Einfach führen - Jochen Gabrisch - E-Book

Einfach führen E-Book

Gabrisch Jochen

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Beschreibung

Wer sich systematisch der Entwicklung seiner Mitarbeiter widmet, ist auf lange Sicht im Unternehmen erfolgreicher – dennoch überlassen viele Führungskräfte diese wichtige Aufgabe aus Zeitnot der Personalabteilung. Das muss nicht sein!

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www.campus.de

Krüger, Claudia; Gabrisch, Jochen

Einfach führen

Wie sich Personalentwicklung in den Alltag integrieren lässt

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Copyright © 2005. Campus Verlag GmbH

Besuchen Sie uns im Internet: www.campus.de

E-Book ISBN: 978-3-593-40141-6

|9|Vorwort

Werde also nicht müde, deinen Nutzen zu suchen,

indem du anderen Nutzen gewährst.

Marc Aurel

Unter welchen Bedingungen gehen Mitarbeiter motiviert und engagiert an die Arbeit? Und wie lassen sie sich zu Höchstleistungen anspornen? Stellt man diese Fragen einmal nicht den Führungskräften oder Personalexperten, sondern den Mitarbeitern selbst, erhält man im Kern relativ einhellige Antworten: Ihre Führungskraft unterstützt sie dabei, einen »tollen Job« zu machen und fördert sie in ihrer beruflichen, aber auch persönlichen Entwicklung. Das verwundert kaum, wenn man davon ausgeht, dass Mitarbeiter Leistung erbringen und einen Mehrwert für ihr Unternehmen erzeugen wollen, bei alledem allerdings auch ihre eigene Entwicklung und Karrierechancen im Blick behalten. Denn das Gehalt stellt nur einen kleinen Teil der Gegenleistung dar, die Mitarbeiter heute für persönliches Engagement und exzellente Arbeit erwarten. Der weitaus wichtigere Teil besteht aus interessanten und herausfordernden Aufgaben, Anerkennung, Lernchancen, Entwicklungsmöglichkeiten, Teamkultur und so weiter. Diese (Gegen-)Leistungen zu erbringen, also die Personalentwicklung, fällt in den Verantwortungsbereich der Führungskraft.

Gerade in Zeiten, in denen die Leistungsfähigkeit von Unternehmen zunehmend durch die Fähigkeiten und das Engagement der Mitarbeiter bestimmt wird, ist es von entscheidender Bedeutung, dass Sie als Führungskraft alle Anstrengungen daransetzen, ein Umfeld zu schaffen, in dem Ihre Mitarbeiter mit vollem Einsatz ans Werk gehen. Personalentwicklung spielt dabei eine herausragende Rolle. Sie haben es in der Hand, durch Personalentwicklung sowohl das Wissen und die Fähigkeiten, als auch die Motivation und das Engagement Ihrer Mitarbeiter positiv zu beeinflussen und zu fördern. Die Leistung Ihres Teams wird sich dadurch verbessern, |10|was letztlich Ihnen zugute kommt: Ihr Team »trägt« Sie nach oben, wie es die Personalberater James M. Citrin und Richard A. Smith formulieren. Indem Sie Ihre Mitarbeiter zielgerichtet unterstützen und fördern, erhöhen Sie die Wahrscheinlichkeit, Ihre eigenen Ziele zu erreichen und sogar noch zu übertreffen, um ein Vielfaches. Zudem werden Sie durch gezielte Personalentwicklung die besten Mitarbeiter für Ihr Team gewinnen und halten.

Die zentrale Frage, um die es in diesem Buch deshalb geht, lautet also: Wie können Sie Ihr Team und jeden Ihrer Mitarbeiter dabei unterstützen und fördern, erfolgreich zu sein?

Diese Frage mag für viele ungewohnt klingen, weil sie in der Praxis kaum gestellt wird und weil sie von einem anderen Rollenverständnis einer Führungskraft ausgeht, als dies gemeinhin der Fall ist. Doch um es mit den Worten von Marc Aurel zu sagen: Eine Führungskraft ist dazu da, ihren Mitarbeitern Nutzen zu gewähren. Denn diejenige Führungskraft, die ihre Mitarbeiter fördert und unterstützt, sich ihnen mithin zu Diensten macht, wird durch sie ihren eigenen Erfolg erlangen.

Im ersten Teil dieses Buches erfahren Sie daher zunächst, wie dieser Erfolg aussehen kann, warum sich Personalentwicklung für Sie lohnt und welchen Mehrwert Sie daraus für sich generieren können. Wir betrachten, wenn Sie so wollen, die Wirtschaftlichkeit von Personalentwicklung für Sie als Führungskraft und werden zeigen, warum Sie den vermeintlichen Mehraufwand auf sich nehmen sollten. Ein anschließender Blick auf die Praxis der Personalentwicklung und das Mitarbeiterengagement in deutschen Unternehmen lässt die Führungskräfte – so viel sei hier schon einmal vorweggenommen – leider in keinem guten Licht stehen. Am Ende dieses Buchteils haben Sie die Gelegenheit, anhand eines kurzen Tests festzustellen, inwiefern Sie selbst bereits einen fördernden und unterstützenden Führungsstil praktizieren.

Im zweiten Teil lernen Sie mit der Triple-A-Methode eine pragmatische Vorgehensweise kennen, wie Sie Personalentwicklung in Ihre tägliche Führungsarbeit integrieren können. Die drei »A« der Triple-A-Methode, die für Aufmerksamkeit, Anerkennung und Anregung stehen, lassen schon erkennen, dass wir unter Personalentwicklung weit mehr verstehen als das jährliche Mitarbeitergespräch oder die Auswahl eines Seminars zur Weiterbildung. Vielmehr ist Personalentwicklung in unserem Verständnis in die Führungstätigkeit eingebettet, ist Teil der täglichen Arbeit und tritt oft in Form von kleinen »Interventionen« auf: als anerkennendes »Gut gemacht«, improvisiertes Brainstorming, interessiertes Nachfragen, hilfreicher |11|Tipp, kritische Feedback-Runde oder als gemeinsames Überlegen der nächsten Aufgabe. Es ist häufig die Summe dieser kleinen, regelmäßigen Dinge, die zu außergewöhnlichem Engagement und somit zu exzellenter Leistung Ihrer Mitarbeiter führt. Eine zentrale Rolle nimmt dabei immer das Gespräch mit Ihren Mitarbeitern ein. Durch die zahlreichen Übungen im zweiten Teil können Sie die Triple-A-Methode umgehend anwenden und sofort nutzen. Damit Ihnen die Umsetzung in Ihrem Führungsalltag noch leichter fällt, können Sie zusätzlich unseren E-Mail-Coach abonnieren, der im Preis des Buches bereits enthalten ist – den Zugangscode erfahren Sie auf Seite 216.

