MIT ZÄHNEN UND KLAUEN - Craig DiLouie - E-Book

MIT ZÄHNEN UND KLAUEN E-Book

Craig DiLouie

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Beschreibung

Wie die Welt enden wird? Nicht mit einem Knall, nicht mit einem Wimmern, sondern in einem Gemetzel! Als eine neue Pest in Form eines Tollwutvirus Millionen Menschen infiziert, holt Amerika seine Streitkräfte aus der ganzen Welt zurück, um seine Krankenhäuser und andere wichtige Gebäude zu schützen. Die Infektion weitet sich unkontrollierbar aus, die tollwütigen Opfer werden extrem gewalttätig. Lieutenant Todd Bowman führte seine Einheit durch die Schrecken des Krieges im Irak. Jetzt muss er seine Männer in New York durch einen Sturm der Gewalt führen, um eine Forschungseinrichtung zu sichern, die ein Heilmittel verspricht. Doch in dieser Mission sehen sich die Männer der Charlie Company einer schrecklichen Schlacht mit einer furchtlosen und endlosen Horde gegenüber - einer Horde, bewaffnet mit Zähnen und Klauen. WAR IS HELL - dieses Sprichwort bekommt für die Jungs der Charlie Company in dieser Apokalypse eine ganz neue Bedeutung! ---------------------------------------------------------- "Wow … Ohne Atempause in einem durchgelesen und mitgefiebert, ein tolles Buch, das einen sofort fesselt." [Lesermeinung] "Echt heftig. Wer es anfängt, liest es durch, schei... volles Kopfkino. Lesen!" [Lesermeinung] "Mitreißend, brutal und irre spannend!" [Ekki] "Der vorliegende Roman hat mich bestens unterhalten. Ich mag das Zombiegenre, gepaart mit Military-Fiction und schneller Storyline. Und dies findet man in "Mit Zähnen und Klauen" von der ersten bis zur letzten Seite. Kann man nur hoffen, dass es in nächster Zeit wieder einen ähnlich gelagerten Roman aus der Feder von Craig DiLouie geben wird." [W. Brandt - Geisterspiegel]

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Inhalte

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Impressum

Zitat

Die Welt wird nicht ohne einen Krieg untergehen

Hier kracht es schon fast wie in Bagdad

Würdest du einen Hund abknallen …

Wir haben Bajonette, die sollten Eindruck schinden

Wie man einen Polizeihubschrauber bei Grand Theft

Ich mach euch fertig, ihr Schweine!

Ich frage mich allmählich, ob wir den Irak …

Alles wird glimpflich verlaufen, Sir …

Die Cops gehen nicht ans Telefon

Wer über 30 Tage lang unerlaubt abwesend bleibt …

Auch im Krieg gibt es Regeln

Das Ekelhafteste, was ich je gerochen habe

Aus der Leitung, verflucht

Einen Platz finden, an dem wir ausharren können …

Lauf, lauf, verdammt noch mal, lauf

Ich bin Sicherheitsangestellter …

New York kam mir schon immer wie ein fremdes Land

Eine Pistole könnten wir aber auch gebrauchen

Wäre es nicht cool, wenn man jeden kaltmachen könn

Hier ist die Kacke gewaltig am Dampfen, wir tappen

In voller Kampfmontur

Hey, Army! Könnt ihr mich hören?

Wir sind nicht hier, um das Massaker von My Lai od

Genau das wolltest du vermeiden

So kann ich nicht arbeiten!

Wir versuchen, ein Heilmittel für die falsche Kran

Wirte

Keine Spur von freundlichen Truppen

So sichert ein Schützenzug ein Gebäude

Eine höhere Verpflichtung

Noch einer auf deinem Kerbholz

Zahltag

Können Sie mir helfen?

Verschwinden Sie schleunigst aus meinem Labor

Gott sei Dank ist er nicht tollwütig

Vertrauen Sie mir

Wir sind die mächtigste Armee der Welt und werden

In der Befehlskette fehlen Glieder

Das erlebt man nicht jeden Tag

Jeder Tote bedeutet eine Unterbrechung der Infekti

Je länger ich sie sehe, desto ungerechter finde ic

Entweder die oder wir, Gentlemen

Sie verdienen es nicht, uns alles wegnehmen zu dür

Kein Zurück

Wisst ihr, mein Dad …

Ein Mann, zur rechten Zeit am rechten Ort, kann et

Sicherheit am Arbeitsplatz

Trommelfeuer

Solange noch jemand lebt, besteht Hoffnung

Ich möchte dir zuerst meine Geschichte erzählen, d

Noch irgendeine, äh … letzte Bitte?

Das wesentliche Problem sind nicht die Leute, die

»Seht meine Werke, Mächt’ge, und erbebt!«

Die letzte Bastion

Ein einfaches Missverständnis

Einer unter Ihnen ist ein Verräter

Stich und Halt, bewegen. Zug und Halt, bewegen. Zu

Wir werden diese Kampfhandlung ausschließlich mit

Wir sind die US Army

Ich habe überlebt

Sie wollten eine bessere Welt schaffen

Früh genug, um mir den Arsch aufzureißen?

Wagemutig oder selten dämlich, sucht es euch aus

Ist nicht unbedingt ›Welt retten‹, aber ich lasse

Bei einer Truppe mit diesem Namen muss ich mich wo

Wenn du nicht davonrennen kannst …

Falsche Antwort

Kurz darauf regnet es Leichenteile

Ich habe keine Angst

Ein letzter Trumpf

Kontakt

Ich hatte keine Wahl

Die entgegengesetzte Richtung

Sie sind nicht umsonst so weit gekommen

Vergebliche Liebesmüh

Wem gehört die Welt danach?

Der Autor

Leseproben

Der LUZIFER Verlag

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Impressum

Deutsche ErstausgabeTitel der Originalausgabe: TOOTH AND NAIL Published by arrangement with SALVO PRESS, Nevada, USA Copyright Gesamtausgabe © 2014LUZIFER-Verlag Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Copyright Cover © 2014 Timo KümmelLektorat: Heike Müller Übersetzung: Andreas Schiffmann

ISBN: 978-3-943408-64-5

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Never will I fail my country’s trust.

Always I fight on—

Through the foe,

To the objective,

To triumph over all.

If necessary, I fight to my death.

