Kehrwoche - Sybille Baecker - E-Book

Kehrwoche E-Book

Sybille Baecker

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Beschreibung

Ein vielschichtiger Kriminalroman und ein Kommissar, mit dem man gern einen Feierabendwhisky trinken würde. Eigentlich wollte es Kommissar Brander zur Abwechslung einmal ruhig angehen lassen, doch daraus wird nichts: Die Mutter seiner Adoptivtochter Nathalie wird tot aufgefunden, und die Kollegen von der Tübinger Kripo haben die junge Frau als Täterin im Visier. Während Brander versucht, Nathalie zu helfen, erschüttert ein zweiter Mord die Universitätsstadt. Niemand scheint die Tote zu kennen. Doch die Ermittlungen ergeben: Alle Befragten lügen. Was soll hier unter den Teppich gekehrt werden?

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Sybille Baecker ist gebürtige Niedersächsin und Wahlschwäbin. Sie studierte BWL, arbeitete als IT-Prozessingenieurin, später als Pressereferentin und lebt heute als Schriftstellerin in der Nähe von Tübingen. Durch ihre Krimiserie mit Whiskyfreund Andreas Brander wurde sie zur Fachfrau für »Whisky & Crime«, sodass auch ihre Veranstaltungen häufig von einem Whiskytasting begleitet werden. 2020 wurde sie mit dem Arbeitsstipendium des Autorinnennetzwerkes »Mörderische Schwestern« ausgezeichnet.

www.sybille-baecker.de

Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.

© 2021 Emons Verlag GmbH

Alle Rechte vorbehalten

Umschlagmotiv: Miss X/photocase.de

Umschlaggestaltung: Nina Schäfer, nach einem Konzept von Leonardo Magrelli und Nina Schäfer

Umsetzung: Tobias Doetsch

Lektorat: Hilla Czinczoll

E-Book-Erstellung: CPI books GmbH, Leck

ISBN 978-3-96041-782-8

Schwaben Krimi

Originalausgabe

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Für Frank

Dezember

Die Beleuchtung war schummrig, ganz gleich, zu welcher Tageszeit man durch die Tür hereinkam. Die getönten Buntglasfenster verhinderten, dass Sonnenlicht den Wirtsraum freundlich erhellte. Jetzt im Winter wurde es ohnehin beizeiten dunkel. Die Ausstattung der Kneipe war spartanisch und funktionell und älter als der Wirt. Zur Linken zogen sich entlang der holzvertäfelten Wand kleine Sitzgruppen: dunkle, abgewetzte massive Eichenholztische, drum herum Bänke mit durchgesessenen Polsterauflagen, alles fest im Boden verschraubt. Zur Rechten erstreckte sich eine Theke, die kurz vor dem Durchgang zu den Toiletten abknickte. Vor der Theke standen sieben verschrammte hölzerne Barhocker, die dünnen Sitzpolster nur Makulatur.

Der Schankraum hatte den heruntergekommenen Charme einer Sechziger-Jahre-Kneipe. Das Bouquet von Bier und Trollinger waberte in der Luft. Nur die Nebelschwaden der Zigaretten fehlten. Brandmarken im Holz erinnerten an die guten alten Zeiten, als man zum Rauchen noch nicht vor die Tür geschickt wurde. Sie waren lange vorbei.

Preisgünstige Schnäpse und Liköre reihten sich im Regal an der Wand hinter dem Tresen. Daneben eine bunte Armada Gläser aller Art. Die alten Steinkrüge waren auf ein Regal dicht unter der Decke verbannt worden. Einzig ein moderner Kaffeevollautomat und die Zapfanlage schienen seit Eröffnung der Dorfkneipe in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts erneuert worden zu sein.

»Jede Woche, ich schwör.« Die Stimme des Mannes war vernuschelt, die Augen glasig. Meik Hauser ging auf die vierzig zu und würde vermutlich noch ebenso viele Jahre seinen Schlummertrunk in diesem feudalen Ambiente zu sich nehmen, falls seine Leber nicht vorher schlappmachte. Er hob sein leeres Glas. »Siggi, mach ma Luft raus.«

Der Wirt runzelte die Stirn. Eigentlich sollte er den Mann nach Hause schicken. Er wusste, dass Meik am nächsten Tag früh aufstehen musste. Aber die Gäste mochten es nicht, wenn man sich in ihr Leben einmischte. Also zapfte er ein frisches Helles und stellte es vor Meik auf den Tresen. »Tu mal langsam«, ermahnte er den Trinker kumpelhaft.

Die Nase der Frau neben Meik war gerötet, Schatten lagen unter den dunklen Augen. Bianka Keefer war mindestens fünfzehn Jahre älter als ihre beiden Saufkumpane. Das graue Haar hing ihr strähnig in die Stirn. »Jede Woche?«, fragte sie, trotz des Schwurs des anderen noch immer ungläubig.

»Jede Woche, ich hab’s gesehen.« Meik wackelte bekräftigend mit dem Kopf. Speichel hatte sich in seinem rechten Mundwinkel gesammelt. Er wischte ihn mit dem rauen Handrücken weg. »Jede Woche.«

Die Frau schnaufte. »Da kommt was zusammen.«

Meik stierte auf sein Bier, dann zum Wirt. »Is ja nur Schaum! Willste mich bescheißen, oder was? Mach ma voll.«

Der Wirt, hager und ein wenig sauertöpfisch dreinschauend, hatte das Glas bis zum Eichstrich gefüllt. Aber es brachte nichts, mit den Gästen zu diskutieren. Schon gar nicht, wenn sie fortgeschritten alkoholisiert waren. Solange sie nicht ausfällig oder gewalttätig wurden, ließ er es sich gefallen. Er nahm das Glas schweigend zurück und gab noch einen Schluck Bier hinein. Stammgäste musste man pflegen. Dieser kleine Schluck, den er extra ausschenkte, würde dafür sorgen, dass die drei an der Theke auch morgen wiederkämen und übermorgen. Jeden verdammten Abend in der Woche.

»Und woher weißte das?«, fragte jetzt der Dritte des Trinkertrios. Randolph Lämmle war der Nüchternste in der Runde. Ein dünner, drahtiger Mann, blassgesichtig, mit kurzem aschblonden Haar. Er spielte gern den Oberlehrer.

»Weil ich’s g’sehen hab. Nich nur ei’mal. Echt, ich schwör.«

»Das muss doch jemand mitkriegen.«

»Nur ich. Ich hab’s gesehen!« Meik tippte sich mit dem Zeigefinger so heftig auf die Brust, dass es ein Wunder war, dass er dabei das Gleichgewicht behielt und nicht rücklings vom Barhocker kippte.

»Kann man kaum glauben, nich?«, brabbelte Bianka.

»Is aber wahr.«

»Aber kann doch jeder rein da, oder?«, überlegte der Dritte.

Meik grinste. »Is ja der Trick. Weiß keiner, kommt keiner.« Er kippte die Hälfte des Bieres in sich hinein.

Der Wirt polierte die Gläser. Dieses ewig sich wiederholende besoffene Geschwätz ging ihm auf die Nerven. Und jeder wusste es ganz genau und meistens auch noch besser. Dabei hatten sie von nichts eine Ahnung. Großtun, das konnten sie allesamt. Je besoffener, umso größer. Da waren ihm die zwei Tschechen am Tisch in der Ecke lieber. Vielleicht waren es auch Rumänen oder Slowenen. Er wusste es nicht. Es interessierte ihn nicht. Die gehörten erst seit Kurzem zu den Gästen, schwätzten nicht viel. Kamen vom Bau, vermutete der Wirt. Erntehelfer waren zu dieser Jahreszeit nur noch selten in der Gegend.

Er stellte ihnen ihr Gedeck hin – ein Bier, einen Schnaps –, dazu ein paar kalte Fleischküchle mit Kartoffelsalat, füllte nach, wenn die Gläser leer waren. Die zwei aßen, tranken und stierten sich den Abend über an. Halb elf war Zapfenstreich, dann gingen sie in ihre Unterkunft, wo auch immer die war.

Auf der anderen Seite saß der Stammtisch und zockte Karten. Waren in ihrer Jugend alle mal großartige Fußballer gewesen, mindestens zwei von ihnen kurz vor der Auswahl zum Jugendnationalkader, wenn man ihren alkoholgeschwängerten Geschichten glauben wollte. Das Knie, der Bänderriss, die schwangere Freundin – das Aus einer grandiosen Fußballerkarriere, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Der Wirt stellte die polierten Gläser zurück ins Regal. Seine Träume hatten auch mal anders ausgesehen.

Diese drei vor ihm an der Theke waren seine treuesten Kunden. Kamen schon seit Jahren, tranken jeden Abend ein paar Biere, die Frau ihren Trollinger, tauschten den neuesten Tratsch aus oder erfanden welchen. Und er zapfte die Biere, machte einen auf Kumpel und hoffte, dass die Bagage Geld hatte, um den Deckel zu bezahlen.

»Und jetzt weißt du das aber«, resümierte Randolph. »Aber der weiß es nich, dass du das weißt.«

»Genau. Weil ich hab’s gesehen. Und du … du weißt es jetz auch.« Meik holte so schwungvoll aus, als er seinem Gefährten mit dem Zeigefinger an die Brust stoßen wollte, dass er nun doch vom Stuhl kippte.