Im dritten Teil schließlich finden Sie ganz praktische Tipps, wie Sie 14 ausgewählte Kernkompetenzen in Ihrem Team stärken können. Für jede einzelne dieser Kernkompetenzen gibt es hier Hinweise, wie Sie Ihre Mitarbeiter fördern beziehungsweise diese dabei unterstützen können, sich selbst weiterzuentwickeln. Dabei bezieht sich Entwicklung einerseits auf den fachlichen und methodischen Bereich, richtet sich aber auch in starkem Maße auf die individuelle Persönlichkeit. Um Ihnen Ihre Arbeit zu erleichtern, finden Sie in jedem Kapitel Anhaltspunkte für die positiven und negativen Ausprägungen der einzelnen Kompetenzen, vorformulierte Fragen und Anregungen für das Gespräch mit Ihren Mitarbeitern sowie auf die einzelnen Kompetenzen abgestimmte Tipps zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen in Ihrem Team. Damit haben Sie einen umfangreichen Katalog an der Hand, wie Sie Personalentwicklung in Ihre Führungsarbeit integrieren können, wie Sie einfach führen.

Jetzt wünschen wir Ihnen eine interessante Lektüre und vor allem viel Erfolg beim Ausprobieren der hier vorgestellten Hinweise und Tipps. Wir würden uns freuen, wenn sie Ihnen Ihren Job als »Personalentwickler« ein wenig leichter machen und Sie vielleicht sogar ein wenig Spaß daran finden. Wir sind uns sicher: Ihr Einsatz wird sich lohnen!

Jochen Gabrisch und Claudia Krüger

Frankfurt, Bochum, im Sommer 2005

www.career-consult.net

|13|Teil I Personalentwicklung ist Chefsache

Für die meisten Führungskräfte stellt das Thema Personalentwicklung in einem ohnehin mehr als angefüllten Arbeitstag nur eine zusätzliche Belastung dar, und gerade in Großunternehmen verorten viele Führungskräfte sie deshalb eher in der Personalabteilung als bei sich selbst. Allenfalls das alljährliche Mitarbeitergespräch wird zähneknirschend im eigenen Pflichtenheft geduldet. Aber es geht auch anders: Vielleicht haben Sie ja schon am Ende dieses ersten Teils ein positiveres Bild von Personalentwicklung. Lassen Sie uns also gleich damit beginnen, warum sich die Anfangsinvestitionen für Sie lohnen und was letztlich für Sie als Führungskraft bei der ganzen Angelegenheit herausspringt.

|15|Kapitel 1

Personalentwicklung zahlt sich für Sie aus

Die Förderung und Entwicklung Ihrer Mitarbeiter verfolgt keinen hehren Selbstzweck, etwa damit diese »zufrieden« seien. Vielmehr lässt sich beweisen, dass Sie als Führungskraft einen ordentlichen Return-on-Investment realisieren, wenn Sie einen Schwerpunkt Ihrer Führungsarbeit darauf legen, Ihre Mitarbeiter optimal zu unterstützen und zu fördern.

Stellen Sie sich vor, Sie hören von Ihren Kollegen, Mitarbeitern, Vorgesetzten und auch Kunden immer öfter Aussagen wie die folgenden:

Die Produktivität in Ihrer Abteilung wird immer besser, wie machen Sie das?

Bei Ihnen ist immer so eine gute Stimmung, und der Output stimmt auch noch.

Aus Ihrer Abteilung kommen ja auffällig viele marktfähige Innovationen, können Sie darüber nicht mal einen Vortrag bei den Kollegen halten?

Sie wirken in letzter Zeit gar nicht mehr so gehetzt, nehmen sich sogar mal die Zeit für einen Plausch, scheint ja gut zu laufen bei Ihnen.

Es ist wirklich toll, für Sie zu arbeiten.

Ihre Kundenzufriedenheit steigt seit langem kontinuierlich, wie stellen Sie das bloß an?

Sie bekommen in letzter Zeit so viele Initiativbewerbungen, da müssen wir kaum noch Recruiting machen.

Bei Ihnen gibt es kaum noch Fluktuation, haben Sie da ein Geheimrezept?

Ihr Service ist ja kaum noch zu toppen, da stehen Ihre Wettbewerber nicht so gut da – das kann ich Ihnen versichern.

Wie haben Sie nur den Change-Prozess hinbekommen, ohne dass Ihre Leute murren? Hut ab!

Wir finden, Sie sind eine klasse Führungskraft.

|16|Ich werde auf dem Flur immer öfter angesprochen, dass wir als tolles Team rüberkommen.

Wenn ich mir überlege, wer den Job des Bereichsleiters am besten machen könnte, fallen Sie mir ein. Bei Ihnen läuft fast alles wie am Schnürchen und Ihr Nachfolger steht auch schon in den Startlöchern.

Sie merken, dass die Auswirkungen eines Führungsstils, der darauf ausgerichtet ist, Mitarbeiter zu fördern, mannigfaltig sind. Sie reichen von der Mitarbeitergewinnung und -bindung über die Kundenzufriedenheit bis hin zur Arbeitserleichterung für Sie selbst. Und schließlich wird ein fördernder Führungsstil Ihrem Team einen Erfolg bescheren, der auch Ihnen als Chef oder Chefin zugeschrieben wird.

