ENDSPIEL (Retreat 6) - Craig DiLouie - E-Book

ENDSPIEL (Retreat 6) E-Book

Craig DiLouie

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Beschreibung

RETREAT - aus der Feder der bekannten Horror-Autoren Craig DiLouie, Joe McKinney und Stephen Knight! Der Wahnsinn beginnt … wenn die Welt lachend zugrunde geht! Eine unbekannte, mysteriöse Krankheit verwandelt die Einwohner Bostons in sadistische, blutgierige, irre lachende Killer - die Crazies! Nur ein tapferes Infanterie-Bataillon kämpft gegen die irren infizierten Horden an und versucht, die wenigen verbliebenen Überlebenden zu beschützen. Und das gesamte Land zu retten … Nach unzähligen Kämpfen und einer Odyssee durch das apokalyptische Amerika ist das First Battalion des 55th Infantry Regiment am Ende seiner Kräfte angekommen. Doch an der Grenze zu Florida erhält das Bataillon neue Befehle: Begeben Sie sich zur Moody Air Force Base … und locken Sie den Großteil der Klown-Streitkräfte zu sich. Lieutenant Colonel Harry Lee weiß, dass dies das Ende für das Bataillon bedeuten wird. Aber die Mission zu beenden, könnte den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen … nicht für seine tapferen Soldaten, aber für das, was von den Vereinigten Staaten von Amerika noch übrig geblieben ist. Nie hätte er gedacht, dass sein Schwur, dieses Land zu beschützen, einmal in einem Selbstmordkommando enden würde …

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Retreat 6

Endspiel

von Stephen Knight

THE RETREAT, Episode 6: FORLORN HOPE © 2022 Retreat-Series, LLC

Das ist ein fiktives Werk. Alle Charaktere, Organisationen und Ereignisse, die im Roman dargestellt werden, sind entweder fiktiv oder werden fiktiv verwendet. Veröffentlicht von The Retreat Series, LLC.www.TheRetreatSeries.com

Impressum

Deutsche Erstausgabe Originaltitel: FORLORN HOPE Copyright Gesamtausgabe © 2023 LUZIFER Verlag Cyprus Ltd. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Peter Mehler Lektorat: Manfred Enderle

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2023) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-740-2

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

Inhaltsverzeichnis

Endspiel
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Für Joe Clayton McKinney …
… wir vermissen dich, Bruder.
Du hättest den ganzen Ritt miterleben sollen.

Kapitel 1

Der Konvoi aus drei Humvees fuhr holpernd durch das Gras und steuerte an dessen Ende unter das Blätterdach einer Baumgruppe. Die Fahrer stellten die Wagen in einer Deckungsformation aus und schalteten dann die Motoren ab. Die Stille wurde nur von dem tickenden Geräusch des sich abkühlenden Metalls unterbrochen, hin und wieder akzentuiert von Vogelstimmen, die einander riefen. Muldoon beugte sich auf seinem Sitz nach vorn und spähte durch das durchlöcherte Fenster der vorderen Beifahrertür. Sie hatten in dem hohen Gras Spuren hinterlassen; Spuren, die einen Angreifer direkt zu ihnen führen würden.

Lässt sich verdammt noch mal nicht ändern, dachte er.

Die Frau hinter ihm murmelte etwas hinter der dicken Gesichtspanzerung, die sie trug. Muldoon wechselte einen Blick mit Campbell, die am Steuer saß.

»Was zum Teufel willst du, du blöde Schlampe?«, zischte Campbell mit zusammengekniffenen Augen. Ihre weißen Zähne bildeten einen starken Kontrast zu ihrer dunklen Haut.

»Es ist zu spät«, sagte Moreau. »Ihr könnt nicht gewinnen.«

»Du auch nicht«, erwiderte Muldoon.

»Das habe ich bereits. Seht euch doch um. Es ist vorbei. Alles ist vorbei. Ihr solltet mir danken.«

»Klar, mit einer Kugel.«

»Die Erde befand sich bereits im sechsten großen Massensterben«, knurrte Moreau. »Pro Jahr starben dreißigtausend Arten aus, und es wurde immer schlimmer. Der Umweltkollaps war unausweichlich, aber niemanden interessierte es. Jahrelang wurde davor gewarnt, aber es kümmerte niemand. Unsere Welt wäre sowieso in ein paar Jahrzehnten geendet. Ein Massensterben. Die Menschen hätten einander für Nahrung umgebracht. Wir haben die Sache einfach nur beschleunigt und dafür gesorgt, dass der Rest des Planeten noch eine letzte Chance bekommt, weiterzumachen …«

»Interessiert uns nicht«, sagte Rawlings. »Halt einfach die Fresse.«

»Ein paar Menschen werden überleben. So wie immer. Der große Reset. Und die Menschheit wird damit auf lange Sicht überleben, weil der Planet wieder bewohnbar sein w…«

Rawlings rammte ihr den Ellenbogen zwischen die Rippen. Moreaus Tirade endete mit einem Japsen.

»Ich sagte, du sollst die Fresse halten«, erklärte sie der Wissenschaftlerin eher müde als wütend.

Stille senkte sich in dem Humvee herab. Die Soldaten spähten aus dem Fenster, auf der Suche nach Gefahren.

»Also, wieso sind wir hier?«, fragte Campbell nach einer Minute.

»Wir warten auf das Ende der Welt«, antworte Muldoon.

»Was? Hatten wir die Scheiße nicht schon längst hinter uns?«

Kapitel 2

Der Tumult rund um Fort Stewart verschwand langsam in der Ferne, während die Kolonne sich nach Süden bewegte. Hinter ihnen stiegen am Horizont neue Rauchschwaden in den Himmel. Was von Fort Stewart noch übrig war, brannte, während die Klowns es überrannten und schließlich die verbliebenen Verteidiger überwältigten. Im Westen war eine zweite, dünne Säule aus schwarzem Rauch zu erkennen. Lee wusste, dass es sich dabei um die MLRS-Mehrfachraketenwerfer handeln musste. Sie waren zerstört worden, nachdem sie ihre Ladung an Raketen abgefeuert hatten, auf Ziele nur fünfzig Meilen vor der derzeitigen Position des Bataillons entfernt.

»Wie lautet der Plan, Sir?«, fragte Murphy. Wie gewöhnlich saß er hinter dem Lenkrad. Lees Humvee befand sich an vierter Stelle des Konvois.

»Wie, das wissen Sie nicht? Haben Sie während der OPORD geschlafen?«

»Hey, nur einen Tipp. Werfen Sie mir wenigstens einen kleinen Knochen zu, Sir.«

»Misstrauen Sie unseren Einsatzbefehlen nicht, Sergeant?«

»Ich will doch nur einen kleinen Knochen. Einen Knochen, Sir.«

»Wir wissen doch alle, was für eine Art von Knochen Sie eigentlich wollen, Murphy«, meldete sich Sienkiewicz von seinem Sitz hinter Lee.