Die Stammtischbrüder lachten. Die zwei Ausländer sprangen herbei und halfen ihm wieder auf die Füße. Ohne ein Wort. Ohne eine Miene zu verziehen. Der eine hob Meiks Jacke auf, die beim Sturz vom Stuhl gerutscht war, klopfte sie ab und reichte sie ihm.

Das war das Aufregendste, was der Wirt an diesem Abend erlebte.

Sonntag – vierter Advent

Die Melodie des Telefons vermischte sich mit dem Blues von Muddy Waters, der aus der Stereoanlage schallte, als Andreas Brander die Backofentür öffnete, um Bratensaft über die Gans zu gießen. Aus dem Inneren strömten ihm in einer dampfenden Wolke verheißungsvolle Düfte in die Nase und ließen ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen.

Noch eine Stunde, dann konnte das Festmahl zum vierten Advent beginnen. Es wurde Zeit, die Klöße vorzubereiten. Aber erst musste er dieses störende Telefon abstellen. Brander groovte zur Musik in den Flur, um das Gespräch entgegenzunehmen. Die Melodie verstummte, als er die Hand nach dem Hörer ausstreckte. Rufnummer unterdrückt.

»Dann eben nicht.« Im Rhythmus wippend kehrte er in die Küche zurück. Wie zum Hohn erklang »Long Distance Call« aus den Boxen. Als Altherrenmusik betitelte Nathalie seinen Musikgeschmack respektlos. Jetzt war seine Tochter mit Cecilia zusammen in der Kirche. Früher hatte es traditionell im Hause Brander am vierten Advent einen Brunch gegeben. Seit Nathalie erfahren hatte, dass sie als Baby getauft worden war, hatte sie beschlossen, auch den Gottesdienst hin und wieder zu besuchen, und der Brunch hatte dem Krippenspiel in der Michaelskirche weichen müssen.

Sein Neffe Julian war auf dem Weg nach Schönaich, um Branders Eltern zum Essen mit nach Entringen zu bringen. Brander genoss die kurze Zeit, die er das Haus für sich allein hatte. So konnte er ungestört durch die Küche tanzen und mit Muddy Waters im Duett singen, ohne dass jemand seine Sangeskunst kommentierte.

Sein Blick glitt zum Fenster. In wenigen Tagen war Weihnachten, die Sonne strahlte von einem pastellblauen Himmel, und ein paar kecke Frühblüher streckten wagemutig die ersten zarten grünen Spitzen aus dem kleinen Beet vor Branders Doppelhaushälfte, als erwarteten sie den umgehenden Beginn des Frühlings. Es fehlte nur noch das muntere Gezwitscher der Vögel. Dabei würde er gleich mit seiner Familie ein köstliches Adventsessen genießen.

Und das als »richtige« Familie, wie Nathalie sagen würde. Im vergangenen August hatten er und Cecilia zum neunzehnten Geburtstag ihrer Pflegetochter beschlossen, ihren sehnlichsten Wunsch zu erfüllen und sie zu adoptieren. Da Nathalie volljährig war, benötigten sie das Einverständnis ihrer leiblichen Mutter nicht mehr. Gudrun Böhme hätte nie ihre Zustimmung gegeben. Die alkoholkranke Frau war mittlerweile obdachlos, hatte jedoch jegliche Hilfsangebote der Ämter ausgeschlagen. Nathalie hatte nach einem heftigen Zwischenfall vor zwei Jahren vollständig mit ihr gebrochen.

Durch das Küchenfenster sah Brander Karsten Beckmann auf die Garageneinfahrt fahren. Der Dreiundvierzigjährige trug einen eng anliegenden Radlerdress, der seine sportliche Figur betonte, die kurzen dunklen Haare schimmerten unter dem schnittigen Helm hervor.

Beckmann war aus Tübingen nach Entringen geradelt, um am Adventsessen teilzunehmen. Seinen besten Kumpel hatte Brander zwar nicht adoptiert, aber auch er gehörte zur Familie. Beckmann hatte Brander schon oft mit seinen Kochkünsten beeindruckt. Heute war es an ihm, Familie und Freunden einen wahren Gaumenschmaus zu präsentieren. Er drehte die Musik leiser, ging in den Flur und öffnete die Haustür, als die Melodie eines Smartphones auf der Ablage des Garderobenschranks erklang.

Beckmann spazierte gut gelaunt herein. Er stellte den Rucksack auf den Boden, nahm den Helm ab und fuhr sich mit den Fingern durch das dichte Haar. Seine Nase wanderte schnüffelnd Richtung Küchentür. »Und? Ist die Gans schon angebrannt?«

»Du wirst dir die Finger abschlecken«, erwiderte Brander selbstbewusst.

Beckmann legte den Helm auf die Hutablage der Garderobe. Sein Blick fiel auf das musizierende Smartphone. »Willst du nicht rangehen?«

»Ist Nathalies.«

Beckmann drehte den Kopf so, dass er das Display lesen konnte. »Wer ist Marvin?«

»Keine Ahnung.«

Branders Kumpel grinste. »Oh, là, là, hat sie einen Verehrer?«

»Nicht dass ich wüsste.« Einen winzigen Augenblick stach Brander die Neugier, und er überlegte, an den Apparat zu gehen. Hatte dieser Marvin es vorher auf dem Festnetz versucht? Er widerstand der Versuchung. »Zieh dich um. Ich brauche einen Assistenten in der Küche.«

»Hab uns noch was mitgebracht.« Beckmann zog eine Packung aus seinem Rucksack, schwarz-blau gehalten mit silbernem Schriftzug: »Auchentoshan – Three Wood«. »Unser Vierter-Advent-Whisky.«

»Ein Lowland«, stellte Brander fest, die Destillerie lag nordwestlich von Glasgow. Er studierte mit Vorfreude die Informationen auf der Verpackung. Dreifach destilliert – was selten war für einen Scotch Single Malt Whisky –, gereift in Ex-Bourbon-, Oloroso- und Pedro-Ximénez-Sherry-Fässern. Fruchtige sowie nussige und würzige Aromen wurden angekündigt. Das klang vielversprechend. Auf seinen Kumpel war Verlass.

Während Beckmann im Bad verschwand, um sich frisch zu machen, ging Brander zurück in die Küche. Er naschte einen der in Kräuterbutter gerösteten Brotwürfel, die gleich in die Kartoffelklöße kommen würden, füllte Wasser in den großen Topf und schaltete die Kochplatte ein. Das Rotkraut stand bereits auf dem Herd. Er holte die Kloßmasse aus dem Kühlschrank.

»Lecker.« Beckmann hatte den Brotwürfeln auch nicht widerstehen können, als er in die Küche kam, und sich bedient. Er hatte seine Sportkleidung gegen Hemd und Anzughose getauscht. Brander sah an sich hinunter: Jeans und Longshirt. Vielleicht sollte er sich zur Feier des Tages auch etwas festlicher kleiden. Cecilia würde es sicherlich gefallen.

Sein Kumpel ging vor der Ofentür in die Hocke. »Sieht gar nicht mal so schlecht aus.«

Brander lächelte selbstgefällig. »Die ist perfekt.«

Draußen hielt ein Wagen, Türen wurden zugeschlagen. Beckmann hatte sich wieder aufgerichtet. Sein Blick glitt an Brander vorbei. »Hast du deine Kollegen auch eingeladen?«

»Nein.« Brander wandte sich zum Fenster um. Er erkannte die große rothaarige Frau, die zusammen mit einem jungen Mann aus dem Auto gestiegen war. Corinna Tritschler vom Kriminalkommissariat in Tübingen. Weder sie noch der Mann an ihrer Seite machten den Eindruck, als ob sie sich selbst zum Essen einladen wollten. Brander ging zur Tür.

»Ich habe heute frei«, begrüßte er die beiden.

»Ich weiß. Hallo, Andi.«

Corys angespannte Miene verscheuchte Branders gerade noch so gelöste Stimmung. Sein Blick wanderte zwischen ihr und dem jungen Mann, den er nicht kannte, hin und her. Das war kein privater Besuch. Sein Puls beschleunigte sich. »Ist etwas passiert?«

»Ist Nathalie zu Hause?«

»Sie ist in der Kirche.« Brander sah auf die Uhr. »Sie war es. Sie müsste jeden Augenblick nach Hause kommen. Was ist denn los?«

»Können wir kurz reinkommen?« Sie wies auf ihren Begleiter. »Das ist Kriminalkommissar Tristan Vogel. Ihr kennt euch noch nicht. Er ist seit Anfang des Monats bei uns.«

Das schlechte Gefühl verstärkte sich. Brander trat einen Schritt zur Seite, um die beiden in sein Haus zu lassen. Beckmann erschien im Rahmen der Küchentür und sah fragend in die Runde.

Einen Moment lang stand Brander unschlüssig im Flur, dann wies er zu seiner Rechten. »Gehen wir ins Wohnzimmer.«

Sie setzten sich um den kleinen Couchtisch, der unter einem ausladenden Adventsgesteck fast verschwand. Brander musterte Cory, die ungewohnt befangen wirkte, obwohl sie sich bereits seit Jahren kannten. Ihr Kollege saß diensteifrig neben ihr und versuchte anscheinend, die Situation zu analysieren.

»Hat Nathalie etwas angestellt?«, fragte Brander.

»Nein … Nein, das nicht.« Ihr Blick fiel auf Beckmann. »Könnten Sie uns bitte allein lassen?«

»Cory, Becks gehört zur Familie. Raus mit der Sprache.«

Während Cory noch mit sich rang, wurde die Haustür geöffnet, und eine Schar fröhlicher Menschen stolperte plaudernd herein.

