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Seit es Menschen gibt, haben sie danach gefragt, was Glück ausmacht und wie man es findet. Die Frage nach dem Glück stand schon am Anfang der Philosophiegeschichte und sie bewegt die Menschen bis heute oder heute wieder von Neuem. Doch wo findet man es? Anselm Grün verrät uns die sechs "Türen zum Glück": Loslassen und annehmen, Versöhnen und vergeben, Zufriedenheit finden, einfach leben, Dankbar sein, Vertrauen schenken, Hoffnungsvoll bleiben. Begleiten Sie Anselm Grün auf seiner ganz persönlichen Suche nach dem Glück. Es liegt oft direkt vor uns. Wir müssen nur den Mut haben, es anzunehmen.
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Seitenzahl: 95
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie. Detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Printausgabe
© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2024
ISBN 978-3-7365-0553-7
E-Book-Ausgabe
© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2024
ISBN 978-3-7365-0566-7
Alle Rechte vorbehalten
E-Book-Erstellung: Sarah Östreicher
Lektorat: Marlene Fritsch
Covergestaltung: Chandima Soysa
Covermotiv: Kobosoft/sutterstock.com
www.vier-tuerme-verlag.de
Anselm Grün
Entdecke das Glück in dir
Kleine Bibliothek der Lebenskunst, Band 1
Vier-Türme-Verlag
Wo das Glück zu finden ist
»Alle Menschen wollen glücklich sein.«
Platon
Seit es Menschen gibt, haben sie danach gefragt, was Glück ausmacht und wie man das Glück findet. Die Frage nach dem Glück stand schon am Anfang der Philosophiegeschichte und sie bewegt die Menschen bis heute oder heute wieder von Neuem.
Um dem Glück auf die Spur zu kommen, möchte ich auf ein Märchen zurückgreifen. In der Welt der Märchen spielt häufig Gold eine Rolle und häufig ist ein goldener Gegenstand, nach dem jemand auf die Suche geht, ein Bild für das Glück, für das Kostbare und Wertvolle, das der Mensch im Leben erstrebt. Dieses Glück ist nicht von vornherein gegeben. Man muss sich aufmachen, um es zu suchen und zu erringen.
Im Märchen »Der goldene Vogel« lernt der jüngste Sohn durch den Fuchs, den er freundlich behandelt hat, die Geheimnisse des Menschen kennen. Er findet den goldenen Vogel, das goldene Pferd und die goldene Königstochter. Doch dreimal gerät er in große Bedrängnis, weil er dem Rat des Fuchses nicht folgt, sondern seinem eigenen Empfinden. Er sollte den goldenen Vogel im schäbigen Holzkäfig lassen und nicht in den goldenen Käfig stecken. Er sollte dem goldenen Pferd den alten Sattel auflegen und nicht den goldenen. Und er sollte die Jungfrau mit sich nehmen, ohne dass sie Abschied von ihren Eltern nimmt. Doch der Königssohn denkt immer, das gehe doch nicht.
Die Weisheit dieses Märchens liegt darin, dass das Gold, das Wertvolle, das, was uns Glück ermöglicht, eben mitten im Gewöhnlichen zu finden ist. Wenn ich alles vergolden möchte, dann folge ich meinen Illusionen. Und ich gerate in Bedrängnis und werde scheitern. Die Weisheit will uns lehren, dass wir mitten im Alltag das Gold, das Glück unseres Lebens suchen sollen und nicht in einer heilen Welt.
Vielen Menschen geht es schlecht, weil das Leben ihre Vorstellungen, die sie sich vom Leben gemacht haben, nicht erfüllt. Sie hängen ihren Wunschvorstellungen und Illusionen nach. Die Kunst des Glücklichseins besteht aber darin, mitten in der Realität meines Lebens das Gold zu suchen, das Wertvolle, das Glänzende, das, was mich glücklich sein lässt. Wie soll das gehen?
Dazu kann es helfen, das Leben so zu betrachten, wie es ist: die Arbeit mit den täglichen Problemen; die Partnerschaft mit ihrem Auf und Ab, mit den Krisen und Konflikten; die Familie, die Beziehung zu den Eltern. Sicher findet sich in diesen Bereichen vieles, was nicht ideal ist, worunter man leidet und was dem Glücklichsein vermeintlich im Weg steht. Das Gold darin zu suchen, heißt nun nicht, alles zu vergolden, um das Schmerzliche der Situation zu überspringen. Es meint vielmehr: Schau dein Leben an und sage dir: Ja, es ist nicht alles so gekommen, wie ich mir das vorgestellt oder wie ich es mir erträumt habe. Aber mitten in diesem hölzernen Käfig meines Alltags ist der goldene Vogel verborgen. Dieser goldene Vogel verleiht meiner Seele Flügel. Ich kann mir mitten in dieser Enge meine eigenen Gedanken machen. Ich kann über das Geheimnis des Lebens nachdenken, über die Abgründe der menschlichen Seele. Ich kann mich über diese Alltagswelt hinwegheben, ohne vor ihr zu fliehen. Ich bleibe in dem hölzernen Käfig meines Lebens und habe doch goldene Flügel bekommen.
