Eiskalte Rache - Herzklopfen und Leidenschaft - Sara-Maria Lukas - E-Book

Eiskalte Rache - Herzklopfen und Leidenschaft E-Book

Sara-Maria Lukas

5,0

Beschreibung

Betty ist die beliebte, stets fröhliche Kellnerin im Restaurant Green Castle in Silver Hill, Montana. Als ihre beste Freundin vergewaltigt und ermordet aufgefunden wird, bricht ihre heile Welt zusammen. Aus tiefer Trauer wird Hass, sie will das Verbrechen an ihrer Freundin rächen. Mittels Handyfotos und Videos macht sich Betty auf die Suche nach dem Mörder. Der ehemalige Soldat Dylan ist Stammgast im Restaurant Green Castle. Als die Kellnerin Betty auf eigene Faust den Mörder ihrer Freundin suchen will und sich dafür in Lebensgefahr begibt, muss er sich aus dem dunklen Schleier seiner schlimmen Erinnerungen kämpfen, um sie zu beschützen, denn der Mord hat anscheinend mit seiner Vergangenheit zu tun ...

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Sara-Maria Lukas

Eiskalte Rache - Herzklopfen und Leidenschaft

© 2021 Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

Covergestaltung: © Sabrina Dahlenburg (www.art-for-your-book.de)

ISBN Taschenbuch: 978-3-86495-512-9

ISBN eBook: 978-3-86495-513-6

Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses eBook darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches anderes Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autorin weitergegeben werden.

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Epilog

Autorin

Kapitel 1

April

„Vielen Dank! Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag!“ Betty strahlte, während sie ihr Kellnerportemonnaie wegsteckte, denn Mr. Jenkins hatte ihr mal wieder ein großzügiges Trinkgeld gegeben.

Sie stapelte die benutzten Teller und Schüsseln auf ihren linken Arm, griff mit rechts das Glas und stellte es auf den Tresen, als sie an ihm vorbei in die Küche lief.

„Drei Tische sind noch besetzt, aber die wollen keinen

Nachtisch. Du kannst deine Mittagspause machen“, rief sie Joshua zu, der gerade dabei war, den riesigen Gasherd sauber zu machen.

„Die Tische wollen keinen Nachtisch? Na, die verpassen ja was.“

Betty kicherte, während sie die Essensreste in den Mülleimer kippte und die Teller in die Spülmaschine stellte.

Sie richtete sich auf und grinste ihn an. „Du bist so kleinlich wie mein Highschool-Lehrer für Amerikanische Literatur.“

Joshua zwinkerte. „Dabei habe ich während meiner Schulzeit die amerikanische Literatur wie eine ansteckende Krankheit gemieden.“

„Viele Grüße von Mr. Jenkins. Ich soll dir ausrichten, dass die Currysoße delikat war.“

„Danke, das hört das Küchenpersonal gern.“

Betty lief wieder in den Gastraum. Joshua war ein toller Kollege. Sie mochte ihn sehr. Als er damals angefangen hatte, in der Küche des Green Castle zu arbeiten, war er ihr unheimlich gewesen, weil er im Gefängnis gesessen hatte. Aber das war lange her. Seit er mit Lara verheiratet und Vater geworden war, war er der ausgeglichenste Mensch, den sie kannte.

Am Tresen war Helena bereits dabei, den Cappuccino für sie beide mit extra dicker Milchschaumhaube zuzubereiten. Die gehörten zu ihrem Feierabendritual und sie würden die großen Porzellanbecher wie immer während der Abrechnung des Mittagsgeschäftes austrinken.

Eine halbe Stunde noch, dann hätten Helena und sie Feierabend, und Thomas und Mila, die beiden neuen Mitarbeiter, würden sie ablösen. Gut gelaunt vor sich hin summend, lief Betty mit einem feuchten Lappen los, um den Tisch, den sie gerade abgeräumt hatte, abzuwischen. Anschließend kontrollierte sie alle Salz- und Pfefferstreuer und füllte die auf, die fast leer waren. Dabei wanderten ihre Gedanken zum restlichen Tag.

Sie musste ihr Auto aus der Werkstatt abholen. Hoffentlich würde die Rechnung nicht zu hoch, denn die Einrichtung der neuen gemeinsamen Wohnung hatte ihre sämtlichen Ersparnisse aufgebraucht. Aber das war es wert. Ihre Zwei-Frauen-WG mit Callie würde die gemütlichste und lustigste der gesamten Stadt werden.

Thomas und Mila schlenderten herein. Helena lächelte sie an. „Unsere Ablösung, wie schön.“

„Hi.“ Betty nickte ihnen zu.

Seit ihr ehemaliger Kollege Sam nach New York gezogen war, um dort zu studieren, und Lara mit dem zweiten Kind schwanger war und nur noch die Verwaltungsaufgaben im Büro erledigte, anstatt auch in allen anderen Jobs einzuspringen, wenn es nötig war, hatten sie unter akutem Personalmangel gelitten. Das war zum Glück nun vorbei. Mila und Thomas waren ein Ehepaar aus Seattle. Sie hatten sich gemeinsam im Green Castle beworben, weil ihnen das Großstadtleben nicht mehr gefiel und sie ihren Traum vom Kleinstadtleben in Montana verwirklichen wollten. Die beiden hatten sich während der Arbeit in einem großen Hotel kennengelernt und verfügten über mehrere Jahre Berufserfahrung. Außerdem waren sie nett und insgesamt ein echter Hauptgewinn für das Team.

„Die Kaffeemaschine macht manchmal komische Geräusche“, sagte Helena gerade zu Thomas. „Der Kaffee schmeckt zwar normal, aber ich habe Arthur trotzdem angerufen. Er schickt einen Techniker.“

Thomas nickte und Mila lief zu den letzten Gästen des Mittagsgeschäftes, um zu fragen, ob sie noch Wünsche hätten.

Betty und Helena konnten ihren Arbeitsplatz verlassen und sich für die Abrechnung zusammensetzen.

„Soll ich euch beim Umzug helfen?“, fragte Helena, während sie die beiden Cappuccino-Tassen auf den Tisch im Gemeinschaftsraum stellte und sich einen Stuhl zurückzog. „Ich arbeite am Samstag nur vormittags und könnte danach für ein paar Stunden zu euch kommen.“

Sie setzten sich und Betty winkte ab. „Nicht nötig. Mein Dad und mein Onkel transportieren die Möbel und bauen auch alles auf. Meine Mom und meine Tante helfen beim Auspacken und Einräumen der Schränke.“ Sie seufzte. „Ich freue mich riesig. Endlich können wir machen, was wir wollen. Das ist Freiheit pur! Was für ein Luxus! Ich kann es kaum erwarten, einzuziehen.“

Helena zog die Augenbrauen hoch. „Du durftest doch bis jetzt auch machen, was du wolltest. Du bist schließlich seit einigen Jahren volljährig und verstehst dich doch auch gut mit deiner Familie.“

