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Tim kommt vom Dorf in die große Stadt. Im Studium muss man es mal so richtig krachen lassen, denkt er. Und weil man bi mehr vom Leben hat, ist er offen für alles. Als er Gabriel trifft, ist sogar noch viel mehr drin, als sich Tim hat träumen lassen. Die beste Gelegenheit, die Freiheit zu genießen.
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Veröffentlichungsjahr: 2017
Ich studierte Soziologie in Heidelberg. Ganz klassisch. War aus Drocklitz im Osten in eine für meine Begriffe große Stadt gezogen und hatte mich ziemlich rasch eingelebt. Einzug ins Wohnheim, erste Kurse, neue Gesichter. Vom Schüler zum Studenten, vom Dorf in eine Universität, in der ein freier Geist herrschte. Es dauerte einige Wochen, bis ich mich eingewöhnt hatte. Drocklitz hing wie eine Doppelbelichtung über allem, was ich sah. Ständig verglich ich die neuen Eindrücke mit den Erinnerungen. Kulturclash statt Kühe, Touristen statt Traktoren, Mensaessen statt Mutters Kartoffelauflauf. Heimweh? Vielleicht. Die Angst vor Veränderungen? Ganz sicher.
Vor allem aber spürte ich noch immer die Fesseln meiner spießigen, kleinbürgerlichen Welt. Soziologie? Was willst du denn damit? Studier doch lieber etwas mit Landwirtschaft. Oder BWL. Oder mach eine Ausbildung.
Nach der ersten Party jedoch, nachdem ich mich für Sportkurse eingeschrieben und die Einführungsveranstaltungen besucht hatte, ließ ich Drocklitz langsam hinter mir. Nur in den Träumen ging ich immer wieder, verabschiedete ich mich von meinen Freunden aus der Schulzeit.
Jede Nacht aufs Neue sah ich die vertrauten Gesichter vor mir und spürte den Verlust noch lange, nachdem ich schweißgebadet aus dem Schlaf geschreckt war. Das Herz wie ein rumpelnder Mühlstein in meiner Brust und die Augen brennend, als wären sie entzündet.
Gunnar war der erste Kommilitone, den ich an mich heranließ. Wir kämpften uns durch die ersten Seminare, schrieben gemeinsam an unseren Hausarbeiten und vertrieben uns die Zeit in den Copyshops, um die Reader zu kopieren.
An eine Sache jedoch musste ich mich nicht lange gewöhnen: nackte Haut. Mit den steigenden Temperaturen schrumpften die T-Shirts auf ein Minimum, wurden Streifen nackter Haut über Gürteln sichtbar. Es war Frühling, die Zeit des Werdens. Noch so viel vor. So viele Gelegenheiten, die ich nutzen musste.
Ich hatte meine Sexualität erst spät entdeckt, und das auch nur durch Zufall hinter der Scheune. Sie hieß Doreen und ließ mich fummeln. Zu mehr fehlte es ihr an Mut und mir an Entschlossenheit. Sie war nett, und ich mochte ihre feuchte Stelle zwischen den Schenkeln, und auch ihre großen Brüste machten mich an. Aber ich hatte schon damals gespürt, dass sie nicht alles war, was ich begehrte. An Jungs hatte ich damals nur im Traum gedacht. Vor allem aber dort.
Mein Vater hätte mich mit der Mistgabel aufgespießt, hätte er von diesen Träumen erfahren.
Auf den vielen Partys zum Semesterbeginn schleppte ich immer wieder eine Studentin ab. Es war, was von mir erwartet wurde, als typischer heterosexueller Mann aus der Provinz, dem man eher eine Liebesbeziehung mit der hübschesten Kuh nachsagte als mit dem Knecht.
Und es war nicht so, als gefiele es mir nicht. Aber immer wieder stellte ich mir in den Seminaren vor, wie es in meinen Träumen gewesen war, damals, in der Schule.
Als ich eines Tages nach einer Party aufwachte, lag sie neben mir auf dem Bauch, ins Kopfkissen sabbernd, ein Arm über mich gelegt. Die Sonne schien durch das Fenster. Ich streckte mich, mein Herz pumpte Blut, schwer und voller Restalkohol in meinen Kopf. Sofort hatte ich das Gefühl, mein Schädel würde platzen. Ich presste die Augen zusammen. Mir war flau. Ob ich überhaupt eine Aspirin im Magen behielt, war noch nicht entschieden.
Neben mir eine Bewegung auf dem Bett. Mia drehte sich. Immerhin hatte ich ihren Namen gleich parat. Wäre nicht das erste Mal.
»Hi«, sagte sie müde und hob den Kopf. Auf der Wange quetschten sich Schlaffalten. Mist. Ich hatte sie mir schön gesoffen.
Langsam ebbte der Schmerz in meinem Schädel ab. »Morgen. Kaffee? Acetylsalicylsäure?«
»Beides bitte.«
Dann geh nach Hause und lass mich schlafen, dachte ich, doch die Vorstellung, es zu sagen, war amüsanter, als es tatsächlich zu sagen. Auch wenn es ein guter Weg gewesen wäre, sie loszuwerden. Beim Aufstehen merkte ich, dass ich nackt war. Und vor allem, dass an meinem Schwanz noch ein Kondom hing. Auf dem Weg zum Wasserkocher zog ich es ab und machte einen Knoten hinein, bevor ich es im Papierkorb entsorgte.
»Bin gleich wieder da.«
Ich schlüpfte in die Jeans, die vor dem Bett auf dem Boden lag. In der Küche sah es grauenhaft aus. Mein Mitbewohner Daniel war mit dem Abwasch an der Reihe, aber das schien er nicht zu wissen. Ich suchte nach einer sauberen Tasse. Das Vorhaben war natürlich von vorneherein zum Scheitern verurteilt.
Ich machte Kaffee und wusch währenddessen zwei Becher ab. Der Schmerz im Kopf kam und ging in Wellen. In einer Schublade fand ich zwei Aspirin. Ich nahm einen Schluck aus dem Hahn und wusch mir über der Spüle das Gesicht. Der Kühlschrank roch nach Käse. Die Milch war nicht einmal sauer, selbst Zucker gab es noch.
Als ich in mein Zimmer zurückkehrte, lag Mia noch immer im Bett. Die Decke war über die Hälfte ihres Rückens gerutscht.
»Kaffee«, sagte ich und setzte mich neben sie. Ihr Hintern war okay gewesen, aber ich hatte sie nur mit sanftem Druck dazu überreden können, sich hinzuknien. Dann muss ich dich nicht ansehen, hatte ich gedacht, oder nicht? Nach nur wenigen Stößen hatte sie sich auf die Seite fallen lassen und wir hatten in der Missionarsstellung zu Ende gebracht, was niemals auch nur annähernd wert gewesen war, aufgeschrieben zu werden.