Lee schnaubte. »Wir überspringen ein paar Meilen und sichern die Straße. Dann funken wir Muldoon an und bringen sein Team vorwärts, um sich mit der Hauptstreitmacht zu vereinigen, während Beach und seine Jungs die Aufklärung übernehmen.« Während er sprach, sah Lee auf die Karte vor sich. Die Haupteinheit des Bataillons näherte sich der Abschnittslinie Cheech. Dort angekommen würden Captain Beach und sein Team losschlagen und sich zur Abschnittslinie Chong zehn Meilen weiter begeben. Danach wartete die Abschnittslinie Splif auf sie. Lee hatte keine Ahnung, wer sich diese Namen ausgedacht hatte, und es spielte auch keine Rolle. Zumindest hatte sich irgendwer in dem Bataillon noch einen letzten Rest an Humor bewahren können.

»Und was sollen wir mit dieser durchgeknallten Terroristin machen, Sir?«

»Wir halten sie lange genug am Leben, um sie nach Florida zu bringen, Mike. So einfach ist das.«

Murphy schnaubte. »Ich glaube nicht, dass es auch nur ansatzweise einfach werden wird, Sir. Florida wird im Moment belagert.«

»Genau wie Stewart, nur tausendmal schlimmer«, sagte Sienkiewicz.

»Keine Panik, Witch. Wir schießen uns den Weg frei. Und bei diesem Abstand werden sie uns Unterstützung schicken. Solange wir Moreau haben, werden sie Himmel und Erde bewegen, um sie zu bekommen.«

»Hey Sir, wo wir gerade eine Minute Zeit haben … könnte ich mir etwas von der Seele reden?«, fragte Murphy.

Für einen kurzen Moment war Lees Interesse geweckt worden. »Worum gehts?«

»Um Major Walker. Der Typ ist ein wandelndes Werbeplakat für einen Blue Falcon«, erklärte Murphy.

›Blue Falcon‹ war die höfliche Variante für Kumpelschwein, jene Art von Soldat, die sofort einen Kameraden verraten hätte, um sich dadurch einen Vorteil zu verschaffen – eine Beförderung oder einen leichteren Dienst. Obwohl Lee mit Murphys Einschätzung grundsätzlich übereinstimmte, bestand für ihn das eigentliche Problem darin, es offen zuzugeben. Lee war der Befehlshaber dessen, was von der 1/55 noch übrig war, und Walker sein Stellvertreter. Dass Murphy seine Meinung so unverblümt aussprach, brachte Lee in Bedrängnis.

»Ich gebe Ihnen einen Rat«, sagte Lee so diplomatisch wie möglich. »Sie behalten diesen Scheiß für sich und ich vergesse, es je von Ihnen gehört zu haben.«

Murphy seufzte hinter dem Lenkrad des Humvees. »Ja, Sir.«

Lee wählte seine nächsten Worte mit Bedacht. »Wenn ich noch Captain wäre, könnten Sie so etwas zu mir sagen, Mike. Aber jetzt nicht mehr.«

»Schon verstanden, Sir.«

Plötzlich rutschte Foster aus dem Geschützturm herunter. »Aber hat er recht, Colonel?«

Lee drehte sich nach hinten in den Humvee um. »Sagen Sie mal, haben Sie Fledermausohren oder so was?«

»Was denn, Sie glauben doch nicht, dass ich diesen Sockenwichser belauschen würde?« Foster deutete mit seinem Daumen auf Murphy.

»Du klebst an jedem meiner Worte, du Homo«, antwortete Murphy. »Ich hab dich dabei erwischt, wie du an meiner Unterwäsche geschnüffelt hast, Mann!«

»Nur, weil du die Unterwäsche deiner Schwester trägst«, schoss Foster zurück.

Lee rollte die Augen und unterdrückte ein Glucksen. »Okay, Jungs.«

Foster hieb ihm auf die Schultern. »Also Colonel, hat er unrecht? Ich meine, er hat Segelohren und ist auch sonst nicht ganz zurechnungsfähig … aber hat er recht, was Walker betrifft?«

»Gentleman, diese Unterhaltung ist hiermit beendet«, sagte Lee. »Ob es Ihnen gefällt oder nicht, aber Walker ist der stellvertretende Kommandeur dieser Einheit. Es wird von Ihnen erwartet, dass Sie seine Befehle aufs Wort befolgen, ganz egal, was Sie von diesen oder von ihm als Person halten. Denn wenn Sie das nicht tun, knöpfe ich Sie mir persönlich vor. Ist das jetzt klar?«

»Ich sagte ja schon, dass ich es verstanden habe. Aber die beiden Zurückgebliebenen hier …«, Murphy deutete mit seinem Daumen auf Foster und Sienkiewicz, »brauchen immer etwas länger, besonders, wenn Sie schwierige Worte verwenden wie … na ja, überhaupt Worte.«

»Das nehm‹ ich dir übel, Murphy. Ich weiß sogar, was Delikatessen bedeutet«, sagte Sienkiewicz.

»Und wenn schon«, konterte Foster und sah zu Lee. »Sorry, Sir, aber wenn er ein Wort wie ›Delikatessen‹ benutzt, klingt das eher nach ›Glory Hole‹«.

»Tut es nicht, du Homo!«, rief Sienkiewicz.

Lee hob eine Hand. »Das reicht, Jungs … bitte, hört auf zu reden. Foster, gehen Sie wieder an Ihre Waffe.«

Foster grunzte etwas und kletterte ohne einen weiteren Kommentar wieder zu dem Geschütz hinauf. Die darauffolgende Stille war entschieden unangenehm, und Lee blickte sich in dem Humvee um.

»Jungs, ich hab euch gehört, aber der ganze Scheiß ist im Moment nicht wichtig«, erklärte er ihnen schließlich. »Walker ist der XO, und das wird so bleiben, bis wir aus Florida neue Befehle bekommen.«

Die Männer antworteten mit leisem »Hooah« und »Yes, Sir«. Lee nickte.

»Dann wäre das Thema erledigt. Jetzt kümmern wir uns wieder um die Klowns, okay? Denn das kriegen wir möglicherweise geklärt.«

Kapitel 3

Für Captain Johnny Beach sah Florida gar nicht so heiß aus.

Von seinem Versteck etwa siebzig Meter von der Stelle aus, wo seine Spähfahrzeuge die Zufahrtsstraßen überwachten, betrachtete er den großen Sammelort in dem Feld unter ihm. Seine Einheit war ausgesandt worden, mögliche Zugänge nach Florida über Hinterlandstraßen zu erkunden, und ihr zugewiesenes Erkundungsgebiet war weniger als zehn Meilen von der Grenze zwischen Georgia und Florida entfernt. Am Horizont stieg schwarzer Rauch von unsichtbaren Bränden in den Himmel auf, und der Gefechtslärm grollte unablässig wie ein endloses Gewitter. Während er hinuntersah, zischten mehrere Objekte von oben herab. Bomben, aus großer Höhe abgeworfen. Sie gingen in den Linien der Klowns nieder und ließen sie wie von der Faust Gottes in alle Richtungen davonfliegen. Beach wünschte den Angreifern, dass ihr Bombenangriff erfolgreich sein würde. Aber die Wahrheit sah so aus, dass die gesamte Landschaft vor ihm ein einziges Einsatzgebiet war. Florida wurde von den Guten verteidigt. Aber Georgia? Das war Klownland, und Beach lag auf seinem Bauch mittendrin.