Aus ›The Infantryman’s Creed‹

»Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen,

dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird«

Friedrich Nietzsche

Die Welt wird nicht ohne einen Krieg untergehen

Als er nur kurz die Augen schließt, schläft Private First Class Jon Mooney sofort ein, obwohl er schweißgebadet in Panzerweste und mit einem M4-Karabiner in Händen hinter Stacheldraht und Sandsäcken am Checkpoint steht. Sein Kopf fällt ihm unter dem Gewicht des Kevlar-Helms auf die Brust, vor seinen Augen beginnt es zu flimmern und er wähnt sich wieder im Irak – nur einen Augenblick lang – als Wachposten an einer Straßensperre im Bezirk Adamiyah in Bagdad, während über ihm Apache-Hubschrauber knattern, einheimische Kinder auf der Straße Kaltgetränke feilbieten und Scharfschützengewehre in Fensterrahmen auftauchen.  Sein Herz rast, die Augen irren auf der Suche nach Bedrohungen umher und fokussieren schließlich zum gefühlten hundertsten Mal die Werbetafel auf der gegenüberliegenden Seite der Kreuzung. Das breite Plakat, auf dem mehrere Models in rosafarbenem Schaumbad herumplanschen, prangt vom Dach einer Burger-King-Filiale, zwischen einem Elektronikgeschäft und einem Kleiderdiscounter. Er begreift den Sinn des Fotos nicht und weiß nicht einmal, wofür es wirbt, aber es spricht ihn an. Es macht ihm ein Angebot zur Flucht, nach der er sich geradezu händeringend sehnt, obwohl er keine Worte dafür findet. Das hier ist nicht der Irak, sondern New York City.   Der Burger King und alle anderen Geschäfte in diesem Bereich der First Avenue wurden wegen der Epidemie geschlossen, ihre Fassaden mit schwarzen Metallgittern verbarrikadiert, als sei die gesamte Straße ein riesiges Gefängnis. Verlassene Autos und Müll versperren die Fahrbahn und den Fußgängerweg, ausgehend vom Checkpoint bis zu den Straßensperren aus Beton einen Häuserblock weiter.   Eigentlich ist dies sein Zuhause. Die Wolkenkratzer Manhattans ragen über der schmutzigen Straßenszene in die Höhe und die Sonne reflektiert von ihren Fenstern. Mooney späht blinzelnd ins Licht, bis er die funkelnde Spitze des Chrysler Buildings ausmacht. Dort oben sieht alles ruhig, fast unbeschwert aus. Man könnte innehalten und eine Weile im lauen Wind ausharren.   Vor 46 Stunden noch saß er am anderen Ende der Welt mit dem Rest des 2. Platoons der Kompanie Charlie auf einer Landebahn und wartete auf seinen Flug nach Hause. Natürlich nannten sie es nicht Flucht; die Obrigkeit umschrieb es als »notfallmäßige Versetzung«, ihre Vorgesetzten am Boden sprachen von »Rückzug« und die Soldaten von einer »Riesenschweinerei«, dem »Inbegriff des Chaos« oder einer »klasse Gelegenheit, zu sterben«. Egal wie man es bezeichnete: Die Armee holte auf einen Schlag Zehntausende Einheiten zurück, während die irakische Regierung ihre Zelte in der internationalen Zone abbrach und die verschiedenen Stämme sogleich dazu übergingen, alte Rechnungen zu begleichen, wenn sie zwischen ihren fanatischen Attentaten auf die sich zurückziehenden Amerikaner Zeit dazu hatten.   Mit allem, was fliegen oder schwimmen konnte, kehrten die Soldaten nach Hause zurück und wurden an verschiedene Standorte in den Vereinigten Staaten versetzt. Die logistische Leistung des Truppenrückzugs von Stützpunkten überall auf der Welt in die Heimat war verblüffend. Mooneys Zug – Schützen der leichten Infanterie, deren Haut verbrannt war von der Sonne des Mittleren Ostens und die aus ihren Hosentaschen noch Sand schöpften – wies man diesen Abschnitt der First Avenue von Manhattan zu. Ihr Auftrag: Das Trinity Hospital absichern.   Zwar war dies nicht die Heimkehr, auf die sich Mooney während des vergangenen Jahres gefreut hatte, doch wenigstens schoss niemand mehr auf ihn.   Er zwingt seine Gedanken zurück in den Augenblick. In der Nähe des Checkpoints taucht der alte Mann wieder auf und belästigt wie gehabt jeden, der versucht, zu den Soldaten und ins Krankenhaus zu gelangen. »Ich würde an Ihrer Stelle nicht da reingehen«, gibt er zu bedenken. Er ist glatt rasiert und hat lange, graue Zotteln. Auf seinem T-Shirt steht: CLEVERSTER DUDE WEIT UND BREIT.   »Aber ich bin hungrig«, meint der Angesprochene. »Es gibt kaum mehr Lebensmittel in den Läden, und ich habe nichts.«  Mooneys Zugführer, Corporal Eckhardt, winkt eine junge Frau durch, die offensichtlich mitHongkong Lyssainfiziert ist und sich auf einen Mann stützt, der wohl ihr Gatte oder Freund ist. Sie glüht vor Fieber und leidet an Zuckungen.  »Tut mir leid«, gibt Eckhardt denjenigen zu verstehen, die nach ihnen in der Schlange stehen. »Wir verteilen auf diesem Posten keine Nahrungsmittel. Versuchen Sie es an den Adressen auf dieser Liste; die Stadtverwaltung hat sie ausgegeben.«   »Leute gehen da rein«, bemerkt der Alte, indem er jedem in Sichtweite zunickt, »kommen aber nie wieder raus.«   Der elende Bastard weidet sich offensichtlich an dieser Tatsache.   Mooney seufzt, während er dabei zusieht, wie die Menschen zwischen den verlassenen Fahrzeugen hindurchströmen, um sich in einem der zusehends schwindenden freien Betten des Trinity Hospitals behandeln zu lassen. Der Andrang der Infizierten scheint nicht abzureißen.  Jon Mooney ist seinen Militärdienst leid, aber bald hat er alles überstanden: noch 27 Tage und ein Morgenappell, bis seine Verabschiedung offiziell ist und die Army ihn gehen lässt. Dann sagt er dem Irak, New York und dem Rest der WeltAlpha Mike Foxtrot – Adios, Motherfucker.  Doch die Tage ziehen sich dahin. Wie die meisten Angehörigen seines Platoons ist er noch ein halbes Kind, 19 oder 20 Jahre alt, aber mit Abzeichen auf der Schulter, die von Kampferfahrung zeugen und sie als Veteranen ausweisen – Infanteristen: schlank, fit und hungrig.   Mooney ist erschöpft und hat bereits zu viel gesehen, das er liebend gerne vergessen würde. Er will einfach nur noch nach Hause, alte Schallplatten sammeln und bis zwei Uhr morgens vor der Glotze hängen. Vielleicht gelingt es ihm auch, wieder mit Laura anzubandeln und sich eine Wohnung zu besorgen – irgendeinen abgeschiedenen Zufluchtsort, an dem er eine Zeit lang allein sein kann.   »Nächster!«, bellt Eckhardt. »Los Leute, kommt in die Gänge.«   »Alle gehen rein, und keiner kommt wieder raus«, kräht der alte Mann.   »Mister, ich glaube, es ist an der Zeit, dass Sie Ihr Schandmaul halten«, sagt Specialist Martin von der Waffenstaffel, während er sich über sein M240 Kaliber .30 beugt, das auf einem Dreibein montiert von einem Haufen Sandsäcke aus in die First Avenue zielt. Auf dem Boden neben ihm sitzt der Ladekanonier – ein Typ, den alle Boomer nennen – und lacht.   »So gehen Sie also mit einem um …«, hebt der Alte an, ehe er sich in Bewegung setzt und davontrottet, da Martin sein Maschinengewehr gerade so weit herumschwenkt, dass es bedrohlich wirkt. »Schon klar, ihr Kerle habt den richtigen Beruf gewählt«, ruft er mit Blick über die Schulter nach hinten, während er sich torkelnd zwischen den Autos entfernt. »Ohne einen Krieg wird die Welt nämlich nicht untergehen!«   »Alpha Mike Foxtrot!«, gibt ihm Martin grinsend mit auf den Weg, woraufhin sein Ladekanonier erneut kichert.   »Einen Krieg, Bruder gegen Bruder!«, ergänzt der Mann von Weitem.