»Wir sind da!«, rief Nathalie.

»Und wir haben Hunger! Wir wollen Klöße!«, rief Julian.

Brander hörte Cecilia und seine Eltern lachen.

»Cory, das ist ja eine Überraschung.« Cecilia kam ins Wohnzimmer und strahlte die Frau auf dem Sofa an. Auf halbem Weg stutzte sie.

»Setz dich kurz zu uns, Ceci.« Brander stand auf und ging in den Flur. »Nathalie, kommst du mal bitte.«

Hatte seine Tochter ihm gerade noch breit grinsend entgegengesehen, wurde ihr Blick jetzt misstrauisch. Sie hatte die beiden Gäste im Wohnzimmer entdeckt. Sie kannte Cory und zog eine Grimasse. »Ey, ich hab nix gemacht.«

Brander versuchte ein Lächeln. »Ich weiß. Komm, bitte.«

Beckmann schob sich an Brander vorbei aus dem Wohnzimmer und lotste den Rest der Familie in die Küche. Brander setzte sich mit Nathalie auf das Sofa, seinen Kollegen gegenüber. Sie saßen abwartend um den Tisch herum.

Cory beugte sich vor, die Unterarme auf die Oberschenkel gelegt, die Finger leicht verschränkt. Ihre makellos manikürten Fingernägel zierte ein rubinroter Nagellack.

»Was ’n los?«, fragte Nathalie ungeduldig.

»Nathalie, ich muss dir eine traurige Mitteilung machen.« Cory suchte den Blickkontakt zu ihr. »Deine Mutter wurde heute früh tot aufgefunden.«

Das kam unerwartet. Instinktiv legte Brander seine Hand auf Nathalies. Tausend Fragen stiegen in seinem Kopf auf. Er sah zu Cory, die sich jedoch auf die junge Frau neben ihm konzentrierte.

In Nathalies Miene regte sich nichts, lediglich ihr Blick wanderte kurz zu Cecilia, dann zurück zu den Beamten. »Meine Mutter ist hier. Da sitzt sie. Quicklebendig.«

Ohne ein weiteres Wort stand sie auf und verließ das Zimmer.

Einen Moment wollte sich lähmende Stille ausbreiten, dann erhob sich Cecilia. »Entschuldigt.« Sie folgte ihrer Adoptivtochter.

»Wir hatten eigentlich noch ein paar Fragen an Nathalie.« Cory sah zur Wohnzimmertür, die Cecilia hinter sich geschlossen hatte.

Endlich fand Brander seine Sprache wieder. »Was ist denn passiert?«

»Das wissen wir nicht genau«, erwiderte Cory. »Frau Böhme wurde heute Morgen tot aus dem Neckar geborgen. Es könnte ein Unfall gewesen sein, aber wir können auch Fremdverschulden nicht ausschließen.«

»Die Obduktion ist für morgen früh angesetzt«, ergriff Tristan Vogel zum ersten Mal das Wort. Eine kräftige, klare Stimme, die deutlich werden ließ, dass er einen emotionalen Abstand zum Geschehen hatte. »Die Tote hat einige Verletzungen, die die Vermutung nahelegen, dass sie vor ihrem Tod eine Auseinandersetzung hatte.«

Die Tote. Es schauderte Brander. Die Tote war Gudrun Böhme. Nathalies Mutter.

Der junge Kommissar nahm sein Smartphone aus der Tasche, tippte darauf herum. »Wann hatten Sie zuletzt Kontakt zu Frau Böhme?«

Brander stieß grübelnd die Luft aus. »Das ist Monate her. Ich glaube, es war im April. Sie war stark alkoholisiert nachts aufgegriffen worden. Sie hatte in der Stadt herumgepöbelt. Die Kollegen hatten sie über Nacht in Gewahrsam genommen. Ich habe am nächsten Morgen mit ihr gesprochen. Wir wollten sie überreden, in eine Obdachlosenunterkunft zu gehen.«

»Wir?«

»Meine Frau und ich.«

»Und?«

»Sie wollte nicht. Sie wollte keine Hilfe von uns.« Wir haben ihr ihre Tochter weggenommen, ergänzte Brander stumm für sich. Das warf sie ihnen beiden vor, seit sie Nathalies Pflegschaft übernommen hatten.

»Wann hatte Nathalie zuletzt Kontakt zu ihrer Mutter?«

Brander hob die Schultern. »Vermutlich vor zwei Jahren.«

Vogel studierte sein Smartphone. »Sie meinen den Oktober vor zwei Jahren? Als es zu der Tätlichkeit zwischen Nathalie und ihrer Mutter kam?«

»Frau Böhme hat meine Frau angegriffen, und Nathalie hat meine Frau lediglich verteidigt.«

»Frau Böhme kam mit einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus.«

Die Fragen gefielen Brander nicht. Er zog die Augenbrauen zusammen. »Herr Vogel, worauf wollen Sie hinaus?«

»Es steht nicht fest, wie Frau Böhme zu Tode kam. Wir können Fremdverschulden nicht ausschließen und müssen in alle Richtungen ermitteln.«

Der Kollege verschanzte sich hinter einer Standardfloskel. Doch Brander war lange genug im Geschäft, um zu wissen, in welche Richtung die Überlegungen des jungen Mannes gingen. Für einen Moment verschlug es ihm die Sprache. Er räusperte sich.

»Das ist jetzt nicht euer Ernst«, presste er verärgert hervor, bemüht darum, seine Stimme nicht zu erheben. Seine Gäste mussten hiervon nichts mitbekommen. »Ihr wollt Nathalie unterstellen, dass sie ihre Mutter umgebracht hat?«

Cory hob beschwichtigend die Hände. »Niemand will Nathalie etwas unterstellen, aber sie ist kein unbeschriebenes Blatt, das weißt du besser als ich. Es gab immer mal wieder körperliche Auseinandersetzungen zwischen ihr und ihrer Mutter.«

»Wenn du damit meinst, dass ihre Mutter sie in ihrer Kindheit verprügelt hat, ja, da stimme ich dir zu«, erwiderte Brander grimmig.

»Andi, wir müssen diese Fragen stellen.«

Natürlich machten die beiden nur ihren Job. Aber die Vorstellung, dass Nathalie etwas mit dem Tod ihrer Mutter zu tun hätte, war einfach absurd. »Seit dem Vorfall vor zwei Jahren hatte Nathalie keinen Kontakt mehr zu ihrer Mutter. Wo habt ihr sie überhaupt gefunden? Der Neckar ist lang.« Mehr als dreihundertsechzig Kilometer.

»Am Stauwehr.«

Für diese bereitwillige Auskunft erhielt Cory einen missbilligenden Blick von ihrem jungen Kollegen. »Wo war Nathalie gestern Abend zwischen zehn und zwölf?«, fragte Vogel.

Der Ton, den Corys junger Kollege ihm gegenüber anschlug, gefiel Brander ebenso wenig wie dessen Fragen.

»Sie war mit Julian im Kino. Gegen halb zwölf war sie wieder zu Hause.«

»Wer ist Julian?«, fragte Vogel.

»Mein Neffe.«

»Können Sie mir bitte die Kontaktdaten geben?«

Brander diktierte ihm Julians Telefonnummer.

»Andi.« Cory bedachte ihn mit einem tadelnden Blick. Sie hatte Julian beim Hereinkommen gesehen.

»Dein Kollege hat nach den Kontaktdaten gefragt.« Brander stand auf und ging zur Tür. »Julian, kommst du bitte mal zu uns?«

Brander stand an der Haustür und sah dem Wagen der Kollegen hinterher, die sich wieder zurück auf den Weg nach Tübingen machten. Er brauchte einen Moment, um seinen inneren Aufruhr in den Griff zu bekommen. Dieser übereifrige Jungkommissar hatte sich ruckzuck seine Meinung gebildet. Er verurteilte Nathalie, obwohl nicht einmal mit Sicherheit feststand, dass es sich bei Gudrun Böhmes Tod um ein Tötungsdelikt handelte. Zerrüttete Familie, gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Mutter und Tochter, Rumtreiberei, Ladendiebstähle – das waren genug Argumente, um genauer nachzuhaken. Insbesondere bei einem angesehenen Kollegen, da durfte man nicht nachlässig sein. Dass der Leichenfundort unweit des Kinos an der Blauen Brücke war, schien Vogel in seiner vorgefassten Meinung noch zu bestätigen.

Was wusste der Bursche schon? Wie oft hatte Nathalie den Notarzt gerufen, weil sich ihre Mutter ins Koma gesoffen hatte? Wie oft hatte das Mädchen von Gudrun Böhme oder ihren Saufkumpanen Prügel bezogen, sodass sie abgehauen und nachts durch die Straßen geirrt war und selbst den Trost im Alkohol gesucht hatte? Brander stieß wütend die Luft aus den Lungen. Er hob den Blick zum Himmel, der noch immer in einem unschuldigen Blau erstrahlte. Er schien ihn zu verhöhnen. Nathalie ging in die Kirche, und im nächsten Augenblick wurde sie des Muttermordes verdächtigt. Auch wenn sie mit ihren neunzehn Lenzen kein kleines Mädchen mehr war, sie brauchte ihn jetzt. Brander atmete noch einmal tief durch, dann ging er zu seiner Familie in die Küche.