„Ja, und ich war natürlich froh, dass ich nach der verpatzten Beziehung mit Jeff erst mal wieder bei meinen Eltern Unterschlupf gefunden habe, doch auf Dauer nervt es, mit ihnen unter einem Dach zu leben. Sie schreiben mir zwar nicht vor, wie ich zu leben habe, aber es ist was anderes, ob deine Eltern mitbekommen, wann du nach Hause kommst, wer dich besucht, wofür du dein Geld ausgibst“, sie grinste mit einem Augenzwinkern, „oder eben nicht.“

„Und sie wagen es tatsächlich, in San Francisco noch mal ganz neu anzufangen? Das ist mutig.“

„Ja. Aber ich kann sie auch verstehen. Der Hauptsitz von Dads Firma ist dort. Sie haben ihn befördert, aber dafür muss er umziehen, und da niemand von uns das Haus hier übernehmen wollte, haben sie es verkauft und sich in San Francisco eine schicke Wohnung gesucht. Nächste Woche sind sie weg.“

Helena lächelte. „San Francisco ist weit von hier entfernt. Da kann man sich nicht mal eben übers Wochenende besuchen und du wirst sie trotz deiner Freiheitsliebe vermissen.“

Betty zog die Nase kraus. „Aber nur ein klitzekleines bisschen. Zumindest Moms Zitronenkuchen. Der ist absolut einmalig.“

Helena winkte ab. „Den kannst du dir auch selbst backen.“

„Ich glaube nicht, dass ich dafür Zeit haben werde.“

Helena lachte. „Wenn du und deine Freundin euch in Zukunft jede Nacht in Bars und Clubs herumtreibt, sicher nicht.“ Sie hob die Augenbrauen. „Ich hoffe, ihr werdet bei der Arbeit nicht ständig wie übernächtigte Zombies aussehen.“

„Natürlich nicht!“, protestierte Betty gespielt empört und grinste gleich darauf. „Aber bestimmt gehen wir häufig aus, wenn wir nicht in der Frühschicht arbeiten müssen.“ Sie seufzte. „In den letzten Monaten kam ich mir so alt und langweilig vor, dabei bin ich jung! Ich will endlich wieder Spaß haben, Leute kennenlernen, Abenteuer erleben, flirten, den Mann meiner Träume treffen und heißen Sex mit ihm haben … Allerdings denke ich dabei nicht an eine neue Beziehung. Die paar Monate mit Jeff haben für die nächsten Jahrzehnte gereicht.“

Helena kicherte. „So schlimm? Immer noch?“

„Schlimmer. Du weißt doch, er hat mich mit seiner Mutter und einer Haushälterin verwechselt. So was vergisst man nicht so schnell.“

„Oh je.“ Immer noch leise lachend glättete Helena mit den Fingerspitzen den langen Bon-Streifen, der den Kassenstand und die Verkäufe des Vormittags enthielt. „Das Frühstücksgeschäft war heute gut“, murmelte sie und Betty nickte. „Die ersten Touristen fahren durch den Ort. Vorhin war ein Pärchen aus Frankreich da.“

Sie sortierten das Kleingeld aus der Kasse und dem Portemonnaie ins Zählbrett, notierten die Summen im Tablet und speicherten alles ab.

Betty sah auf die Uhr.

„Hast du es eilig?“, fragte Helena.

„Ich habe mit Callie verabredet, dass ich nach der Arbeit vorbeikomme. Wir wollen noch ein paar Kleinigkeiten für unsere Wohnung besorgen.“

„Hat deine Freundin auch keinen Freund?“, fragte Helena.

„Nein, ihre Eltern haben sie immer noch wie ein Kind behandelt. Solange sie auf der Farm ihrer Familie gewohnt hat, musste sie abends bis zweiundzwanzig Uhr zu Hause sein.“

„Ich dachte, sie ist längst volljährig?“

Betty nickte. „Sie ist zweiundzwanzig, aber ihre Eltern sind sehr religiös und haben sie nicht zur Selbstständigkeit erzogen.“

Helenas Augen wurden größer. „Sind es etwa Amish People?“

„Nein, aber ähnlich verbissen bibeltreu. Am liebsten wäre es ihnen, wenn die Tochter so schnell wie möglich als Jungfrau eine Ehe eingeht. Aber nun ist sie ja mit ihrer Ausbildung fertig und verdient ihren Lebensunterhalt selbst. Jetzt kann sie endlich ausziehen und ein selbstbestimmtes Leben führen.“

Helena sah auf. „Sie hat sich nie gewehrt? Hat nie woanders gelebt?“

„Nein.“ Betty kicherte. „Sie ist ständig in Popstars oder Schauspieler verliebt, aber real war sie noch nie mit jemandem zusammen. Sie ist schüchtern und durch das abgeschiedene Leben auf der Farm und die veralteten Ansichten ihrer Eltern noch sehr unselbstständig.“

„Kaum zu glauben, dass es das heute noch gibt.“

„Stimmt. Aber ich denke, sie wird sich schnell normalisieren. Du wirst sie mögen.“

„Wann fängt sie hier in der Küche an?“

„In zwei Monaten, wenn Greta in Rente geht. Auf den Job freut sie sich fast noch mehr als auf unsere gemeinsame Wohnung. Während ihrer Kochausbildung musste sie jeden Tag, morgens und abends, eine Stunde im Bus sitzen, um ihren Arbeitsweg zurückzulegen. In Zukunft gehen wir zehn Minuten zu Fuß zu unseren Jobs.“

Sie legten das Trinkgeld in die Gemeinschaftskasse, und Helena brachte alles andere in den Tresor, während Betty die

leeren Cappuccino-Tassen zurück zum Tresen trug und nach ihrer Rückkehr in den Gemeinschaftsraum ihren Spind aufschoss.

Vor dem Spiegel, der an der Innenseite der Tür angebracht war, öffnete sie den Haarknoten am Hinterkopf und die Haare fielen herab. Nach der Trennung von Jeff hatte sie sich einen Kurzhaarschnitt verpassen lassen, nun reichte die blonde Mähne schon wieder bis zur Schulter, und die leichte Kupfer-Nuance, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte und auf die sie so stolz war, kam zur Geltung. Ob sie die Haare beim Friseur mal aufhellen lassen sollte? Ach, das würde sowieso bald die Sonne übernehmen, schließlich stand der Sommer sozusagen schon vor der Tür.

Helena kehrte zurück, öffnete ihren Schrank, zog sich das gelbe Poloshirt mit dem Green-Castle-Logo über den Kopf und ihr eigenes Sweatshirt an.

„Kannst du mich zu Kellers Werkstatt mitnehmen?“, fragte Betty, während sie ihre Jacke anzog.

Helena drehte den Kopf. „Klar, kein Problem. Hat dein Auto mal wieder versagt?“

Betty stöhnte. „Ja, es sprang gestern nicht mehr an. Sie mussten es auf einen Anhänger laden, um es in die Werkstatt zu bringen. Mein Dad hat mich heute Morgen hergefahren.“

Sie schlenderten zum Hintereingang, winkten Joshua in der Küche einen Abschiedsgruß zu und verließen das Gebäude.

Es nieselte und heftiger Wind blies um die Hausecke herum.

„Mein Wagen steht da hinten“, sagte Helena und zeigte nach rechts. Ausgerechnet bei so blödem Wetter hatte sie ihren Kombi am äußersten Rand des Parkplatzes abgestellt.