Hier kracht es schon fast wie in Bagdad

Am südlich gelegenen Kontrollpunkt wirft eine Traube von Zivilisten dem befehlshabenden Offizier des Zweiten Platoons vor, die Army halte einen geheimen Impfstoff der Regierung im Krankenhaus zurück.  Mit seinen hellblauen Augen und einem Blondschopf erinnert Second Lieutenant Todd Bowman aus Fredericksburg in Texas eher an einen Chorknaben, als an einen Soldaten. Bevor der große, aber schmächtige Junge der Armee beitrat, um hautnah zu erfahren, wie Geschichte geschrieben wird, studierte er sie als Fach am College. Obwohl er sich als fähiger Anführer bewies, hat er sich immer noch nicht abgewöhnt, verstohlene Blicke auf Sergeant First Class Mike Kemper zu werfen, einen 30-jährigen Veteranen aus Louisiana, ob dieser seine gewagtesten Befehle und tiefsten Ängste bestätigt. Kemper, seinerseits klein und sehnig mit unproportional großen Händen, ein Typ, der zum Töten wie geschaffen scheint, zwinkert üblicherweise zur Antwort. Mit rasiertem Kopf und starrem Blick schüchtert sein ganz normaler Gesichtsausdruck jeden solange ein, bis er ein Lächeln bemüht, das seine Außenwirkung drastisch verändert. Für die Jungs im Platoon ist der Sergeant ein Fels in der Brandung. Sie nennen ihn Pops.   Auf der anderen Seite der Spiralen aus Stacheldraht, die über die First Avenue gelegt und mit Sandsäcken beschwert wurden, fleht eine dicke Frau den Lieutenant an, er möge welchen Impfstoff auch immer herausrücken, den die Streitkräfte im Krankenhaus bewachen.   »Ma'am«, erwidert der Lieutenant, »weshalb würden wir diese Masken tragen, wenn wir ein Gegenmittel hätten? Wissen Sie, wie unbequem es ist, die Dinger Tag und Nacht anzubehalten?«   Die Frau sieht ihn verunsichert an. »Na ja, das könnte nur Show sein.«   »Für mich ergibt das überhaupt keinen Sinn, was Sie da sagen, Ma'am.«   »Ich werde mich hier hinstellen und nicht von der Stelle rühren, bis ich was zum Impfen meiner Babys bekomme! Verstehen Sie mich?«   Ein Mann aus der Menge wirft ein: »Also hören Sie mal Officer …«   »Wie alt sind Sie überhaupt«, unterbricht die Frau. »Zwölf?«   Der Mann fährt fort: »Sehen Sie mich an, Officer … Danke! Der Präsident der Vereinigten Staaten behauptet, Sie hätten einen Impfstoff. Weshalb sollte der Präsident so etwas sagen, wenn es nicht stimmt?«   Bowman bleibt sachlich: »Sir, unser oberster Kommandant hat keine derartigen Informationen erhalten, denn davon hätte ich bestimmt Wind bekommen.«   »Hey, ich habe gefragt, ob Sie mich verstehen können«, stichelt die Frau.   Ein zweiter Mann mischt sich ein: »Meine Frau ist krank geworden, also bat ich ihre Schwester, zu uns zu kommen und zu helfen, aber jetzt hat sie es sich auch eingefangen, und ich kann sie nicht beide kontrollieren. Sie sind in meiner Wohnung und treiben Gott weiß was, nehmen die Bude auseinander oder so. Ich brauche Hilfe; was soll ich machen?«   »Das Beste, was Sie tun können«, antwortet Bowman. »Bringen Sie die beiden doch zur Behandlung her, bitten Sie einen Nachbarn um Unterstützung oder die Polizei, falls diese die Mittel dazu hat. Ich jedenfalls kann keinen einzigen Mann von diesem Posten abrücken, um Ihnen zu helfen. Tut mir leid, wirklich.«   Einzelne Schüsse, dann eine längere Salve, entheben sich dem steten Hintergrundlärm von New York, den Lauten von acht Millionen Menschen bei ihrem Kampf ums Überleben. Bowman erstarrt vorübergehend mit einer vagen Ahnung von Gefahr, bevor er sich in die Richtung umdreht, aus der die Schüsse erschallen. Wenige Augenblicke später übertönt ein Black-Hawk-Helikopter das Geräusch, der rasch über die Häuserdächer fliegt.   Unterdessen ist Corporal Alvarez angetreten und lässt den Lieutenant wissen, im Krankenhaus wolle man ihn sprechen. Es sei dringend, schiebt er nach.   Der Mann auf der Straße redet immer noch: »Sie hören mir nicht …«   Bowman, der sein Unbehagen nicht abschütteln kann, nickt andeutungsweise und erklärt der Menge: »Wir sind hier fertig.«  Krankenhausleiter Dr. Linton und Winslow, einer von mehreren schwerbewaffneten Stadtpolizisten, die für Sicherheit im Gebäude sorgen, stehen an einem Linienbus vor der Notaufnahme des Trinity. Sie tragen Atemschutzmasken und sehen besorgt aus. Hinter ihnen warten mit demHongkong Lyssa Infizierte und ihre Verwandten in einer Schlange darauf, in den Bus einsteigen zu dürfen. Man hustet viel und schnäuzt sich die Nase, während drinnen Krankenschwestern strikt militärisch selektieren, indem sie wirkliche Opfer des Virus von Patienten mit anderen Leiden beziehungsweise von Gesunden trennen, die bloß panisch sind und sich einbilden, krank zu sein.  Die Personen mit Lyssa werden mit farbigen Armbinden in Prioritätsstufen unterteilt. Leute mit Grün werden zur häuslichen Pflege heimgeschickt; wer Rot erhält, gilt als dringender Fall und kommt auf die Intensivstation, falls dort ein Bett frei ist; Gelb hingegen bedeutet, dass man auf alle Fälle bleiben darf und warten muss, aber nicht zwangsläufig auf die Intensivstation gelangt. Schwarz bedeutet: Sie lindern deine Qualen so weit wie möglich, bis du stirbst.  Die Wahrscheinlichkeit, anHongkong Lyssazu sterben, ist hoch. Drei bis fünf Prozent aller Erkrankten überleben das Virus nicht, also doppelt so viele wie im Falle derSpanischen Grippevon 1918 und '19 Hunderttausende Amerikaner sind bereits gestorben, und weitere zwei bis drei Millionen werden ihnen voraussichtlich folgen. Genau genommen sterben gerade so viele Menschen, dass man die Leichname in Kühl-LKWS übereinanderlegt, die immerzu mit laufendem Motor auf der anderen Seite des Krankenhauses stehen, bis sie vollgeladen sind, und ihre Fracht nach New Jersey fahren, wo Massengräber für sie ausgehoben werden.  Doch nicht die Zahl der Toten ist das Problem, obwohl sie entsetzlich anmutet.  HK Lyssaist ein neuartiges Virus, ähnlich der Grippe, und wird durch die Luft übertragen. Laut Seuchenschutzbehörde geht es wahrscheinlich auf den indischen Flughund zurück und entwickelte sich so weit, dass es sich ohne Weiteres auch unter Menschen verbreitet. Es reißt dich von den Füßen wie die Grippe, äußert sich jedoch auch in weiteren Symptomen wie Zuckungen, Augenflimmern und einem strengen, milchig sauren Körpergeruch. Die meisten Betroffenen genesen zwar nach zwei Wochen, doch falls sie schwer infiziert sind und das Virus ins Hirn eindringt, führt es zum Schwachsinn: Dann findet man sie mit Schaum vor dem Mund, sie verweigern die Aufnahme von Wasser, werden paranoid und neigen zu unvermittelten Gewaltausbrüchen. Letztendlich verlernen sie das Sprechen; sie geben dann nur noch ein beunruhigendes Grollen von sich, das an ein Motorrad im Leerlauf erinnert. Seit jemand in den Fernsehnachrichten einen Vergleich mit tollwütigen Hunden gezogen hat, bürgerte sich diese Bezeichnung ein. Sie sind gefährlich, und die Soldaten wissen, dass sie vorsichtig mit ihnen umgehen müssen. Tollwütige haben schon Menschen verletzt und umgebracht, sogar ihre eigenen Familienangehörigen. Man markiert sie stets mit Schwarz, und sie alle sterben in der Regel nach drei bis fünf Tagen.  Dass die geringe Zahl der Tollwütigen den Kampf gegen eine ohnehin bereits fürchterliche Epidemie erschwert, ist jedoch ebenfalls nicht das eigentliche Problem.   Die größte Herausforderung, vor der die Vereinigten Staaten stehen, besteht in der überwältigenden Zahl von Erkrankten, die nur noch bettlägerig sind und andauernde Fürsorge benötigen. Da das menschliche Immunsystem bislang nicht mit diesem Virus zu tun hatte, besitzt es keine natürlichen Abwehrkräfte, weshalb sich nahezu jeder anstecken kann. Folglich liegt die Zahl der betroffenen Bürger im achtstelligen Bereich, darunter auch viele der Behandelnden, Hüter der öffentlichen Ordnung, Hersteller und Lieferanten von Lebens- beziehungsweise Arzneimitteln, Handwerker und Arbeiter, die dafür sorgen, dass Wasser aus den Hähnen kommt, Licht und Klimaanlagen, Kühlschränke, Fahrstühle und Gasherde funktionieren. Amerika steht kurz vor dem Zusammenbruch.   Ein Sprichwort besagt, die Nation stehe jederzeit nur drei Tage vor einer Revolution. Man verhänge einen Lieferstopp für Lebensmittel an Supermärkte und sehe zu, wie ein Land mit 300 Millionen Einwohnern, die glauben, hohe Ansprüche stellen zu dürfen und über 250 Millionen Feuerwaffen verfügen, darauf reagiert. So hat die Regierung den nationalen Notstand ausgerufen und seine Militäreinheiten aus Übersee abgezogen – um Amerika vor sich selbst zu schützen.   »Bleib nahe bei mir, Mike«, bittet Bowman den Platoon Sergeant. »Ich ahne schon, was sie diesmal wollen.«   Kemper nimmt seine Feldmütze ab und fährt sich mit einer Hand über den geschorenen Schädel. »Aber darauf vorbereiten konnten wir uns nicht. Wir sind nicht entsprechend ausgerüstet. Da heißt es Ausbildung an nicht-tödlichen Waffen, und jetzt, da wir welche einsetzen müssten, sind keine aufzutreiben«, rekapituliert er, während er seine Mütze wieder aufsetzt. »Das ganze Training für nichts und wieder nichts.«   Linton, der sie bereits erwartet, schenkt sich das obligatorische Geplänkel, die Militärs freundlich zu begrüßen, die sein Krankenhaus bewachen, und kommt sofort zur Sache.   »Lieutenant, wir haben keinen Platz mehr, um neue Patienten aufzunehmen – weder Betten, noch Personal. Die Handschuhe, Kittelschürzen und Atemmasken gehen uns aus. Wir schließen die Pforten und werden uns in nächster Zeit auf die vorliegenden Fälle konzentrieren.«   »Verstehe«, antwortet Bowman.   Der Krankenhausleiter hält ihm mit Gummihandschuhen ein Klemmbrett vor. »Ich habe die Adressen mehrerer alternativer Pflegestätten auflisten lassen. Soweit ich hörte, sind sie nach wie vor in Betrieb. Auch Sterbekliniken für die … Tollwütigen.« Der Arzt räuspert sich beim Gebrauch dieses geläufigen, aber politisch unkorrekten Begriffs. »Ich möchte Sie bitten, den Leuten da draußen zu sagen, sie sollen eine der anderen Einrichtungen aufsuchen.«   Kemper nimmt das Klemmbrett entgegen, während Bowman sagt: »Wir kümmern uns darum.«   Linton öffnet den Mund, schnappt ihn aber gleich wieder zu und sagt dann schlicht: »Danke sehr, Lieutenant.«   Bowman beobachtet, wie die Männer zurück ins Gebäude gehen, und schüttelt den Kopf.   Kemper nickt zustimmend. »Ein Haufen Arschlöcher, Sir, soviel ist sicher«, stellt er trocken fest.   Bowman seufzt laut. »Ich muss Captain West darüber in Kenntnis setzen. Mike, gib mir das Funkgerät.«