Sie hatten das Feld als möglichen Sammelort identifiziert, wo sich das Bataillon – oder was von ihm noch übrig war – mit ihnen vereinen konnte, bevor sie durch die feindlichen Linien brechen würden. Colonel Lee musste gewusst haben, dass es ein ziemliches Wagnis war. So weit hinter der Angriffsreihe ihrer Truppen würde es von Klowns nur so wimmeln. Aber die Hoffnung hatte darin bestanden, dass der unablässige und unnachgiebige Kontakt mit ihren Gegnern in Florida ihre Reihen dezimieren und sie kampfunfähig machen würde. Im Großen und Ganzen war diese Einschätzung richtig gewesen. Aber die Klowns waren deswegen nicht notwendigerweise dumm und hatten das Feld als Gebiet genutzt, um sich zu sammeln und zu erholen. Während Beach zusah, tummelten sich tausende Infizierter auf der Lichtung unter ihm, warteten Fahrzeuge und Waffen, kümmerten sich um ihre Verletzten … oder töteten sie einfach. Die Wellen kehligen Gelächters, Kichern und Glucksen drangen an sein Ohr. Die Klowns waren dort, und das Bataillon besaß nicht die nötige Stärke, um sie loszuwerden.

Trotzdem verbrachte Beach ein paar Minuten damit, sie zu beobachten. Sie waren organisiert, so viel war klar. Sie hatten keine Probleme damit, ihre Ausrüstung zu reparieren, sich neu zu bewaffnen und ihre Fahrzeuge zu betanken. Sie schienen nicht übermäßig viele Fluggeräte zu besitzen, was für die 55ste ein Segen war. Das Bataillon befand sich in keinen besonders guten Zustand und würde höchstwahrscheinlich keine Luftangriffe abwehren können. Aber die Klowns waren nicht besonders gut darin, ihre Verletzten zu versorgen. Während er sie observierte, sah er mehrere verletzte Männer und Frauen, die an umgekehrten Kreuzen aufgehängt wurden. Ganz egal, wie schwer sie verwundet waren, kicherten und gackerten die So-gut-wie-Toten vor sich hin, während sich um sie herum eine kleine Gruppe scharte und sie mit allen erdenklichen Hilfsmitteln folterte, bis sie schließlich dahinschieden. Beach bemerkte außerdem die großen Einschlagkrater überall auf dem Feld. Viel größer, als dass sie von Artilleriegeschossen hätten stammen können, handelte es sich vielmehr um Bombentrichter, nur um tausend Pfund größer. General Reynolds Kommando hatte bereits das Feld bombardiert, vielleicht sogar mehrere Male. Aber die Klowns benutzten es einfach weiter. Es war wahnsinnig von ihnen, sich in derart offenem Gelände zu versammeln, aber der Umstand, dass man sie noch nicht mit Flächenbombardements ins Jenseits befördert hatte, verriet Beach, dass die Dinge in Florida vielleicht doch nicht so rosig aussahen, wie man es ihn hatte glauben lassen.

Tja, kein Tag ohne Überraschungen, oder?

Er setzte einen kurzen Bericht an seinen Sergeant ab, der zusammen mit den Fahrzeugen in einer Überwachungsposition zurückgeblieben war. Er machte sich nicht die Mühe, um den heißen Brei herumzureden, sondern berichtete, wie die Lage aussah. Das für die Truppenzusammenführung auserkorene Gebiet stand komplett unter der Kontrolle der Klowns. Sie mussten nach einer Alternative suchen. Lee würde die Nachricht nicht gefallen, aber es war ausgeschlossen, dass das Bataillon weiter nach Jacksonville vorrücken würde. Sie würden nach Westen ausweichen und ihr Glück dort versuchen müssen.

Während er ein letztes Mal seinen Blick über das Gebiet streifen ließ, spürte Beach, wie sich das Gefühl einer tiefen Depression in seiner Brust ausbreitete. Er war ein religiöser Mann, stammte aus einer tiefgläubigen Gruppe von Mormonen in Utah. Er glaubte daran, dass Gott sie unentwegt prüfte, er die Seelen seiner Anhänger auf ewig einem Test nach dem anderen unterzog. Und Beach glaubte an den Allmächtigen, das tat er wirklich.

Aber so langsam begann er zu glauben, dass das Überleben des First Bataillon nicht dem Plan Gottes entsprach. Und das nach all der Mühsal, all den Opfern, die es gebracht und all dem Guten, dass es in Seinem Namen bewirkt hatte …

Beach fürchtete, dass Gott sich von ihnen abgewendet hatte.

Kapitel 4

»Wizard, hier ist Rock.«

Lee war überrascht, die Stimme aus dem Satellitenfunkgerät zu hören, das er aus dem Underground Hotel mitgenommen hatte. Er war gerade damit beschäftigt gewesen, über Beachs Bericht zu brüten, während er gleichzeitig die Karte studierte und versuchte, eine alternative Route zu finden, der das Bataillon folgen konnte, ohne zum Stillstand zu kommen. Ein Halt so kurz vor den Angriffslinien der Klowns würde Selbstmord bedeuten. Den Lightfighters blieb nur eine Möglichkeit übrig: in Bewegung bleiben und niemals anhalten.

Rock war das Rufzeichen für Reynolds Einsatzzentrum in Florida. Sie hatten sich auf stündliche Meldungen verständigt und ihr letzter Funkkontakt war erst vor zwanzig Minuten gewesen. Dass Rock sich jetzt meldete, bedeutete, dass sich etwas geändert hatte, und Veränderungen konnten in dieser Umgebung tödlich sein.

»Rock, hier spricht Wizard Six. Bericht.«

»Wizard, wir haben neue Befehle. Halten Sie sich bereit, Sie zu empfangen. Over.«

Lee warf die Karte beiseite und klappte das Kniebrett auf, das an seinem rechten Bein befestigt war. Das war ein alter Trick, den er vor Jahren von einem Flieger gelernt hatte: Immer ein Kniebrett mit einem Notizbuch bei sich haben, sodass man sich jederzeit auf seinem Knie Notizen machen konnte. Er klappte den Umschlag des Notizbuchs zurück und zog einen Stift aus einer der Taschen seines Hemds.

»Rock, Wizard ist bereit. Sprechen Sie.«

»Wizard, Ihre Befehle lauten, sich so schnell wie möglich zur Moody Air-Force-Base zu begeben. Nachschub ist unterwegs – erwarten Sie die Paletten auf 30.976889, -82.480476. Wir sind uns nicht sicher, welches Kartenmaterial Sie nutzen, also sind GPS-Koordinaten alles, was wir Ihnen geben können. Bitte wiederholen, Wizard.«

Lee notierte sich fieberhaft die GPS-Koordinaten. »Okay, Rock, Wizard hat 30.976889, -82.480476 verstanden.«

»Bestätigt, Wizard. Suchen Sie nach vier Paletten. Sie werden sich etwas abseits der Straße befinden und in etwa zehn Minuten landen. Stocken Sie Ihre Vorräte auf und rücken Sie weiter zur Moody vor. Das Rollfeld wurde zerstört, wurde viermal getroffen. Es stehen noch ein paar Nebengebäude, aber nichts Wichtiges. Sammeln Sie sich dort und halten Sie sich so lange wie möglich versteckt. Weitere Updates folgen. Oh … warten Sie, Wizard.« Die Übertragung brach für einen Moment ab, als der Verantwortliche am anderen Ende gerade zweifellos einen weiteren Auftrag erhielt.