Für diesen Erfolg gibt es eine ganz offensichtliche Basis: Je besser Sie Ihre Mitarbeiter bei der Leistungserbringung unterstützen, desto besser wird Ihre gemeinsame Leistung sein, desto zufriedener der Kunde, desto besser die Ergebnisse Ihres Teams. Denn die Brücke zwischen Ihnen und Ihrem Erfolg sind Ihre Mitarbeiter. Das gilt umso mehr in Zeiten, in denen sich die übrigen Ressourcen, wie beispielsweise die verfügbare Technik, weltweit immer mehr einander angleichen und gleichsam universell verfügbar sind. Ihren Mitarbeitern kommt dadurch eine zunehmend größere Bedeutung zu, wenn es darum geht, Wettbewerbsvorteile zu realisieren.

Das sind alles natürlich noch keine Beweise dafür, dass ein fördernder Führungsstil auch tatsächlich wirksam ist. Doch Studien von John P. Kotter und James L. Heskett (Harvard University) sowie von Robert Cooke (University of Illinois) zeigen den Zusammenhang von konstruktiven Unternehmenskulturen und Unternehmensergebnissen auf. Konstruktive Kulturen, in denen die Führungskräfte über die Interessen der Aktionäre und Kunden hinaus den Belangen der Mitarbeiter große Beachtung schenken, haben eine direkte, positive Wirkung auf das Unternehmensergebnis. In diesen konstruktiven Kulturen ...

... herrscht ein Standard-of-Excellence, (Kunden-)Probleme werden tatsächlich gelöst, den Interessen der Stakeholder wird Beachtung geschenkt.

... wird den Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben, das zu tun, was sie gut können, eigenständig zu denken und auch ausgefallene Wege zu verfolgen, immer mit dem Ziel, hochwertige Produkte und Services herzustellen. Risiken werden dafür in Kauf genommen.

|17|... werden die Mitarbeiter dazu angehalten, sich gegenseitig zu unterstützen und zu helfen, es herrscht ein kooperatives Arbeitsklima.

... spielt ein freundliches und für Veränderungen offenes Klima eine hervorgehobene Rolle und wird aktiv gefördert.

In einer elfjährigen Studie von Kotter und Heskett entwickelte sich beispielsweise der Umsatz von Unternehmen, die diese Merkmale erfüllen, mehr als viermal besser als der solcher Unternehmen, deren Führungskräfte keine konstruktive Unternehmenskultur pflegten. Der Aktienkurs entwickelte sich etwa zwölfmal besser und der Gewinn 756-mal besser.

Abbildung 1: Auswirkungen konstruktiver Kulturen

Ein fördernder Führungsstil zahlt sich also im wahrsten Sinne des Wortes für Sie aus: Sie haben durch engagierte Mitarbeiter zufriedene Kunden und dadurch eine erfolgreiche Leistungsbilanz, ganz zu schweigen von der Anerkennung, den Aufstiegschancen, einem gut gefüllten Portemonnaie und – dem Spaß an der Arbeit.

Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommen auch die Berater des Gallup Instituts in einer Studie, in der sie in 24 Unternehmen die Parameter Produktivität, Gewinn, Fluktuation und Kundenzufriedenheit mit der Qualität der Mitarbeiterführung in Form der Mitarbeiterzufriedenheit abglichen. Die wesentliche Erkenntnis der Gallup-Berater, nachzulesen in dem Buch Erfolgreiche Führung gegen alle Regeln, besteht darin, dass die Zufriedenheit |18|der Mitarbeiter ganz wesentlich vom direkten Manager abhängt und nicht vom Arbeitgeber. Oft hören wir allerdings, dass sich Führungskräfte selbst beschweren, dass die Dinge im Unternehmen nun einmal so und so seien, dass man (!) doch sowieso nichts machen könne, die Kultur – und schon gar nicht das Top-Management – kaum zu ändern sei und so weiter. Doch die Ergebnisse der Gallup-Studie machen Mut: Die Führungskraft hat die zentrale Rolle inne für das Engagement und letztlich die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter. Es lohnt sich also für Sie, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen: Sie als Führungskraft können den Umgang mit Ihren Mitarbeitern entscheidend beeinflussen – nicht der Vorstand oder die Geschäftsführung, nicht eine abstrakte, irgendwie gesetzte Unternehmenskultur und schon gar nicht »das Unternehmen«.

Doch die Gallup-Studie hat noch Weiteres ergeben. Die konkreten Erfolgsfaktoren, die positiv mit den Indikatoren Produktivität, Gewinn, Fluktuation und Kundenzufriedenheit korrelieren, sind

die Kenntnis und Akzeptanz der Ziele und Erwartungen;

die Ausstattung mit den zur Zielerreichung notwendigen Arbeitsmaterialien;

Aufgaben, die den eigenen Stärken entsprechen;

eine regelmäßige und zeitnahe Anerkennung für gute Arbeit;

die Anerkennung der Person auch jenseits der Arbeitssituation und

eine aktive Unterstützung bei der fachlichen und persönlichen Entwicklung.

Die Zutaten erfolgreicher Mitarbeiterführung verdichten sich und drehen sich ausnahmslos darum, den Mitarbeiter bei seiner Aufgabenerfüllung zu unterstützen. Darüber hinaus besteht ein direkter Zusammenhang zwischen einem unterstützenden und fördernden Führungsstil einerseits und den Performance-Indikatoren eines Unternehmens andererseits. Die Frage, woran man eine fördernde Führungskraft im Alltag erkennt, lässt sich somit also noch auf eine andere Weise beantworten: An ihrem Erfolg!

|19|Kapitel 2

Personalentwicklung in der Praxis

So einleuchtend und gut belegt die bisherige Argumentation auch ist, in der Praxis sieht es doch häufig ganz anders aus. Das wird schnell deutlich, wenn das Thema Führungskräfte zur Sprache kommt. Ob im privaten oder geschäftlichen Kontext: Man kann sicher sein, dass eine interessante und angeregte Diskussion entsteht, bei der es mitunter hoch hergeht und bei der so gut wie jeder etwas aus eigener Erfahrung beitragen kann. Meistens allerdings sind es keine Lobpreisungen, die den Chefs zuteil werden. »Eigentlich läuft es am besten, wenn er nicht da ist«, ist noch eine der schmeichelhaftesten Aussagen. Und nach unten ist die Skala offen.