Würdest du einen Hund abknallen, könntest du ihn nicht einmal essen

Acht Tage zuvor hockte Kompanie Charlie 30 Stunden lang umgeben von ihrer Ausrüstung auf der Rollbahn der logistischen UnterstützungszoneKing Cobraim Irak, brütete tagsüber in der Hitze und fror bei Nacht, und wartete darauf, nach Hause zu kommen.King Cobrawar praktisch eine Stadt aus mit Sandsäcken verstärkten Zelten und Betonbunkern, die sich, umgeben von Stacheldraht und Wachtürmen, über mehrere Meilen in alle Richtungen erstreckte. Der fortschreitende Abzug der Armee aus dem Land verlief insgesamt so zügig und geordnet, dass man nur staunen konnte. Nichtsdestotrotz hielt allmählich das Chaos auf dem LogistikstützpunktKing CobraEinzug. Die allgemeine Verwirrung, Rebellenangriffe sowie die kontinuierliche Heidenarbeit, den Infizierten nach Möglichkeit Unterschlupf und ärztliche Hilfe zu gewähren, hinterließen ihre Spuren. Schätzungsweise 20 Prozent der Streitkräfte im Irak fingen sich Lyssa ein und litten in Quarantänezelten.  Zu jener Zeit gingen die Kameraden davon aus, nach Florida versetzt zu werden, woraus sich ein Streitgespräch über die relativen Vorzüge von Girls aus Miami im Vergleich zu solchen aus allen anderen in der Kompanie vertretenen Bundesstaaten ergab. Sie mussten laut werden, um sich Gehör zu verschaffen, weil ein paar Dieselknechte – Soldaten der Fahrbereitschaft, also Kampfunterstützungstruppen – in der Nähe begonnen hatten, einander ihren guten Musikgeschmack zu beweisen; die einen mit Gangsta-Rap, die anderen mit Heavy-Metal-Klassikern.   In der zweiten Nacht fingen die Jungs an, sich Sorgen zu machen. Niemand unter den Zuständigen schien zu wissen, dass sie dort warteten, zumal sie nichts mehr zu beißen hatten und hungrig waren. Der eine oder andere versuchte, Notrationen zu erbetteln oder zu stehlen und schaffte es nur mit Ach und Krach lebendig zurück. Man konnte nicht zur Latrine gehen, ohne von Wildhunden angefallen zu werden oder sich eine Kugel von nervösen Ersatzeinheiten einzufangen. Lyssa hatte sich auch auf die Köter übertragen, sodass man ein Gewehr mit auf den Donnerbalken nehmen musste, um sich vor Bissen zu schützen – und aus dem gleichen Grund konnte man die Tiere nicht essen, wenn man eins von ihnen niedergestreckt hatte, wie einer der Scharfschützen vom Dritten Platoon.   Ein am Rand der Landebahn geparkter Geländewagen war von einer Panzerfaust getroffen worden und brannte, wobei die erhitzte Munition für Feuerwerk sorgte. Am dunklen Himmel surrten Marine-Cobras, die zu Luftangriffen aufbrachen. Mitten in einem dicht bevölkerten Lager, in dem überall Feuer brannten, waren Wärme- und Nachtsichtgeräte nutzlos, also schossen die Kameraden Leuchtraketen in die Luft und zielten ins Blaue. Als der brennende Geländewagen explodierte, flogen flammende Metallteile 20 Meter weit in die Höhe, was die Männer zu ausgelassenem Grölen veranlasste. Ein MG-Schütze des Zweiten Platoons tauchte lachend mit einer Flasche billigem Iraker Gin auf, die er irgendwelchen Kids am Rand des Lagers abgekauft hatte und nun zum Befeuchten ausgetrockneter Kehlen rundgehen ließ. Sie genossen das sich langsam ausbreitende Brennen in ihren Mägen.   In der Ferne brach ein Feuergefecht los, dann ein zweites, und rote Leuchtspuren blitzten entlang des Stacheldrahts auf. Eine einzelne Mörsergranate sauste pfeifend mitten ins Lager und ließ Zeltteile durch die Gegend fliegen. Ein Trupp schwerbewaffneter Militärpolizisten trabte vorbei und wies jedermann an, sich zu ducken. Mit Soldaten voll besetzte Busse befuhren wie selbstverständlich die Landebahn. Ihre Scheinwerfer huschten über die ordentlich aufgereihten Zelte und Stryker-Radpanzer, während ein C130-Frachtflugzeug gefährlich nahe aufsetzte. Der Lichtkegel des Flugzeuges traf kurz auf zwei Soldaten, die einen Faustkampf vom Zaun gebrochen hatten, ehe er zur Seite schwenkte und sie wieder in Dunkelheit verschwanden. In den Quarantänezelten brüllte jemand. Weitere Schüsse fielen.   Die Mannschaft lag zitternd in ihren Panzerwesten am Boden und verwendete die Helme als Kissen, auf welchen sie von verbotenen Freuden träumten: heiße Duschen, Riesenportionen Pommes frites … und natürlich Sex. Einige waren so fertig, dass sie vom Schlafen selbst träumten oder überhaupt nicht. Mitten in der Nacht wurden sie von Schüssen in der Nähe aufgeschreckt. Irakischer Sand klebte in ihren Ohren, Mündern und Nasenlöchern. Es stank nach ölhaltigem Qualm und heißen Abgasen.  Nun ja, zu Hause wird es besser sein, dachte so mancher bei sich. Bald würde dieser Scheiß vorüber sein.  Grüne Signalgeschosse aus russischen Gewehren erleuchteten den kalten Nachthimmel über Bagdad. Die Stadt schien sich selbst in Stücke zu reißen. Das Gerücht, Milizen richteten Lyssa-Opfer öffentlich hin, machte die Runde. Wen die Tollwut packte, der durchstreifte die Stadt gemeinsam mit Tieren, die es ebenfalls erwischt hatte, und verbreitete die Seuche weiter.   Das Ausmaß dieser Katastrophe überstieg die Fassungsgabe der Soldaten.   »Wir haben es versucht«, beteuerte Private First Class Richard Boyd mit vor Zorn zitternder Stimme, während er den bunten Feuerregen in der Ferne betrachtete. »Wir haben wirklich alles versucht, aber jetzt können sie von mir aus verrecken.«   Lieutenant Colonel George Custer Armstrong, der mit silbergrauem Haar und einem Arm in einer blutbefleckten Schlinge Strenge ausstrahlte, musterte das Bataillon im Morgengrauen und hielt eine bewegende Rede, bevor sie gecharterte Flugzeuge von United und Air France bestiegen, um ihre lange Heimreise anzutreten.   Operation Iraqi Freedom sei abgeblasen worden, erklärte er ihnen. »Die Welt hat uns wieder. Wir haben eine neue Mission erhalten, die wichtiger ist, streng genommen vielleicht sogar die wichtigste, derer sich die Armee seit der Gründung der Republik angenommen hat. Wir müssen dafür sorgen, dass Amerika die Pandemie übersteht«, proklamierte er.   Die Kameraden wechselten Blicke und bemühten sich mit kurzem Grinsen um Unauffälligkeit, während sie in Reih und Glied standen. Es geschah wirklich: Sie flogen endlich nach Hause.

