Eisblume - Sybille Baecker - E-Book

Eisblume E-Book

Sybille Baecker

4,9

Beschreibung

Warum musste Nael Vockerodt sterben? Erst vor wenigen Monaten war der junge Südafrikaner zum Studium nach Tübingen gekommen, jetzt wird er nachts leblos auf der Straße aufgefunden und erliegt kurz darauf seiner schweren Kopfverletzung. War es ein Unfall oder Mord? Gab es einen Streit aus enttäuschter Liebe? Oder war Fremdenhass im Spiel? Die Ermittlungen der Kripo Tübingen sind in vollem Gang, als auch noch die Akte eines vermissten Mädchens auf Kommissar Branders Schreibtisch landet. Fieberhaft ermittelt Brander mit seinen Kollegen zwischen Schokoladenmarkt und Anlagensee.

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Sybille Baecker wurde 1970 in Thuine geboren und wuchs in Gronau (Westfalen) auf. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre in Münster und Neu-Ulm, anschließend war sie einige Jahre als IT-Prozessingenieurin in einem amerikanischen Unternehmen tätig. Heute lebt sie in der Nähe von Tübingen und arbeitet als Pressereferentin eines Sportfachverbandes in Stuttgart. Im Emons Verlag erschienen die Kriminalromane »Irrwege« und »Körperstrafen«.

www.lesezeit-sk-baecker.de

Handlungen und Personen in diesem Buch sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.

© 2010 Hermann-Josef Emons Verlag Alle Rechte vorbehalten Umschlagzeichnung: Heribert Stragholz Umschlaggestaltung: Tobias Doetsch, Berlin eBook-Erstellung: CPI – Clausen & Bosse, LeckISBN 978-3-86358-018-6 Schwaben Krimi Originalausgabe

Für Frank

DUNKELHEIT

UMGIBT MEINE SEELE

FÄNGT SIE EIN

MIT EINEM GROSSEN TUCH

HÄLT SIE FEST

SCHMIEGT SICH DICHT AN

HÜLLT SIE EIN

MIT EINEM GROSSEN TUCH

UMSCHLIESST SIE

MIT EINSAMEN SCHATTEN

BEDECKT SIE

MIT EINEM GROSSEN TUCH

IN DER NACHT

FÜHRT KEIN WEG ANS LICHT

VERSTECKE MICH

UNTER EINEM GROSSEN TUCH

Dienstag

Schlechte Nachrichten haben die unangenehme Eigenschaft, zumeist völlig unerwartet einzutreffen. Sie tauchen auf aus dem Nichts. Treffen einen unvorbereitet. Kommen zu einem Zeitpunkt, der nie der richtige ist.

Normalerweise war er derjenige, der die schlechten Nachrichten überbrachte, an andere, Dritte, an Menschen, die er in der Regel nicht kannte.

Dieses Mal war es anders. Dieses Mal hatte es ihn getroffen, und es ließ ihn zurück. Ratlos. Hilflos. Ihn, Kriminalhauptkommissar Andreas Brander, vierundvierzig Jahre und seit mehr als zwanzig Jahren im Dienst.

Hatte er gedacht, nur weil er auf der einen Seite des Gesetzes stand, könne die andere nicht in sein Leben treten? Er stand am Fenster, starrte aus der dunklen Küche hinaus auf die Straße. Schneeflocken trieben in der Finsternis durch die Luft, wirbelten durcheinander, schwebten lautlos zur Erde. Es war kalt.

Statt zurück ins Bett zu gehen, ging Brander ins Wohnzimmer, nahm den Ballechin und ein Glas aus dem Regal. Es geschah automatisch, ohne sein Zutun. Er schaltete die kleine Stehlampe auf der Anrichte an und setzte sich auf das Sofa. Sein Kopf fühlte sich seltsam leer an. Nein, nicht leer, eher traurig. Ja, traurig, das traf es besser. Gedankenfragmente tauchten auf und verschwanden. Fragen blieben unbeantwortet. Traurig und ratlos. Das Gefühl, etwas übersehen zu haben, etwas nicht bemerkt zu haben. Auf jeden Fall, nicht zu verstehen, warum er nicht wenigstens etwas geahnt hatte. Leben. Sterben. Zwei Zustände, so gegensätzlich wie Licht und Dunkel. Hineingleiten in den Tod, sanft, vorbereitet sein. Aber nicht so plötzlich. So unerwartet. Nicht so. Er hatte genug Gewalt gesehen. Vielleicht schon zu viel.

Er nahm die Flasche aus der blauen Schmuckdose. »For theUKMarket«, stand auf einem Aufkleber. Daniel hatte ihm die Flasche geschenkt. Er war beruflich in Schottland gewesen, und die Besichtigung der Edradour-Distillery hatte zu einem Ausflug mit den Kollegen gehört. Edradour galt als die kleinste Destillerie Schottlands. Brander kannte die Whisky-Brennerei. Weiße Häuschen mit roten Toren. Vor vier Jahren war er dort zum ersten Mal gewesen. Zum zehnten Jahrestag seiner Ehe hatte er mit Cecilia eine Tour durch die schottischen Highlands gemacht. So klein die Destillerie auch war, die Vielfalt an Whiskys war enorm. Sie hatten sechs verschiedene Sorten probiert und waren völlig betrunken im strömenden Regen die schmale Straße nach Pitlochry zurück ins Hotel gewandert. Sie hatten die nassen Kleider ausgezogen und unter der Bettdecke ihre nackten Körper aneinandergekuschelt, sich aneinander gewärmt. Und sie hatten sich geliebt.

Den Ballechin hatte er damals nicht probiert. Zumindest konnte er sich nicht an diesen Whisky erinnern – und wenn er ihn schon einmal getrunken hätte, dann hätte er ihn nicht vergessen. Vielleicht gab es ihn damals noch nicht. Es war ein starker Whisky mit einer für die Region untypischen rauchigen Note. Er hatte nicht die Rauchigkeit eines Laphroaig oder eines Talisker, die nach Asche und Torf schmeckten. Der Ballechin erinnerte ihn an eine Hütte, in der Aale geräuchert wurden, vermischt mit der süßen Note einer Sherryfass-Lagerung. Außergewöhnlich und vielschichtig. Der richtige Whisky, um an nichts anderes mehr zu denken. Brander öffnete die Flasche, schloss einen Moment lang die Augen, als er das herb-rauchige Aroma roch. Dann goss er die Flüssigkeit in sein Glas, hielt es vor sein Gesicht und betrachtete die Farbe im Schein der kleinen Stehlampe. Bernsteinfarben. Helles Bernstein. Er trank einen kleinen Schluck, wartete, dass sich das Aroma in Mund und Rachen ausbreitete. Es vermischte sich mit diesem seltsamen Gefühl ratloser Traurigkeit.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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