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Drei Elben-Geschichten in einem Band: Lirandil, der uralte Fährtensucher der Elben, gelangt auf einer seiner Reisen ins Land Marana. Ein dunkles Geheimnis lauert hinter den Mauern von Burg Kavan auf ihn, wo er den Letzten aus dem Volk der Sechs Finger begegnet, das einst das Zwischenland beherrschte... Die Feuerschale von Sundam wurde gestohlen, eine Dunkelelbin steht im Verdacht die Diebin zu sein. Gemeinsam mit ihren beiden Freunden bei der Stadtwache bekommt sie zwei Vollmondzyklen Zeit ihre Unschuld zu beweisen. Wird sie es schaffen? Ein Dieb muss in Ashkor einen besonderen Auftrag ausführen - und ein Elb hört mit seinen feinen Ohren zu - ein Abenteuer aus dem Zwischenland der Elben. Der vorliegende Band enthält die Erzählungen LIRANDIL - DER FÄHRTENSUCHER DER ELBEN, DIE DUNKELELBIN UND DIE FEUERSCHALE VON SUNDAM und DER DIEB VON ASHKOR.
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Seitenzahl: 113
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Alfred Bekker
Hendrik M. Bekker
Elben-Legenden
© 2012 Digitalausgabe AlfredBekker/CassiopeiaPress
Ein CassiopeiaPress E-Book
www.AlfredBekker.de
1. digitale Auflage 2015 Zeilenwert GmbH
ISBN 9783956174254
Cover
Titel
Impressum
LIRANDIL – DER FÄHRTENSUCHER DER ELBEN
Die Dunkelelbin und die Feuerschale von Sundam
Der Dieb von Ashkor
von Alfred Bekker
Es war aber einige Zeit ins Land gegangen, nachdem Daron König von Elbiana wurde und seinem Vater Keandir auf den Thron folgte. Da ging Lirandil zu seinem König und sagte: „Ihr seid der vierte Elbenkönig, dem ich lange und treu gedient habe. Schon im Auftrag Eures Urgroßvaters Péandir durchstreifte ich als junger Fährtensucher die Wälder und Gebirge von Athranor, der alten Heimat der Elben. Später diente ich seinem Sohn Eandorn, als die Elben von Athranor aus auf die große Seereise gingen und sich für mehr als eine Ewigkeit im Nebelmeer verloren, ehe schließlich unter der Herrschaft Eures Vaters, des ruhmreichen Königs Keandir, das Zwischenland erreicht und das neue Reich von Elbiana gegründet wurde. Auch diesen Kontinent erforschte ich – zuerst auf Geheiß Eures Vaters, später auf das Eure, mein König.
Jetzt aber, nach all Jahrtausenden des treuen Dienstes an der Elbenheit, erbitte ich Zeit für mich selbst, denn ich will auf eine Reise gehen, die mich weiter fortführen wird, als alle meine bisherigen Reisen zuvor!“
„Zumindest seit der großen Seereise des Elbenvolkes von Athranor zur Küste des Zwischenlandes, die Ihr ja noch erlebt habt, werter Lirandil“, schränkte Daron ein.
„Wer weiß …“, gab Lirandil zurück.
König Daron aber ließ eine Falte auf seiner ansonsten vollkommen glatten Stirn erscheinen. „Eure Bitte sei Euch gewährt! Niemand hat sich dies mehr verdient, als Ihr!“
„Ich danke Euch, mein König!“
„Aber gestattet Ihr mir eine Frage?“
„Gewiss!“
„Wo ist das Ziel Eurer Reise? Wonach sucht Ihr da draußen, was Ihr hier in Elbiana nicht zu finden vermögt?“
„Es sind die Gestade der Erfüllten Hoffnung – Bathranor! Einst glaubte auch ich, dass der zwischenländische Kontinent mit diesen Gestaden identisch wäre. Aber wir alle wissen inzwischen, dass dies nicht der Fall ist!“
König Darons Blick wurde nachdenklich. „Ja, ist mir wohl bewusst …“
„Ich brauche Gewissheit, mein König!“
„Das verstehe ich nur zu gut, mein getreuer Fährtensucher!“, erwiderte Daron. „So geht und kehrt wohlbehalten zurück, sodass Ihr mir berichten könnt. Falls Ihr aber nicht zurückkehren werdet, so werde ich hoffen, dass es daran liegt, dass Ihr Euch dem Zauber jener seeligen Gestade ergeben habt und es vorzieht, im Wahren Bathranor zu bleiben, was Euch niemand verübeln wird!“
Nachdem Lirandil sich verabschiedet hatte, ging er zu Sarwen, der Zwillingsschwester des Königs, die in jenen Tagen die Oberste Schamanin der Elbenheit war. Sarwen gab Lirandil einen Trank, der die Klarheit des Geistes und die Schärfe der Urteilskraft zu erhöhen versprach. „Beides werdet Ihr auf dieser Reise mehr brauchen, als jemals zuvor“, prophezeite Sarwen. „Die vergessenen Namenlosen Götter unserer Vorfahren mögen Euch gnädig sein, die verklärten Totenseelen der Eldran mögen Euch bewachen und Euch ihren Rat zukommen lassen – und die verfluchten Schattenkreaturen der Maladran mögen sich von Euch fernhalten und Euch mit ihren üblen Gedanken verschonen!“
Und so zog Lirandil von dannen.