»Fahren wir weiter, Sir?«, fragte Murphy hinter dem Lenkrad.

»Das tun wir«, antwortete Lee. Der größte Teil des Bataillons war auf dem Weg, um sich mit Beachs Einheit zu treffen, wo sie sich neu gruppieren und dann ihren nächsten Vormarsch überdenken würden. Reynolds hatte ihm ganz offensichtlich diese Entscheidung abgenommen.

»Was zum Teufel sollen wir auf einem zerstörten Air-Force-Stützpunkt?«, fragte Murphy kopfschüttelnd.

»Wer weiß, Murphy, wer weiß«, sagte Lee. Er lauschte der stummen Funkverbindung und wartete darauf, dass sie wieder zum Leben erwachte.

»Wizard, hier spricht Rock. Wie ist es um Chef bestellt? Over.«

»Chef« war das Codewort für Doktor Courtney Moureau, die durchgeknallte Wissenschaftlerin, die an der Entwicklung des Virus beteiligt gewesen war, der völlig normale Menschen in die kichernden, lachenden Scheusale verwandelte, die nun als Klowns bekannt waren. Sie saß sicher verwahrt in einem voll gepanzerten Humvee hinter diesem, bewacht von zwei FBI-Agenten, die mit ihrem Schutz beauftragt worden waren.

»Rock, Chef ist in Sicherheit. Was erwartet uns in Moody? Over.«

»Wizard, Sie werden darauf hingewiesen, Ihre Zielvorgabe umzusetzen. Melden Sie sich wieder, wenn Sie Ihre Vorräte aufgestockt haben, und geben Sie uns dann eine geschätzte Ankunftszeit durch. Wir empfehlen, dass Sie sich auf Nebenstraßen halten. Over.«

»Verstanden, Rock. Sonst noch etwas?«

»Negativ, Wizard. Rock Ende.«

Lee sah das Funkgerät einen Moment lang an, dann schüttelte er den Kopf. Er griff wieder nach der Karte. Gleichzeitig funkte er Walker über das Bataillonsnetz an.

»Five, hier spricht Six. Befehle von Rock. Wir weichen von unserer Route ab, nach Moody. Ich schätze, dass wir ungefähr …« Er sah auf die Karte und überschlug die Route schnell im Kopf. »… hundert Minuten brauchen werden. Wir werden umdrehen müssen. Durch den Okefenokee-Sumpf können wir nicht abkürzen.« Ihre derzeitige Position führte das Bataillon eine Seitenstraße entlang, die einigermaßen parallel zum Naturschutzgebiet Okefenokee verlief. Es war eine Ansammlung von Sümpfen, die sich aus dem südlichen Georgia bis nach Florida erstreckte. Wenn das Gelände nicht so wasserreich gewesen wäre, hätte es die perfekte Route direkt nach Florida abgegeben. Unglücklicherweise war aber keines ihrer Fahrzeuge in der Lage, es durch dieses Gelände zu schaffen.

»Six … Roger.« Walker klang etwas verstimmt. »Was wartet denn in Moody auf uns?«

»Unbekannt. Aber es hat etwas mit Chef zu tun. Sie fragen immer wieder nach ihr.«

»Verstanden, Sir. Haben Sie schon eine Route geplant?«

»Negativ. Wir werden weiterfahren und Beach abfangen, dann lassen wir uns ein paar Meilen zurückfallen, um etwas Abstand zwischen uns und die Klowns zu bringen. Danach werden wir herausfinden, wo wir gebraucht werden und wie wir dorthin kommen.«

»Verstanden, Six.«

Plötzlich hatte Lee eine Idee. »Five … versuchen Sie, Geezer zu erreichen. Er hat Militärpersonal in seinem Silo, das bei der Air Force war. Vielleicht können sie uns Informationen über Moody liefern. Versuchen Sie, das sofort zu erledigen. Over.«

»Verstanden, Six.«

Nachdem sie Beachs Einheit eingesammelt hatte, wendete die Kolonne und fuhr den Weg zurück, den sie gekommen waren. Irgendwo über dem Naturschutzgebiet zog etwas eine Rauchwolke hinter sich her. Lee sah zu, wie ein Düsenjäger in einer Kreisbahn auf die Erde zuhielt. Dann verschwand er hinter der Baumgrenze. Kurze Zeit später stieg schwarzer Rauch in den Himmel. Es ließ sich nicht sagen, zu welcher Seite das Flugzeug gehört hatte, aber er hoffte inständig, dass es keines von denen war, die möglicherweise mit der Bewachung ihrer Nachschub-Mission betraut waren.

Der Konvoi hielt lange genug, damit Lee und First Sergeant Zhu sich mit Colonel Tackaberry und seinem Senior-NCO, Leon Linton, austauschen konnten. Linton hatte Zeit in Moody verbracht, und auch wenn das schon eine ganze Weile her war, erinnerte er sich immer noch an dessen grundlegenden Grundriss.

»Ich habe keine Ahnung, wieso sie uns dorthin schicken«, erklärte Linton Lee, nachdem er einige mögliche Routen auf einer der Karten aufgezeigt hatte, die ausgebreitet auf der heißen Motorhaube des Humvees lagen. »Der Weg über die Lieferstraßen durch das Naturschutzgebiet wäre aber der effektivste Weg, um dorthin zu gelangen. Ich wette, dass sie im Moment wenig befahren sein werden.«

»Sie glauben also, dass wir dort keinen Feindkontakt haben werden?«, fragte Lee.

Linton schnaubte und schüttelte den Kopf. »Sir, was ich sagen will, ist, dass wir dort eine Chance auf verringerten Feindkontakt haben werden«, sagte er. Er blickte von Lee zu Tackaberry und dann zu Zhu. Der schwarze Mann mit dem kantigen Kiefer reckte sein Kinn dem hochgewachsenen First Sergeant entgegen. »Was sagen Sie, Zhu?«

Zhu studierte einen Moment lang die Karte. Um sie herum hatten einige Lightfighter die Fahrzeuge verlassen und einen Sicherheitsperimeter um die wartenden Fahrzeuge errichtet. Es gab im Moment keine geeigneten Orte, um einen Lagerplatz aufzuschlagen, weshalb sich das Bataillon konstanter Bedrohung ausgesetzt sah. Jeden Augenblick konnten Klowns auftauchen, und selbst befreundete Einheiten konnten sie für Feinde halten und sie angreifen. Und aus der Ferne waren die Geräusche endloser Kämpfe zu hören. Lee sah auf, als er das schwache Donnern von Jet-Triebwerken hörte, sah aber nichts. Seine hauptsächliche Sorge galt einem Luftangriff, und einem solchen würde das Bataillon wenig entgegensetzen können.

