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Am 9. April 1945 wurde der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer im Konzentrationslager Flossenbürg von den Nationalsozialisten ermordet. Bis heute sind zahllose Menschen beeindruckt von seinem Mut, seiner Kraft und Unbeugsamkeit in der Zeit von Terror und Haft. Klaus Koziol spürt dem Leben und Denken Dietrich Bonhoeffers nach, der in einem ausschließlichen Glauben an Jesus Christus lebte. Aus diesem Glauben folgten für Bonhoeffer sein konsequentes, fast radikales Leben und Sterben. Es entsteht das beeindruckende Bild eines Mannes, der sich in dunkler Zeit einen aufrechten Gang bewahrte. Sein unbedingtes Festhalten an Werten, seine Bindung an eine sinnstiftende Botschaft können beispielhaft sein für heute.
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Seitenzahl: 91
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Buch lesen
Cover
Haupttitel
Inhalt
Über den Autor
Über das Buch
Impressum
Hinweise des Verlags
Klaus Koziol
Entschieden Christ sein
Dietrich Bonhoeffers Zeugnis für heute
Patmos Verlag
Vorwort
radix – von der Wurzel her
Glauben lernen
Gott allein
Gott mitten im Leben
Sich an Christus klammern
Beten und handeln
Christus praesens
Leben lernen
Der archimedische Punkt
Sich von Gott aufwühlen lassen
Das Ende der Angst
Der Mut zur Tat
Kraftvolle Lebensbejahung
Den anderen Blick wagen können
Hochgemute Selbstgewissheit
Sterben lernen
Im Kreuz liegt das Heil
Die Schwäche Gottes ist seine Stärke
Das Wunder der Auferstehung
pro nobis – für uns
»Entschieden Christ sein« – ein Buch mit solch einem Anspruch schreiben zu wollen, ist ein gewaltiges Vorhaben. Egal wie diese Person heißt, es steht immer in Frage, ob eine einzige Person uns diese Grunddimension des Lebens überhaupt nahebringen kann. Ohne lange Vorrede möchte ich beschreiben, wie ich dazu gekommen bin, gerade ein solches Buch über Dietrich Bonhoeffer zu schreiben, gerade mit diesem Angebot, mit ihm entschieden Christ zu sein.
Wie viele andere Menschen habe auch ich schon vor langen Jahren Bonhoeffers bekanntestes Buch »Widerstand und Ergebung« gelesen und ich war, wie viele andere auch, beeindruckt von Bonhoeffers Mut, Kraft und Unbeugsamkeit während seiner Haftzeit unter den Nazischergen. In Briefen und Kassibern aus seiner Gefängniszelle wird darin ein Mann lebendig, der authentisch – denn die Briefe waren ja nicht für die Veröffentlichung »geschönt« geschrieben – seinen aufrechten Gang in der brutalen Terrorzeit ging. Ich konnte nur diesen Mut und diese Kraft bewundern.
Jahre später entdeckte ich eher zufällig die gesammelten Schriften Bonhoeffers, die sein Freund und vielmaliger Adressat seiner Briefe aus der Haft, Eberhard Bethge, herausgab. Sofort war mein Interesse geweckt, und ich las die Aufsätze, die wissenschaftlichen Publikationen und vor allem die Predigten von Dietrich Bonhoeffer.
Und ich kann sagen: Meine Faszination für Bonhoeffer wurde noch um einiges größer, denn in seinen theologisch-religiösen Reflexionen wurde für mich deutlich, warum er einen so aufrechten Gang gehen konnte und woher er den Mut nahm, den Henkern die Stirn zu bieten. Das war keine innerweltliche Attitüde, sondern sein Handeln und seine Stärke entsprangen ausschließlich seinem unbedingten Glaube an Jesus Christus. Bonhoeffer lebte so konsequent seinen Glauben, dass sein Leben und Sterben mit diesem Mut und dieser Stärke nur konsequent war.
Ich gebe gerne zu: Gerade Bonhoeffers Predigten zu lesen, das erschütterte mich und das verstörte mich nachhaltig. Solch einen Glauben zu haben, der nicht nur ein Schönwetter-Glaube ist, sondern der in den extremsten Zeiten des Lebens eine solche Kraft besitzt, um mit ihm aufrecht gehen zu können, das faszinierte mich und verstörte mich zugleich. Denn bei Bonhoeffer wurde mir auch klar: Ein solcher Glaube gibt nicht nur viel, sondern er verlangt auch viel: die unbedingte Hingabe an Jesus Christus. Jedenfalls war mein Interesse geweckt, dem »glauben, leben und sterben lernen mit Dietrich Bonhoeffer« auf die Spur zu kommen und zu fragen, was dieser Glaubenszeuge und Märtyrer uns Menschen der Moderne zu sagen hat, ganz im Sinne von Papst Paul VI., der in seinem Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi aus dem Jahre 1975 schreibt: »Der heutige Mensch hört lieber auf Zeugen als auf Gelehrte, und wenn er auf Gelehrte hört, dann deshalb, weil sie Zeugen sind.«1
Gebet für Mitgefangene:
»Herr Jesus Christus,
Du warst arm
und elend, gefangen und verlassen wie ich.