Weitaus seltener hört man hingegen positive Erfahrungen wie: »Unser Chef nimmt sich immer genug Zeit, Ziele mit uns zu vereinbaren.« Oder: »Meine Chefin ist immer für uns da. Und wenn es mal Ärger gibt, steht sie vor ihrer Abteilung, auch wenn es dann intern zur Sache geht.« Oder: »Unser Abteilungsleiter holt wirklich aus jedem das Beste raus. Er hat zwar absolut hohe Anforderungen und ist überhaupt nicht leicht zufrieden zu stellen, aber die Arbeit macht Spaß.« Oder auch schlicht und ergreifend: »Für den arbeite ich gerne.« Fehlt solche Begeisterung, sind unter anderem Demotivation, abnehmende Leistungsbereitschaft und nach oben schnellende Fehlerquoten die Folge.

Doch was versteht der durchschnittliche Mitarbeiter schon von Führung, könnte man fragen? Will er mit seiner Kritik am Chef nicht vielmehr von seinem eigenen Unvermögen ablenken? Kann er überhaupt beurteilen, was eine gute Führungskraft ausmacht? Wir denken schon. Denn der Mitarbeiter bekommt die Führungsleistung seines Vorgesetzten, sozusagen als dessen Kunde, tagtäglich zu spüren und kann bestens einschätzen, ob ihn diese Leistung bei seiner Arbeit eher behindert oder aber fördert. Ein Kunde kann schließlich durchaus beurteilen, ob sich beispielsweise das neue Auto gut fährt oder eben nicht. Auch wenn er selbst keines zusammenbauen |20|oder die erspürten Mängel in Fachtermini spezifizieren könnte. Vielleicht wird er sagen: »Das Auto läuft leicht aus der Spur.« Oder: »Hier geht es aber beengt zu.« Oder auch: »Die Scheinwerfer sind falsch eingestellt, ich kann kaum sehen, wo ich hinfahre.« Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Verhältnis eines Mitarbeiters zu seiner Führungskraft. Natürlich kann der Mitarbeiter beurteilen, ob seine Ziele verständlich formuliert sind, ob ihm die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stehen, ob er an interessanten und herausfordernden Aufgaben arbeitet und Ähnliches. Alles in allem kann er sich also sehr wohl eine fundierte Meinung darüber bilden, wie gut er geführt wird.

Wir möchten Sie nun zu einem kleinen Experiment einladen: Beurteilen Sie Ihre bisherigen Führungskräfte doch einmal selbst aus der Perspektive eines Mitarbeiters, der (inzwischen) selbst über Führungserfahrung verfügt. Welche Ihrer eigenen Führungskräfte haben Sie in sehr guter Erinnerung, welche haben Ihnen als Mitarbeiter einen wirklichen Mehrwert bei Ihrer Arbeit und Ihrer beruflichen sowie persönlichen Entwicklung geliefert? Welche haben kaum geschadet, aber auch wenig genützt, waren also eher mittelmäßig? Und welche schätzen Sie als geradezu kontraproduktiv in Sachen Arbeitsklima und Zielerreichung ein? Unserer Erfahrung nach fällt deutlich weniger als ein Drittel in die erstgenannte Kategorie sehr guter Führungskräfte.

Bevor wir im nächsten Kapitel zu den Ursachen dieser Führungspraxis kommen, werfen wir noch einen Blick auf ihre fatalen Folgen. Die großen Management-Beratungen haben sich des Themas Mitarbeiterengagement in verschiedenen Studien angenommen. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Viele Mitarbeiter in Deutschland gehen nur noch halbherzig zur Arbeit. So kommt der »Gallup Engagement Index« 2004 wie schon in den Vorjahren zu dem Schluss, dass sechs von sieben Mitarbeitern in Deutschland alles andere als begeistert zur Arbeit gehen. Ähnlich schlechte Werte der Mitarbeitermotivation kommen im »Towers Perrin Talent Report 2004« zutage: Mehr als drei Viertel der deutschen Befragten sind nicht oder nur moderat engagiert. Übertragen Sie diese Ergebnisse einmal auf Ihr Team: Etwa 80 Prozent Ihrer Mitarbeiter machen demnach »Dienst nach Vorschrift« und zeigen darüber hinaus wenig Engagement, sich für die Unternehmensziele, also auch für Ihre Belange, ins Zeug zu legen.

|21|

Abbildung 2: Nur zwei von zehn Mitarbeitern sind mit Engagement bei der Arbeit

Die Folgen dieses fehlenden Engagements sind beispielsweise:

Arbeiten werden zwar vermeintlich fertig gestellt, doch sind sie mit vielen Fehlern behaftet.

Kunden müssen häufig nachfragen und sind mit den erbrachten Leistungen nicht 100-prozentig zufrieden.

Es besteht die Tendenz, dass jeder Mitarbeiter sein eigenes Süppchen kocht.

Privattermine haben Vorrang vor Firmeninteressen.

Von den Mitarbeitern kommen kaum Anregungen für Verbesserungen.

Mitarbeiter halten ihr fachliches Know-how nicht auf dem Laufenden.

Hier schlummert also ein großes Leistungspotenzial, das es zu wecken gilt. Stellen Sie sich vor, nur die Hälfte Ihrer derzeit unmotivierten Mitarbeiter würde plötzlich nicht nur halbherzig zur, sondern (wieder) mit Elan an die Arbeit gehen. Welche Auswirkungen hätte das auf die Performance Ihres Bereichs?

Bleibt noch die Frage zu klären, ob die schlechte Motivation und das mangelnde Engagement der Mitarbeiter tatsächlich auf die Führungsleitung zurückzuführen sind. Vielleicht liegt es ja auch an den Mitarbeitern selbst?

|22|Wollen Mitarbeiter überhaupt Leistung bringen?