Wir haben Bajonette, die sollten Eindruck schinden

Jake Sherman, der Funker des Platoons, reicht Lieutenant Bowman den Hörer des SINCGARS auf seinem Rücken. »LT, War Dogs Six in der Leitung«, sagt er mit Kaugummi im Mund.  War Dogslautet das Rufzeichen der Kompanie Charlie, undWar Dogs Sixsteht für ihren Kommandanten Captain West.  »Hier War Dogs Two«, spricht Bowman in den Hörer. »Schicke ›Metallica‹, over.«  Hier War Dogs. Verstanden, 'Metallica'. Warten Sie, over … Geht klar, over.  »Bitte um passive Waffen, over.«  Warten Sie, over. Also, das ist, äh … unmöglich, over.  »Bitte um Verstärkung zur Aufstandsbekämpfung. Bestätigen Sie, over.«  War Dogs Two, ebenfalls unmöglich. Kann Ihnen nichts schicken; sind auf sich allein gestellt, over.  Der Lieutenant knirscht mit den Zähnen, ehe er weiterspricht.   »Roger, Sir.«  Sie kennen den Spruch: Herzen und Sinne der Leute gewinnen, Ende.  Bowman dreht sich zu den Gruppenführern um. Seine Schützenkompanie ist in drei Jägergruppen zu jeweils neun Mann aufgeteilt, und hinzu kommen die Überreste der noch im Irak durch Lyssa dezimierten Artilleristen sowie eine einzige Schützengruppe. Die Jägergruppen werden wiederum jeweils von einem Staff Sergeant befehligt, der leicht zu erkennen ist, da er als Einziger – abgesehen von Bowman – eine Feldmütze statt eines Helms aus Kevlar trägt. Die Männer stecken die Köpfe zusammen, um sich zu besprechen. Irgendwo im Osten in Brooklyn am anderen Flussufer werden Schüsse mit Handfeuerwaffen gewechselt.   »Gentlemen, wir verlagern unsere Position«, kündigt der Lieutenant an.   Das Platoon besetzte den Block vor der Notaufnahme des Krankenhauses, wo die Stadtverwaltung einen Bus abgestellt hat. Mit Sandsäcken fixierte Doppelspiralen aus Stacheldraht, die jeweils eine Stellung für die .30er-Maschinengewehre des Zugs umgeben, sichern beide Einfahrten in den Block.   An den Kreuzungen im Verlauf der Straße sind Betonbarrieren errichtet worden, um die Zuwege zu schließen, doch die Leute weichen einfach auf die Gehsteige aus und lassen ihre Wagen auf der Fahrbahn dahinter stehen.   Vor den Straßensperren staut sich zäh fließender Verkehr, dessen Teilnehmer sich gegenseitig anschreien und die Hände nicht von der Hupe nehmen. Betrachtet man vom nächsten Block aus, wie die Fahrzeuge Stoßstange an Stoßstange stehen, könnte man fast glauben, hier herrsche der ganz normale Alltag – zumindest für New Yorker Verhältnisse.   »Bis dato bestand unser Auftrag darin, das Krankenhaus zu bewachen und dafür zu sorgen, dass die Triage der Infizierten zügig und geordnet vonstattengeht«, erinnert Bowman. »Jetzt ist der Laden voll, was ich auch gerade per Missionscode an Colonel West weitergegeben habe. Dies bedeutet, dass die Abfertigung der Kranken ins Stocken geraten wird. In einer halben Stunde machen wir beide Eingänge dicht.«   »Das werden die braven Bürger von New York überhaupt nicht gutheißen«, führt Sergeant Ruiz an. »Könnte schnell ungemütlich werden.«   »Sir, irgendwelche Neuigkeiten bezüglich der nicht-tödlichen Waffen?«, fragt Sergeant McGraw gedehnt mit seinem starken South-Carolina-Akzent.  »Der Captain meint, das sei November Golf, Pete. In anderen Worten, einNo Go.«  McGraw kratzt sich an der Nase. Die breite Brust, ein Oberlippenbart gleich einer Stahlbürste und seine tätowierten Unterarme verleihen ihm ein furchteinflößendes Äußeres. Wenn er nicht gerade als Soldat dient, stottert er den protestantischen Süden gemeinsam mit seiner jungen Biker-Freundin auf der Harley ab: mit Vollgas über den heißen Asphalt. »Nicht gerade leicht, den Mob mit dem in Schach zu halten, was uns zur Verfügung steht, Lieutenant«, bemerkt er. »Wir sind bis an die Zähne bewaffnet, aber das bringt uns nichts, und das wissen Sie genau.«   »Wir haben Bajonette. Die sollten Eindruck schinden. Hoffentlich genügt das auch.«   »Und falls nicht, Sir?«   Bowman blickt seinem Unteroffizier in die Augen. Ihm ist klar, was den Männern durch den Kopf geht: Im Irak, denken sie, sind die Straßen mit Amerikas ›guten Vorsätzen‹ gepflastert – blutgetränkt, übersät mit Leichen und Munition, die nicht gezündet hat. Dort starben Tausende Zivilisten, viele aufgrund irriger US-Befehle. Man kann schlichtweg nicht mit solcher Feuerkraft durch die Weltgeschichte laufen, wie es amerikanische Infanteristen tun, und erwarten, dass die Zivilbevölkerung unversehrt bleibt, besonders in Ballungsgebieten. Unfälle passieren, doch das können sie sich jetzt nicht leisten, da es sich bei diesen Zivilisten um ihre Mitbürger handelt. Um ihre Mission anständig auszuführen, brauchen die Soldaten Schlagstöcke, Schilde, Tränengas, Schützen auf den Dächern und Stahlvögel am Himmel, doch nichts davon haben sie. Überall im Land benötigen Einheiten der Army die gleichen Hilfsmittel, die jedoch einfach nicht in ausreichender Stückzahl vorhanden sind. Aufgrund der üblichen logistischen Pannen haben sie nicht einmal CS-Gas-Granaten, welche die Infanterie in städtischen Aufmarschgebieten normalerweise benutzen darf. Stattdessen schultern sie schwere Geschütze mit scharfer Munition in Hülle und Fülle.   »Wir halten uns an die Einsatzregeln«, entgegnet Bowman. »Stellt euch vor, dass wir uns quasi in jemandes Wohnzimmer aufhalten.« Die Regeln für Einsätze im urbanen Raum besagen: Feuer nur erwidern, falls man direkt von einem feindlichen Subjekt beschossen wird, das eindeutig sichtbar ist … was so gut wie nie vorkommt.   Er fügt hinzu: »Außerdem bleiben wir dicht zusammen. Wegen Lyssa und alledem haben wir ein Viertel unserer Stärke eingebüßt. Ich will verhindern, dass ein Teil dieses Zuges verloren geht und von einer Meute angepisster Zivilisten auf der Suche nach Medikamenten überrannt wird.«   Sie wissen, sie befinden sich in einer ausweglosen Situation – einer ›Fickmühle‹, um im Armeejargon zu bleiben. Ruiz atmet durch die Nase aus, dass es pfeift. Lewis murmelt: »Mann, was für eine Scheiße!«, und Kemper ergänzt lächelnd: »Treten wir mit Wonne hinein, meine Herren.«   Bowman zieht seine Augenbrauen hoch. »Okay, wenn die Menge außer Kontrolle gerät, ziehen wir Gasmasken an und feuern ein paar Nebelgranaten ab. Vielleicht glauben sie ja, es sei Tränengas und nehmen die Beine in die Hand. Ist weit hergeholt, ich weiß …«

Wie man einen Polizeihubschrauber bei Grand Theft Auto am besten mit der Panzerfaust vom Himmel holt