Du kennst alle Not der Menschen,
Du bleibst bei mir,
wenn kein Mensch mir beisteht,
Du vergisst mich nicht und suchst mich,
Du willst, dass ich Dich erkenne und mich
zu Dir kehre.
Herr, ich höre Deinen Ruf und folge,
hilf mir!«2
Dietrich Bonhoeffer, Weihnachten 1943
Dietrich Bonhoeffer hat dieses Gebet nach eindreiviertel Jahren Haft zu Weihnachten 1943 für seine Mitgefangenen geschrieben. Noch weitere anderthalb Jahre sollte er in Haft bleiben, um in den letzten Tagen des Krieges am 9. April 1945 von den Nazihenkern hingerichtet zu werden. Dieser Dietrich Bonhoeffer steht im Zentrum unserer Glaubens- und Lebensschule für die Menschen unserer Zeit. Dietrich Bonhoeffer, ein entschiedener Christ und Widerstandskämpfer, mit ihm wollen wir gemeinsam den Versuch unternehmen, intensiver glauben, besser leben und gut sterben zu lernen.
Doch Vorsicht: Mit Dietrich Bonhoeffer glauben, leben und sterben lernen, bedeutet Mut haben zu müssen, einen Mut, der Bonhoeffer in seinem Widerstandskampf gegen Hitler und seine Schergen getragen hat, nämlich einen Mut, der eine kompromisslose Entscheidung3 verlangt, eine Kompromisslosigkeit im Glauben, im Leben und im Sterben. Und diese Kompromisslosigkeit gründet sich für Bonhoeffer einzig und allein in der Hingabe an Gott. Das macht Bonhoeffer zu einem Radikalen im Glauben, Leben und Sterben, weil er radikal und ausschließlich auf diese Wurzel »Gott« – ohne Wenn und Aber – setzt, so dass er sagen kann: »Glauben heißt bedingungslos trauen und wagen.«4
Diese Radikalität hat sich Bonhoeffer als Christ, Theologe und Pfarrer nicht bloß ausgedacht und sich vielleicht an dieser Vorstellung erfreut, sondern er hat diese Radikalität gelebt und bezeugt bis in seinen Tod hinein. Sich dieser Radikalität als Mensch unserer Zeit zu stellen, braucht Mut, einen Mut, der die Verstörung wirken lassen kann, die Bonhoeffers Glauben, Leben und Sterben bei uns auslösen wird.
Seien wir also gewarnt! Bei Bonhoeffer gibt es nichts Halbes, bei Bonhoeffer ist es ein »Glauben pur«, bei uns vielleicht eher »Verstörung pur«, wenn wir zum Beispiel hören: »Was zum Glauben zu allererst gehört, nämlich uns selbst aufgeben, uns nicht mehr sehen und Gott allein gelten lassen, und ihm so trauen und es mit ihm wagen.«5 Lassen Sie es uns einfach wagen, uns diesem radikalen Christen anzunähern, uns anfragen zu lassen und vielleicht mit Dietrich Bonhoeffer besser glauben, besser leben und besser sterben zu können.
