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Wirklich Ruhe finden ist im Alltag nicht ganz leicht. Dabei gehört richtige Entspannung zu den Grundlagen der Gesundheit. Das Buch gibt eine anschauliche Übersicht über das Praxisgebiet Entspannungstraining: Von meditativer, imaginativer, Atem- und Selbsthypnose-Entspannung bis hin zu Progressiver Relaxation und Autogenem Training. Je nach Verfahren werden unterschiedliche Entspannungsziele aktiviert - sofortige Entspannung kann angeregt, Entspannungsfähigkeit geübt oder gelassene Lebenshaltung entwickelt werden. Zwischen Therapie und Entspannung wird dabei genau differenziert. Für (künftige) EntspannungstrainerInnen bieten ausformulierte Instruktionen und Selbstbeobachtungsbögen einen reichen Fundus für die Kursgestaltung.
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Seitenzahl: 220
Karl-Heinz Schäfer, Psychologischer Psychotherapeut, Ravensburg, ist in eigener Praxis tätig. Er leitet Fortbildungsseminare an der Sebastian-Kneipp-Akademie sowie am Seminarzentrum Wollmarshöhe. Arbeitsschwerpunkte sind Psychotherapie (Einzel- und Gruppentherapie), Hypnotherapie, Entspannungsverfahren und Therapeutisches Bogenschießen.
Außerdem im Ernst Reinhardt Verlag erschienen:
Schäfer, K.-H.: Therapeutisches Bogenschießen (2. durchges. Aufl. 2018, 978-3-4970-2761-3)
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
ISBN 978-3-497-03060-6 (Print)
ISBN 978-3-497-61505-6 (PDF-E-Book)
ISBN 978-3-497-61506-3 (EPUB)
© 2021 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München
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Satz: JÖRG KALIES – Satz, Layout, Grafik & Druck, Unterumbach
Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München
Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: [email protected]
Inhalt
Einführung
1 Grundlegende Gedanken und Allgemeines zur Praxis von Entspannungstrainings
1.1Grundlegende Gedanken zu Entspannungstrainings
1.1.1Zielperspektiven
1.1.2Entspannungszustand
1.1.3Sprachformen
1.2Allgemeines zur Praxis von Entspannungstrainings
1.2.1Ritualisierung
1.2.2Grundbedingungen
1.2.3Übungsablauf
1.2.4Protokollblätter
2Die einzelnen Entspannungsverfahren
2.1Meditative Entspannung
2.1.1Die Methode der Achtsamkeit
2.1.2Standardübungen Meditativer Entspannung
2.2Atementspannung
2.2.1Standardübungen der Atementspannung
2.2.2 Der Atem bei der Anleitung einer Entspannungsübung
2.3Progressive Relaxation
2.3.1 Ziel und Methode der Progressiven Relaxation
2.3.2Durchführung der Übung
2.3.3Erwartbare Effekte des Übens
2.3.4Mögliche Schwierigkeiten beim Üben
2.3.5Kurzformen der Progressiven Relaxation
2.3.6Die Vorzüge der Progressiven Relaxation
2.3.7Besonderheiten der Anleitung von PR
2.3.8Materialien für die Praxis
2.4Autogenes Training
2.4.1Praktische Durchführung der AT-Übung
2.4.2Einzelne AT-Übungen
2.4.3Die Formeln und ihre Varianten
2.4.4Nutzungsphase
2.4.5Die Vermittlung des AT
2.4.6Hinweise zu Erweiterung und Oberstufe des AT
2.5Imaginative Entspannung
2.5.1Wahl und Gestaltung des Bildmotivs für die Imaginative Entspannung
2.5.2Beispiele für Übungen der Imaginativen Entspannung
2.5.3Die offene Bildentspannung
2.5.4Imaginative Entspannung und Fantasiereise
2.6Selbsthypnose-Entspannung
2.6.1Übungen der Selbsthypnose-Entspannung
2.6.2Quintessenz und Epilog: „Seven Steps“
3Verzeichnis der Übungen
Literatur
Sachregister
Das Online-Material zum Buch können Sie auf der Homepage des Ernst Reinhardt Verlags unter https://www.reinhardt-verlag.de herunterladen. Auf der Homepage geben Sie den Buchtitel oder die ISBN in der Suchleiste ein. Hier finden Sie das Online-Material unter den Produktanhängen.
Einführung
Entspannung gehört notwendig zum menschlichen Leben. Sie schafft den Ausgleich zur alltäglichen Anspannung und Anstrengung, die zur Bewältigung des Lebens erforderlich ist. Der Stress mag von unterschiedlicher Art und verschiedenem Ausmaß sein, aber grundsätzlich braucht der menschliche Organismus regelmäßigen Ausgleich in Entspannung und Erholung für seine Gesundheit und sein Leben.
Rhythmen in der Natur, in der Biologie des Menschen und gesellschaftliche Traditionen regulieren und sichern diesen Ausgleich. Naheliegende Beispiele sind der tägliche Wechsel von Wachen und Schlafen und der Wochenrhythmus von Werktagen und arbeitsfreiem Sonntag, der Wechsel von Arbeit und Urlaub im Jahresrhythmus und der Wechsel der Jahreszeiten mit Sommer und Winter.