Da die Kameraden von Kommando 3 Nachtschicht haben, genießen sie nun am Tag ein paar Stunden auf ihren Pritschen im kühlen Keller eines Krankenhauses, in welchem das Zweite Platoon einquartiert wurde. Drei von ihnen schlafen fest, nachdem es eine Diskussion darüber gegeben hat, wie man einen Polizeihubschrauber beiGrand Theft Autoam besten mit der Panzerfaust vom Himmel holt. Corporal Hicks übt sich schwitzend in Liegestützen am Boden, grunzt und wechselt zu Sit-ups. Boyd raucht still eine Zigarette, während er einen Brief von zu Hause liest, sich mit einer Hand träge über die Stoppeln auf seinem Schädel fährt und wiederholt »Oh Mann« flüstert. Tunichtgut McLeod hingegen blättert in einer Ausgabe desPlayboysund liest laut für alle, die zuhören wollen, die Namen, Hobbys und Maße der Models vor, beziehungsweise nennt den Betrag, den er zu zahlen bereit wäre, falls er unendlich viel Geld hätte, um Sex mit ihnen zu haben. Der Frischling des Zuges näht an einem Riss in seiner Uniform und flucht andauernd darüber, dass er wieder einmal gottverdammte, todlangweilige Armeeroutine abspulen muss, statt süß zu träumen.  Unterdessen säubert und ölt Williams sein Sturmgewehr mit Granatwerfer. Gerade ist er sich ziemlich sicher, jemandem für einen heißen Burrito mit Grillfleisch, Sauerrahm sowie extra viel Mais-Salsa ins Gesicht schießen zu können. Ein guter Soldat kann ein Gewehr in weniger als 30 Sekunden zerlegen und noch schneller wieder zusammenbauen. Williams versteht sein Handwerk; er hat seine Jugend in Oakland mit krummen Geschäften und Straßengangs verbracht, sich jedoch mittlerweile weit von jener Welt entfernt. Allerdings fühlt er sich pudelwohl bei den ausgewachsenen und albernen, aber überzeugten Kindern in diesem Platoon – einem militärischen Schmelztiegel. Er schüttelt den Kopf, schwelgt lächelnd in Erinnerungen. Wenn er heimkommt, wird er so manche Story zu erzählen haben; noch lebt er ja, um dies tun zu können.   Aus einem Gettoblaster, den sie oben aus einem Schwesternzimmer gestohlen haben, läuft ununterbrochen Musik. Heute steht Hip-Hop auf dem Programm, gestern war es Rock 'n' Roll, und morgen hören sie wer weiß was – Hauptsache, es ist laut.   »Mann oh Mann, eine Million Dollar auf jeden Fall«, staunt McLeod beim Aufklappen des Centerfold. »Mindestens! Ich meine … Je-sus! Hey Jungs, was gebt ihr mir dafür, dass ich euch diese Hupen kurz zeige? Höre ich einen Dollar? Ich schwöre, die sind echt. Irgendwer interessiert?«   Williams schüttelt wieder den Kopf. Das ist alles, worüber sie je reden – versaute Heimchen am Herd mit aberwitzigen sexuellen Vorzügen, die heißen Krankenschwestern in den oberen Geschossen und alles das, was man mit den Frauen dieser Welt anstellen werde, sobald man aus der Armee tritt.   Er blickt auf und grüßt Sergeant Ruiz, als dieser den Saal betritt. »Hey, Sergeant, wie sieht’s aus?«   »Warum schlaft ihr Trottel nicht, obwohl ihr Zeit für ein Nickerchen bekommen habt«, schnauzt Ruiz, während er Williams mit eindringlichem Blick anstarrt. »und warum tragt ihr nicht eure Masken?«   »Wir haben sie im Irak nicht benutzt, Sarge«, hält McLeod dagegen. »Warum sollten wir es also hier tun?«   »Weil wir im Irak nicht in einem Krankenhaus voller Leute einquartiert waren, die an der Pest verrecken, Spatzenhirn.«   McLeod grinst, während er Selbiges anstrengt, um einen guten Konter zu formulieren, aber Ruiz ist schon weiter. »Schafft euren Allerwertesten aus der Horizontalen und zieht euch an, Ladys. Der Lieutenant hat Arbeit für euch. Wir brechen in zehn Minuten auf.«   Boyd blickt auf. Er hat feuchte Augen.   »Meine Schwester hat Lyssa. Steht in diesem Brief von zu Hause.«   Die Kameraden halten inne und sehen ihn an.   »Meine Mom meint, sie würden die Toten vor der Stadt verbrennen, und beschreibt sogar, wie sie es machen: Sie heben einen Graben zur Belüftung aus – echt jetzt – und schichten Holz zu einem Scheiterhaufen auf. Die Leichen werden draufgelegt und angezündet. Die vom Stadtrat sind richtig übergeschnappt und haben damit angefangen. Das passiert drüben an der Westküste; es dauerte eine Woche, bis ich den Brief bekam.«   »Tut mir leid wegen deiner Schwester, Boyd«, sagt Ruiz.   »Er wurde vor über einer Woche geschrieben.« Boyd starrt ungläubig aufs Papier. »Sie könnte mittlerweile tot sein.«   »Hat da jemand was von Toten erzählt, die verbrannt werden?«, fragt Ross, den sie Adlerauge nennen, weil er unheimlich genau mit dem M4-Karabiner zielt. Er ist gerade aufgewacht und noch verschlafen. »Mann, das ist krass.«   »Kann nur an den Haaren herbeigezogen sein«, glaubt McLeod. »In manchen Städten gibt es Massengräber, um die Toten vorübergehend zwischenzulagern, aber verbrannt wird niemand, um Himmels willen.«   »Wenn die Leute paranoid genug werden, sind sie dazu imstande«, erwidert Williams.   »Was ich damit sagen will: Was habe ich hier in New York verloren?«, fragt sich Boyd laut. »Warum bewachen wir keine Klinik in Idaho, zum Beispiel in Boise? Ich sollte dort sein – zu Hause, bei meinen Leuten, wenigstens im gleichen lausigen Bundesstaat … Ich muss meine Mom anrufen.«   »Ich wette, in Boise und den Nachbarorten sitzen auch Soldaten, genauso wie wir hier«, sagt Ruiz. »Unter ihnen befinden sich vermutlich New Yorker, die sich wünschen, daheim zu sein, und passen auf deine Familie auf, wie du es hier mit ihrer machst – genauso, wie jeder in diesem Platoon den Arsch für die anderen hinhält, verstanden?«   »Ich weiß nicht, Sergeant …«, wirft Boyd ohne Begeisterung ein. Die Männer beginnen schweigend, ihre Ausrüstung anzulegen: Feldanzug, Stiefel, Knieschoner, Panzerweste, Brustgurt, Armbanduhr, Munition und Messer, Handschuhe, Primärwaffen und Helm.   »Gut, jetzt sind wir also schon so weit, dass wir uns gegenseitig in Brand setzen, aber wendet man den Gedanken vom halb vollen und halb leeren Glas auf dieses weltweite Krepieren an, fallen durchaus ein paar Dinge auf, über die wir ziemlich froh sein sollten«, sagt McLeod nach einer Weile, um das Eis zu brechen. »Zum Beispiel bekommen wir drei warme Mahlzeiten täglich, liegen acht Stunden in der Falle und haben sogar fließendes Wasser. Außerdem müssen wir nicht in Gegenden auf Streife gehen, wo es aussieht wie in Tijuana nach einem Splitterbomben-Angriff und die Gefahr besteht, dass uns improvisierte Sprengkörper oder irre Hadschis die Klöten abreißen.«   »Mund halten, McLeod«, brummt Ruiz.   »Ich versuche bloß, euch alle ein wenig aufzuheitern, indem ich darauf hinweise, dass vielleicht 200 Millionen Menschen sterben mögen und die Welt vor die Hunde geht, doch wenigstens sind wir selbst mit heilen Ärschen und nach wie vor beiden Eiern aus dieser Araberhölle entkommen. Und zwar ohne dass wir jetzt in irgendwelche Plumpsklos voller Fliegen kacken müssten – also Missionsziel erreicht. Stimmt’s, oder hab ich recht?«   Fast alle lachen, aber der Sergeant steht schon vor McLeod, der ruckartig Haltung annimmt und geradeaus ins Leere starrt, während er sich bemüht, den Mund geschlossen zu halten und verschämt ein Lächeln unterdrückt. Ruiz tritt noch näher, sodass nur wenige Zentimeter Abstand zwischen ihnen bleiben. Seine Augen fordern eine Entschuldigung, doch McLeod bleibt respektvoll ausdruckslos. Letztlich schüttelt der Sergeant den Kopf übertrieben angewidert und entfernt sich.   »Vamos, Ladys!«   Nachdem Ruiz den Saal verlassen hat, klopft Williams McLeod auf den Rücken. Ihre Freundschaft reicht bis zur Grundausbildung zurück, in der sie den Ernstfall Seite an Seite übten. Oftmals trug McLeod die Schuld daran, wenn sie Liegestützen verrichten mussten oder zum Latrinenputzen verdonnert wurden. Entweder waren sie im Unterricht eingenickt oder hatten die Ausbilder anderweitig verärgert.   »Wenn du weiterhin den Quertreiber spielst, wird dir Magilla ordentlich den Arsch aufreißen, Alter«, stellt Williams in Aussicht. Er meint es ernst: Ruiz ist ein redegewandter und umsichtiger Unteroffizier, jedoch mit nur kurzem Geduldsfaden, und dank seines ständigen Trainings präsentiert er einen derart muskelbepackten Körper, dass er an eine Bulldogge erinnert. Die Soldaten nennen ihn insgeheim Magilla, kurz für die Cartoonfigur Magilla Gorilla.   McLeod quittiert die Warnung mit überzeichnetem Achselzucken.   Als Boyd wieder anfängt, vor sich hinzumurmeln, während er langsam sein Rüstzeug anlegt, blafft Corporal Hicks ihn an: »Reiß dich zusammen, Rick. Fast jeder in diesem Platoon hat jemanden dort draußen, der infiziert wurde.«   »Ich sollte bei ihnen sein«, klagt Boyd. »Sie sind alles, was ich auf dieser Welt habe.«   »Wenn wir zielstrebig bleiben, stehen wir das durch, und damit meine ich uns alle. Wenn der Verband anfängt, sich aufzulösen, weil jeder seinen eigenen Kopf durchsetzen will … tja, dann möge uns Gott beistehen, denn in dem Fall sind wir definitiv geliefert. Die Lage wird sich nämlich noch deutlich zuspitzen, bevor sie sich entspannt. Bis es so weit ist, freundet euch mit dem Schmerz an, und er wird euch Stärke verleihen.«

Ich mach euch fertig, ihr Schweine!