Wir können also versuchen, unser Leben mit den Augen des goldenen Vogels anzuschauen. Dann werden wir immer wieder unerwartete Türen zum Glück finden – mitten in allem, was unseren Alltag ausmacht.
Im Folgenden möchte ich Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, einige dieser »Türen zum Glück« vorstellen – Sie müssen dann nur noch den Mut haben, hindurchzugehen.
Ihr
P. Anselm Grün
Loslassen und annehmen
Wir meinen oft, dass wir weniger werden, wenn wir unsere Arbeit, unsere Kraft, unsere Aufgaben, unsere Bedeutung loslassen. Der Taoismus kennt eine Parabel, die uns zeigt, dass gerade dann, wenn aller äußere Wert losgelassen worden ist, der eigentliche Wert des Menschen zum Vorschein kommt. Sie erzählt von einem Zimmermann und seinem Lehrling, der eine gewaltige, sehr alte und knorrige Eiche erblickte und darüber staunte: Der Zimmermann sagte zu seinem Lehrling: »Weißt du, warum dieser Baum so gewaltig und so alt ist?« Der Lehrling sagte: »Nein. Warum?« Da antwortete der Zimmermann: »Weil er unnütz ist. Wenn er nützlich wäre, wäre er schon lange gefällt, zersägt und zur Herstellung von Betten und Tischen verwendet worden. Weil er aber unnütz ist, hat man ihn wachsen lassen. Deshalb ist er nun so groß, dass man in seinem Schatten ausruhen kann.« Weil der Wert des Baumes nur darin lag, Baum zu sein, konnte er frei dem Licht entgegenwachsen – und so wurde er zu einem Baum, der viele Menschen einlud, sich in seinem Schatten auszuruhen.
Wenn wir unseren äußeren Wert loslassen, dann erfahren wir, dass unser wahrer Wert darin besteht, einfach Mensch zu sein. Und dann wird unser Leben fruchtbar. Andere werden kommen, um bei uns auszuruhen. Sie spüren, dass wir nichts mehr wollen, sondern dass wir einfach nur da sind.
Die Gelassenheit hat mit Loslassen zu tun. Es geht darum, sich selbst und sein Leben loszulassen und sich Gott zu überlassen. Dieses Überlassen gilt gerade auch für die Erfahrung von Krankheit und Tod. Sich gerade in diesen Lebenssituationen in Gottes Hände zu ergeben, schenkt inneren Frieden.
Gelassenheit meint aber auch, dass ich die Dinge so lasse, wie sie sind. Ich muss die Wirklichkeit nicht ändern. Ich kann Menschen lassen, wie sie sind. Gelassen kann ich sie betrachten, ohne den Druck, sie ändern zu müssen. Gelassenheit hat mit Toleranz zu tun. Ich lasse die anderen gelten, wie sie sind. Ich muss sie nicht ändern.
Gelassenheit braucht Zeit. Sie verträgt keine Hektik. Ich muss mir Zeit lassen, um gelassen bei den Dingen zu sein. Ich brauche Zeit, um mich auf ein Gespräch oder auf eine Begegnung einzulassen. Sich Zeit zu lassen ist das Gegenteil von Zeit auszunutzen und sich vom Termindruck bestimmen zu lassen. Indem ich mir Zeit lasse, breche ich aus der Herrschaft der Zeit aus. Ich nehme die Zeit wahr. Ich genieße sie, weil sie mir geschenkt ist. Ich lasse den Druck los, alles in möglichst kurzer Zeit erledigen zu müssen. Ich lasse die Zeit fließen und nehme sie wahr. Zeit ist immer geschenkte Zeit, die Gott und die mir selbst gehört, in der ich mir und meinem wahren Selbst gehöre.
Gelassen ist nur der Mensch, der in seiner Mitte ruht. Oft aber lassen wir uns aus unserer Mitte herausreißen. Wir regen uns über Kleinigkeiten auf. Wir sind immer bei den anderen und lassen uns von ihnen bestimmen. Wer gelassen in seiner eigenen Mitte ruht, der kann auch gelassen auf die Andersartigkeit der Menschen schauen. Er nimmt sie wahr, ohne sie zu beurteilen. Er lässt sie so sein, wie sie sind, und freut sich an ihrem Anderssein.
Wer keine Mitte hat, der lässt sich von jedem Menschen in eine andere Richtung drängen. So fühlt er sich bald zerrissen, hin und her gezerrt von den Meinungen, Erwartungen und Urteilen anderer. Gelassenheit verlangt, mich immer wieder zu spüren, in meine Mitte zu kommen und die anderen dort zu lassen, wo sie sind, und sie so zu lassen, wie sie sind.