„War hier vorne nichts frei?“, fragte Betty, zog fluchend die dünne Jeansjacke fest um ihren Oberkörper zusammen und klappte den Kragen hoch.

„Nein, als ich kam, war der Truck mit der Getränkelieferung da und blockierte sämtliche Parkplätze vor dem Eingang.“

Betty stöhnte bei einem Blick in den grauen Himmel. „Hat der liebe Gott vergessen, dass wir Frühling haben?“

Helena lachte. „Das Wetter richtet sich nicht nach deiner Kleidung, sondern deine Kleidung sollte sich nach dem Wetter richten.“

Sie liefen los und Betty verdrehte die Augen. „Du redest wie meine Mutter.“

„Ich bin eine Mutter, Schätzchen.“

Als sie endlich im Auto saßen, drehte Helena die Heizung voll auf, und kurz nachdem sie den Parkplatz verlassen hatten, blies bereits warme Luft durch die Belüftungsritzen.

Sie fuhren die Mainstreet entlang.

Trotz des miesen Wetters standen einige Farmer und Rinderzüchter vor dem Postoffice und unterhielten sich. Die kannten kein schlechtes Wetter, denn unter ihren Cowboyhüten war das Gesicht immer trocken. Typisch Montana, dachte Betty und erinnerte sich an eine Reise nach New York. Die Stadtmenschen dort hatten sich bei einsetzendem Nieselregen benommen, als ob faustgroße Hagelkörner vom Himmel gefallen wären. Jeff und sie hatten in einem Starbucks gesessen und sich köstlich darüber amüsiert, wie sich die Manhattaner Yuppies aus Angst, ein paar Wassertropfen abzubekommen, panisch unter die Dächer von Hauseingängen flüchteten oder sich die Aktentaschen über die Köpfe hielten. Drei Jahre war das schon her. Damals war sie mit Jeff noch glücklich gewesen.

Bis zur Werkstatt war es nicht weit.

In Silver Hill gab es genau zwei Adressen, um ein Auto reparieren zu lassen: eine für neuwertige Fahrzeuge und die Garage von Benjamin Keller am Stadtrand. Hier trafen sich Leute, die alte Autos fuhren, bei denen die Reparaturen nicht teuer sein sollten. Hier konnte man gebrauchte Ersatzteile aus Schrottautos suchen, wenn neue für den eigenen Geldbeutel zu teuer waren. Und zu Ben kamen die Jugendlichen, wenn sie ihren ersten Pick-up kaufen wollten, aber nur eine Handvoll Dollar zusammenkratzen konnten, denn bei ihm durfte man in Raten bezahlen und nach Feierabend selbst am geliebten Vehikel herumschrauben.

Ben Keller war bekannt dafür, Wunder zu vollbringen. In seiner Garage wurde jedes Auto wieder zum Leben erweckt, auch eins, das eigentlich nicht mehr zu reparieren war, wie Bettys uralter Kleinwagen.

Helena ließ sie vor dem großen Tor aussteigen und fuhr weiter.

Zum Glück hatte der Regen etwas nachgelassen und es nieselte nur noch, als Betty den Hof überquerte. Um die Werkstatt herum standen, neben Stapeln von Autoreifen, ausgebauten Türen und Motorhauben, unzählige fahrbereite oder halb auseinandergeschraubte Autos. Betty versuchte, die Werkstatt zu erreichen, ohne mit ihren dünnen Schuhen in eine Pfütze zu treten.

Vor der riesigen Halle, direkt neben dem hohen Einfahrtstor, stand ein ehemals weißer, jetzt rostfleckiger Bürocontainer mit großen Fenstern an der Längsseite. Drinnen war das grelle Neonlicht eingeschaltet, sodass Betty schon von Weitem den weißen Haarkranz erkannte, der Ben Kellers Halbglatze umgab. Er saß an einem Schreibtisch, auf dem sich jede Menge Papiere rund um einen geöffneten Laptop stapelten, und hielt ein Handy an sein Ohr. Als Betty sich näherte, bedeutete er ihr mit ausladenden Gesten, in Richtung Werkstatt weiterzugehen. Sie stöhnte genervt. Das konnte nur bedeuten, dass sich Dylan Wistler, Bens einziger Angestellter, um ihr Auto kümmerte, und dass es noch nicht fertig repariert war. Sie würde in der kalten Werkstatt warten müssen und dabei bis auf die Knochen durchfrieren. Außerdem würde sie sich langweilen, denn es wäre ein Wunder, wenn sich zwischen ihnen eine nette Plauderei entwickeln würde.

Der Typ mochte sie nicht. Zumindest fühlte es sich in seiner Gegenwart so für sie an. Egal, ob sie ihn im Restaurant bediente, was recht häufig vorkam, denn er war Stammgast, oder ob sie sich irgendwo anders begegneten, Dylan behandelte sie stets so herablassend, dass es in ihrem Magen vor lauter Wut brodelte. Der Typ war ein arroganter, dickfälliger, unhöflicher Chauvinist und vermutlich auch ein Verbrecher. Einige Leute erzählten, er hätte schon im Knast gesessen, andere behaupteten, er wäre ein Mörder, der aber mangels Beweisen freigesprochen worden wäre, und wieder andere sagten, er hätte als Soldat in Afghanistan seine Kameraden verraten.

Sicher war jedoch nur, dass Dylan Wistler ein unangenehmer Zeitgenosse ohne Freundeskreis war.

Betty bemühte sich stets, zu allen Kunden im Restaurant freundlich zu sein, auch zu ihm, egal was die Leute über ihn sagten. Doch er dankte es ihr nur mit mürrischer Einsilbigkeit und armseligen Trinkgeldern. Und nun musste sie ihm vermutlich auch noch dankbar dafür sein, dass er das Wunder vollbrachte, ihr schrottreifes Vehikel wieder zum Leben zu erwecken.

In der Mitte der Halle blieb sie stehen und sah sich um. Hinten links schepperte etwas, ihr Blick zuckte dorthin, und richtig, da stand ihr Auto mit geöffneter Motorhaube. Dylans beeindruckend breiter und kräftig wirkender Körper steckte in einem fleckigen Arbeitsoverall. Darunter trug er nur ein graues T-Shirt. Seine muskelbepackten und mit hässlichen Tattoos geschmückten Arme waren nackt. Und das bei der Kälte!

Er lehnte über dem Kotflügel und von seinem Kopf war nur das kurze schwarze Haar zu sehen.

Betty schlenderte näher. „Hi.“

Gefühlte Stunden später hob er kurz den Kopf und warf ihr einen Seitenblick zu. „Hi“, sagte er und

arbeitete sofort weiter.

„Was hat er denn?“, fragte Betty.

„Lichtmaschine“, murmelte er mit seinem tiefen Bass, ohne noch einmal den Kopf zu heben.

„Er hat aber nicht nur kein Licht gemacht. Er wollte gar nicht fahren.“

Sein Kopf zuckte hoch. Er starrte sie an, als wäre sie ein Tier im Zoo. Betty klimperte übertrieben mit den Wimpern und grinste breit. „Reingefallen. Sollte ein Witz sein. Ich bin gar nicht so blöd, wie ich aussehe.“

„Haha.“

Sein Gesicht verschwand wieder in den Innereien ihres Autos.