Als er das Stadttor von Elbenhaven verließ, ritt er nicht auf einem Elbenpferd, dass sich allein mit der Gedankenkraft seines Reiters lenken ließ, sondern auf einem gewöhnlichen Menschengaul, der an einem primitiven Zügel gehalten werden musste und nicht in der Lage ist, den Willen seines Herrn von allein zu erkennen.
Aber Lirandils Absicht war es, unter den Sterblichen nicht allzu sehr aufzufallen. Und da Elbenpferde in den Ländern der Rhagar unüblich waren, nahm der Fährtensucher diese Unbequemlichkeit in Kauf.
(Aus der Chronik des Fährtensuchers)
*
Viele Fährtensucher hat es unter den Elben gegeben – aber Lirandil war derjenige von ihnen, der diese Kunst am besten verstand – und der Einzige, der sie über die Zeit der langen Seereise von Athranor ins Zwischenland bewahrt hatte.
So ward er einzigartig unter denen, die zum Volk des Lichtes gehörten.
(Aus dem Älteren Buch Keandir)
*
Lirandil aber wandte sich dem Lande Marana zu, das seit langem von den Rhagar bewohnt wurde, wie man die Menschen früher genannt hatte. Aber es gab einsame Täler dort, felsige Schluchten und durch Magie und andere Mittel verborgene Orte. Und deren Geheimnisse waren es, die den Fährtensucher lockten.
An manchen dieser Orte konnte es sein, dass man sie durchquerte ohne etwas von ihrer wahren Natur zu sehen. Kam man ein zweites mal dort hin, zog man jedoch durch ein völlig verändertes Land und war in einer anderen Ebene der Existenz gefangen. Aber Lirandil konnte nichts schrecken. Auch die Aura einer tödlichen Form übelster Zauberei nicht, die aus einer Fäulnis des Geistes gewonnen worden war, wie kein Elb sie sich auch nur vorzustellen vermochte.
(Der Chronist von Elbenhaven)
*
Der Tod-in-Gestalt trug eine dunkle Kutte, deren Kapuze tief heruntergezogen war. Sein wahres Gesicht lag im Schatten, ganz gleich, wie das Licht fiel. Aber das war vielleicht auch besser so. Ein Ahnungsloser ist er, dachte der Tod-in-Gestalt, der auf einem kargen Hügel stand, von dem aus man die Umgebung überblicken konnte. Ein Punkt hob sich in der Ferne ab, für das menschliche Auge kaum sichtbar. Der Tod-in-Gestalt brauchte keine Augen, um zu wissen, wer es, war, der es wagte, sein Reich zu betreten. Ja, es konnte nur ein Unwissender sein. Ein Narr.
Der kleine schwarze Punkt wurde größer.
Ein Reiter bildete sich daraus.
Er ritt in scharfem Galopp.
Aber er würde zwangsläufig langsamer werden, wusste der Tod-in-Gestalt. Es war immer dasselbe. Zu oft hatte er es mit angesehen.
Ich bin gespannt, ob der Fremde bleiben wird, überlegte der Tod-in-Gestalt. So wie die vielen anderen Narren …
*
Ein Land des Todes, dachte der einsame Reiter. Eine Art Wüste, die nicht durch das Klima geschaffen zu sein scheint, sondern …
Lirandil ließ sein Pferd anhalten. Der weitgereiste Fährtensucher aus dem nahezu unsterblichen Volk der Elben hatte sich daran gewöhnt, dass die Pferderassen aus der Zucht der Menschenvölker, der Halblinge oder der Blaulinge nicht auf die Kraft eines Gedanken reagierten, wie es bei den Rössern der Elben der Fall war. Stattdessen mussten sie mit Hilfe von Zügeln gelenkt werden. Fast so, wie in der Alten Zeit in Athranor, bevor die Elbenpferde gezüchtet worden waren!, erinnerte sich Lirandil. Aber diese Zeiten waren schon so fern, dass er manchmal das Gefühl hatte, die Erinnerung daran, wie er als junger Fährtensucher im Auftrag des Elbenkönigs Péandir die Wälder und Gebirge von Athranor durchstreift hatte, würden langsam aber sicher verblassen. In anderen Momenten jedoch standen sie ihm wieder in so großer Deutlichkeit vor Augen, dass man glauben konnte, all das sei erst gestern oder im letzten Jahrtausend geschehen – und nicht schon Zeitalter zuvor.