»Ich habe mir erlaubt, die Klöße ins Wasser zu tun.« Beckmann stand am Herd, Cecilias Schürze um die Hüfte gebunden. »Was ist denn los?«

»Nathalies Mutter ist tot.«

»Oh nein.« Beckmann fragte mit abgespreizten Daumen und kleinem Finger seiner rechten Hand wortlos, ob sie sich zu Tode getrunken hatte.

Brander hob die Schultern. »Vermutlich ist sie im Neckar ertrunken.«

»Wieso wollten die wissen, ob Nathalie mit mir im Kino war?«, fragte Julian.

Er hatte bestätigt, dass sie dort gewesen waren. Sie hatten nach der Vorstellung beim Hinausgehen noch zwei Bekannte von Nathalie getroffen, die anscheinend ein paar Reihen hinter ihnen gesessen hatten, und sich kurz mit ihnen unterhalten. »Ich glaube, das waren zwei Typen von der Feuerwehr«, hatte Julian gesagt. Nathalie war seit Jahren ehrenamtlich aktives Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Ammerbuch und kannte auch viele Kollegen anderer Einsatzstellen. Die Namen der Männer wusste Julian jedoch nicht.

»Routine«, erwiderte Brander auf seine Frage. Er wollte nicht, dass die anderen erfuhren, welcher unausgesprochene Verdacht im Raum stand. Beckmann warf ihm einen skeptischen Blick zu. Er hatte genug Erfahrung mit der Polizei, dass er ahnte, was hinter den Fragen steckte.

Cecilia kam die Treppe herunter.

»Wie geht es ihr?«, fragte Brander.

»Sie kommt gleich zu uns. Sie möchte nicht, dass wir über Gudruns Tod sprechen.«

Nathalies Smartphone im Flur verkündete erneut einen Anruf.

Montag

Branders Laune war im Keller, als er am Montag in der Frühe um sechs durch das dunkle Ammertal von Entringen nach Tübingen radelte. Der Himmel war bewölkt, sodass weder Mond noch Sterne seinen Weg erhellten. Es war ihm ganz recht. Der Adventssonntag lag ihm auf der Seele. Die gebratene Gans war ein Gedicht gewesen, aber sie hatten sie nicht genießen können. Auch auf den Whisky hatten sie am Abend verzichtet.

Der Ärger über Tristan Vogels forsches Vorgehen und die Sorge um Nathalie ließen ihn kräftig in die Pedale treten. Trotz der Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt war er durchgeschwitzt, als er vor der Haustür seiner Kollegin Persephone Pachatourides stand.

Sie öffnete ihm mit einem »Hey«, dessen Tonlage ihm offenbarte, dass sie bereits im Bilde war. Sie trug ihre dezent gemusterte Bluse leger über der Jeans und strich sich die langen schwarzen Locken aus der Stirn, als sie ihn hereinließ.

»Hat er den Fall übernommen?« Mit »er« meinte Brander Peppis Langzeitverlobten Staatsanwalt Marco Schmid.

»Marco hatte am Wochenende Bereitschaft. Aber er gibt den Fall ab.«

»Warum?«

Peppi lächelte nachsichtig. »Befangenheit.«

»Jetzt sag nicht, dieser Schwachsinn, dass Nathalie ihre Mutter umgebracht hätte, kommt von ihm!«, brauste Brander auf.

»Nein, dieser Schwachsinn kommt nicht von ihm.« Schmid war zu ihnen in den Flur gekommen. »Aber nur, weil Gudrun Böhme eine stadtbekannte Trinkerin ist, darf ich nicht automatisch davon ausgehen, dass es ein Unfall war. Und ich kann die Beziehung zwischen Frau Böhme und ihrer Tochter nicht blindlings außer Acht lassen, weil sie die Adoptivtochter eines geschätzten Kripobeamten ist.«

»Jetzt zieh dich erst einmal um.« Peppi deutete mit dem Kopf zur Badezimmertür. »Dann reden wir in Ruhe.«

»Da gibt es nichts zu reden.« Brander warf dem Staatsanwalt einen grimmigen Blick zu. »Sofern es sich tatsächlich um Fremdverschulden handeln sollte: Nathalie hat ein wasserdichtes Alibi.«

»Das ist äußerst erfreulich.« Schmid kehrte in die Küche zurück.

Peppi funkelte ihn verärgert an. »Andi, reiß dich zusammen! Marco macht nur seine Arbeit.«

»Tristan Vogel, kennst du den?«

»Ist der Neue in Tübingen, oder? Soll ganz fähig sein.«

Brander schnaufte verächtlich und verschwand im Bad, um Radkleidung gegen Jeans und Hemd zu tauschen. Er warf einen schlecht gelaunten Blick in den Spiegel. Das Gesicht, das ihm entgegenblickte, gefiel ihm nicht. Angespannt und griesgrämig. Falten zogen sich um Augen- und Mundwinkel.

Er strich sich über den kahlen Schädel. Schmid hatte recht. Er half niemandem, wenn er sich gebärdete, als wäre Nathalie allein aufgrund ihrer persönlichen Beziehung zu Brander über jeglichen Verdacht erhaben. Die Kollegen machten ihre Arbeit. Und die machten sie gründlich, so, wie er es bei jedem anderen Fall von ihnen erwartet hätte und auch selbst tun würde. Er stieß die Luft kräftig aus den Lungen und bemühte sich um einen entspannteren Gesichtsausdruck.

Schmid schob ihm eine Tasse Kaffee über den Tisch, als er in die Küche kam.

»Tut mir leid, dass ich hier gerade so reingepoltert bin.«

»Deswegen werde ich den Fall abgeben. Peppi kann es nicht leiden, wenn ihr liebster Staatsanwalt mit ihrem liebsten Arbeitskollegen Trouble hat. Das stresst sie. Und das kann ich auf gar keinen Fall verantworten.« Er zog lächelnd Peppis Hand zu seinen Lippen und küsste ihre Fingerspitzen.

Schmid war sechs Jahre jünger als Branders Kollegin, was ein Grund gewesen war, dass sie lange gezögert hatte, sich auf einen realen Hochzeitstermin festzulegen. Nun stand der Termin fest: der erste April. »Dann kann ich immer noch sagen, es war ein Aprilscherz, falls es in die Hose geht«, hatte sie ihren Terminwunsch begründet.

Brander ignorierte das verliebte Geplänkel und setzte sich. »Darfst du mir irgendetwas über die Ermittlungen sagen?«

»Nur das, was in der Zeitung steht.«

Brander schätzte Marco Schmid sehr. Der Staatsanwalt war nach Tübingen gekommen, als Nathalie Branders Weg während einer Ermittlung im wahrsten Sinne gekreuzt hatte. Damals war es auch Winter gewesen. Es schien Ewigkeiten zurückzuliegen. Zum freundschaftlichen Du waren Schmid und Brander allerdings erst an Peppis fünfzigstem Geburtstag vor wenigen Monaten übergegangen.

»Wer wird den Fall bei euch übernehmen?«, fragte Brander.

»Das weiß ich noch nicht. Ich werde schauen, was ich machen kann, damit er in gute Hände kommt.« Schmids Miene wurde ernst. »Andi, tu dir und uns einen Gefallen und halte dich aus den Ermittlungen raus. Sorg stattdessen lieber dafür, dass Nathalie sich von ihrer kooperativen Seite zeigt, wenn die Kollegen sie zur Sache befragen werden. Das ist für niemanden von uns einfach. Wir alle kennen Nathalie und Gudrun Böhme.«

Nicht alle, dachte Brander bei der Erinnerung an Tristan Vogel. Sein Diensthandy meldete einen Anruf. Käpten Huc – Kriminaloberrat Hans Ulrich Clewer, Leiter der Kriminalinspektion 1 in Esslingen.

»Guten Morgen, Hans«, begrüßte Brander seinen Chef.

»Na, so gut ist der nicht.«

Natürlich wusste Clewer bereits von Gudrun Böhmes Tod und den eingeleiteten Ermittlungen.

»Aber darüber reden wir später«, fuhr der Inspektionsleiter fort. »Bist du noch zu Hause?«

»Nein, ich bin bei Peppi, wir wollten gleich los.« Ein Blick auf die Uhr verriet Brander, dass sie sich sputen mussten, wenn sie pünktlich zur morgendlichen Teamsitzung in Esslingen erscheinen wollten. Es war zehn nach sieben, und der Berufsverkehr wurde von Minute zu Minute dichter.

»Das heißt, ihr seid noch in Tübingen?«

»Ja.«

»Das hatte ich gehofft. Wir haben einen Leichenfund in Tübingen, Gewerbegebiet Süd. Opfer weiblich, Identität unbekannt, der Arzt attestierte einen unnatürlichen Tod, mutmaßlich erschlagen. Die Tübinger Kollegen sind zurzeit unterbesetzt und haben bereits den Fall Böhme auf dem Tisch. Daher übernehmen wir den ersten Angriff. Fahr bitte mit Persephone zum Leichenfundort. Macht euch ein Bild, und dann schauen wir, wie wir weiter verfahren. KT habe ich informiert, die sind bereits unterwegs.« Clewer diktierte ihm die Adresse der Firma »Facility Service – Walter Dieken«.