»Eine gerade Route wäre vorzuziehen«, sagte Zhu schließlich. »Auf einigen dieser Straßen gibt es viele Kurven. Wie würden Sie das Gelände beschreiben, Sergeant Linton?«

»So flach wie ein Pfannkuchen, hauptsächlich. Es ist ein Sumpfgebiet. Es gibt Bäume, aber nicht genug, um ein besonders dichtes Schutzdach abzugeben.« Linton sah zu Tackaberry. »Das ist dann wohl eher Ihr Spezialgebiet, Sir.«

»Das Buschwerk dürfte dicht genug sein, dass sich darin Fußeinheiten versteckt halten könnten, aber wahrscheinlich keine Fahrzeuge«, sagte Tackaberry. »Die Tatsache, dass es sich um ein großes Areal aus Sumpfland handelt, hat Auswirkungen auf beide Seiten. Die Klowns werden keine Möglichkeit haben, schwere Fahrzeuge abseits der Straßen herbeizuschaffen. Wenn wir aber auf eine Sprengfalle treffen, sind wir gefangen, ohne eine Möglichkeit zu manövrieren.« Der große Colonel im Ruhestand sah Lee an. »Die Fahrt wird nicht leicht werden, Colonel.«

Lee hörte einen Moment lang auf, den Himmel abzusuchen. »Zhu?«

Zhu nickte. »Es wird funktionieren müssen, Sir. Ich empfehle diese Route.« Der chinesische NCO fuhr eine Straße mit dem Finger nach. Sie führte zu dem Punkt, wo angeblich der Versorgungsabwurf auf die Ankunft des Bataillons warten würde. »So direkt wie nur möglich. Dann begeben wir uns nach Norden, in Richtung Moody. Captain Beach sollte bald aufbrechen, um die Gegend zu erkunden.«

»Einverstanden. Nehmen Sie die mit und geben Sie sie an Walker, damit er die Zugbefehle herausgeben kann.« Lee deutete auf die Karten, dann sah er auf seine Uhr. »Ich würde gern in zehn Minuten bereits wieder unterwegs sein, also sorgen Sie so schnell wie möglich dafür, First Sergeant.«

»Ja, Sir.« Mit diesen Worten klaubte Zhu die Karten zusammen und trottete zu den Leitfahrzeugen.

»Dann geht’s also nicht nach Florida, Harry?«, fragte Tackaberry.

Lee seufzte. »Na ja, zumindest nicht direkt.«

»Irgendeine Idee, wieso man uns nach Moody schickt? Und wieso werden wir aufgestockt, wenn ich das richtig mitbekommen habe?« Tackaberrys blaue Augen waren hinter einer Sonnenbrille im Pilotenlook versteckt, aber Lee wusste, dass der alte Mann ihn direkt ansah, und dabei wahrscheinlich noch nicht einmal blinzelte.

»Ich weiß es nicht, Sir. Sie etwa?«

Tackaberry justierte das AR, welches an einem Riemen vor seiner Brust hing. Er wandte sich für einen Augenblick von Lee ab und suchte die umliegende Landschaft ab. Über das Rumpeln der Humvee-Motoren im Leerlauf hinweg waren die Schreie von Vögeln aus dem Naturschutzgebiet zu hören. Lee griff nach seinem M4. Tackaberry schien es nicht zu bemerken.

»Sie könnten uns von dort abziehen«, sagte Tackaberry. »Sie wollen die Frau, und sie geben uns Nachschub, damit wir lange genug kämpfen können, um sie nicht in die Hände der Klowns fallen zu lassen. Alternativ könnten sie das Bataillon aber auch als Köder benutzen.«

Lee warf dem größeren Mann einen fragenden Blick zu. »Als Köder?«

Tackaberry nickte mit dem Kopf ans Ende des Konvois, wo Moreau in einem gepanzerten Humvee zusammen mit Muldoon und seinen übriggebliebenen Banditen saß. »Sie ist der Hauptpreis. Reynolds will sie haben. Der Präsident will sie haben. Uns nach Moody zu schicken, riecht ziemlich nach einer Kriegslist. Oder nach einem Opfergang. Sie sollten sich von den hohen Tieren in Florida schnellstens klare Fakten holen, Harry. Denn wenn Sie mich fragen … irgendetwas geht hier vor.« Tackaberry räusperte sich und drehte sich wieder zu Lee. »Brauchen Sie sonst noch etwas von uns?«, erkundigte er sich.

Lee, dessen Gedanken sich bereits überschlugen, schüttelte den Kopf. »Nein, Sir. Danke für Ihre Hilfe, Sergeant Linton.«

»Aber natürlich, Colonel.« Linton hielt seine 7.62-Millimeter-Mörderwaffe gesenkt, aber schussbereit, und suchte die Büsche entlang der Straße ab.

Tackaberry begann, ans Ende der Kolonne zurückzulaufen. »Richten Sie Reynolds einen schönen Gruß von mir aus«, ließ er noch beiläufig fallen, während Linton sich ihm anschloss.

Lee drehte sich um, während der Colonel an ihm vorbeilief. »Colonel? Sie kennen General Reynolds?«

»Natürlich kenne ich ihn«, sagte Tackaberry, ohne seinen Schritt zu verlangsamen. »Er hat meinen Bruder während des DESERT STORMS umgebracht.« Der große, feingliedrige Soldat im Ruhestand lief den Konvoi ab, begleitet von Linton. Lee sah ihnen nach und schüttelte den Kopf.

Mann, ist das alles eine verrückte Scheiße.

Kapitel 5

Zuh kehrte neun Minuten später mit den Karten zurück, komplett mit den Frontlinien und Missionszielen. Lee warf einen schnellen Blick darauf und schüttelte dann den Kopf. Er deutete auf die erwähnte Abwurfstelle.

»DZ Nuts, First Sergeant?«, fragte er.

»Ich denke, es ist ein Witz, Sir. Sie wissen schon, wie in ›Deez Nuts‹.« Sofern Zhu das Wortspiel witzig fand, konnte er es gut verbergen.

»Oh Mann, das muss Millers Werk sein«, sagte Murphy mit einem Lächeln.

»Und ob«, warf Sienkiewicz ein.

»Sie kennen ihn«, fuhr Murphy fort. »Dürrer Kerl, blonder Bürstenschnitt, Pickel. Reißt ständig Witze. Sie sollten mal seine Comedy-Nummer über KFC und Colonel Sanders hören …«

»Halten Sie Ihre Klappe, Mike«, bellte Lee. Dann drehte er sich zu Zhu. »In Ordnung, Sergeant. Geben Sie die Marschbefehle raus, und dann lassen Sie uns aufbrechen.«

Zhu nickte und trat von dem Humvee zurück. »Sir.«

Das Bataillon würde beinahe vierzig Meilen des Weges zurückfahren müssen, um das Naturschutzgebiet nördlich umrunden zu können. Da sie das Gebiet erst vor weniger als zwei Stunden durchquert hatten, hatte Lee eine recht gute Vorstellung davon, was sie erwarten würde. Einem unverhofften Glücksfall zufolge war gerade erst ein Aufklärungsfahrzeug ein paar Meilen östlich von ihnen vorbeigekommen und hatte Bericht erstattet. Das stimmte Rock zuversichtlich, dass diese Route des Bataillons frei sein würde. Aber das würde nicht lange anhalten. Irgendwann würden weitere Klowns die Gegend überrennen, und Lee war sich sicher, dass sie einen Verfolgertrupp von Fort Stewart hinter ihnen her geschickt hatten, nachdem die Klowns die Artillerieeinheiten außer Gefecht gesetzt und es geschafft hatten, dort alle zu infizieren. Nun würden sie Jagd auf die Lightfighter machen. Aber die letzte verbliebene Einheit der 10th Mountain Division hatte Courtney Moreau in ihrem Gewahrsam. Und deshalb war die 55ste die große Nummer des Tages.