Schon als er mit der Elbenflotte das Zwischenland erreicht hatte, war Lirandils Haar grau gewesen. Und grau war es über viele Zeitalter geblieben. Inzwischen war es fast weiß und fein wie Elbenseide. Seinem Körper allerdings hatte die lange Lebenszeit nichts anhaben können – ebenso wenig, wie die Schärfe seiner Elbensinne in dieser Zeit nachgelassen hatte. Und sein Gesicht wirkte alterslos.
Der Weg zur Küste von Marana führte hier her. Und dorthin wollte er. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als diesen Weg zu nehmen, auch wenn ihm dabei unwohl war.
All die feinen Sinne des Fährtensuchers sträubten sich dagegen. Er spürte die Gefahr und die Anwesenheit des Todes, auf diesem Landstrich wie ein albtraumhafter, grauer Schatten zu liegen schien.
Und doch …
Da war auch etwas, was ihn geradezu magisch anzog.
Vielleicht bin ich hier einem der Geheimnisse, nach denen ich forsche, näher, als ich des je zu hoffen gewagt hätte!, ging es dem bleichen elbischen Reisenden durch den Kopf. Aber zwischen seinen schräg gestellten Augen bildete sich eine Falte des Zweifels. Die Kraft der Finsternis, sie muss hier mächtiger sein, als an vielen anderen Orten, die ich besuchte!, drängte sich Lirandil ein plötzlich aufkommender Gedanke auf und ein mattes Lächeln umspielte plötzlich seinen dünnlippigen Mund. Am Ende siegte bei ihm doch immer die Neugier über all das, was man Furcht oder Ehrfurcht oder vielleicht sogar Vernunft nennen konnte. So war es schon in der Zeit vor der Seereise der Elben gewesen, als er ein junger Elbenkrieger war und in weit entfernte Gebiete von Athranor vordrang, von deren Existenz man im Elbenreich auf König Péandirs Burg schon lange nichts mehr gehört hatte.
Vergessene Länder hatte Prinz Sandrilas diese Gebiete oft genannt. Jetzt, so viele Zeitalter später, musste der nahezu unsterbliche Lirandil feststellen, dass er sich an jene Zeit manchmal kaum noch zu erinnern vermochte. Sie versank wie hinter einem Nebel und der Fährtensucher fürchtete schon, dass diese Erinnerungen eines Tages vollkommen verblasst waren.
Nun ließ er den Blick über die Ödnis streifen, die vor ihm lag.
Eine Aura unvorstellbaren Alters schien über dem kargen, steinigen Land zu liegen, das sich von Horizont zu Horizont erstreckte und durch schroffe Berge begrenzt wurde.
In jener Herberge, in der Lirandil die letzte Nacht verbracht hatte, hatte man ihn eindringlich davor gewarnt, hier her zu reiten. Aber mehr als ein paar düstere Andeutungen waren es nicht gewesen, die dem Wirt zu entlocken gewesen waren und so hatte Lirandil beschlossen, nichts weiter darauf zu geben und seinen Weg einfach fortzusetzten.
Man konnte ihm sicher vieles nachsagen, aber nicht, dass er ein ängstlicher Mann gewesen wäre, der sich allein durch das Geschwätz eines Wirts in Furcht versetzen ließ. Übermäßige Furcht war ihm von Natur aus nicht eigen gewesen – und je länger sein Leben währte, desto geringer wurde sie. Was konnte es schließlich noch zu fürchten geben, wenn man schon so viele Gefahren bezwungen hatte, dass selbst der Geist eines Elben kaum ausreichte, sich ihrer aller genau zu erinnern?
Lirandil verengter den Blick und schärfte ihn dabei, wie es nur einem Elben – und unter diesen nur einem ausgebildeten Fährtensucher! – möglich war.
Beim Anblick dieser Einöde stockte ihm der Atem.
Ein eigenartiger Geruch lag in der Luft. Ein Geruch, der nicht zu diesem toten Ort passen wollte, weil er Leben voraussetzte. Wenn auch vergangenes Leben. Selbst der schwache Geruchssinn eines Menschen hätte in diesem Augenblick einen Hauch von Moder und Verwesung wahrgenommen. Lirandil kam es im ersten Moment wie ein die Sinne betäubender Gestank vor, bevor er sein Geruchsvermögen willentlich so weit herunterdämpfte, dass es zu ertragen war.