Eine halbe Stunde später parkte Peppi den Wagen am Straßenrand im Gewerbegebiet. Sie hatten sich mühsam durch Tübingens Berufsverkehr schlängeln müssen. Auf den letzten Metern hatten Radfahrer, Fußgänger und Schülerbusse ihre Anfahrt verzögert – das Gewerbegebiet Süd grenzte an das Schulzentrum mit mehreren Gymnasien, Real- und Berufsschulen.

Brander versuchte, seine privaten Sorgen beiseitezuschieben und sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Eine zweite Leiche in derselben Stadt innerhalb von vierundzwanzig Stunden. Es legte den Verdacht nahe, dass beide Fälle zusammenhingen. Brander fragte sich, ob das zweite Opfer ebenfalls eine obdachlose Frau war.

Es dämmerte, als sie aus dem Wagen stiegen. Die Straßenbeleuchtung war noch nicht ausgeschaltet und spendete diffuses Licht für die Kulisse, die sich ihnen bot. Die Umgebung um das Gebäude der Firma Dieken war bereits weiträumig mit Absperrband gesichert, mehrere Fahrzeuge von Schutzpolizei und Kriminaltechnik standen am Straßenrand, ein Leichenwagen wartete auf seinen Einsatz. Zwei Journalisten reckten hinter der Absperrung die Hälse.

Zu Branders Erleichterung gab es nur wenige Schaulustige. In diesen Teil Tübingens verirrten sich an einem Montagmorgen nur die Menschen, die in der Gegend zu tun hatten. Die meisten hatten es eilig, um pünktlich zur Arbeit zu kommen. Gaffer wurden von den uniformierten Kollegen weitergeschickt. Allerdings bescherte der Leichenfundort vermutlich auch nur wenige Zeugen.

Brander zog den Schutzanzug an. Sein Blick wanderte über das Gelände vor ihm. Ein flaches Gebäude mit glatter heller Fassade stand wenige Meter entfernt, ein Stück vom Straßenrand nach hinten versetzt. Es wirkte unscheinbar zwischen den großen Komplexen der Medizintechnikfirma Erbe und der Paul-Horn-Werke. Neben dem Eingang prangte das Logo der Reinigungsfirma in Form von Kehrblech und Wischmopp. Zwischen Fußweg und Gebäude war ein gepflasterter Parkplatz, auf dem drei Kleintransporter und ein silberner Kombi parkten. Die Seiten der Transporter zierte die Firmenaufschrift »Facility Service – Walter Dieken – Meisterbetrieb«. Darunter folgte eine knappe Auflistung der angebotenen Dienste: Gebäude- und Büroreinigung, Unterhaltsreinigung, Grundreinigung sowie Entrümpelung. An der rechten Seite des Gebäudes hatten die Kriminaltechniker einen Sichtschutz aufgebaut und waren dabei, Scheinwerfer aufzustellen. Der bedeckte Himmel würde selbst nach Tagesanbruch zu wenig Licht bieten.

»War mir nie bewusst, dass man als Reinigungskraft auch einen Meister machen kann«, stellte Peppi fest.

Sie wiesen sich bei einem Kollegen der Schutzpolizei aus, sodass ihnen Zutritt zum abgesperrten Gelände gewährt wurde. Über einen markierten Pfad gelangten sie zu dem Sichtschutz, hinter dem das Opfer auf einer Wiese lag, die an das Gebäude angrenzte.

Die Frau war klein. Um die eins fünfzig, tippte Brander. Nicht schlank, nicht dick. Sie lag bäuchlings vor ihnen, war mit einem Oversizeshirt, Leggins und Sneakers bekleidet. Am Hinterkopf klaffte zwischen den langen dunklen Haaren eine Wunde.

»Guten Morgen, ihr zwei.« Kriminaltechniker Manfred Tropper war neben Brander getreten. »Ganz schön was los dieses Wochenende in Tübingen.«

»Morgen, Freddy. Hat man sie so gefunden?«

»Soweit ich weiß.«

»Hast du noch mit dem Arzt gesprochen?«

»Nein, bin selbst gerade erst gekommen. Laut Auskunft der Kollegen war nur der Notarzt hier. Er war schon weg, als wir kamen. Wurde zum nächsten Einsatz gerufen. Herzinfarkt, konnte nicht warten.«

»Haben wir seinen Namen?«

»Jannes Neubauer. Er hat uns seine Kontaktdaten dagelassen.«

»Konnte sie schon identifiziert werden?«, fragte Peppi.

»Nein, sie hat keine Papiere bei sich, kein Smartphone, keine Handtasche, keine Jacke. Bekleidet war sie lediglich so, wie sie hier liegt.«

»Keine Jacke?« Brander betrachtete das Opfer stirnrunzelnd. Der Dezember war zwar recht mild, aber nachts wurde es dennoch sehr kalt. So leicht bekleidet ging da niemand joggen oder spazieren.

»Keine Jacke«, bestätigte Tropper. »Der Mann, der sie gefunden hat, kennt sie nicht. Er heißt Walter Dieken, ist der Inhaber der Firma.« Tropper deutete auf das Gebäude neben ihnen.

»Wo ist er?«

»Drinnen, in seinem Büro.«

Brander trat näher an die tote Frau heran. Er ließ den Blick über Kopf, Rücken, Gesäß und Beine wandern. Sie war jung, höchstens Mitte zwanzig, schätzte er.

»Die Verletzung ist offensichtlich: Sie bekam einen kräftigen Schlag auf den Hinterkopf«, fuhr Tropper fort.

Brander ging neben der Toten in die Hocke und betrachtete die Kopfverletzung genauer. Sie war nahe am Scheitelbein, das deutete definitiv eher auf einen Schlag denn auf einen Sturz hin. Zudem lag sie auf dem Bauch.

»Wurde die Tatwaffe gefunden?«

»Bis jetzt nicht.«

Brander prüfte Beweglichkeit von Fingern und Handgelenk.

»Fass die Kleidung bitte nicht an«, bremste Tropper ihn. »Herr Dieken hat sie berührt, als er sie entdeckt hat. Das will ich erst abkleben.«

»Okay. Rigor mortis ist fortgeschritten, aber noch nicht voll ausgebildet«, stellte Brander fest.

Tropper gesellte sich zu ihm in die Hocke. »Demnach, würde ich schätzen, liegt der Todeszeitpunkt grob zwischen vier bis sechs Stunden zurück.«

Das war noch nicht allzu lange. Brander betrachtete die schmalen Finger, deren Enden sauber lackierte, künstliche Fingernägel zierten. Am Ringfinger der rechten Hand war der Nagel jedoch abgesplittert. Brander deutete darauf. »Wurde der irgendwo gefunden?«

»Nein«, erwiderte Tropper. »Aber wie gesagt, wir sind erst seit ein paar Minuten vor Ort.«

»Ihr wart auch schon mal schneller.« Brander relativierte seine Stichelei mit einem freundschaftlichen Lächeln.

Vom Parkplatz des Reinigungsunternehmens erschallte eine männliche Stimme.

Peppi trat hinter dem Sichtschutz hervor. »Geht’s ein bisschen leiser?« Sie lauschte einen Moment, dann wandte sie sich Brander zu. »Herr Dieken möchte wissen, wann er wieder über seine Transporter verfügen darf.«

»Wenn wir mit der Spurensicherung durch sind«, erwiderte Tropper. »Vielleicht ist die Dame ja mit einem der Wagen transportiert worden.«

»Das wird Herr Dieken gern hören«, erwiderte Peppi sarkastisch. »Ich rede mit ihm.«

»Denkst du, sie ist transportiert worden?«, fragte Brander.

»Keine Ahnung. Im Moment bin ich so schlau wie du.«

»Das bezweifle ich.«

»Obacht, Kollege.« Tropper hob mahnend den Zeigefinger.

Sie wandten sich wieder der Toten zu.

Branders Gelenke schmerzten, als sie die Leichenschau beendet hatten. Knie und Rücken protestierten gegen die anhaltende gebückte Haltung. Mit steifen Schritten ging er neben Tropper zu einem Einsatzwagen, an dem Peppi stand.

»Die Kollegen haben uns Kaffee und Brezeln organisiert«, verkündete sie.

Brander bediente sich. »Der Leichenfundort ist mutmaßlich nicht der Tatort. Die Leiche wurde transportiert. Wir können noch nicht sagen, wie lange, wie weit und womit, aber sie wurde allem Anschein nach nicht hier auf der Wiese niedergeschlagen.«

Das hatten sie anhand der postmortalen Druckstellen und Hautabschürfungen am Körper erkennen können, nachdem sie die Leiche entkleidet hatten. Die Kopfverletzung hatte vermutlich nicht extrem geblutet, dennoch hätten sie mehr Blutspuren in der unmittelbaren Umgebung finden müssen, als sie bisher entdeckt hatten. Allerdings erschwerte die Lage auf der Wiese die Spurensuche.

»Todeszeitpunkt?«

»Wir tippen auf drei Uhr morgens, plus/minus zwei Stunden. Vielleicht können unsere Rechtsmediziner den Zeitraum konkreter eingrenzen.« Brander knibbelte die Salzkrümel von seiner Butterbrezel.

Peppis Blick wanderte zu dem Sichtschutz, hinter dem der Abtransport der Leiche vorbereitet wurde. »Ist sie vergewaltigt worden?«

»Augenscheinlich nicht. Ihre Kleidung war unversehrt. Abgesehen von dem Schlag auf den Schädel haben wir keine Spuren einer tätlichen Auseinandersetzung oder Abwehrspuren entdecken können. Keine sonstigen schwereren Verletzungen, keine weiteren Blutanhaftungen oder offensichtliche Spermaspuren. Aber warten wir ab, was unsere Rechtsmediziner noch herausfinden.«

Peppi nippte gedankenverloren an ihrem Kaffeebecher. »Wisst ihr, was ich mich frage?«

»Verrat’s uns«, forderte Brander.