Und Moreau hatte höchste Priorität für Marion Gray, der ehemaligen Präsidentin der Vereinigten Staaten. Zumindest, nachdem sie die restliche Population des Landes infiziert hatte. Gray vergötterte Moreau, die als letztes verbliebenes Mitglied der sogenannten ›vier apokalyptischen Reiter‹ – jenen Virologen und Biochemikern, die den Virus geschaffen hatte, der die Amerikaner wahnsinnig werden ließ und ihre Gehirne auf eine Weise neu verdrahtete, dass sie Befriedigung im Zufügen und Empfangen von Schmerzen empfanden. Die Infizierten waren nur noch Karikaturen ihres früheren Selbst. Nach außen hin wirkten sie noch menschlich, aber in ihrem Inneren waren sie überwältigend böse geworden und davon angetrieben, ihren Mitmenschen die grässlichsten Dinge anzutun.

Jeder Kommandant wurde über die Vormarschpläne informiert. Das Bataillon würde sich zur Abwurfzone Nuts begeben und die Vorräte sichern. Danach würde sie nach Moody vorrücken, beziehungsweise dem, was davon noch übrig war. Dort, so nahm Lee an, würden sie weitere Befehle erhalten.

Er meldete an Rock, dass sich das Bataillon in Bewegung gesetzt hatte, und stellte eine Anfrage, mit General Reynolds sprechen zu können. Als man ihm dies verwehrte – Lee hatte zu keinem Zeitpunkt geglaubt, wichtig genug zu sein, um ein Vieraugengespräch mit dem Leiter der Joint Chiefs of Staff führen zu können – bat er darum, über die Hintergründe ihres neuen Marschbefehls informiert zu werden. Aber auch das wurde ihm verwehrt. Das ließ ihn unglaublich wütend werden, aber es ließ sich nicht ändern. Auch wenn er nun ein vom Schicksal begünstigter Lieutenant Colonel war, musste er immer noch genauso oft Befehle entgegennehmen wie geben. Sollten Reynolds und sein Stab zu irgendeinem Zeitpunkt beschließen, ihn in den vollen Plan einzuweihen, würden sie das tun.

Das Bataillon wand sich durch den nördlichsten Teil des Okefenokee-Nationalparks, zuerst über eine der schmalen, zweispurigen Straßen, die schließlich an einen Campingplatz führten. Das Bataillon mied diesen aber und bog bei der ersten sich bietenden Gelegenheit in Richtung Norden ab. Selbst hier wies die Landschaft Spuren der Barbarei auf. Verrottende Leichen umgaben verbrannte Wohnmobile. Ganze Familien waren hier in Stücke gehackt worden, nun Futter für Aasgeier und andere opportunistische Raubtiere. Hohe, spindeldürre Pinien und kürzere, stämmigere Palmen säumten in unregelmäßigen Abständen die Straße. Lee betrachtete die Umgebung aus seinem Humvee heraus. Sergeant Linton und Tackaberry hatten recht gehabt. Hier gab es kaum Deckung für die Fahrzeuge, Fußtruppen aber konnten sich in dem Sumpfland recht gut verbergen. Natürlich würde das nicht besonders angenehm werden. Aber die Klowns machten sich nichts mehr aus Insektenspray, Sonnencreme oder fehlenden Klimaanlagen.

Kurz vor dem Nationalpark meldete Captain Beachs Vorhut einen größeren Kriegsschauplatz. Er war gesichert worden, denn was immer sich hier zugetragen hatte, hatte sich schon vor mehreren Tagen ereignet, und es gab keine Hinweise auf Überlebende oder den Feind. Lee nahm den Bericht zur Kenntnis, tippte aber gegen Murphys Bein. Der stieg in die Geschützkanzel hinauf, während Sienkiewicz fuhr.

»Mike, bleiben Sie wachsam«, schrie Lee zu ihm hinauf.

»Zumindest werde ich darauf achten, dass Sie mir nicht noch einmal das Bein streicheln, Colonel«, antwortete Murphy.

Lee rollte mit den Augen. »Maske auf, und dann die Augen offenhalten«, wies er ihn an.

Lee sah an den Beinen des Mannes vorbei. Foster saß dösend im hinteren Teil, und der Colonel prüfte die Munitionsgurte, die aneinandergesteckt worden waren, um Murphys Kanone zu füttern. Ihr gepanzerter Geschützwagen war so gut in Schuss, wie es unter diesen Bedingungen eben möglich war.

Dann durchquerten sie das Schlachtfeld, vor dem Beach sie vorgewarnt hatte. Es konnte kein langer Kampf gewesen sein. Ein Konvoi der Klowns hatte versucht, in den Nationalpark einzudringen. Er hatte aus einem Mix aus zivilen und militärischen Fahrzeugen bestanden und war offensichtlich von Luftstreitkräften getroffen worden. Ausgehend von der Größe der Krater war einiges an schwerem Kaliber auf sie abgeworfen worden und hatte nichts als verbogene Autowracks und verwesende Körperteile hinterlassen. Murphy in seinem Geschützturm gab ein würgendes Geräusch von sich, und auch Lees Magen drehte sich um, als der Verwesungsgestank den Humvee füllte.

»Wow, das muss eine ziemliche Shitshow gewesen sein.« Foster war schlagartig munter geworden und spähte aus den dreckigen Fenstern des Humvees. Lee sah zu ihm zurück. Der Gestank schien ihm nichts auszumachen.

Einen Moment später gab Murphy einen lautstarken, brodelnden Furz von sich. Foster reagierte augenblicklich und griff nach seiner Gasmaske. »Gottverdammt, Murphy! Was zur Hölle hast du denn gegessen, Mann?«

Murphy kicherte hinter seiner Maske und schwenkte die Hüften hin und her, um den Gestank auch wirklich überall im Inneren des Humvees gleichmäßig zu verteilen.

»Darf ich ihm in die Eier stechen, Sir?«, fragte Sienkiewicz. Sein Gesicht trug einen gequälten Ausdruck. Ob von dem Gestank der Leichen oder der Entleerung von Murphys Eingeweiden, konnte Lee nicht sagen.

»Nicht jetzt, Witch«, antwortete Lee. »Fahren Sie einfach schneller und hoffen Sie, dass der Geruch der Toten Murphys Gestank vertreibt.«

Mehrere Fahrzeuge wiesen tennisballgroße Einschusslöcher auf. Lee vermutete, dass sie von Dreißig-Millimeter-Geschossen stammten, wahrscheinlich aus den Bordgeschützen vorüberfliegender A-10-Kampfflieger. Einen Moment später erblickte er Fahrzeuge, die offensichtlich von Raketen getroffen waren, mit abgetrennten Hecks und verstreut herumliegenden Leichen. Apaches, die ihre Bordkanonen und Hellfire-Raketen eingesetzt hatten.

Sienkiewicz reckte sein Kinn in Richtung eines verbrannten Pick-ups. Er war nun mit Leichen verziert, die man an dessen Seiten geklebt hatte. Ebenfalls mit Klebeband hatte man die Worte MURDER MACHINE auf die Windschutzscheibe geklebt. »Sieht aus, als hätten die dirty D’s hier ganze Arbeit geleistet, Sir«, sagte er bezugnehmend auf das Apache-Modell AH-64D.