Und dennoch: Der Geruch des Verfalls, kalt und erstickend wie in dunklen, uralten Grabhöhlen, blieb unverkennbar.
Alles Lebendige schien aus irgendeinem Grunde aus diesem Landstrich geflohen zu sein, nur nackter Stein und kahler Fels waren geblieben.
Aber Lirandils Weg führte ihn nun einmal hier her, und wenn ihn auch bei dem Anblick, der sich ihm in diesem Moment bot,ein kalter Schauder überkam, so hatte er doch keinerlei Neigung, einen Umweg zu reiten. Nein, so leicht ließ er sich nicht von seinem Weg abbringen.
So leicht nicht …
Er blicke sinnend in die Ferne.
Seine Augen wurden schmal dabei und sein Herz schien sich anzufühlen wie ein kalter Stein.
Empfindungen von eigenartiger Düsternis überkamen ihn. Ihn fröstelte innerlich. Was ist nur mit mir?, fragte er sich. Er konnte es nicht erklären. Er murmelte eine magische Formel, die ihn beruhigen und sein inneres Gleichgewicht stärken sollte. Aber diese Formel blieb ohne Wirkung.
Nur weiter, keine Gedanken machen, nicht grübeln …
So trieb Lirandil sein Pferd voran, aber selbst das Tier unter ihm schien ein instinktives Gespür dafür zu haben, dass es vielleicht besser war, diesen Landstrich zu umreiten.
Ein schreckhaftes, angstvolles Menschenpferd eben.
Es scheute, bewegte sich nur widerwillig vorwärts. So widerwillig, dass Lirandil ihm die Sporen geben musste, was der Elbenkrieger als barbarisch empfand.
Nach einiger Zeit kam Lirandil an verlassenen Dörfern vorbei, in denen schon jahrelang kein Mensch mehr zu leben schien.
Vielleicht war es eine schreckliche Seuche gewesen, die diesen Landstrich entvölkert hatte, vielleicht auch eine besonders verheerende Dürre.
Lirandil wusste es nicht.
Es dauerte nicht lange, da sah er in der Ferne, auf einer Anhöhe die Silhouette einer Burg auftauchen, die sich düster gegen den grau gewordenen Himmel abhob.
Lirandil hatte wohl ein wenig die Orientierung verloren, jedenfalls hatte er nicht die geringste Ahnung, wessen Herrensitz diese Burg wohl sein mochte.
Doch je näher er ihr kam, desto verlassener wirkte sie auf ihn. Gerade so, als ob auch aus ihr alles Leben geflohen war …
Es war schon spät.
Bald würde die Nacht hereinbrechen und Lirandil hatte keine Lust, unter freiem Himmel zu schlafen. Er hätte auf den Schlaf auch eine Nacht oder sogar mehrere verzichten können. Schließlich war er ein Elb. Und das Schlafbedürfnis der Elben war viel geringer als das der Menschen. Seines hatte jedoch in den letzten Jahrhunderten (oder schon in den vergangenen Jahrtausenden?) zugenommen – und zwar in demselben Maß, wie seine Neigung, sein Haar mit Hilfe von Magie daran zu hindern, weiß zu werden oder diesen Prozess sogar rückgängig zu machen, geschwunden war. Manches hatte sich geändert seit den Tagen, da er noch mit seinem Schüler Olfalas auf Elbenpferden durch die Menschenländer geritten war – und nicht auf den vergleichsweise wenig feinsinnigen und schlecht gehorchenden Tieren der sterblichen Menschen. In ihrer Unfähigkeit zu wirklich guter Pferdezucht glichen sich die Menschenvölker. Auf die Tagoräer traf das ebenso zu, wie auf die Rhagar, die sich im Zwischenland seit den Zeiten, als Lirandil an der Seite von König Keandir an der Aratanischen Mauer gegen sie gekämpft hatte, in viele verschiedene Völker aufgespalten hatten. Völker, die allerdings oftmals noch dieselbe oder wenigstens eine ähnliche Sprache einte.
Lirandil blickte zur Burg.
Seinen Elbenaugen tat das viele Licht nicht gut. Lirandil murmelte eine Formel, die ihm dabei half, diese Bedrohung für seinen Gesichtssinn erst einmal abzuwehren.
Außerdem konnte er sich nach dem Weg erkundigen.
So hielt auf die Burg zu.
Vor dem Tor befand sich ein offenbar ausgetrockneter Graben. Die Zugbrücke war hochgezogen.