»Wieso hat man sie hier draußen abgelegt? In einem Gewerbegebiet. Warum nicht in einem Wald? Oder irgendwo anders in der Einsamkeit?«

»Vielleicht wollte der Täter, dass sie schnell gefunden wird«, schlug Tropper vor.

Peppi schüttelte den Kopf. »Dann hätte er sie an einem stärker frequentierten Platz ablegen müssen.«

»Da wäre aber die Gefahr einer Entdeckung größer gewesen«, widersprach Brander.

»Und hier nicht? Schau dich mal um: Hier sind große Firmen, die haben sicher Videoüberwachung. Vielleicht haben einige Firmen Nachtschichten, wo die Mitarbeiter nachts mal vor die Tür gehen, um eine zu rauchen. Und sicherlich fährt regelmäßig ein Wachdienst durch die Straßen und schaut nach dem Rechten.«

»Unsere Peppi, am frühen Montagmorgen schon so pfiffig«, bemerkte Tropper anerkennend.

»Was ist mit Walter Dieken?«, wandte Brander sich an seine pfiffige Kollegin. »Hat der Videoüberwachung oder einen Wachdienst engagiert?«

»Keine Videoüberwachung. Wachdienst hab ich vergessen zu fragen, sorry«, erwiderte Peppi.

»Wann hat er die Frau entdeckt?«

»Heute früh gegen Viertel vor sechs. Normalerweise ist er früher im Geschäft, aber montags fangen sie etwas später an. Zwei seiner Mitarbeiter kamen kurz nach ihm. Er hat sie vorhin nach Hause geschickt, nachdem klar war, dass wir seine Transporter vorläufig nicht freigeben. Dieken ist ein wenig in Aufruhr, weil er seine Leute heute Morgen nicht zum Putzen rausschicken konnte. Die Kollegen haben auch Aussagen von den beiden Mitarbeitern aufgenommen. Keiner von ihnen kennt die Frau.«

Brander bemerkte aus den Augenwinkeln eine Bewegung. Er sah zum Firmengebäude. Diekens Gestalt stand im Eingang. Mittelgroß, gedrungene Figur. Er hatte breite Schultern und einen massigen Nacken, der seinen Hals verschwinden ließ. Die Mimik war hinter einem dichten Bart und einer Hornbrille mit dunklem Rand verborgen.

»Dann fragen wir Herrn Dieken doch geschwind noch, ob ein Wachdienst sein Gelände bewacht.« Der letzte Bissen von Branders Brezel verschwand in seinem Mund. Er wischte sich einen Krümel von der Unterlippe. »Stellst du mich vor?«

Peppi grinste amüsiert. »Seit wann bist du so schüchtern?«

***

Walter Dieken hatte sie in sein Büro geführt: ein heller Raum mit großer Fensterfront, die einen Blick auf das Nachbargebäude zur Linken des Reinigungsunternehmens sowie auf die Straße vor der Firma bot. Der Duft von Neutralreiniger und Limette hing in der Luft. Aber das war wohl in einer Reinigungsfirma nicht anders zu erwarten. Ein mächtiger Schreibtisch, der gut und gern zwei Personen Platz bot, stand im Zentrum des Büros. An der vorderen und rechten Außenkante lagen ordentlich übereinandergestapelt Aktenmappen und Ausdrucke. Schreibtischunterlage, Tastatur und Computermonitor nahmen die andere Hälfte des Arbeitsplatzes ein. Hinter dem Schreibtisch befand sich ein wuchtiger, aber bequem aussehender lederbezogener Bürosessel. Ein ergonomisch geformter Bürostuhl stand an der kurzen Seite, zwei schlichte Stühle waren vor dem Schreibtisch platziert.

Brander ließ den Blick über die deckenhohen metallenen Aktenschränke zu seiner Linken und hinüber zu einem lang gezogenen Sideboard an der rechten Wand schweifen. Die daraufstehenden Pokale und Trophäen weckten sein Interesse. Bilder und gerahmte Urkunden zierten die Tapete darüber. Er hätte den Meisterbrief des Inhabers, Zertifizierungen für besondere Putzdienstleistungen oder Qualitätssiegel zur Einhaltung bestimmter Reinigungs-DIN-Normen erwartet. Die Auszeichnungen galten jedoch einer anderen Tätigkeit. »Sie sind Ringer?«, fragte er.

»Ich war es.« Diekens Mundwinkel hoben sich unter dem dichten Bart zu einem Lächeln. »Zugegeben, ich bin ein bisschen stolz darauf. Ich habe in meiner Jugend einige Meisterschaften gewonnen, war sogar zeitweise in die Nationalmannschaft berufen worden und habe von den Olympischen Spielen geträumt.« Er deutete auf die Stühle vor seinem Schreibtisch, während er selbst dahinter Platz nahm. »Bitte, setzen Sie sich.«

»Ringen ist olympisch?«, wunderte sich Peppi.

»Oh ja! Ringen ist eine der ältesten Sportarten, die es überhaupt gibt. Es gehörte schon zu den Olympischen Spielen der Antike.«

Brander schmunzelte in sich hinein. Da musste sich seine griechische Kollegin von einem Schwaben über die Errungenschaften ihrer Vorväter aufklären lassen. Dieser Tag hielt für Peppi einige neue Erkenntnisse bereit.

»Sind Sie noch aktiv?«, fragte Brander.

»Nein, das ist lange vorbei. Soweit ich weiß, gibt es in Tübingen bisher auch keinen Verein, der Ringen im Angebot hat.«

»Wo haben Sie denn trainiert?«

»In Aalen, meiner Heimat. Nach Tübingen kam ich erst nach meiner aktiven Zeit.«

Brander riss sich vom Anblick der Pokale und Urkunden los und setzte sich dem Mann gegenüber. »Sie haben eine beachtliche Anzahl an Auszeichnungen erkämpft. Warum haben Sie aufgehört?«

»Ich hatte einen Motorradunfall. Eigenes Verschulden, ich hatte meine Fähigkeiten überschätzt. Ich bin noch glimpflich davongekommen, ein paar Brüche, Gehirnerschütterung, aber an eine Karriere als Leistungssportler war nicht mehr zu denken.«

»Das tut mir leid.«

»Es ist lange her. Aber ich erinnere mich gern an die Zeit.« Diekens Blick wanderte versonnen zu seinen Auszeichnungen.

Die Urkunden waren auf die achtziger Jahre datiert. Demnach musste der ehemalige Ringer heute Mitte fünfzig sein, schätzte Brander.

»Wie kamen Sie auf die Idee, ein Reinigungsunternehmen zu gründen?«

»Ermangelung eines Plan B.« Dieken zuckte die Achseln. »Für mich gab es immer nur den Sport. Ich hatte keine Ahnung, was ich beruflich machen sollte. Aber irgendwann musste ich Geld verdienen. Die Ausbildungsstelle zum Gebäudereiniger hat mir meine Mutter damals vermittelt, sie hat jahrelang als Putzfrau gearbeitet. Nachdem klar war, dass meine Karriere als Spitzenathlet beendet war, habe ich die Ausbildung durchgezogen. Dann war es mir irgendwann zu dumm, für andere zu arbeiten. Geputzt wird immer, ist ’n krisensicherer Job, hab ich mir gedacht. Hab meinen Meister gemacht, nebenbei einen Businessplan entwickelt, Geld bei der Bank aufgenommen und mich selbstständig gemacht.«

Es klang, als hätte er das alles mühelos durchgezogen.

»Die Auftragslage ist gut?«, erkundigte sich Brander.

»Ich kann nicht klagen. Es ist natürlich ein harter Konkurrenzkampf. Aber gute Arbeit spricht sich rum.«

»Wie viele Mitarbeiter haben Sie?«

»Um die zwanzig. Mal mehr, mal weniger. Viele arbeiten in Teilzeit oder auf Minijobbasis, dazu kommen ein paar Aushilfen, die nur sporadisch eingesetzt werden, wenn kurzfristig ein Großprojekt ansteht. Ich habe drei Vollzeitkräfte, meine Vorarbeiter, die die Projekte vor Ort leiten und anspruchsvollere Reinigungsaufgaben übernehmen können. Dazu kommt eine Büroassistentin, die mir bei der Auftragsbearbeitung und der Buchhaltung hilft. Frau Hentschel kommt aber nur halbtags, und ausgerechnet heute hat sie frei, wo ich sämtliche Kunden anrufen musste, um zu erklären, dass wir heute Vormittag nicht kommen können.«

Dieken beugte sich vor, legte die Unterarme locker verschränkt auf der Schreibtischunterlage ab. »Sucht die Polizei noch Reinigungskräfte? Ich kann Ihnen ein Angebot machen.«

»Das fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich.« Dafür, dass Peppi gesagt hatte, der Mann wäre ein wenig in Aufruhr, zeigte er sich jetzt sehr entspannt und geschäftstüchtig. Brander beschloss, den Small Talk zu beenden. »Wann sind Sie heute in Ihrer Firma eingetroffen?«