Lee war beeindruckt. »Das können Sie allein von den Schäden ableiten?«

Sienkiewicz nahm seine rechte Hand von dem Lenkrad und deutete an Lee vorbei. »Nein, Sir, aber davon.«

Lee drehte den Kopf und sah weitere Wracks am Straßenrand liegen. Zwischen den wenigen Bäumen befanden sich auch die verbeulten Überreste eines AH-64. Das Verdeck des Helikopters war zertrümmert, und trotz des offensichtlichen Feuers nach seinem Absturz konnte er noch eine Vielzahl von Einschusslöchern in dem Flugwerk erkennen. Dieser Hubschrauber war bei seinem Angriff zu nah an den Konvoi herangekommen und hatte diesen Fehler bitter bezahlen müssen.

Während das Bataillon weiterfuhr und durch die Krater und über die aufgerissene Straße holperte, wurde die völlige Zerstörung des vernichtenden Angriffs überdeutlich. Der Klown-Konvoi, der den Versuch unternommen hatte, in den Okefenokee-Park einzudringen, war im wahrsten Sinne des Wortes gewaltig gewesen. Mehrere Meilen lang, und hin und wieder sogar auf beide Fahrspuren ausgedehnt, in einer langen Reihe aus tristem Militärgrau, poliertem Chrom und Blutspritzern, hatten die Klowns zehntausende Einheiten in Position gebracht. Einige der Brände schwelten noch und warfen ein graues Leichentuch über die Landschaft. Aasgeier mästeten sich an sich den Leichen. Einige von ihnen bewegten sich noch, stießen ihr wahnsinniges Gelächter aus, während sie in metallenen Kokons gefangen waren und durch das Wedeln ihrer dünnen Gliedmaßen auf sich aufmerksam machten. Für Lee grenzte es an ein Wunder, dass überhaupt jemand dieses Inferno überlebt haben konnte. Ganz egal, ob es sich um Klowns, normale Menschen oder Außerirdische handelte – niemand hätte der Brutalität dieses Angriffs oder der drückenden Sommerhitze standhalten können. Aber hier und da wurde er tatsächlich Zeuge von Lebenszeichen.

Aber es bat niemand über Funk um die Erlaubnis, ihnen helfen zu dürfen. Diese Leute waren auf sich allein gestellt.

Die Verwüstung erstreckte sich über mehrere Meilen hinweg. Mehrere Male musste der Konvoi des Bataillons von der Straße abweichen. Nicht nur, weil die Zerstörung so vollständig war, sondern auch, weil die gesamte Landschaft verwüstet worden war. Lee war noch nie zuvor Zeuge eines solchen Chaos gewesen. Die Klowns hatten versucht, tausende und abertausende Einheiten in dieses Gebiet zu bringen, aber die verbliebene amerikanische Militärmacht hatte diesen Vorstoß zu Schlacke verdampfen lassen. Während sein Humvee an den zerstörten Fahrzeugen vorüberfuhr, sah Lee einen Lastwagen mit der Schablonenschrift US AIR FORCE an dessen Seite. Er war nicht vertraut damit, wie die Air Force ihre Fahrzeuge markierte – die Methoden der Army genügten ihm bereits. Er reckte seinen Hals, um zu versuchen, die Nummern und Buchstaben zu entziffern. Stammte der Wagen von Moody? Er konnte es nicht sagen.

Als das Bataillon die lange Reihe aus Trümmern endlich hinter sich gelassen hatte, hatte sich dieser über fünf Meilen hinweg erstreckt. Reynolds Kommando hatte den Vorstoß der Klowns schnell, hart und auf breiter Front zerschlagen. Noch nie zuvor hatte er eine komplett aufgeriebene Brigade gesehen. Lee wurde klar, dass Reynolds noch immer ein beträchtliches Militäraufgebot zur Verfügung stand. Und auch wenn bei den von ihm befohlenen Angriffen Unschuldige getötet wurden, verstand er deren Notwendigkeit. Zweifellos waren bei dem Angriff gefangene Männer, Frauen und Kinder umgekommen, wann immer dieser auch stattgefunden hatte. Und der Angriff musste sich über Stunden hingezogen haben. Selbst die gesamte US-amerikanische Militärmacht konnte nicht so viele Opfer in einer kurzen Zeit aufhäufen – das lag auch nicht in deren Bestreben. Aber Reynolds hatte sie darauf eingeschworen, gnadenlos zu sein, und sie hatten geliefert. Im Überfluss.

Nachdem sie die Spur des Todes hinter sich gelassen hatten, lehnte sich Lee gegen den Sitz des gepanzerten Humvees. Er ließ noch einmal alles Revue passieren, dessen er gerade Zeuge geworden war … und musste feststellen, dass es selbst für seine abgehärtete und abgestumpfte Sicht auf die Dinge zu viel war. Tausende von Amerikanern ausgelöscht. Die Welt, in der er jetzt lebte, ergab einfach keinen Sinn mehr. Er wandte sich dem verstärkten Beifahrerfenster zu, spähte zu dem vorbeiziehenden Grün hinaus und fragte sich, wieso er nicht heulte. War er zu hart geworden? Zu herzlos? Die Menschen, die zu schützen er einen Eid geschworen hatte, verrotteten nun hinter ihm in der Hitze Georgias.

… und er war froh darüber.

Kapitel 6

Die Moody Air-Force-Base war völlig verwüstet.

Die Nachversorgung an der Abwurfzone Nuts war ohne Zwischenfälle verlaufen, abgesehen von vier streunenden Hunden, die plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht waren und versucht hatten, über das Bergungsteam herzufallen. Lee war der Ansicht, dass es schlimmer hätte kommen können – ein Alligator, der sich an einem Bein eines Soldaten festgebissen hätte, wäre eine größere Herausforderung gewesen als bellende und knurrende, vom Hunger in den Wahnsinn getriebene Köter. Sie hatten sie kurzerhand in den Hundehimmel geschickt.

Reynolds hatte ihnen ein wahres Füllhorn an Vorräten zukommen lassen. Im Grunde genommen alles, was ein Lightfighter brauchen konnte: tausende Schuss 5.56- und 7.62-mm-Munition, fünfhundert 40-mm-Granaten für die MK-40s, mehrere Dutzend MK-65-Splittergranaten, sogar zweitausend Schuss 9-mm-Munition, achtundvierzig M18A1-Claymore-Antipersonenminen, vierundzwanzig AT4-Raketenwerfer, weitere zweitausend Schuss vom Kaliber .50, zwölf Stinger-II-RMP-Luftabwehrraketen, sechzig hochexplosive Mörserraketen, MREs, medizinische Vorräte, hunderte Gallonen Wasser … Lee war überrascht, nicht auch noch fünfzehn Kästen Bier, zehn Pizzen und ein Amazon-Prime-Abo darunter zu finden. Diese Goldgrube war kaum zu glauben, zumal er das Flugzeug, welches für die Lieferung zuständig gewesen sein musste, weder gesehen noch gehört hatte.

Grundgütiger. Man bekommt ja fast den Eindruck, als würde sich Reynolds um uns sorgen.