Oh Mann. Sie sollte die Scherze wohl lieber lassen. Dieser Kerl verstand keinen Spaß. Vermutlich kannte er nicht mal die Bedeutung des Wortes. Vielleicht stimmte es, was die Leute über ihn sagten, und er war wirklich ein entlassener Straftäter oder hatte in Guantanamo Gefangene gefoltert.

Unwillkürlich lief ihr ein fieser Schauer über den Rücken und sie zog die Jacke fester um ihren Oberkörper.

Dylan beachtete sie nicht. Er holte sich verschiedene Schlüssel aus seiner Werkzeugkiste und arbeitete in aller Ruhe weiter.

Ob das wohl noch lange dauerte? Sie könnte ihn ja fragen, aber der Drang, ihn anzusprechen, war ungefähr so ausgeprägt wie der Wunsch, mit einer Klobürste Small Talk zu halten.

Ihr Handy piepte. Sie holte es aus der Jackentasche. Auf dem Display leuchtete eine Textnachricht von Callie. Wo bleibst du?

Sie sah auf. „Ähm … wie lange brauchst du noch?“

„Gleich fertig.“

„Okay, dann gehe ich schon mal nach vorne ins Büro, um zu bezahlen. Du kannst ja vielleicht Bescheid …“

Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf, ließ die Motorhaube zufallen und Betty wich unwillkürlich einen Schritt zurück.

„Ist schon bezahlt“, murmelte er, während er sein Werkzeug zusammenpackte. „Schlüssel steckt.“

„Was?“

Er drehte sich zu ihr um und kam einen Schritt näher. Sie musste zu ihm aufblicken und sah im Neonlicht der Werkstatt seine braunen Augen im unrasierten Gesicht blitzen. „Der Zündschlüssel steckt im Schloss“, sagte er betont langsam und überdeutlich, als hätte er es mit einem besonders dummen Exemplar eines Mitmenschen zu tun. „Du musst ihn nur umdrehen, dann kannst du losfahren und brauchst dich auch in Zukunft nicht um die Warnlichter im Cockpit zu kümmern, denn die Rechnungen zahlt ja Daddy. Da kommt es nicht darauf an, wie hoch sie werden.“

Was für eine Frechheit! Wie respektlos! Dieser arrogante Arsch! Sie stemmte die Fäuste in die Taille und zog stinksauer die Augenbrauen zusammen. „Wenn ich zu den Gästen im Restaurant so unfreundlich wäre wie du zu den Kunden dieser Werkstatt, wäre ich schon längst gefeuert worden“, zischte sie.

„Ich werde hier fürs Arbeiten bezahlt, nicht fürs Small-Talk-Halten.“

Er drehte sich um und schlenderte davon.

Ben schritt durch das große Tor in die Halle und kam auf sie zu. „Ist Bettys Auto fertig?“, fragte er mit Blick auf Dylan, der nickte und schon die Heckklappe eines anderen Wagens öffnete.

Ben näherte sich Betty. „Spätestens nächstes Jahr musst du über eine Neuanschaffung nachdenken, bei deiner Kiste ist nämlich der Boden fast durchgerostet. Noch mal schweißen geht nicht.“

Sie seufzte. „Ich weiß. Vermutlich werde ich dann auf den Luxus eines eigenen fahrbaren Untersatzes erst mal verzichten müssen, mein Sparschwein ist gerade ziemlich leer.“

„Ich dachte, du brauchst ein Auto, um zur Arbeit zu fahren?“

„Ab nächster Woche nicht mehr. Ich ziehe zusammen mit Callie White in eine Wohnung in der Arlington Street, gleich hinter dem Postoffice. Von da aus kann ich zu Fuß ins Green Castle laufen.“

*

Dylan hob das Reserverad aus dem Kofferraum, lehnte es an die Wand und wischte sich die Hände an einem alten Tuch ab. Gleichgültig sah er zu, wie die blonde Tussi aus dem Green Castle mit Ben noch einige Worte wechselte, dann in ihr Auto stieg, den Motor anließ und aus der Werkstatt fuhr.

„Ich bin den Rest des Tages unterwegs“, rief Ben und wandte sich Richtung Hallentür.

Dylan nickte und hob für ein knappes Winken die Hand. „Alles klar. Wenn ich hier die neuen Reifen aufgezogen habe, baue ich in Walters Kiste noch die Kupplung ein. Ich habe ihm versprochen, dass er den Wagen morgen früh zurückbekommt.“

„Das dauert doch Stunden!“

„Das Getriebe ist schon raus und ich habe heute sowieso nichts mehr vor.“

„Wie du meinst. Schließ ab, wenn du gehst.“

„Natürlich, mache ich doch immer.“

„Stimmt. Was rede ich …“ Ben stieg in sein Auto und Dylan schmunzelte.

Er mochte den alten Haudegen. Ben war viel mehr für ihn als nur ein Boss. Er hatte ihm den Job gegeben, ohne viele Fragen zu stellen, und war sofort damit einverstanden gewesen, dass Dylan seinen alten Trailer auf dem Gelände der Werkstatt abstellte, um darin zu wohnen. Ben war der Einzige im Ort, dem vollkommen egal war, was man über ihn, seine Werkstatt oder seinen Angestellten redete. Gäbe es bloß mehr Menschen dieser Sorte auf der Welt.

Dylan machte sich an die Arbeit, froh, auch den Rest des Tages beschäftigt und damit von seiner dunklen Gedankenwelt abgelenkt zu sein.

Das Motorengeräusch wurde leiser, als Ben den Hof verließ, und in der Halle breitete sich herrliche Stille aus. Dylan atmete tief durch. Der Job in der Werkstatt hatte ihm das Leben gerettet. Wenn Ben ihn vor vier Jahren nicht eingestellt hätte, wäre er inzwischen tot. Er hätte sich umgebracht, weil er die ständig kreisenden Gedanken in seinem Kopf nicht mehr ausgehalten hätte. Während der Schrauberei an den Autos fand sein Gehirn Ruhe, und das rettete ihn.

Natürlich quälten ihn die Erinnerungen in den Nächten weiter, und falls er doch mal einschlief, mutierten sie zu fiesen Albträumen. Sie verblassten nicht, sie würden nie verblassen. Sie würden bis zu seinem letzten Atemzug Bestandteil seines Lebens sein. Damit hatte er sich längst abgefunden.

Wenn er arbeitete, konnte er aufatmen; sobald er nichts mehr hatte, um sich abzulenken, stürzten die Bilder aus der Vergangenheit wieder auf ihn ein und machten ihm das Atmen schwer.

Die Nachrichten aus Afghanistan im Radio und Fernsehen und die Gleichgültigkeit seiner Mitmenschen über das, was dort tagtäglich geschah, verbitterten ihn zusätzlich. Er musste jeden Tag aufpassen, dass der Hass nicht die Schwelle der Selbstbeherrschung überschritt.

