimmt Dinge in die Hand, ist dazu legitimiert und verfügt (hoffentlich) auch über die entsprechenden Kompetenzen,

Verpflichtung, durch Willensbildung und Zielausrichtung, und gleichermaßen

[26]Fluch, da dem Management zu jedem Zeitpunkt die Rolle zufällt, der Situation entsprechende Fähigkeiten und Instrumente zu besitzen, um die Steuerungsaufgabe zu erfüllen (Elbe, 2015, S. 5).

Elbe spricht in diesem Zusammenhang sogar davon, dass Führung eine Zumutung sei (Elbe, 2015, S. 5) und so pointiert diese Formulierung auch sein mag, darf doch nicht vergessen werden, dass, wer eine Managementaufgabe übernimmt, sich diesem Unterfangen freiwillig aussetzt. Managemententscheidungen sind ein Prozess und nicht die Abfolge singulärer Ereignisse (Vanini et al., 2019, S. 29). Entscheidungen stellen einen mentalen Prozess dar, der aus den Bestandteilen Beurteilung, Bewertung und Wahl besteht. Für Entscheider startet der Prozess damit, dass

es mindestens zwei Optionen gibt, zwischen denen eine Wahl zu erfolgen hat oder

eine Abweichung zwischen einem gegebenen und einem gewünschten Zustand wahrgenommen wird, der beseitigt werden soll (Pfister et al., 2017, S. 3).

Der Entscheidungsprozess ist abgeschlossen, sobald eine Option gewählt oder mit der Umsetzung der gewählten Alternative begonnen wurde. Idealtypisch wird die Entscheidung im Nachhinein evaluiert, um festzustellen, ob sie gut oder schlecht war (Pfister et al., 2017, S. 3-4). Entscheidung und Kontrolle hängen also zwingend miteinander zusammen, sie bedingen einander.

Entscheidungen treffen zu müssen ist in hohem Maße mit Unsicherheit verbunden. In einer stabilen, sicheren und vorhersehbaren Welt wäre alles klar. Langweilig, aber klar. Denn dann befänden sich Unternehmen im Idealzustand der vollkommenen Informationen, alle Handlungsalternativen wären einfach zu bestimmen und auch die Konsequenzen des Handelns wären vollständig bekannt. Strategische Herausforderungen würde es nicht geben, da ja aufgrund der vollkommenen Informationslage (auch über die Zukunft) eine Strategie entwickelt sowie umgesetzt würde und die Ziele erreicht würden. Entscheiden bei sicheren Erwartungen kann so einfach sein. Nun haben wir aber bereits in Kapitel 2.1 verstanden, dass Sicherheit immer mehr schwindet. Die Welt verändert sich, scheinbare Stabilität weicht Instabilität, Komplexität und Dynamik nehmen zu. Entscheidungen sind folglich bei unvollkommenen Informationen zu treffen, das Management agiert bei Unsicherheit (► Dar. 2.2.1).

Dar. 2.2.1:Entscheidungen bei vollkommenen und unvollkommenen Informationen (Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an Wöhe et al., 2020, S. 89) [zurück]

Entscheidungen bei sicheren Erwartungen

Entscheidungen unter Risiko

Entscheidungen bei Ungewissheit

Handlungsalternative ist leicht bestimmbar, da die Konsequenzen des Handelns vollständig bekannt sind

Konsequenzen des Handelns sind (mehr oder minder) unbestimmt

Konsequenzen des Handelns sind unbestimmt

Ergebnisse der Handlungen sind mit Wahrscheinlichkeiten bestimmbar

Ergebnisse der Handlungen sind nicht mit Wahrscheinlichkeiten bestimmbar

Im echten Leben finden Entscheidungen i. d. R. unter Unsicherheit statt, denn Wahlakte müssen in einer Situation bei unvollkommenen Informationen getroffen werden. Unvollkommene Informationen führen zu Unsicherheit, die wiederum in die Unterkategorien Risiko und Ungewissheit gegliedert werden kann (Knight, 1921). Einen Überblick über mögliche Entscheidungssituationen und die bevorzugten Entscheidungsstrategien bietet Dar. 2.2.2.

Dar. 2.2.2:Entscheidungen bei Risiko und unter Ungewissheit (Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an Hilbert/Metzner, 2021, S. 37)

In Entscheidungssituationen unter Risiko sind mögliche Entwicklungen von Einflussfaktoren und die Wirkung von Alternativen auf die verfolgten Ziele bekannt [28]und können mit Wahrscheinlichkeiten beziffert werden (Vanini, et al, 2019, S. 31). Das Entscheidungsprocedere folgt dann, gemäß der jeweiligen Risikopräferenz, einem Optimierungskalkül, denn es kann auf Basis von Wahrscheinlichkeiten eine Risikoabwägung vorgenommen werden. Wahrscheinlichkeiten liegen vor, da sie objektiv bestimmbar sind oder subjektiv geschätzt werden können (Wöhe et al., 2020, S. 89). Die zur Wahl stehenden Alternativen sind also mit Methoden der Wahrscheinlichkeitsrechnung oder mithilfe von Modellen bewertbar.

Im Risikomanagement von Unternehmen werden Entscheidungssituationen meist derart modelliert, dass auf Basis von Wahrscheinlichkeiten eine Risikoabwägung vorgenommen werden kann. Die klassische Portfoliotheorie mit Gewinn- und Verlustwahrscheinlichkeiten für Kapitalanlageentscheidungen sind ein typisches Beispiel, ebenso die Schaden- oder Todesfallwahrscheinlichkeiten, die in der Versicherungswirtschaft Anwendung finden. In all diesen Fällen können aufgrund großer Datenmengen (Big Data) Wahrscheinlichkeiten ermittelt werden, die für größere Zeiträume und Kollektive eine gute Entscheidungsgrundlage bilden. Es bleibt dennoch ein Restrisiko bestehen, da die angewandte Wahrscheinlichkeitsstatistik keine hundertprozentige Sicherheit bietet. Beispielsweise müssen Sterbetafeln, die in der Lebensversicherung für die Prämienkalkulation verwendet werden, nach gewissen Zeiträumen überarbeitet werden, denn das Langlebigkeitsrisiko und damit die Sterbewahrscheinlichkeit ändert sich von Zeit zu Zeit. So führt der medizinische Fortschritt etwa dazu, dass wir immer älter werden.

Sofern keine objektiven Wahrscheinlichkeiten vorliegen, kann etwa durch Expertenbefragungen eine zumindest subjektive Wahrscheinlichkeitsabschätzung vorgenommen werden. Dass Menschen aber schon ein Problem damit haben, objektive und subjektive Wahrscheinlichkeiten richtig ins Entscheidungskalkül einzubeziehen, zeigt die Prospect-Theory von Daniel Kahneman und Amos Tversky: Es fällt vielen Menschen schwer, objektive Wahrscheinlichkeiten anzuerkennen und richtig in ihr Entscheidungskalkül einfließen zu lassen (Kahneman/Tversky, 1979, S. 283). Es besteht die Tendenz, kleine objektive Wahrscheinlichkeiten subjektiv eher zu überschätzen (daher spielen viele Menschen Lotto) und hohe Wahrscheinlichkeiten eher subjektiv zu unterschätzen (daher rauchen viele Menschen, da sie ihr Gesundheitsrisiko trotz objektiver Krankheitsstatistiken subjektiv unterschätzen).