Kaum merklich ging eine Wandlung durch Walter Diekens Körper. Er lehnte sich wieder zurück, verschränkte die Hände in seinem Schoß. »Ganz genau weiß ich es nicht … Was hatte ich Ihnen gesagt?« Er sah kurz zu Peppi, bevor er selbst die Antwort gab: »Gegen drei viertel sechs muss es gewesen sein. Ich hatte die Frau erst gar nicht bemerkt. Als ich sie dann da liegen sah, dachte ich, sie wäre betrunken und würde ihren Rausch ausschlafen. Ich bin zu ihr, habe an ihrer Schulter gerüttelt. Sie fühlte sich seltsam an. Ich kann es gar nicht richtig beschreiben … Aber mir war gleich klar, dass da etwas nicht stimmt.«

Sie hatte eine Kopfwunde, dachte Brander. Aber andererseits war es so früh am Morgen noch dunkel gewesen, und die Wiese wurde kaum von der Straßenbeleuchtung erfasst. »Was taten Sie dann?«

»Nichts, ich wartete, dass jemand kommt.«

»Von wo aus haben Sie den Notruf abgesetzt? Von Ihrem Büro?«

»Nein, draußen, mit dem Handy.«

»Es war sonst niemand bei Ihnen?«

»Ich war allein. Zwei meiner Mitarbeiter kamen gegen sechs hinzu, und kurz darauf waren auch schon der Notarzt und Ihre Kollegen da.«

»Haben Sie irgendetwas verändert? Haben Sie die Frau vielleicht bewegt?«, fragte Brander.

»Nein! Warum hätte ich das tun sollen? Ich habe nur an der Schulter gerüttelt. Die linke Seite war es.«

Brander nickte, Tropper hatte die Stelle abgeklebt. »Meine Kollegin sagte mir, dass Sie keine Videoüberwachung haben?«

»Nein, wozu?«

»Gibt es einen Wachdienst, der Ihr Gebäude überwacht?«

»Das Geld spare ich mir. Was sollte man hier stehlen?« Er lachte kurz auf. »Ein paar Putzmittel?«

Brander schürzte unwissend die Lippen. »Ich kenne mich da nicht so aus. Vielleicht gibt es ja besonders gefährliche Reinigungsmittel?«

»Die verwahren wir in einem extra gesicherten Schrank. Aber ganz ehrlich: Wer würde denn in ein Reinigungsunternehmen einbrechen, um Putzmittel zu stehlen? Und was anderes ist hier nun wirklich nicht zu holen.« Dieken hob die Schultern. »Wir haben zwei Bewegungsmelder nach vorn. Aber die dienen eher der Beleuchtung, wenn meine Mitarbeiter morgens im Dunkeln zur Arbeit kommen und die Wagen beladen.«

»Ist Ihnen sonst etwas aufgefallen? Haben Sie vielleicht jemanden gesehen, als Sie gekommen sind?«

Der Mann ließ sich Zeit mit einer Antwort. Sein Blick wanderte grübelnd zur Seite. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Nein, tut mir leid. Ich habe ja selbst die Frau im ersten Augenblick gar nicht wahrgenommen.«

»Kennen Sie die Frau?«

Er bekräftigte sein »Nein« mit einem erneuten Kopfschütteln.

Das war alles wenig hilfreich, stellte Brander frustriert fest. »Wir müssen Ihre Mitarbeiter befragen. Können Sie uns eine Auflistung der Namen und Kontaktdaten zur Verfügung stellen?«

Dieken sog zögernd die Luft ein. »Was genau benötigen Sie denn? Sie wissen ja, der Datenschutz …«

»Fürs Erste würden uns Namen und Telefonnummern reichen. Es ist wichtig, dass wir die Identität der Frau so schnell wie möglich klären.« Als der Unternehmer noch immer zögerte, ergänzte Brander: »Sie würden uns sehr helfen. Vielleicht kennt ja einer Ihrer Mitarbeiter zufällig die Frau.«

»Nun gut, ich stelle Ihnen eine Liste zusammen. Aber ich werde meine Mitarbeiter natürlich darüber informieren.«

»Das können Sie gern machen.« Allzu viel Hoffnung legte Brander nicht in eine Mitarbeiterbefragung, aber vielleicht gab es einen Grund dafür, dass der Täter die Frau neben dem Gebäude des Reinigungsunternehmens abgelegt hatte. Oder spielten die anderen Firmen eine Rolle? Die großen Unternehmen drum herum? Die Kfz-Werkstatt auf der anderen Straßenseite? »Ist Ihnen in den letzten Tagen etwas aufgefallen? War etwas ungewöhnlich?«

»Ich befürchte, da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen. Wenn ich im Geschäft bin, sitze ich am Schreibtisch oder bin hinten im Lager, da schaue ich nicht, wer draußen vorbeifährt. Und dann ist da ja auch gleich die Autowerkstatt schräg gegenüber, da ist ein ständiges Kommen und Gehen. Tut mir leid.«

Vielleicht war den Mitarbeitern der umliegenden Firmen etwas aufgefallen, hoffte Brander. Er beendete die Befragung. Der Geschäftsinhaber begleitete sie durch den Flur zur Tür. Sie hatten sich schon verabschiedet und standen draußen, als Brander sich noch einmal zu ihm umdrehte. Dieken strich gedankenverloren mit dem Daumen über einen Fleck am Türrahmen.

»Ach, Herr Dieken«, sprach Brander ihn noch einmal an. »Ich schicke gleich noch einen Kollegen zu Ihnen. Wir benötigen Ihre Fingerabdrücke und eine Speichelprobe.«

»Wozu das?«

Brander registrierte, dass der Mann die Hände eilig in die Hosentasche steckte. »Für den Abgleich. Sie haben die Frau angefasst, und dann können wir Ihre Spuren schon mal zuordnen und ausschließen.«

»Ach so … Ja, dann schicken Sie ihn vorbei. Ich bin hier.«

»Danke. Eine Frage noch, Herr Dieken. Waren Sie gestern in der Firma?«

»In der Frühe, ja. Wir hatten Sonntagfrüh einen Reinigungsauftrag nach einer Firmenweihnachtsfeier.«

»In welchem Zeitraum waren Sie hier?«

»Gegen halb fünf habe ich meine Mitarbeiter getroffen. Um fünf waren wir beim Kunden, gegen acht kamen wir wieder zurück.« Er zog grübelnd die Stirn in Falten. »Ich hab dann noch ein wenig aufgeräumt. Ich glaube, ich bin so um zehn rum gegangen.«

»Habe ich das richtig verstanden, Sie sind gemeinsam mit Ihrer Putzkolonne zu Ihrem Kunden gefahren?«

»Ja, das haben Sie richtig verstanden. Sonntagszulagen sind teuer. Da spare ich lieber ein bisschen Geld und schwinge selbst mal den Wischmopp.« Dieken grinste halbherzig. »Gelernt ist gelernt.«

Brander ging mit Peppi zu den Einsatzwagen zurück. »Siehst du Parallelen zu dem Fall Böhme?«, fragte er, als sie außerhalb Diekens Hörweite waren.

»Spontan nicht wirklich.«

»Die Frau hier wurde erschlagen. Gudrun auch?«

Peppi blieb stehen und wandte sich ihm zu. »Es ist noch nicht klar, wie Gudrun Böhme zu Tode kam. Sie wurde tot aus dem Neckar geborgen. Ob man sie vorher niedergeschlagen hat, weiß ich nicht.«

»Die müssen doch bei der Leichenschau festgestellt haben, ob Gudrun ertrunken ist oder bereits tot war, bevor sie in den Neckar fiel.«

»Andi, ich weiß genauso viel wie du.« Sie sah ihm streng in die Augen. »Gudrun Böhme ist nicht unser Fall. Cory und Hendrik haben ihn übernommen.«

»Ich frage lediglich, um festzustellen, ob es Parallelen zwischen den Fällen gibt.«

»Na klar«, erwiderte Peppi zweifelnd.

»Das würden wir bei jedem anderen Fall auch machen, wenn zwei Tötungsdelikte im selben Ort so zeitnah beieinanderliegen. Immerhin sind beide Opfer weiblich, und in beiden Fällen ist der Leichenfundort nicht der Tatort«, gab Brander verstimmt zurück. »Und einen Wohnsitz der Toten kennen wir bisher auch nicht. Sie könnte ebenfalls eine Obdachlose gewesen sein.«

»Das bezweifle ich aber stark. Dafür war sie viel zu gepflegt.«

»Das muss nichts heißen.« Brander rieb sich über den Nacken. Unweigerlich dachte er an Nathalie, die als junger Teenager so manche Nacht unter freiem Himmel verbracht hatte. Verwahrlost hatte sie dennoch nicht ausgesehen.

»Wie geht es ihr?«, fragte Peppi in seine Gedanken hinein.

»Wem?«

»Nathalie. Du hast gerade an sie gedacht. Es stand auf deiner Stirn.« Sie zog mit Daumen und Zeigefinger eine imaginäre Linie vor seinem Gesicht. So viele Jahre arbeiteten sie mittlerweile zusammen – Peppi kannte ihn einfach viel zu gut.

Wie ging es Nathalie? Das war eine Frage, die Brander sich selbst stellte, seit Cory ihnen von Gudruns Tod berichtet hatte. Nathalie hatte nicht darüber reden wollen. Schon vor Jahren hatte sie ihre Mutter aus ihrem Leben verbannt. Gudrun hatte sie zu oft enttäuscht.