Bevor er angefangen hatte, in Bens Werkstatt zu arbeiten, war es ihm nicht gelungen, seine Wut zu beherrschen. Er hatte sich jeden Abend in Bars und Kneipen herumgetrieben, flaschenweise Whiskey getrunken und Streit gesucht, um sich mit Genuss zu prügeln. Das war nun, seit er bei Ben arbeitete und wohnte, vorbei. Allerdings ertrug er es weiterhin auf eine seltsame masochistisch anmutende Weise, von seinen ehemaligen Kameraden gestalkt zu werden. Er empfand die ständigen Anrufe und das Beschattetwerden fast als eine gerechte Strafe für seine Vergehen. Auch ihre wiederholten Versuche, ihm Verbrechen in die Schuhe zu schieben und Gerüchte über ihn zu verbreiten, ignorierte er. Mehrmals war er umgezogen, um vor ihnen Ruhe zu haben, doch sie tauchten stets nach einer Weile auch an den neuen Orten auf. Vielleicht hätte er seinen Namen ändern müssen, um wirklich untertauchen zu können.

Vor zwei Jahren hatten sie ihn in Silver Hill entdeckt. Aber von hier würden sie ihn nicht vertreiben. Er hatte von den Spielchen die Schnauze voll. Hier wollte er bleiben, egal, was den Arschlöchern einfiel, um ihre Rachegelüste zu stillen. Zum Glück hielt Ben zu ihm. Als der Sheriff zum ersten Mal in der Werkstatt auftauchte, weil eine junge Frau aus einem der Nachbarorte Dylan wegen angeblicher sexueller Belästigung angezeigt hatte, hatte Ben ihm, ohne mit der Wimper zu zucken, ein Alibi gegeben.

Als Dylan sich hinterher bei ihm bedanken wollte, hatte Ben nur abgewunken. „Ich weiß, dass du nachts nicht in irgendwelchen Clubs unterwegs bist. Das konnte nur Bullshit sein.“

Wenig später beschuldigte man ihn, ein Auto aufgebrochen zu haben, und auch da gab Ben ihm das notwendige Alibi. Seitdem war Ruhe. Trügerische Ruhe, denn seine Ex-Kameraden warteten nur auf eine Gelegenheit, ihn erneut in Schwierigkeiten zu bringen. Dylan sah dem inzwischen gelassener entgegen. Der Job in der Werkstatt und die Freundschaft zu Ben hatten ihm geholfen, sich zu fangen und sich in seinem Leben einigermaßen einzurichten. Nachmittage wie dieser, wenn keine Leute da waren und er in Ruhe an einem Motor herumbasteln konnte, waren ihm die liebsten.

Sein Handy klingelte und er zog es aus der Hosentasche. Auf dem Display stand unbekannte Nummer. Also mal wieder einer der üblichen Drohanrufe. Er sollte sie ignorieren, doch das tat er nicht. Ja, vielleicht war es sogar so, dass er sich dem nicht entziehen wollte, er wollte die Anrufe als persönliche Strafe für sein Versagen während seiner Zeit als Soldat erdulden.

Er hielt sich das Handy ans Ohr. „Ja.“

„Wistler, du miese Ratte, wir haben dich im Visier. Nimm deine Aussagen zurück oder …“

„Was, oder?“

„Oder du schaufelst dir dein eigenes Grab. Unsere Geduld ist am Ende.“

„Ihr feigen Schweine traut euch doch nicht mal in meine Nähe.“

„Wir sind in deiner Nähe. Immer. Rechne jeden Moment mit unserem Besuch, Verräter.“

„Ich werde euch gebührend empfangen und wie räudige Kröten zertreten.“

Der Anrufer lachte. „Du kriegst vielleicht einen oder zwei, aber niemals uns alle. Vorher trifft dich die Kugel, die schon lange für dich reserviert ist.“

„Worauf wartet ihr noch? Kommt her! Ich bin alleine hier, es gibt keine Zeugen, ihr könnt mich jetzt abknallen. Die Adresse habt ihr ja … Oder nervt ihr mich etwa mit leeren Drohungen? Ich warte auf euch! Lasst es uns ein für alle Mal klären!“

Es klickte. Der Mistkäfer hatte aufgelegt. Wer aus der Truppe war es dieses Mal gewesen? Brian? Sam? Der Stimme nach hätte es auch Carl Harris höchstpersönlich gewesen sein können. Egal. Sie waren alle nur feige Hunde.

Wutschnaubend pfefferte er das Handy in seine Werkzeugkiste.

Hinter ihm war ein Geräusch zu hören.

Ohne nachzudenken, griff er nach dem erstbesten zur Verteidigung geeigneten Gegenstand in seinem Blickfeld. Es war ein schwerer Hammer, der auf der Werkbank lag. Er hob ihn über den Kopf und drehte sich um.

„Nein!“, kreischte eine helle Stimme und Schuhe klapperten auf dem Betonboden.

Die Kellnerin aus dem Green Castle starrte ihn aus tellergroßen Augen an und hielt abwehrend die Hände vor ihre Brust.

„Fuck! Was schleichst du hier herum?“, brüllte er, ließ den Arm sinken und warf den Hammer zurück auf die Werkbank, wo er mit einem dumpfen Knall landete.

Sie zuckte zusammen, trat hektisch einen Schritt nach hinten und knickte dabei um.

„Ich bin nicht geschlichen, ich bin ganz normal gegangen!“, fauchte sie.

„Was willst du?“

„Ich habe mein Telefon hier liegen gelassen.“

„Dann hol es und verschwinde!“ Er wendete sich ab und machte sich an die Arbeit, ohne das Weib noch länger zu beachten.

*

Betty zitterte am ganzen Körper. Mit butterweichen Knien lief sie dorthin, wo ihr Auto während der Reparatur gestanden hatte, sah sich hektisch um und entdeckte das Smartphone auf der Motorhaube eines anderen Autos. Hastig griff sie danach, drehte sich um und hetzte aus der Halle hinaus.

Als sie wieder in ihrem Wagen saß, fuhr sie mit Vollgas rückwärts, schlug das Lenkrad ein und wendete mit quietschenden Reifen. Bloß weg aus seiner Nähe. Der Typ war ja gefährlich! Bis jetzt hatte sie ihn nur als extrem unfreundlich betitelt, aber nun hatte er sie bedroht. Der Kerl war tatsächlich ein Verbrecher, vor dem man sich in Acht nehmen musste. Er hätte sie fast mit seinem Hammer erschlagen! Ob Ben wusste, dass er einen cholerischen Schläger als Mitarbeiter beschäftigte? Nach den Gesprächsfetzen zu urteilen, die sie gerade mitgehört hatte, konnte es in der Werkstatt jederzeit zu einer Schießerei kommen. Jemand sollte den alten Mann warnen, ehe es vielleicht zu spät war.

Das Handy piepte. Callies Name leuchtete im Display auf.