Betrachtet man die Ergebnisse der vorgestellten Studien, kommt man schnell auf die Idee, Mitarbeiter in deutschen Unternehmen seien ein ziemlich arbeitsscheues Volk und das Bild vom »kollektiven Freizeitpark« drängt sich auf. Und tatsächlich: Fast jede Führungskraft wird schon einmal einen Mitarbeiter kennen gelernt haben, der sich mehr seinem Vergnügen verpflichtet fühlte als den Unternehmenszielen. Doch wie das mit Negativbeispielen so ist, überstrahlen sie leicht die Realität.

Die Motivationsforschung kam zu dem Ergebnis, dass der Mensch an sich von Natur aus aktiv ist – sie spricht von einer intrinsischen Motivation. Wie stark und in welcher Form der Mensch nach Aktivität strebt, ist individuell verschieden und zum Beispiel von seinem Temperament oder den Rahmenbedingungen abhängig (siehe dazu auch das Kapitel »Aufmerksamkeit« in Teil II). Die Aussage, der Mensch sei faul im Sinne von passiv, ist auf jeden Fall wissenschaftlich nicht haltbar. Die Frage ist vielmehr, wann, wo und wie er aktiv ist.

Auch der Flow-Forscher Mihaly Csikszentmihalyi kommt zu der Schlussfolgerung, dass der Mensch Herausforderungen sucht und nach mehr Komplexität strebt. Antrieb dafür ist die menschliche Neugierde. Befinden sich Anforderungen und Fähigkeiten im Gleichgewicht, erlebt man den so genannten Flow. Diese Erfahrung ist eine sehr positive, sodass Menschen danach streben: Die ganze Aufmerksamkeit ist auf die Tätigkeit fokussiert, Ablenkungen werden ausgeblendet und jedes Zeitgefühl geht verloren. Sind die Anforderungen zu hoch gesteckt, entsteht Angst, sind sie zu niedrig, empfindet man Langeweile. Die Schlussfolgerungen für die Personalentwicklung liegen auf der Hand (siehe dazu auch das Kapitel »Anregung« in Teil II).

Aber machen Sie doch einmal selbst die Probe aufs Exempel: Welchem Ihrer Mitarbeiter würden Sie Unwilligkeit oder Faulheit unterstellen? Sollte sich tatsächlich solch ein Mitarbeiter eingeschlichen haben, wird das sicher die Ausnahme sein. Und auch unsere Erfahrung zeigt: Kaum ein Mitarbeiter ist per se arbeitsunwillig oder faul. Nicht jeder hat es natürlich darauf abgesehen, Karriere zu machen und sich, auf Kosten anderer Lebensbereiche, primär im Unternehmen zu engagieren. Die meisten Mitarbeiter – egal in welcher Funktion – sind allerdings durchaus daran interessiert, die bestmögliche Leistung zu erbringen. Sie haben es in aller Regel nicht darauf abgesehen, den Arbeitstag Däumchen drehend zu verbringen. Das merken Sie spätestens, wenn Sie die Mitarbeiter nach ihren Erfolgen |23|fragen, die sie im Unternehmen oder eben auch außerhalb, beispielsweise in einem Verein oder einem anderen Unternehmen, bewirkt haben. Dann kommen viele Mitarbeiter ganz schnell ins Schwärmen und der Stolz auf die erbrachte Leistung wird spürbar.

Abbildung 3: Flow-Erlebnis nach Mihaly Csikszentmihalyi

Auch die Gallup-Studie bestätigt unsere Erfahrung: Über 70 Prozent der befragten Arbeitnehmer würden auch im Falle einer substanziellen Erbschaft weiter arbeiten, auch wenn sie dies finanziell gar nicht mehr nötig hätten. Arbeit hat eben für die meisten Menschen über die Notwendigkeit des Broterwerbs hinaus eine Sinn stiftende Funktion.

Somit haben wir auf die eingangs gestellte Frage, woher das geringe Engagement der Mitarbeiter rührt, noch keine zufrieden stellenden Anhaltspunkte. Doch die Autoren der zitierten Studien bleiben nicht bei der Bestandsaufnahme stehen, sondern liefern die Antwort gleich mit: Zum allergrößten Teil ist es die mäßige Führungsleistung der jeweiligen Vorgesetzten, welche die Mitarbeiter demotiviert. So meint der Gallup-Berater Marco Nink in der Süddeutschen Zeitung auf eben die Frage nach den Gründen für fehlendes Engagement der Mitarbeiter ganz klar: »Das liegt an schlechter Führung.« Denn die direkte Führungskraft besitzt einen großen |24|Einfluss auf das Arbeitsumfeld, sei es direkt im Verhältnis zu ihren Mitarbeitern oder indirekt durch widrige Arbeitsbedingungen, unzureichende Entwicklungsmöglichkeiten oder ein nicht zuträgliches Betriebsklima.

Gibt es Alternativen zur »Chefsache Personalentwicklung«?

Nur mit engagierten Mitarbeitern werden Sie erfolgreich sein. Und engagierte Mitarbeiter »bekommen« Sie wiederum am ehesten mit einem fördernden und unterstützenden Führungsstil. Vermeintliche Alternativen, wie die Incentivierung, Performance-Management-Systeme oder eine kontrollierende Führung, entpuppen sich schnell als wirkungslos.

Betrachten wir kurz die Incentivierung von Leistung durch ein Vergütungssystem. Um es gleich vorweg zu sagen: Die Höhe der Vergütung ist eine der Variablen, die stimmen muss, um im Wettkampf um die besten Talente überhaupt mitspielen zu können. Doch mit Geld und sonstigen materiellen Anreizen werden Sie nur kurzfristigen Erfolg haben, der nicht sehr tragfähig ist. Schon nach kurzem ist der Effekt, beispielsweise einer Gehaltserhöhung, verpufft und alles wieder beim Alten. Der Gewöhnungseffekt tritt beim Geld sehr schnell ein, und eine Geldquelle ist zudem sehr leicht austauschbar. Wer wegen Geld kommt, geht auch wegen Geld, hat es Reinhard K. Sprenger treffend formuliert.