Sergeant McGraw brüllt »Gruppe in Reihe, Bewegung!« und sieht zu, wie sich seine Männer nebeneinander aufstellen, wobei sie die Waffen so präsentieren, dass die weniger freundlich gesinnten New Yorker Bürger ihre Bajonette deutlich erkennen können. Vor dem Stacheldraht und den Sandsäcken drängen weitere Menschen zwischen den Fahrzeugen hindurch. Sobald sie erkennen, dass die Soldaten im Begriff sind, den Checkpoint abzuriegeln, beginnen sie zu laufen. Als sie die Absperrung erreichen und ihre enttäuschten Hoffnungen endgültig zerstört sehen, werden sie laut und versuchen, durch Betteln Einlass zu erhalten.  »Helft mir«, hört man jemanden rufen. »Ich glaube, meine Kinder haben es, und ich weiß nicht, was ich tun kann.«   Corporal Eckhardt verteilt die gelben Zettel unter den Leuten, aber sie wollen nicht verschwinden. Viele haben ein krankes Familienmitglied mitgebracht, und die Aussicht darauf, zehn Häuserblocks weit zu einer anderen Krankenstation zu gehen, die in irgendeiner Schule oder Bowlingbahn eingerichtet wurde, stimmt nicht unbedingt zuversichtlich.   Sie rufen, kreischen und flehen, lassen sich auf den Boden fallen oder setzen sich einfach hin, ihre gelben Papierstücke fest in den Händen. Es stinkt zunehmend ekelhaft säuerlich, wie man es von den Infizierten kennt – ein Geruch, an den man sich niemals gewöhnen kann.   Eine Frau jammert: »Ich kann es nicht allein schaffen. Ich kann nicht, ich kann nicht!«   »Und wenn wir nur ein paar Leute mehr hereinlassen?«, fragt Mooney mit zusammengebissenen Zähnen.   »Halt die Klappe«, blafft Finnegan, der neben ihm steht. »Die Antwort darauf kannst du dir denken.«   »Das ist furchtbar.«   Sergeant McGraw spricht in sein Funkgerät: »Hier wären wir fertig, Sir.«   Nur wenige Blocks weiter westlich rattern Maschinengewehre. Der Lärm hallt laut zwischen den Häusern wider, verstärkt durch das stete Heulen von Polizei- und Krankenwagensirenen.   McGraw unterbricht sich, blickt nach Westen und möchte dann fortfahren: »Ich habe …« Ohrenbetäubender Donner lässt kurz die Erde erzittern und die Fenster der Gebäude in der Umgebung zerspringen. Die Soldaten geben ihre Formation auf, um mitanzusehen, wie ein Feuerball über den Dächern auf der anderen Seite der Avenue emporsteigt. Die Zivilisten ergehen sich in schrillem Wehgeschrei.   »Meine Fresse!«, flucht Wyatt. »Ich habe die Erschütterung gespürt.«   »Zurück ins Glied!«, wütet McGraw mit hochrotem Gesicht. »Sofort!«   »Wahnsinn, was war das?«, fragt Rollins. »Ich glaub, meine Trommelfelle sind geplatzt.«   »Das ist wirklich abgefuckt«, raunt Mooney.   Finnegan fährt sie an: »Wir müssen dem Sergeant vertrauen; er bringt uns heil hier durch, und falls nicht, wird es Pops tun, also haltet jetzt einfach die Schnauze und tut, was man euch sagt. Alles wird gut!«   »Ruhe im Glied, verstanden?«, mahnt McGraw, ehe er seinen Bericht an den Lieutenant zu Ende durchgibt.   Doch Mooney hört nicht zu. Er beobachtet, wie zwei Männer auf die Menge am Stacheldraht zulaufen. Etwas stimmt nicht mit ihnen – ihre Bewegungen, während sie sich zielstrebig zwischen den Autos hindurchwinden, ein eigenartiges Zucken mit zu Krallen gespreizten Fingern, die sie an ihre Brust pressen … sie wirken nicht menschlich, sondern eher wie wilde Tiere, und dieser Gedanke entsetzt ihn.   »Sergeant?«, hebt er an.   »Wer als Nächstes das Maul aufmacht, kriegt einen Tritt«, grollt McGraw genervt.   Jetzt hat Mooney die beiden Männer aus den Augen verloren. Er erinnert sich, dass einer von ihnen mit freiem Oberkörper und einer blauen Hose herumlief, die wohl zu einem Schlafanzug gehört. Der andere trug eine Baseballmütze und blaue Jeans mit einem Hemd aus dem gleichen Material. Um dessen Mundpartie hat er schwarze Flecken wahrgenommen.   Die Zivilisten schreien auf. Mooney macht den Hals lang, um an McGraws breiten Schultern vorbeizuschauen.   Dann rührt sich der Sergeant und läuft schnell voraus, sodass Mooney den Checkpoint sehen kann. Die zwei Männer sind dort; der erste rupft einer Frau das dunkle, lange Haar büschelweise vom Kopf, während sich der zweite gierig in ihrem Bauch verbeißt und sie mit Geifer besudelt. Die anderen Zivilisten kreischen und wollen die Flucht ergreifen. Die Tollwütigen ringen die Frau nieder. Sie stößt einen spitzen Schrei aus und scheint dann schlagartig aufzugeben. Ihr Körper wird schlaff, ihr Blick glasig und flehend.   McGraw brüllt: »Stopp! Aufhören, oder ich schieße!«   Corporal Eckhardt macht einen Schritt nach vorne. »Sergeant …«   Der Sergeant erkennt, was die Zwei angerichtet haben, und schreit: »Ich mach euch fertig, ihr Schweine!«   Dann entsinnt er sich seiner Ausbildung und feuert mit der Beretta in die Luft. Warnschüsse. Als die Köpfe der Männer in die Höhe schnellen, sodass Blut und Speichel aus ihren Gesichtern umher spritzen, sehen sie aus wie Aasgeier, die beim Fressen aufgescheucht wurden. Derjenige mit der Schlafanzughose springt auf und stürzt schnurstracks auf McGraw zu, verheddert sich jedoch im Stacheldraht, beginnt zu zappeln und gibt Töne von sich wie ein Hund, der stranguliert wird.   Die Spitzen des Drahtes sind jeweils fünf Zentimeter lang, die Abstände dazwischen doppelt so lang. Der Mann zerfleischt sich selbst, während er zappelt, bis er zusammenbricht. Blut strömt aus einer durchtrennten Oberschenkelarterie über seine Beine.   Der andere Mann richtet sich ebenfalls auf, läuft los, springt über den Draht und …   Mehrere Karabiner bellen und donnern gleichzeitig los, der Mann zuckt noch in der Luft zusammen und sackt leblos zu Boden. Sofort breitet sich eine Blutlache rings um ihn aus.   »Feuer einstellen, Feuer einstellen!«   Mooney senkt den Lauf seines Maschinengewehrs. Beißender Korditgeruch liegt in der Luft.   »Hast du das gesehen?«, fragt McGraw, ohne sich an jemanden Bestimmtes zu richten. »Was war das?«   Bowman ruft nach ihnen, während er vom anderen Checkpoint herübereilt, und will wissen, warum man das Feuer eröffnet hat.   Vorne auf der Straße windet sich die verletzte Frau unter Krämpfen am Boden. Ihre beiden Peiniger bleiben in ihrem Blut liegen, offensichtlich tot.   »Alles in Ordnung, Ma'am?«, fragt McGraw, indem er die Beretta hinter seinem Rücken verbirgt und die andere Hand über den Stacheldraht ausstreckt. »Kommen Sie zu mir. Wir kümmern uns um Sie.«   Die Frau starrt ihn entsetzt an und atmet angestrengt, als sie sich schwankend aufrichtet.