Am Tag zuvor war Nathalie sicherlich nicht fröhlich gewesen, aber am Morgen war sie zu ihrer Ausbildungsstelle gefahren, ohne ein Wort darüber zu verlieren, dass sie in Trauer war und lieber zu Hause geblieben wäre. Sie hatte agiert und ihr Inneres nach außen abgeschottet. Darin war sie gut.

»Ich kann’s dir nicht sagen«, erwiderte Brander aufrichtig. Er hoffte, dass Gudruns Tod sie nicht zu sehr aus der Bahn warf. Sie machte eine Ausbildung zur Berufskraftfahrerin bei einem Reutlinger Spediteur und sollte sich eigentlich auf ihre Zwischenprüfung vorbereiten.

»Ich hoffe, dass sich der Fall schnell klärt. Und zu deiner Beruhigung: Ich gehöre nicht zu der Fraktion, die glaubt, dass Nathalie etwas mit Gudruns Tod zu tun haben könnte.«

»Das hätte mich auch sehr enttäuscht.«

Hinter ihnen wurde eine Tür zugeschlagen. Als Brander sich umwandte, sah er den Bestatter in den Wagen einsteigen.

Wer war die Frau, deren junges Leben so ein gewaltsames Ende erfahren hatte? Gab es einen Grund, dass der Täter sie ausgerechnet in diesem Gewerbegebiet zwischen den großen Tübinger Firmen abgelegt hatte, oder war der Ort zufällig gewählt? Sein Blick glitt über die Umgebung, und ihn beschlich das Gefühl, etwas Wichtiges zu übersehen.

***

Kriminaloberrat Hans Ulrich Clewer hatte sein Team nach Branders und Peppis Ankunft in der Esslinger Dienststelle zu einer Besprechung zusammengeholt. Es war eine überschaubare Mannschaft, die sich im Konferenzraum der Kriminalinspektion 1 einfand. Zahlreiche Kollegen befanden sich bereits im Weihnachtsurlaub. Neben Brander und Peppi waren Stephan Klein, Fabio Esposito und Peter Sänger anwesend.

Ein Teller mit Lebkuchen und Spekulatius erinnerte an das bevorstehende Weihnachtsfest. Clewer sortierte seine Unterlagen und richtete dann seine Aufmerksamkeit auf das Team. Das Gesicht des Sechzigjährigen war leicht gebräunt, er war gern und viel im Freien unterwegs. Bis vor anderthalb Jahren war er ein passionierter Bergsteiger gewesen. Nach einem Herzinfarkt, den er nur knapp überlebte, hatte er diese Leidenschaft aufgeben müssen. Auch beruflich hatte er einen Gang zurückgeschaltet. Brander, als sein informeller Vertreter, versuchte ihn, so gut er konnte, zu unterstützen.

Nach seiner Rückkehr in den Dienst hatte der Inspektionsleiter spontan beschlossen, dass das förmliche Sie aus dem Team verbannt wurde.

»Mehr werden wir wohl heute nicht«, stellte er bedauernd fest. »Ihr habt es mitbekommen: Das vergangene Wochenende hat uns zwei mutmaßliche Tötungsdelikte in Tübingen beschert. Sonntagfrüh wurde eine Frau tot aus dem Neckar beim Stauwehr geborgen. Die Kollegin Tritschler war vor Ort und konnte die Frau als Gudrun Böhme identifizieren. Das Opfer ist dreiundvierzig Jahre alt. Sie war alkoholkrank und wohnungslos. Ob es sich um ein Kapitaldelikt handelt, ist noch nicht geklärt. Die Obduktion wird zurzeit durchgeführt. KHK Hendrik Marquardt hat die Leitung der Ermittlungen übernommen.«

Unwillkürlich wanderten die Blicke der Kollegen fragend zu Brander. Sie wussten, wer Gudrun Böhme war.

»Ein zweites Tötungsdelikt wurde heute Morgen in Tübingen gemeldet«, lenkte Clewer die Aufmerksamkeit wieder auf sich. »Eine junge Frau, Anfang, Mitte zwanzig, wurde mutmaßlich erschlagen. Ihre Identität konnte bisher nicht geklärt werden. Da die Tübinger mit dem Fall Böhme beschäftigt sind, werden wir hier unterstützend den neuen Fall übernehmen. Andreas«, übergab der Inspektionsleiter das Wort an Brander.

»Die Frau wurde gegen Viertel vor sechs im Gewerbegebiet Süd in Tübingen auf einer Wiese neben dem Reinigungsunternehmen ›Facility Service – Walter Dieken‹ aufgefunden«, berichtete Brander. »Sie war für die Jahreszeit relativ leicht bekleidet: ein dünnes Longshirt und Leggins.«

»Eine Joggerin?«, fragte Peter Sänger.

»Das glaube ich nicht. Das Shirt war ihr mindestens zwei Nummern zu groß, damit geht man nicht joggen, und die Schuhe waren eher modisch und nicht funktional«, widersprach Peppi.

»Sie hatte weder Papiere noch Smartphone oder andere persönliche Gegenstände bei sich, die bei der Identifizierung helfen könnten«, fuhr Brander fort. »Walter Dieken und seine Mitarbeiter, mit denen wir bisher sprechen konnten, kannten die Frau nicht. Allerdings war ein Großteil der Mitarbeiter nicht in der Firma. Herr Dieken hat uns eine Liste mit Kontaktdaten erstellt, die Befragungen laufen noch. Hierfür wurden uns Kollegen von der Tübinger Dienststelle zur Verfügung gestellt.«

»Du hattest mir ein Foto von der Toten geschickt«, meldete sich Fabio Esposito zu Wort. »Ich bin die Vermisstenmeldungen durchgegangen. Bisher konnte ich keine Meldung finden, die zu der Frau passt.«

»Wir sollten auch die internationalen Vermisstenmeldungen prüfen.« Peppi betrachtete das Bild, das über den Beamer an die Wand gestrahlt wurde. »Wenn ich mir ihre Gesichtszüge anschaue, dazu die dunklen Haare, würde ich sie in Südosteuropa verorten – die Balkanstaaten: Slowenien, Ungarn, Bulgarien …«

»Okay, ich überprüfe das.«

»Die Leichenschau vor Ort ergab, dass der Leichenfundort mit großer Wahrscheinlichkeit nicht der Tatort ist«, fuhr Brander fort. »Das konnten wir aufgrund der postmortalen Verletzungen feststellen, zudem passen die Blutspuren am Fundort nicht zu der Verletzung am Hinterkopf. Die Wunde muss extrem geblutet haben, am Fundort haben wir jedoch so gut wie gar kein Blut gefunden.« Brander ließ ein Foto von der Umgebung des Leichenfundorts an der Wand erscheinen.

»Das ist eine Wiese. Kann das Blut nicht versickert sein?«, fragte Peter.

»Es war trocken in der Nacht und hat seit Tagen nicht geregnet. Der Boden ist knüppelhart. Zumindest am Gras hätten wir noch Spuren finden müssen. Da war aber nichts, mit Ausnahme einer geringfügigen Blutanhaftung hier.« Er deutete auf ein Zahlenschild vor ein paar Grashalmen wenige Zentimeter rechts neben dem Kopf der Toten.

»Woher diese kleine Blutanhaftung stammt, ist unklar. Durch den Zeugen, der die Tote aufgefunden hat, und den Notarzteinsatz war leider das Gras um die Frau herum heruntergedrückt, sodass die Spurenlage verändert ist. Es könnte sein, dass die Tote erst auf dem Rücken abgelegt und dann auf den Bauch gedreht wurde.«

»Da wäre unser Täter aber dumm gewesen«, stellte Stephan Klein fest.

»Warum?«

»Hätte er sie auf dem Rücken liegen lassen, hätte die Person, die sie findet, und dementsprechend vielleicht auch der hinzugerufene Arzt vermuten können, dass sie gestürzt und auf den Hinterkopf gefallen ist.«

Brander schüttelte den Kopf. »Die Wunde ist relativ hoch am Hinterkopf.«

»Das mit der Hutkrempenregel haben die Medizinstudenten doch vergessen, sobald sie ihren Rechtsmedizinschein in der Tasche haben«, wiegelte Stephan ab. »Und kurz vor den Feiertagen will keiner unnötig Arbeit.«

»Wie dem auch sei: Das KTI wird uns mitteilen, ob es ihr Blut ist, dann sehen wir weiter.«

»Was ist mit den umliegenden Firmen?«, fragte Clewer. »Haben die etwas mitbekommen?«

»Die Befragungen laufen noch. Stand bisher: Viele Firmen beginnen nicht vor sechs mit der Arbeit, und bei den anderen Firmen waren die Leute von der Nachtschicht nicht mehr da«, berichtete Brander. »Die kommen frühestens heute Abend wieder rein. Wir haben die Firmen gebeten, ihren Mitarbeitern mitzuteilen, dass sie sich bei uns melden sollen, wenn sie etwas beobachtet haben.«

»Videoüberwachung?«

»Dieken hat keine«, antwortete Peppi. »Einige der umliegenden Firmen haben Überwachungskameras auf ihrem Firmengelände, aber ohne Sicht auf die öffentlichen Straßen und Wege. Es gibt einen Wachdienst, der von ein paar kleineren Unternehmen in der Umgebung engagiert wird. Den Wachmann, der vergangene Nacht im Gewerbegebiet Süd unterwegs war, habe ich noch nicht erreicht. Ich habe auf seinem AB