Darüber hinaus beschreiten Sie mit der Motivation über finanzielle Anreize einen Weg, auf dem Sie die Abstimmung und den Austausch mit Ihrem Mitarbeiter auf quantitative Ziele richten und qualitative Aspekte oder auch persönliche Belange leicht vernachlässigen. Im Extremfall heißt das: Hauptsache, bestimmte Ziele werden erreicht, egal wie. Ein Paradebeispiel hierfür sind Boni, die bei Erreichen bestimmter Verkaufszahlen fällig werden. Das kann sich langfristig sogar negativ auswirken, wenn nämlich der Mitarbeiter nur auf die kurzfristige Erreichung seiner bonifizierten Ziele achtet und dabei andere wichtige Aspekte ignoriert. Und nicht zuletzt hat die Vergütung in den Augen der Mitarbeiter selbst eher zu vernachlässigende Auswirkungen auf Motivation und Engagement. Sorgen Sie also in Sachen Vergütung für interne wie externe Gerechtigkeit, dafür dass die richtigen Ziele bonifiziert werden und wenden Sie sich wichtigeren Führungsaufgaben zu.

|25|Auch Performance-Management-Systeme produzieren keine motivierten Mitarbeiter, am wenigsten das jährliche Mitarbeitergespräch. Wie auch, wenn im übrigen Jahr (denn das ist häufig die Folge) recht wenig in Richtung Mitarbeiterentwicklung geschieht? Da verwundert es kaum, dass wir in der Praxis nur selten Führungskräfte oder Mitarbeiter treffen, die von guten Erfahrungen mit dem Mitarbeitergespräch berichten. Alle Beteiligten zermartern sich das Hirn darüber, wie denn die Ziele fürs nächste Jahr zu fixieren seien. Der Chef versucht mehr oder weniger verzweifelt, sich zu erinnern, was im letzten Jahr passiert ist. Und der Mitarbeiter sammelt eifrig Argumente, die schlechte Leistung relativieren sollen und solche, die für die nächste Gehaltserhöhung als Argumentationsfutter taugen. Denn das ist ja oft der eigentliche Zweck von Mitarbeitergesprächen: die Zahl auszuwürfeln, um die sich das Gehalt erhöhen soll. Und nicht selten strengen sich die Mitarbeiter in den Wochen vor den Mitarbeitergesprächen ganz besonders an, weil sie genau wissen, dass sich die meisten Führungskräfte hauptsächlich auf diesen kurzen Beobachtungszeitraum stützen, wenn es um die Beurteilungsgrundlage für das Gespräch geht. Durch diesen »Nikolauseffekt« verfehlen Mitarbeitergespräche ihren erwünschten Nutzen oft gänzlich.

Eine straffe Führung, also Kontrolle, von Mitarbeitern mag manchen als Alternative erscheinen. Doch abgesehen davon, dass das in aller Regel schon aus Gründen der Arbeitsbelastung nicht machbar ist, wird jegliche Initiative schon im Ansatz erstickt. Wer will schon bei allem, was er tut, kontrolliert werden? Es entsteht schnell ein Klima des Misstrauens und der Angst, etwas falsch zu machen. Und ganz praktisch betrachtet, verlangt Kontrolle nach ständiger Anwesenheit des Vorgesetzten. Unweigerlich drängt sich einem das Bild des Bürovorstehers auf, der, leicht erhöht thronend, die »Seinen« ständig im Blick hat. Das ist Schnee von vorgestern.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Personalentwicklung kann Ihnen niemand abnehmen, weder eine Vergütungsstruktur, noch ein Performance-Management-System und schon gar kein Motivationsmodell, das auf enger Kontrolle aufbaut. Der Trend geht vielmehr in genau die entgegengesetzte Richtung: Personalentwicklung wird zunehmend zu einer Aufgabe der Führungskräfte, zu einem elementaren Teil ihrer Führungsaufgabe.

|26|Kapitel 3

Warum Personalentwicklung ein Schattendasein führt: Fünf Hindernisse

Gerade wegen der fehlenden Alternativen und der Vorteile eines fördernden Führungsstils für alle Seiten haben wir uns die Frage gestellt: Warum kommt er nicht häufiger zum Einsatz? Weshalb führt Personalentwicklung bei den Führungskräften ein solches Schattendasein? Auch vor dem Hintergrund, dass es Literatur und Seminare zum Thema in Hülle und Fülle gibt, erscheint dieser Umstand mehr als verwunderlich. Wir sind dieser Frage nachgegangen und haben fünf Hindernisse ausgemacht, die der Personalentwicklung im Weg stehen:

mangelnde Zeit,

das Abschieben (etwas gewählter: Outsourcing) von Personalentwicklung an die Personalabteilung,

die Kluft zwischen harten Zielen und weichen Ressourcen,

die Befürchtung, die Leistung könnte zu kurz kommen, und

mangelnde Vertrautheit mit dem Instrumentarium.

Keine Zeit für Personalentwicklung

»Das Tagesgeschäft hat nun mal Vorrang, gerade in schwierigen Zeiten.« Hinter dieser Aussage, die oft benutzt wird, um sich die Aufgabe der Personalentwicklung vom Hals zu halten, versteckt sich die Haltung, dass dies eigentlich eine Nebensache ist, meist eine lästige obendrein. Wie die Zeit für ein Mitarbeitergespräch finden, wenn der Kunde wartet? Wozu über die Entwicklung des Mitarbeiters sprechen, wo er doch zufrieden scheint und es gilt, drängende Aufgaben zu erledigen? Wie bei dieser Auftragsflut auch noch Ziele im Detail abstimmen? Drängende Fachaufgaben rufen, woher die Zeit nehmen, den Mitarbeiter damit vertraut zu machen? |27|Die Liste der Entschuldigungen ließe sich noch fortsetzen. Doch diese Argumentation greift eindeutig zu kurz, denn sie zeugt von einem falschen Verständnis der Führungsaufgabe und des Stellenwerts der Mitarbeiter. Die Mitarbeiter gehören, ebenso wie die anderen Produktionsfaktoren, beispielsweise die Maschinen, zum Kapital eines Unternehmens. Durch die umstrittene Kür des »Humankapitals« zum Unwort des Jahres 2004 ist diese Tatsache allgegenwärtig. Greift man diesen Gedanken auf, sieht man die Führungskraft recht schnell in der Rolle eines »Wartungsbeauftragten« für seine Mitarbeiter. Das ist vielleicht nicht besonders freundlich ausgedrückt, aber inhaltlich kaum von der Hand zu weisen.