Betty nahm das Gespräch an, drückte auf die Lautsprechertaste und legte das Telefon neben sich in die Ablage. „Hi.“

„Hey? Wo bleibst du denn? Ich habe dir vorhin schon eine Nachricht geschrieben! Ich warte, wir wollten doch …“

„Ja, ja, schon gut. Ich habe vorhin vergessen, dir zu antworten. Ich bin unterwegs und brauche nur noch ein paar Minuten. Ich musste mein Auto aus der Werkstatt abholen und auf halber Strecke umkehren, weil ich mein Telefon dort liegen gelassen hatte.“

„Ach so. Sorry.“

„Du glaubst nicht, was mir gerade passiert ist.“

„Was denn?“

„Bens Mitarbeiter, Dylan Wistler, hat mich bedroht.“

„WAS?“

Betty stöhnte. „Ich bin mit den Nerven völlig fertig. Dieser Arsch von Mechaniker hätte mich fast umgebracht!“

„Oh mein Gott! Warum?“

„Er wollte mich mit einem Hammer erschlagen, nur weil ich in die Werkstatt gekommen bin!“

„Einfach so?“

„Vielleicht dachte er, ich bin jemand anderes. Der Typ scheint Ärger zu haben. Ich habe ein Telefongespräch mitgehört, in dem er jemanden bedrohte, und hinterher hat er mich beschuldigt, mich angeschlichen zu haben. Das muss man sich mal vorstellen! So ein Schwachsinn! Ich wette, der Kerl ist ein Verbrecher, der sich hier in der Stadt vor irgendjemandem versteckt.“

„Die Leute sagen, er war Soldat in Afghanistan.“

Betty schnaubte. „Ja, das habe ich auch gehört. Vielleicht lügt er bezüglich seiner Vergangenheit. Auf jeden Fall ist der Typ nicht ganz klar im Kopf. Ich könnte tot sein!“

Kapitel 2

Anfang Mai

„Kommt sofort“, flötete Betty, nickte dem Pärchen zu und lief zum Tresen, um die Getränkebestellung fertig zu machen.

Sie stellte zwei frische Gläser auf das Tablett und begann, Wein hineinzugießen.

Als sie hörte, dass die Tür geöffnet wurde, sah sie auf. Callie! Ihre pinkfarbene Jacke stach ins Auge, als sie grinsend durch den Gastraum auf sie zu schlenderte. Sie hatte die Haare frisch gefärbt, jetzt leuchteten grüne Strähnen im Blond.

„Hey! Was treibt dich her?“, fragte Betty.

Callie schob ihren knackigen Hintern, um den Betty sie insgeheim beneidete, auf einen der Barhocker und legte die Hände mit den knallroten Fingernägeln auf den Tresen. „Hi, liebste Wohngenossin. Ich dachte, ich hole dich ab und geleite dich nach Hause.“ Sie strich mit einer eleganten Bewegung ihre langen Haare über die linke Schulter.

„Aha …“ Betty zog die Augenbrauen hoch. „Was für ein Service! Bist du sicher, dass es nicht noch einen Grund gibt?“

Callie zog die Nase kraus. „Na ja. Ich wollte einen Film sehen, aber wir haben keinen Wein mehr, und da meine Kreditkarte minimal überbelastet ist, dachte ich, du kannst vielleicht von hier eine Flasche zum Personalpreis mitnehmen?“

Betty gluckste. „Das lässt sich einrichten.“

„Wunderbar. Ich bin wirklich froh, wenn ich ab nächsten Monat hier arbeite und wieder Geld verdiene. Dann kann ich endlich meinen Beitrag zur Haushaltskasse leisten. Es nervt mich, dass du im Moment so viel mehr bezahlst als ich.“ Sie sah sich um. „Schon ziemlich leer hier. Musst du noch lange arbeiten?“

Betty winkte ab. „Ich habe gerade die letzten Getränkebestellungen angenommen. In spätestens einer Stunde können wir abschließen und ich habe Feierabend.“

„Perfekt, dann gucken wir zusammen den Film und teilen den Wein. Zu zweit macht ein Couchabend sowieso viel mehr Spaß als alleine.“

Betty nickte. „Das stimmt. Aber ich trinke nur ein Glas und gehe früh schlafen. Ich habe morgen Frühschicht.“

Callie seufzte theatralisch. „Keine Sorge. Ich kümmere mich liebevoll um den Rest der Flasche.“

Betty prustete. „Das bezweifle ich nicht.“ Sie begann, die gespülten Gläser zu polieren und ins Regal zu stellen. „Wie weit bist du mit deinen Influencer-Plänen?“

„Ich habe mit der Kamera geübt. Es klappt schon ganz gut, aber die Speisen in den Töpfen und Pfannen wirken immer so farblos. Ich probiere gerade, wie man das Licht optimal einstellt.“

Betty schmunzelte. „Ich hoffe, unsere Küche ist auch noch normal nutzbar, wenn du sie zu deinem YouTube-Kochstudio gemacht hast.“

Callie winkte ab. „Natürlich. Es ist viel weniger aufwendig, als du glaubst. Sobald ich anfange, hier zu arbeiten, will ich meinen eigenen Kanal eröffnen. Es passt so gut zusammen, das Green Castle mit seinen ökologischen Grundsätzen und meine Ideen, aus heimischen Lebensmitteln Köstlichkeiten zu zaubern. Ich will unbedingt auch Fakten reinbringen, die heute nur noch uralte Leute wissen, zum Beispiel, wie man früher, bevor es Kühlschränke gab, Lebensmittel lagerte, damit sie lange haltbar waren.“

Betty lächelte. Callie war in ihrem Element. Während sie begann, über Gewürze, Soßen und alte Gemüsesorten zu erzählen, leuchteten ihre Augen.

„Ich möchte zahlen.“ Das war Dylans tief grollende Stimme, und in ihrem Magen zog sich etwas zusammen. Sie hatte ihn nie gemocht, doch seit er sie vor ein paar Wochen in der Werkstatt mit dem Hammer bedroht hatte, war er ihr nicht nur unsympathisch, sondern auch unheimlich. Leider besuchte er das Green Castle oft nach Feierabend, um etwas zu essen, und es fiel ihr jedes Mal schwer, ihrer Stimme den professionell freundlichen Touch zu geben, den ihr Beruf verlangte.

Dylan bezahlte immer bar, also griff sie sich das Portemonnaie, druckte den Bon aus der Kasse und lief damit zu seinem Tisch.

„Siebzehn vierzig, bitte.“

Er zog einen Fünfzig-Dollar-Schein aus seiner Hosentasche, legte ihn auf den Tisch und schob ihn in ihre Richtung. Sie nahm das Geld und platzierte an gleicher Stelle das Wechselgeld. Er steckte das meiste ein, ein paar Münzen ließ er liegen.

„Vielen Dank“, murmelte Betty, während sie bereits Teller, Beilagenschalen und Besteck zusammenräumte.

Er nickte ihr knapp zu und verließ das Restaurant.Arroganter Affe. Nicht mal einen Abschiedsgruß brachte er über die Lippen.

Sie steckte das magere Trinkgeld ein, griff sich das Geschirr und lief Richtung Küche.

„Der Typ ist so heiß“, stellte Callie fest, als Betty wieder hinter dem Tresen stand.