Aber während sich das Bataillon ungehindert Moody näherte, verdüsterte sich seine Stimmung. Es gab unzählige Hinweise darauf, dass in dieser Region schwere Kämpfe stattgefunden hatten. Verbrannte Erde. Bombentrichter, die nach Lees Einschätzung eine Meile breit und halb so tief waren. Die Klowns hatten es bis hierher geschafft, und nur eine herkulische Anstrengung und der maximale Einsatz tödlicher Waffen hatte sie aufhalten können. Während die Kolonne weiterfuhr und sich durch Quadratkilometer der Verwüstung wand, beschlich ihn immer mehr das Gefühl, dass Reynolds und sein Stab sie auf einen Irrweg geschickt hatten. Dieses Territorium war immer und immer wieder heiß umkämpft worden. In diesem Moment, zu dieser Sekunde an genau diesem Tag, hatte Reynolds Kommando es erobert. Aber das konnte – und würde es wahrscheinlich auch – sich in den kommenden Tagen ändern. Und die 1/55th war mittendrin.

Was zum Teufel soll ich tun?, fragte sich Lee. Er wollte seine Truppen und die Zivilisten, die für sie in die Bresche gesprungen waren, in Sicherheit bringen. Aber wie sollte er das bewerkstelligen und trotzdem Reynolds’ Befehle befolgen?

Vielleicht gar nicht, war die Antwort, die ihm sein innerer Zuhörer gab. Vielleicht wollen sie nur Moreau. Vielleicht bist du entbehrlich. Dich von Boston bis an die Grenze nach Florida zu kämpfen … vielleicht bist du entbehrlich. Vielleicht sind wir alle entbehrlich.

»Alles in Ordnung, Sir?«, erkundigte sich Sienkiewicz hinter dem Steuer.

»Was?«

Sienkiewicz zuckte mit den Schultern, die Augen weiter geradeaus auf den Humvee vor ihnen gerichtet. »Ich weiß nicht, Sie haben sich nur plötzlich so komisch bewegt. Also wollten Sie jemandem den Kiefer zertrümmern.«

»Mir geht’s gut, Witch«, sagte Lee. »Tut mir leid. Alles in Ordnung.«

»Sie können es uns ruhig erzählen, Sir, das wissen Sie.« Das kam von Foster, der auf dem Rücksitz saß.

»Jungs … es geht mir gut. Ganz im Ernst.«

»Ganz im Ernst, Sie können es uns erzählen«, antwortete Foster. »Vor Kurzem waren Sie noch Captain. Das haben wir nicht vergessen, Sir.«

Lee, dessen Verärgerung wuchs, war kurz davor, aus der Haut zu fahren. Gleichzeitig aber überlegte er sich, welchen Effekt das auf diese Männer gehabt hätte, die schon so lange mit ihm zusammen waren. Er holte tief Luft und ließ sie dann in einem langen Seufzen entweichen.

»Das sind nur die Nachwirkungen von Murphys Furz«, sagte er schließlich. »Der hat mich fast umgebracht, denn ich hätte schwören können, etwas Bacon darin gerochen zu haben, und ich habe keine Ahnung, wo er den aufgetrieben hat.«

Sienkiewicz und Foster lachten.

»Ihre Nase ist besser als meine«, sagte Sienkiewicz. »Ich hab nur Chicken à la King gerochen. Und vielleicht noch eine Dose Rührkuchen.«

»Verdammt, Bruder, ich habe definitiv Streichkäse mit Jalapeno gerochen. Dieser Mistkerl muss das Zeug irgendwo horten«, sagte Foster.

»Sein Fach ist direkt neben deinem, Bro. Plündere das Zeug! Komm schon, tu uns den Gefallen!«

»Hey, was soll der Scheiß?«, rief Murphy hinter seiner Gasmaske von dem Geschütz herunter. »Zieht ihr Homos wieder über mich her? Überlegt ihr, wie lang mein Schwengel ist? Mein Spitzname im Bataillon ist nicht umsonst Dreibein!«

»Wir sprechen überhaupt nicht von dir, Soldat! Häng dich wieder an deine verdammte Kanone und mach‹ Armeekram! Obwohl ich gehört habe, dass deine Tangas echt verflucht schick sein sollen«, rief Foster zurück.

»Würdest du auch ein paar Dollars reinstecken?«

»Ich werd dir meine Faust in die Eier rammen, wenn du den Colonel umbringst, nur weil du dir da oben einen runterholst, während du an deine Klown-Stripper-Freundin denkst, du Arschloch!«, rief Foster. »Als ob du dir von deinem E-5-Gehalt eine richtig schön devote Armybraut leisten könntest, du verdammter schwuler Stripper!«

»Murph, klemmen Sie sich sofort wieder an ihre verdammte Kanone!«, schrie Lee plötzlich. »Das gilt für jeden von euch! Augen aufhalten. Wir sind hier in gefährlichem Gebiet, ihr Flachhirne, also reißt euch gefälligst zusammen!«

Nach ein paar hastig gemurmelten »Sorry, Sir«, die nicht dazu beitrugen, Lees schlechte Stimmung zu heben, wurde es still in dem Humvee. Das hatte jetzt lange genug gedauert. Sie ließen ihn im Dunkeln. Man lockte ihn in eine Falle.

Und verdammt noch mal, er wusste es.

»Sie können trotzdem mit uns reden, Sir«, sagte Sienkiewicz nach einer Minute, als das Fahrzeug seine holprige Fahrt fortgesetzt hatte. Die Kolonne näherte sich nun Moody über eine Betonstraße, die dem Anschein nach von 30-mm-Geschossen beharkt worden war. Koffer lagen offen auf der Straße, ihr Inhalt verstreut. Moody war ein Auffanglager für Flüchtlinge gewesen. Reynolds Angriff hatte auch sie erwischt. Lees Blick blieb an einem kleinen Körper hängen. Ein Junge, noch ein Kleinkind. Es hatte ihm die Beine abgerissen, und rostfarbene Striemen bedeckten den Beton. Er trug ein blaues T-Shirt und sonst nichts weiter. Ein blutverschmierter Trinkbecher lag neben ihm. Die Fliegen hatten sich bereits um ihn geschart und bedeckten die Leiche nun mit einem regelrechten Teppich aus krabbelnden Insekten. Die Natur verrichtete ihre Arbeit und löste die Toten in ihre Bestandteile auf.

Wir bringen uns selbst um, um die Klowns zu töten, dachte er, und der Anblick bewirkte, dass es sich in seinem Kopf ganz neblig und verschwommen anfühlte.

»Alles in Ordnung, Witch«, wiederholte er, auch wenn das in keiner Weise der Wahrheit entsprach. Während die Kolonne die Überreste eines ausgebrannten Dollar-General-Geschäfts passierte, sah er die verkohlten Fragmente von Männern und Frauen, die den Fußweg bedeckten. Polizisten? Personal der Air Force? Zivilisten, die ins Feuer überbordender Gewalt geraten waren? Er würde es nie erfahren. Und eigentlich wollte er es auch nicht wissen. Unablässig der Brutalität ausgesetzt zu sein, zu der Männer oder Frauen in der Lage waren, ließ ihn so hohl fühlen wie Jack O’Lantern. Bevor die Kacke am Dampfen gewesen war, war er ein Kürbis gewesen. Nun war er ein Stabsoffizier. Innerlich leer, aber immer noch einsatzfähig. Und das war es, was zählte. Für seine Truppen. Für seine Vorgesetzten.

Für ihn selbst.