Wenn Sie Ihrer Führungsaufgabe also mehr Zeit einräumen, dann wird es für den folgenden Satz bald keine Verwendung mehr geben: »Für Personalentwicklung habe ich zu wenig Zeit, ich muss mich um die Erledigung der fachlichen Aufgaben (alternativ: die Ausarbeitung der Strategie, den Kunden und so weiter) kümmern.« Sie werden bald merken, dass Sie die Zeit, die Sie für Mitarbeiterentwicklung aufwenden, nach einer gewissen Anschubfinanzierung mit Zinsen zurückbekommen. Denn indem Sie Ihre Mitarbeiter fördern und unterstützen, werden diese zunehmend mehr und weiter reichende Aufgaben selbstständig übernehmen. Sie sind besser qualifiziert, spürbar motivierter und bringen in größerem Umfang eigene Ideen ein. In Zeiten, in denen die Personaldecke in vielen Unternehmen immer dünner wird, kommt es besonders darauf an, alle verfügbaren Leistungsreserven ausnahmslos zu mobilisieren.

Die Personalabteilung ist zuständig

Nicht wenige Manager delegieren schon das Recruiting gerne vollständig an die Personalabteilung, vielleicht noch begleitet von einem lockeren »Sie wissen schon, was wir brauchen«. Und dabei ist das »Und jetzt belästigen Sie mich nicht länger mit irgendwelchen Anforderungsprofilen und machen Sie sich an die Arbeit« natürlich mitzudenken. Geht es um Termine für Vorstellungsgespräche, haben Kundentermine und Meetings oft Priorität. Nicht selten sind die besten Kandidaten dann schon wieder abgesprungen, bis endlich ein Termin zustande kommt (was natürlich der Personalabteilung angelastet wird: »Die könnten sich ja wirklich mal besser organisieren.«).

|28|Ist der neue Mitarbeiter erst einmal an Bord, sorgt eine ganze Batterie von Tools, Programmen und Performance-Management-Systemen dafür, dass die Mitarbeiterführung vielfach komplett in den Händen der hauptamtlich Personalverantwortlichen ruht. Ein »Induction Program« übernimmt die Integration des Mitarbeiters, seine Fähigkeiten lässt die Personalabteilung durch eine nahezu wissenschaftliche Potenzialanalyse erfassen, und seine Leistung wird einmal jährlich anhand des standardisierten Performance-Review beurteilt. Das Motto dabei lautet: Hauptsache der Bogen ist ausgefüllt und der Mitarbeiter wieder einmal zu (irgend-) einem Seminar angemeldet. Mitzudenken ist in diesem Fall: »Dann stiehlt mir der Personalreferent wenigsten nicht mehr den letzten Nerv, dass ich die Bögen nicht bearbeite.« Und wer diese oft seitenlangen Beurteilungsbögen aus eigener Erfahrung kennt, wird sich über eine solche Einstellung nicht wundern.

Egal, wie gut die zur Verfügung gestellten Programme, Tools und Systeme auch sein mögen, sie werden immer nur ein Hilfsmittel bleiben. Die wahre Führungsaufgabe einer fördernden Führungskraft, nämlich Mitarbeiterentwicklung, bleibt dabei auf der Strecke. Vordergründig hegt man jedoch das beruhigende Bewusstsein, der Pflicht Genüge getan zu haben.

Die im Ansatz gute Idee, Personalentwicklung zu professionalisieren, verkehrt sich ins Gegenteil, indem sie zunehmend institutionalisiert wird. Einhergehend mit dem allgegenwärtigen Zeitproblem verlangt dieses instabile System beständig nach neuen Ideen, immer ausgefeilteren Programmen und Instrumenten.

Dabei ist die Lösung so einfach: Personalentwicklung gehört wieder in größerem Umfang in die Hände der Linienmanager. Es muss das Bewusstsein wachsen, dass eine Führungskraft eben vor allem eines zu tun hat, nämlich ihre Mitarbeiter Tag für Tag zu fördern und zu unterstützen. Dazu gehört, um nur einige wenige Beispiele zu nennen, dass die Personalauswahl oberste Priorität hat, dass sich eine Führungskraft die Zeit nimmt, die speziellen Stärken jedes einzelnen Mitarbeiters selbst herauszufinden, dass das Task-Assignment individuelle Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten berücksichtigt, und dass die Führungskraft zeitnahes Feedback gibt, im Guten wie im Schlechten. Erst wenn diese (und eine Fülle anderer) Kriterien erfüllt sind, kann man guten Gewissens von einer Führungskraft sprechen.

|29|Die Leistung kommt zu kurz

Oft hören wir von Führungskräften Bedenken, ihre Abteilung würde sich in ein »Kaffeekränzchen« oder einen »Streichelzoo« verwandeln, wenn sie sich auf die Förderung ihrer Mitarbeiter konzentrierten. Und vor lauter »Nett sein« würde die Arbeit nicht mehr erledigt. Diese Vorbehalte sind verständlich, denn auf Führungskräften lastet ein zunehmend größer werdender Erfolgsdruck. Schnell kommt man in Verruf, so denken nicht wenige Führungskräfte, wenn man sich allzu sehr auf die Belange der Mitarbeiter einlässt, anstatt eine »harte Linie« zu fahren. Und wer will schon gern als »Weichei« gelten?