Gelassenheit verlangt, sich von den Erwartungen und Ansprüchen zu befreien, die wir an uns selbst stellen. Viele Menschen stehen immer unter Druck: Bei allem, was sie tun, setzen sie sich unter Leistungsdruck. Oder aber sie vergleichen sich mit anderen. Sie können sich nicht auf den Augenblick einlassen, weil sie immer darüber grübeln, was die anderen jetzt über sie denken könnten. Sie sind unfähig, sich auf das einzulassen, was sie gerade tun. Sie haben bei ihrer Arbeit immer Nebenabsichten. Sie arbeiten nicht nur, sondern sie wollen sich in ihrer Arbeit beweisen und andere damit übertreffen. Diese störenden Nebengedanken hindern sie daran, gelassen das zu tun, was sie gerade in die Hand nehmen. Gelassen ist nur der, der bei sich ist, der frei von Gedanken ist, mit denen er ständig sich selbst und sein Tun beurteilt.
Wer im Besitz sein Leben sieht, dessen Leben wird kalt. Wer aber seinen Besitz loslassen kann, der wird innerlich frei. Und er erfährt etwas Wesentliches seines Menschseins. Im Psalm heißt es: »Fürchte dich nicht, wenn einer reich wird, wenn die Herrlichkeit seines Hauses sich mehrt. Denn im Tod nimmt er das alles nicht mit, seine Herrlichkeit folgt ihm nicht hinab« (Psalm 49,17–18). Wir sollen bedenken, dass wir sterben müssen und im Tod schließlich alles, unseren ganzen Besitz, loslassen müssen. Daher sollen wir das, was im Tod von uns gefordert wird, schon vorher einüben. Wir sollen uns innerlich von allem Besitz lösen. Dann können wir uns selbst besser in Gottes Hand fallen lassen. Wer am Besitz klebt, schlägt hart auf dem Boden auf. Nur wer sich gelöst hat, kann leicht und sanft in Gottes zärtliche Hände fallen.
Ein Mitbruder erzählte, dass sein Vater nun im Alter auf einmal Dinge verschenke, die ihm wichtig und wertvoll waren. Er überlege, wem er Bücher, die ihm viel bedeuteten, geben könne. Offensichtlich spürt der alte Vater, dass das Loslassen frei macht. Und er kann mit dem, was ihm so wertvoll war, anderen eine Freude machen und ihnen dadurch seine Wertschätzung zeigen.
Loslassen des Besitzes öffnet Menschen für die anderen. Und gerade dadurch entstehen neue Beziehungen. Wer sich hinter seinem Besitz vergräbt, wird dagegen immer einsamer.
Viele Menschen sehen ihre Gesundheit gleichsam als Besitz an. Sie möchten an ihrer Gesundheit festhalten, solange es geht. Natürlich ist es gut, gesund zu leben und für seine Gesundheit zu sorgen. Doch manche halten krampfhaft an ihrer Gesundheit fest. Das führt oft zur Hypochondrie, zur krankhaften Angst, krank zu werden. Wer nur um seine Gesundheit kreist, vermag sich nicht mehr am Leben zu freuen. Er kann beispielsweise das Essen nicht genießen, weil er ständig Angst hat, es könne ihm schaden. Und er spürt doch in seiner Seele, dass er die Gesundheit nicht festzuhalten vermag. So wird sein Festhalten zu einem krampfhaften Bemühen, das ihn nur mit Angst statt mit Freude erfüllt.
Viele Menschen erfahren es dagegen als sehr wohltuend, wenn sie mit anderen zusammenkommen und mal nicht über ihre Krankheiten reden, sondern über interessante Themen diskutieren: über Politik, über Kunst, über philosophische und religiöse Fragen ... Für solche Fragen wird man jedoch nur offen, wenn man von sich und seiner Gesundheit lassen kann.
Wir sollen für unsere Gesundheit sorgen – aber mit Maß. Sie wird heute von vielen als das höchste Gut gesehen und manchmal wird sie zur Ersatzreligion. Doch da diese Ersatzreligion etwas Begrenztes zum Gott erhebt, wird sie hart und unbarmherzig. Sie knechtet letztlich den, der sich auf sie einlässt.
Es geht darum, in tiefere Dimensionen des Menschseins vorzustoßen. Das gelingt nur, wenn ich die Gesundheit loslasse und mich frage: Wer bin ich eigentlich? Definiere ich mich nur von meiner Gesundheit her? Oder was macht meinen Wert im Tiefsten aus? Wer seine Gesundheit anbetet, der wird ständig von Ängsten heimgesucht, dass die Gesundheit ihm doch entschwinden könnte.
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