Dietrich Bonhoeffer, am 4. Februar 1906 als sechstes von acht Geschwistern geboren, hatte eine behütete Kindheit in einer privilegierten Familie: Berlin, Grunewald-Viertel, ein Professorenhaushalt alter Schule, schlicht des Milieu einer Geisteselite. Vater Karl Bonhoeffer war angesehener Professor für Psychiatrie und Neurologie an der Charité, die Mutter eine geborene von Hase. Ein solches Herkommen bot selbstverständlichen Halt und Geborgenheit, so dass Bonhoeffer harsch auf das Redeverbot reagieren konnte, das das Reichsicherheitsamt ihm 1940 auferlegte: »Ich gehöre mit Stolz einer Familie an, die sich um das Wohl des deutschen Volkes und Staates seit Generationen verdient gemacht hat. Zu meinen Voreltern gehört der Generalfeldmarschall Graf Kalckreuth und die beiden großen deutschen Maler gleichen Namens; gehört der in der gesamten wissenschaftlichen Welt des vorigen Jahrhunderts bekannte Jenenser Kirchenhistoriker Karl v. Hase; die Bildhauerfamilie Cauer, mein Onkel ist der Generalleutnant Graf v. d. Goltz, der das Baltikum befreite; sein Sohn, der Staatsrat Rüdiger Graf v. d. Goltz ist mein Vetter ersten Grades; der im aktiven Heeresdienst stehende Generalleutnant v. Hase ist mein Onkel, mein Vater ist seit fast 30 Jahren ordentlicher Universitätsprofessor der Medizin und steht bis heute in ehrenvollen Staatsämtern; seine Vorväter haben jahrhundertelang als hochangesehene Handwerker und Ratsherren der damaligen freien Reichsstadt Schwäbisch-Hall gelebt und noch heute zeigt man dort ihre Bilder mit Stolz in der Stadtkirche; meine Brüder und Schwäger stehen in hohen staatlichen Stellungen, einer meiner Brüder fiel im Weltkrieg.«6
Diese Ahnengalerie führt Bonhoeffer natürlich aus strategischen Gründen auf, doch um seine Sicherheiten weiß er: »Bei uns sind immer die Eltern, die alle Schwierigkeiten erleichtern. Und ob wir auch noch so weit weg sind, gibt uns das so unverschämte Sicherheit.«7
Seine Familie, sein Herkommen schaffen Sicherheiten, ermöglichen Bonhoeffer eine behütete Kindheit und Jugend. Man ist in der Familie evangelisch, aber doch einigermaßen erstaunt, als Dietrich sich entschließt, Theologie zu studieren. Die Welt der Naturwissenschaften hätte in der innerfamiliären Reputation dem jungen Dietrich mehr Ansehen eingebracht. Konnte man mit der Theologie und ihrer intellektuell-akademischen Ausrichtung und dem möglichen Berufsziel Professor noch halbwegs einverstanden sein, so gab es dann aber doch eine große Verwunderung, als Bonhoeffer sich auch noch entschied, Pfarrer werden zu wollen. Doch man muss wissen, in welcher Zeit diese Entscheidung Bonhoeffers fällt: Als er 1931 als Pfarrer ordiniert wird, ist die Wirtschaftskrise und mit ihr die Arbeitslosigkeit auf einem Höhepunkt und Hitler ist auf dem Weg zur Machtübernahme. So wählt Bonhoeffer die konkrete Tat in der Gemeindearbeit vor Ort – und dann in seiner aktiven Mitarbeit im Widerstand gegen Hitler.
Bonhoeffer hätte vielerlei Möglichkeiten gehabt, sich aus Deutschland weg in Sicherheit zu begeben, beispielsweise nach Barcelona, London und vor allen die USA. Aber er entschied sich nach seiner letzten USA-Reise 1939 bewusst für ein Leben und Handeln in Deutschland, obwohl ihm klar sein musste, dass diese Entscheidung seinen Tod bedeuten könnte. Und tatsächlich wird er im April 1943 – er war vor allem Verbindungsmann des Widerstandskreises zu Kirchenführern im Ausland – verhaftet und bleibt bis zu seiner Ermordung im KZ Flossenbürg bis April 1945 in Haft: ein Widerstandskämpfer und christlicher Märtyrer. Auch andere Familienangehörige sterben im Widerstand. Bewegend ist der Brief des Vaters von Dietrich Bonhoeffer an einen Kollegen im Oktober 1945: »Dass wir viel Schlimmes erlebt und zwei Söhne (Dietrich, der Theologe und Klaus, Chefsyndikus der Lufthansa) und zwei Schwiegersöhne (Prof. Schleicher und Dohnanyi) durch die Gestapo verloren haben, haben Sie, wie ich höre, erfahren. Sie können sich denken, dass das an uns alten Leuten nicht ohne Spuren vorübergegangen ist. Die Jahre hindurch stand man unter dem Druck der Sorge um die Verhafteten und die noch nicht Verhafteten, aber Gefährdeten. Da wir alle aber über die Notwendigkeit zu handeln einig waren, und meine Söhne auch sich im Klaren waren, was ihnen bevorstand im Falle des Misslingens des Komplotts und mit dem Leben abgeschlossen hatten, sind wir wohl traurig, aber auch stolz auf ihre gradlinige Haltung.«8
Dietrich Bonhoeffer war zur Zeit seiner Hinrichtung nur einem kleinen Kreis von Menschen bekannt, war er doch bei seinem Tod erst 39 Jahre alt, so dass man nicht von einem vollendeten Lebenswerk sprechen kann. Auch nach dem Krieg tat man sich schwer, an einen Widerstandskämpfer (auch innerhalb seiner Kirche) erinnert zu werden. Erst mit der Veröffentlichung seiner aus der Haft geschmuggelten Briefe änderte sich langsam das Bild. »Widerstand und Ergebung«, so der Titel dieser Briefedition, war jahrelang ein Bestseller, ein Buch, in dem man das Leiden und die Größe dieses christlichen Märtyrers nachvollziehen konnte. Nicht nur wurden mittlerweile viele Kirchen und Schulen nach Bonhoeffer benannt, sein Gebet »Von guten Mächten« gehört seit langem zum Standardrepertoire der Liedauswahl in den christlichen Kirchen.