„Das war Dylan Wistler, der Knabe, der mich vor ein paar Wochen fast mit einem Hammer erschlagen hätte.“

Callie seufzte theatralisch. „Ich weiß, trotzdem ist er ein heißer Typ. Diese Muskeln! Wenn ich bloß seine Unterarme und die großen, kräftigen Hände betrachte, kriege ich schon weiche Knie. Und dieses kantige Gesicht mit dem Bartschatten, dazu der stechende Blick. Der weiß, was er will, davon bin ich überzeugt. Ich stehe auf solche Männer. In seinem Bett kann sich eine Frau bestimmt einfach fallen lassen und genießen.“ Sie gluckste. „Würde er mich anflirten, ich würde nicht Nein sagen.“

Betty schüttelte den Kopf. „Er ist ein arroganter Arsch und du hast zu viele kitschige Filme gesehen.“

Callie kicherte. „Ja, ich stehe dazu, dass ich auf dominante Männer abfahre, und das ist garantiert einer von dieser Sorte. Außerdem hat er in der Jeans einen perfekten Hintern.“

Betty schüttelte den Kopf. „Kaum zu glauben, dass du vor drei Monaten noch eine brave Jungfrau warst. Für meinen Geschmack hast du es mit dem Nachholen von sexuellen Erfahrungen etwas zu eilig, Babe. Man kann auch mal an den Falschen geraten.“

Callie winkte ab. „Ja, ja. Ich weiß, Mummy. Bis jetzt habe ich noch kein Date, das ich hatte, bereut.“ Sie grinste. „Einschließlich der darauffolgenden Nächte.“

Betty seufzte. „Ich brauche keine One-Night-Stands mehr. Ich möchte einen Mann, der mich als gleichberechtigte Partnerin behandelt, der rücksichtsvoll und intelligent ist.“

Callie zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Solide werden kann ich noch früh genug. Vielleicht stehe ich auch nur auf solche Typen, weil ich so schüchtern bin.“

Bettys Augenbrauen hoben sich. „Ich finde, seit wir zusammenwohnen, hast du deine Schüchternheit bewundernswert schnell abgelegt.“

Callie gluckste. „Ich trinke mir ja auch Mut an, wenn wir abends ausgehen.“ Sie seufzte. „Und trotzdem: Wenn’s drauf ankommt und mich ein heißer Typ ansieht, kriege ich kein vollständiges Wort mehr heraus. Ich habe einfach zu wenig Übung. Du weißt doch, dass meine Eltern mich auch mit zwanzig noch wie ein Kleinkind behandelt haben.“

„Ich finde, du holst rasant schnell auf, was du bisher verpasst hast.“

Callie gluckste. „So oft, wie in den letzten Wochen mit dir, war ich vorher nie nachts unterwegs.“

Betty seufzte. „Langsam sollten wir mal ruhigere Zeiten einläuten, ich will wieder mehr gemütliche Couchabende.“

„So einen kriegst du doch heute, weltbeste Freundin.“

*

Es war eine dieser Phasen, in denen es besonders schlimm war. Dieses Mal waren Bilder in den Nachrichten die Trigger gewesen, die die Narben auf Dylans Seele aufgerissen hatten. In der darauffolgenden Nacht hatte er kein Auge zubekommen. Alles war wieder so nah, als hätte er es erst gestern erlebt.

Den ganzen Tag über bekam er die Szenen, Stimmen und Geräusche nicht aus dem Kopf. Die blutunterlaufenen Augen, das Betteln und Weinen, die Schmerzenslaute und verzerrten Gesichter, das fiese Gurgeln und Husten beim Waterboarding, das Grölen der Männer um ihn herum …

Er wollte sich die Ohren zuhalten, aber das nützte nichts, diese Geräusche ließen sich nicht ausschließen. Manchmal hatte er sogar den Geruch von nassem Beton, gemischt mit Schweiß und Blut in der Nase. Dann wurde ihm so übel, dass er kotzen musste.

Während dieser Phase ertrug er die Stille seiner Wohnung nicht. Deshalb war er nach der Arbeit ins Restaurant gegangen und so lange geblieben, bis das Green Castle schloss.

Unschlüssig stand er draußen vor der Tür und sah nach links zum Parkplatz. Nichts zog ihn in Richtung seiner Wohnung, und so beschloss er, das Auto stehen zu lassen, und wanderte ziellos durch die menschenleeren Straßen. Der Neumond verbreitete kaum Helligkeit. Ab und zu fuhr ein Auto an ihm vorbei, und im Büro des Sheriffs, das rund um die Uhr besetzt war, brannte Licht.

Neben dem Parkplatz am Postoffice hatte der Stadtrat im letzten Jahr einen kleinen Park mit Blumenbeeten und Sitzbänken einrichten lassen. Man wollte damit die durchreisenden Touristen dazu verleiten, in Silver Hill eine Pause einzulegen und etwas Geld in den Läden der Mainstreet zu lassen.

Dylan schlenderte hinüber und setzte sich auf eine der Bänke. Es war still, zu still, um seine Gedanken zu vertreiben. Trotzdem blieb er. Würde er jetzt schon in seine Wohnung gehen, könnte es passieren, dass er zu früh einschlief. Das musste er vermeiden. Nur, wenn er sehr lange wach blieb, war sein Schlaf anschließend tief genug, um ihm wenigstens ein paar Stunden Ruhe zu schenken. Gelang ihm das, sackten die Erinnerungen wieder in Bereiche seines Gedächtnisses, die weiter entfernt von der Realität schienen und ihn weniger quälten.

Es war eine der ersten Nächte, in denen es so mild war, dass man den Frühling riechen konnte. Nicht mehr lange, dann würden die Bäume und Büsche in vollem Laub stehen und bunte Blumen würden blühen.

Alles veränderte sich, von Tag zu Tag, von Woche zu Woche, von Jahreszeit zu Jahreszeit, nur er schien auf einem Laufband zu stehen, ständig in Bewegung und doch auf der Stelle rennend, ohne jemals ein Ziel zu erreichen.

Helles Gelächter ließ ihn den Kopf drehen. Die Kellnerin aus dem Green Castle und die Kleine mit den langen blonden Haaren, die vorhin am Tresen gesessen hatte, näherten sich. Wenn er Glück hatte, liefen sie vorbei, ohne ihn zu bemerken.

Fuck. Nein, sie bogen in den schmalen Fußweg ein, der durch den Park zur Arlington Street führte. Sie würden direkt bei ihm vorbeikommen und sich vermutlich erschrecken, wenn sie ihn auf der Bank sitzend entdeckten. Sie würden vermutlich glauben, er würde auf der Lauer liegen, um hilflose Frauen zu überfallen. Das passte zu den Gerüchten, die sowieso schon über ihn umgingen. Dann schon lieber eine offensichtliche Begegnung. Er stand auf und ging ihnen entgegen.

*

„Hui, ist das dunkel hier.“ Kichernd drängte sich Callie an Betty. „Wenn jetzt ein heißer Typ kommt, müssen wir darüber streiten, wer mit ihm ins Gebüsch darf.“

„Ich überlasse ihn dir freiwillig“, antwortete Betty. „Ich stehe nicht auf Sex in der Öffentlichkeit.“

Callie stockte, packte Betty am Arm und zwang sie, mit ihr stehen zu bleiben. „Da ist wirklich einer“, flüsterte sie.