Ich frage mich allmählich, ob wir den Irak überhaupt je verlassen haben

Polizeisirenen und Autohupen, Geschrei und Schüsse bestimmen die nächtliche Geräuschkulisse. Die warme und schwüle Luft riecht nach Rauch. Straßenlaternen leuchten nur schwach, falls sie nicht gerade aufflackern, da die Stadt ihrer Elektrizitätsprobleme Herr zu werden sucht. Die Ampeln weiter unten auf der First Avenue hinter der Straßensperre sind ausnahmslos auf Rot umgesprungen, weshalb der Verkehr zum Erliegen gekommen und ein wütendes Hupkonzert losgebrochen ist. Nach wie vor flüchten Tausende Menschen aus Manhattan, mit allem, was sich irgendwie betanken lässt. Sie glauben offensichtlich, anderswo sähe die Lage hoffnungsvoller aus.  Die Männer von Gruppe 3 des Zweiten Platoons schreiten nervös den Stacheldraht ab, aufgeputscht durch schwarzen Kaffee. Über ihnen donnert ein Polizeihubschrauber und streift die Gegend mit seinem gleißenden Punktstrahler ab, sodass ihre Nachtsichtgeräte vorübergehend unbrauchbar werden.   »Ich fasse es nicht«, murmelt Corporal Hicks bei sich, während er mit zugekniffenen Augen die First Avenue hinunterblickt und dem tiefen Wummern schwerer MGs lauscht. »Verschießen die dort Leuchtspurmunition?«   »Klingt nach Kaliber .50, wieso fragen Sie?« erwidert McLeod, der gerade mit seinem Automatikgewehr zu ihm hin schlendert.   »Weil wir in New York sind, nicht in Bagdad, Blödmann. Wer ballert da mitten in New York mit einem MG um sich?« Nachträglich fällt ihm ein: »In den Dreck, McLeod. 20 Liegestützen.«   »Im Ernst? Wir befinden uns hier mitten in einem Kriegsgebiet.«   »Du willst 30?«   Während McLeod seine Push-ups zählt, sieht Hicks durch sein Reflexvisier. Er fixiert den roten Punkt zur leichteren Zielerfassung in der Mitte des Sichtfeldes. Die Glimmspurmunition zeichnet Lichtstreifen über den Motorhauben der Autos, die im dicht gedrängten Verkehr dahinkriechen, und über den Köpfen der dazwischen herlaufenden Menschen. Da Hicks nicht in der Lage ist, durch Wände zu sehen, kann er weder den Urheber dieses Metallregens ausfindig machen, noch auf wen der Regen niedergeht. Die Entfernung beträgt nur wenige Hundert Meter. Trotz dieser Nähe fühlt er sich isoliert und weiß kaum zu erahnen, was vor sich geht. Er fragt sich, wo all die dicken Geschosse landen. Projektile mit einem Durchmesser von einem Zentimeter besitzen eine Reichweite von bis zu vier Meilen. Sie durchschlagen Karosserien und auf nahe Distanz auch Betonmauern. Was erst würden sie einem Menschen antun?   »Sechs … Sieben …«   Der Beschuss hört auf, nach wenigen Sekunden nur. Irgendjemand muss im großen Stil Mist gebaut haben, wahrscheinlich ein unerfahrener Rekrut in einem Geländewagen, der Angst bekam. Hicks hofft, dass niemand getötet wurde.  Aber besser ihr als ich, denkt er dann.  Gerade, als er die Waffe wieder herunternehmen will, bemerkt er am äußeren Rand des Sichtfelds ein Pärchen. Er fokussiert das Visier auf die beiden, einen Mann mittleren Alters in Boxershorts und eine Teenagerin, deren T-Shirt bis zu ihren Knien reicht. Sie glotzen hohl drein und legen jene seltsame Eigenart an den Tag, unterschwellig fahrig den Kopf kreisen zu lassen, wie es fast jeder mit dem Lyssa-Erreger im Leib tut, was Hicks immerzu einen Schauer über den Rücken jagt. Sie halten ihre Fäuste geballt vor der Brust, starren zu ihm herüber und öffnen ihre Münder, ziehen dann jedoch in die Richtung davon, aus der die MG-Schüsse kamen.   Hicks spricht leise mit sich selbst: »Und wer hat all die Tollwütigen, die hier herumrennen, von der Leine gelassen?«  Wenn wir eines nicht brauchen, denkt er,dann noch so eine Horde, die sich gegen uns auflehnt und dabei Kugeln einfängt. Nie mehr würde er diese Erfahrungen vergessen können.  Das MG dröhnt abermals los.

Alles wird glimpflich verlaufen, Sir, solange wir in Bewegung bleiben

Die gepanzerten Geländewagen rasen unter der Leitung von Second Lieutenant Todd Bowman die Haifa Street hinauf. Es stinkt intensiv nach brennendem Müll und Abgasen. Die Männer im ersten Fahrzeug nicken im Takt zum Dope-SongDie Motherfucker, Die, der so laut durch die Boxen dröhnt, dass man ihn in den Moscheen hört. Im vergangenen Jahr stand die irakische Regierung kurz vor der Auflösung, weshalb die Army die Städte erneut besetzte, um sie zu stützen, was jedoch in einem Krieg, der kein Ende zu finden schien, eine neue Generation von Märtyrern, Fußsoldaten und wahnsinnigen Bombenattentätern auf den Plan rief.  Die Stimmung auf den Straßen unterliegt einem steten Wandel, aber Bowman, für den Land und Führungsstab gleichermaßen neu sind, ist nicht darauf vorbereitet, wie viel Hass ihm hier tagtäglich entgegenschlägt. Er springt ihn von den Fassaden der Hochhäuser an, die nach jahrelangem Konflikt von Schüssen durchsiebt sind. Die Straßen selbst verrufen ihn als Ungläubigen; das bloße Mauerwerk bedroht ihn mit dem Tod.   »Feindkontakt rechts!«   Die Rakete zischt am Kühler seines Wagens vorbei und schlägt in einen geparkten Kleinbus ein, der explodiert. Metall wirbelt in formlosen Fetzen gegen seine Windschutzscheibe, prallt mit einem erschütternden Knirschen ab und lässt wie Spinnweben verlaufende Risse im Glas zurück. Kemper, der am Steuer sitzt, pfeift durch die Zähne, nimmt die Stoßwirkung jedoch ansonsten hin, ohne mit der Wimper zu zucken. Auf so etwas wurde Bowman im Trainingskorps für Reserveoffiziere nicht vorbereitet. Kleinkalibrige Schüsse schwirren und peitschen durch die Luft, während die Maschinengewehre auf den Geländewagen die Wände der Gebäude in der Umgebung beharken. Leuchtspurgeschosse blitzen vorüber. Die Krone einer Palme zerplatzt, Granatsplitter prasseln mit brennendem Laub auf ihre Frontscheibe.   Bowman, der die Augen weit aufgerissen hat und vor lauter Schreien heiser wird, zwingt sich nun zur Beruhigung. Seine Männer bauen darauf, dass er sie leitet, und er will sie auf seiner ersten Mission nicht hängen lassen. Sie müssen anhalten und dazu übergehen, gezielt auf die Posten der Aufständischen zu feuern. Gerät man in einen Hinterhalt und kann nicht entkommen, greift man an.

Die Cops gehen nicht ans Telefon

Bowman öffnet blinzelnd die Augen und blickt sich mit einem Anflug von Panik im Büro des Gebäudetechnikers um. Hat er geträumt? Einen Moment lang dachte er … dann hört er ein Geräusch. Ein Klopfen? Er nimmt das Summen von Maschinen im Untergeschoss des Krankenhauses wahr.Vor der Tür tuscheln Stimmen.   »Herein«, sagt er.   Kemper betritt den Raum, der nur dürftig von einer einzelnen Schreibtischlampe erhellt wird, gefolgt von den Gruppenführern. Bowman erwartet sie, da er ein Meeting einberufen hat. Die Gerüche im Büro – Schweiß, abgestandener Kaffee und getragene Klamotten – werden strenger.   »Nehmen Sie sich Stühle, Gentlemen«, bittet der Lieutenant und reibt sich die Augen. »Sicher, Pete, schieben Sie das ruhig aus dem Weg. Ah, der Kaffee ist zwar nicht frisch, aber noch heiß, falls Sie welchen möchten.«   Ruiz bleibt grinsend stehen und greift zur Kanne. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Sir.« Seine Truppe bewacht den Stacheldrahtzaun für den Rest der Nacht, bis sie um null-sechshundert abgelöst werden.   Bowman räuspert sich, ehe er losspricht: »Meine Herren, die Lage hat sich verändert – abermals. Genauer gesagt ist sie gerade ungewiss.«   Verwirrte Blicke über ihren Atemschutzmasken. »Sir?«