Diese Bedenken sind bei genauerem Hinsehen aber unbegründet und unhaltbar. Denn Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter unterstützen, sind nicht einfach nur »nett«. Sie sind freundlich und angenehm im Umgang, sie unterstützen ihre Mitarbeiter, doch das ist nur die eine Seite der Personalentwicklung. Schließlich ist die Förderung und Entwicklung von Mitarbeitern immer auf ein großes Ziel ausgerichtet: den Erfolg des Unternehmens. Und um das zu erreichen, müssen die gesetzten Ziele tatsächlich erreicht werden.

Harte Ziele – weiche Ressourcen

»Harte« Ziele bestimmen Ihren Arbeitstag: Bottom-Line-Revenues, Ebitda, Durchlaufzeiten, Reklamationsquoten, Time-to-Market, EVA, Qualitätstoleranzen, Umsatzsteigerungen und so weiter. Zur Erreichung dieser Ziele stehen Ihnen, wenn Sie nicht gerade eine vollautomatisierte Fertigungshalle leiten, allerdings hauptsächlich »weiche« Ressourcen zur Verfügung, nämlich Ihre Mitarbeiter. Und auf dem Weg von den harten Zielen in die Köpfe Ihrer Mitarbeiter gibt es eine wesentliche Barriere: die unterschiedlichen »Sprachen«, die in den unterschiedlichen »Welten« des Unternehmens gesprochen werden.

An der Oberfläche, in der »harten« Welt der Leistungsziele und Ergebnismessung, ist dies, zumindest in Reinkultur, die Sprache der logischen Analyse, der kühlen Berechnung, des stringenten Ursache-Wirkung-Denkens, der glasklaren Maßstäbe, der sauber definierten Prozesse und Strukturen et cetera. Umsätze müssen um einen definierten Betrag wachsen, |30|Kosten müssen um einen zweistelligen Prozentsatz gesenkt werden, die Produktivität ist kontinuierlich zu steigern. Diese Realitäten gehören zum Unternehmensalltag.

Auf der weichen Seite, wenn Mitarbeiter untereinander sprechen und natürlich auch in der Kommunikation zwischen Führungskräften und Mitarbeitern, sieht es in den meisten Fällen ganz anders aus. Hier funktioniert die »harte« Sprache nur bedingt, denn unter der Oberfläche geht es immer auch um Sympathien, Befindlichkeiten, Ränkespiele, Werte, Interessen, persönliche Beweggründe, Neigungen und Talente.

Abbildung 4: Zwei Sprachwelten im Unternehmen

Es bedarf einer anderen Sprache, um harte Ziele und weiche Ressourcen zu vereinbaren. Jede Führungskraft muss einen ziemlichen Spagat leisten, um die beiden Welten miteinander zu verbinden. Wenn man so will, ist die Führungskraft gleichzeitig ein Simultandolmetscher. Situationen wie die folgende kennen Sie sicher: Stellen Sie sich vor, Sie vermitteln einem Ihrer Mitarbeiter sein neues Leistungsziel, beispielsweise die Umsätze mit Bestandskunden binnen Jahresfrist um mindestens 10 Prozent zu steigern. Eine klare Ansage, doch Ihr Mitarbeiter mag das ganz anders sehen. Wir haben einmal drei mögliche Szenarien ausgewählt.

Sicher ist das ein Extrembeispiel. Dennoch kennen wir aus der Praxis viele Beispiele, in denen genau solche Missverständnisse eine große Rolle dabei spielen, wenn Ziele nicht erreicht werden. Es ist also notwendig, dass Führungskräfte die Sprache der Ziele und Ergebnisse um eine etwas |31|»weichere« Sprache ergänzen, welche die persönlichen Belange der Mitarbeiter und natürlich auch die eigenen hinreichend mit einbezieht.

Abbildung 5: Mehrere Bedeutungen einer Nachricht

Fehlendes Instrumentarium

Will man als Arzt praktizieren, braucht man dafür eine intensive Ausbildung und muss mehrere Staatsexamen erfolgreich bestehen. Selbst fürs Autofahren braucht man einen Führerschein. Für Personalführung und -entwicklung gibt es allerdings keine (formale) Ausbildung. So genannte |32|Führungskräftetrainings werden zum einen nur wenigen zuteil und sie meistern darüber hinaus nur selten den Transfer der Inhalte in den Führungsalltag.

Zur Führungskraft wird man in der Regel aufgrund fachlicher Expertise, guter Leistungen oder Erfahrung ernannt, doch all das hilft beim Führen nur wenig. Bleibt das Learning-by-doing oder, etwas unfeiner ausgedrückt, das Lernen durch Versuch und Irrtum. Denn wenn die Ergebnisse der oben genannten Studien stimmen, dann gibt es auch nur sehr wenige gute Führungskräfte, die zum Vorbild gereichen und von denen man als Nachwuchskraft lernen könnte.

Übung macht den Meister, heißt es so schön. Doch das ist schwierig, wenn die Rückmeldung ausbleibt, wenn die lernende Führungskraft gar nicht erfährt, was sie richtig oder falsch macht, ob sie auf dem richtigen Weg ist und was und wie sie es besser machen könnte. Und wo gibt es schon das ehrliche Feedback an den Vorgesetzten? Je höher eine Führungskraft in der Hierarchie steigt, desto seltener wird offenes und ehrliches Feedback, sei es von Mitarbeitern oder von Kollegen. Gegen Widerstand stößt eine Führungskraft in der Regel erst dann, wenn die Zahlen nicht mehr stimmen.

|33|Kapitel 4

Personalentwicklung ist möglich

Nach diesem eher verhalten optimistischen Blick auf die Praxis der Personalentwicklung und so vielen »guten Gründen«, die es Führungskräften erschweren, Personalentwicklung in ihre Führungsarbeit zu integrieren, wollen wir den Blick gegen Ende des ersten Teils wieder nach vorne richten und uns der Umsetzung von Personalentwicklung nähern. Denn schließlich ist es unser Anliegen, diesen viel beklagten Zustand zu verbessern und vor allem, Sie als Führungskraft dabei zu unterstützen, Personalentwicklung erfolgreich in Ihren Alltag zu integrieren, eben einfach zu führen.