Betty kniff die Augen zusammen und versuchte, im schwachen Schein der schmalen Neumondsichel etwas zu erkennen. Tatsächlich. Eine groß gewachsene, breitschultrige Gestalt in dunkler Jacke und Hose kam ihnen entgegen.

Um diese Zeit war in einer Kleinstadt wie Silver Hill kein Mensch mehr unterwegs, schließlich hatten alle Geschäfte längst geschlossen. Ihr Herz klopfte schneller. Das konnte nur ein Fremder mit bösen Plänen sein. Jemand, der Autos knackte oder in Häuser einbrach.

„Sollen wir zurück zur Straße laufen?“, fragte Callie hektisch, aber Betty drückte die Schultern nach hinten und streckte das Kinn vor. „Nein. Wir sind zu zweit, da werden wir uns ja wohl gegen einen Mann wehren können.“

Sie gingen langsam weiter.

Callie wimmerte leise. „Bist du sicher? Der sieht ziemlich durchtrainiert aus.“

Betty schluckte. Callie hatte recht. Der Mann hatte lange Beine und war, seiner Statur nach, garantiert sehr kräftig. Trotzdem wollte sie ihm unbedingt die Stirn bieten. Sie hasste es, ängstlich zu sein. Sie war emanzipiert! Frauen hatten ein Recht darauf, nachts durch die Stadt zu laufen.

„Vielleicht hat er eine Waffe! Was ist, wenn er Geld will und ihm nicht reicht, was wir ihm geben können? Vielleicht ist er ein Drogenabhängiger auf Entzug, der jeden Moment unkontrolliert ausflippen kann!“ Callies Stimme wurde immer atemloser.

„Reiß dich zusammen!“, befahl Betty rüde. „Falls er uns angreift, schreien wir so laut wie möglich und treten ihm in die Eier und gegen die Schienbeine. Kapiert?“

„Okay.“

Mittlerweile waren sie und der Typ sich immer näher gekommen. Plötzlich kicherte Callie schrill. „Das ist der heiße Automechaniker!“ Sie blieb stehen und stemmte die Fäuste in die Taille. „Hey, du Spinner! Macht es dir Spaß, Frauen zu stalken?“

„Wie bitte?“ Seine Stimme war leise und tief vibrierend, sodass Betty glaubte, sie körperlich zu spüren.

„Du wusstest doch, dass Betty jetzt Feierabend hat“, keifte Callie weiter. „Du hast dich hier versteckt, um uns zu beobachten und uns Angst einzujagen!“

Betty zog die Augenbrauen zusammen. „Halt den Mund“, murmelte sie. Seit sie Dylan vor Wochen versehentlich beim Telefonieren belauscht hatte, wusste sie, dass der Typ gefährlich war. Einen Kerl wie ihn zu reizen, war vermutlich keine gute Idee.

Vielleicht trieb er sich nachts in dem kleinen Park herum, weil er sich mit Komplizen traf, mit denen er irgendwelche illegalen Geschäfte machte.

„Geh weiter. Sieh ihn nicht an“, zischte sie Callie zu.

Dylan antwortete nicht auf Callies Anschuldigungen. Er ignorierte sie, steckte die Fäuste tief in seine Hosentaschen und lief mit großen Schritten an ihnen vorbei, in Richtung Hauptstraße.

Callie blieb stehen und sah ihm nach. „Arschloch.“

Betty zog sie weiter. „Vergiss ihn, und rede nicht darüber, dass wir ihn hier um diese Zeit getroffen haben. Ich habe keine Lust, als vermeintliche Zeugin von irgendwas umgebracht und irgendwo verscharrt zu werden.“

„Was meinst du?“

Kapitel 3

Ende Mai

Das Poltern an ihrer Zimmertür war so laut, dass Betty zusammenzuckte und fast von ihrem Sessel gefallen wäre. Die Tür sprang auf, ehe sie den Störenfried hereinbitten konnte, und Callie strahlte sie an. „Heute Abend gehen wir in einen neuen Club!“

Betty stöhnte. „Ich brauche mal eine Pause, Süße.“

„Aber doch nicht ausgerechnet heute!“

„Wir waren diese Woche drei Mal unterwegs, und ich habe mir ein spannendes E-Book runtergeladen, das ich lesen möchte!“ Sie hielt demonstrativ ihren Reader hoch.

„Die drei Mal sind schon vier Tage her.“ Callie grinste breit.

„Und ich hatte an diesen vier Tagen Spätschicht im Restaurant und morgen muss ich auch bis dreiundzwanzig Uhr arbeiten!“ Betty wimmerte. „Ich möchte einfach nur mal abhängen.“

Callie zog einen Schmollmund. „Ich habe doch nur noch ein paar Tage frei. Ab dem Ersten muss ich arbeiten.“ Sie hob die Hände mit einer flehenden Geste vor ihr Gesicht. „Bitte, Betty! Sobald ich in der Küche des Green Castle anfange, werden wir total solide. Ich verspreche es! Ich schwöre!“ Sie hockte sich zu Betty auf deren Sessellehne. „In der Nähe von Stanford und Denton gibt es einen Club. Er liegt zwischen den beiden Orten und ist ein absoluter Geheimtipp. Dort wird jeden Mittwochabend Livemusik gespielt. Da soll irre viel los sein. Ich muss das unbedingt sehen!“

Betty lehnte seufzend den Hinterkopf an die Kante des Sessels. „Das ist fast eine Stunde Fahrtzeit.“

„Es lohnt sich ganz bestimmt!“

„Morgen.“

„Nein, ich muss heute hin.“

„Warum?“

„Weil heute die Band spielt, die besonders gut sein soll. Bitte. Bitte. Bitte. Bitte. Bit…“

„Okay, aber das ist das letzte Mal, dass ich mich von dir überreden lasse. Ich bleibe nüchtern und fahre. Pünktlich um Mitternacht verlassen wir den Club und machen uns auf den Rückweg. Wir bleiben keine Minute länger als vierundzwanzig Uhr und wir nehmen keinen Typen mit, ist das klar?“

Callie sprang auf, juchzte und fiel ihr um den Hals. „JA! Super! Ich liebe dich!“

Sie rannte aus dem Zimmer. Kurz darauf hörte Betty eine Schranktür klappen und ein Murmeln, das sich als „Scheiße, was ziehe ich bloß an“ entziffern ließ.

Seufzend erhob sie sich und öffnete ihren Kleiderschrank. Wieso hatte sie sich schon wieder überreden lassen? Wieso konnte sie nicht ein Mal Nein sagen?

Betty ging gern aus, sie war gesellig und feierte gern, aber Callie war geradezu süchtig danach, Alkohol in sich hineinzuschütten und Männer aufzureißen. Und nichts anderes wollte sie auch an diesem Abend. Allmählich nervte das, denn sie kannte keine Grenzen. Jedes Mal, wenn sie zusammen ausgingen, trank Callie so viel, dass sie sich hemmungslos und wahllos Männern an den Hals warf, die ihren Zustand nur zu gern ausnutzten.