Für Entspannung sind allerdings diese weiten Rhythmen nicht ausreichend, der Organismus braucht schon vorher und zwischendrin Ausgleichsmöglichkeiten, um nicht Schaden zu nehmen. Der wichtigste Rhythmus im Zusammenhang mit Anspannung/Entspannung ist der Basic Rest Activity Cycle (BRAC): Nach ca. 90 Minuten Anstrengung braucht der Organismus ca. 20 Minuten Ruhe und Erholung.
„Wir können lernen, auf diese … Aufforderung zur Regeneration und Erholung zu achten und den Weg vom Stress zur Gesundheit … zu finden“, so Rossi/Nimmons (2013, 25) in ihrem Buch mit dem programmatischen Titel „20 Minuten Pause“ (zur Darstellung des BRAC bsd. Rossi/Nimmons 2013, 33ff und das Diagramm auf S.24).
Bei weitgehend naturgemäßer Lebensweise und ohne akut bedrohliche Notsituation würde sich diese Erholungsphase quasi von selbst einstellen, einfach durch Aufhören der Aktivität und Einlegen einer Pause. Und es gibt auch in der Gegenwart viele natürliche, spontan naheliegende, einfache Möglichkeiten, wie der Mensch, je nach Art und Intensität der vorherigen Stressbelastung, sinnvollen Ausgleich finden kann: etwa im Rückzug allein für sich auf der Couch zu liegen und vor sich hinzuträumen oder Musik zu hören oder im Kontakt sich kurz zu einem Kaffee und einem Small Talk zu treffen oder sich mal ein Viertelstündchen anzukuscheln oder in entspannender Beschäftigung und Bewegung ein paar Schritte durch den Garten oder einen naheliegenden Park zu machen, eine Runde Tischtennis zu spielen, ein Lied zu singen usw.
Natürliche Wege zur Entspannung
■Rückzug, Ruhe, Wärme
■Kontakt, Reden, Berührung
■Beschäftigung, Spiel, Vergnügen
■Bewegung, Rhythmus
Wenn jemand auf diese Art den Ausgleich, den der Organismus braucht, tatsächlich findet, ist alles bestens in Ordnung und kein Entspannungstraining erforderlich.
Doch reichen diese Wege zur Entspannung allzu oft nicht mehr aus. Die natürlichen Rhythmen werden in der Realität des Arbeitslebens vielfach missachtet, früher religiös verankerte Phasen des Ausgleichs lösen sich auf.
Es fehlt auch an Akzeptanz für ein gesundes Nichtstun. Es passt nicht in eine Leistungs- und Spaßgesellschaft, sich im Alltag wirkliche Ruhe und Erholung zu erlauben. So sind die Pausen, die sich jemand während des Tages nimmt bzw. die er bekommt, meist zu selten, zu kurz und zu oberflächlich.
Da Zeit und Legitimation für Ruhephasen fehlen, geht bald auch die natürliche Fähigkeit zur Entspannung verloren. Selbst wenn dann einmal Zeit zur Verfügung steht, wissen viele gar nicht mehr, was gesunde Muße ist, wie sie ausreichend Ruhe finden können, geraten immer mehr in Stress, werden letztlich krank.
Wenn die Ruhe und Erholung, die der menschliche Organismus nun einmal braucht, nicht mehr spontan und natürlich gelingt, kommen manche auf unglückliche Ideen, die allenfalls kurzfristig helfen und letztlich die Situation verschlimmern. Anfangs liegen diese Strategien ganz im gesellschaftlichen Trend. Das macht sie auch so verführerisch. Wenn aber der Sport zum exzessiven Auspowern wird, was Erschöpfung mit Ruhe verwechselt, wenn beim Computerspielen oder Fernsehen nur die eine Unruhe durch eine andere ersetzt wird oder wenn Alkohol nicht mehr dem Genuss dient, sondern nur endlich die innere Unruhe betäuben soll, dann liegen die gesundheitlichen Probleme auf der Hand.
Einige suchen auch gar nicht mehr nach ausgleichender Ruhe, sondern putschen sich nur noch auf.
Die typischen Fehlstrategien
wenn es nicht mehr gelingt, spontan und natürlich zu Ruhe und Erholung zu kommen:
Erschöpfungexzessiver SportAblenkung durch starke ReizeComputerspiele, MusikBetäubungAlkohol, MedikamenteAufputschungDrogenSpätestens hier kommen Entspannungstrainings ins Spiel. Sie haben die wichtige Aufgabe, auf eine gute Art wieder einen Zugang zu gesunder Erholung zu ermöglichen. Sie können, wenn starker Stress ausgeglichen werden muss, wirkliche Entspannung mit der notwendigen Vollständigkeit und Dauer gewährleisten.
Auch die beste Entspannung löst jedoch keine Probleme, die in der Gesellschaft oder in der Person liegen. Das ist die Aufgabe von Sozialpolitik bzw. Psychotherapie. Entspannung ist allerdings auch nicht als Flucht vor der Realität, als Ausweichen vor dem Leben zu verstehen.
Entspannung ist – in dieser unvollkommenen Welt – unverzichtbar als der bestmögliche Ausgleich zum Stress und als Befähigung und Ermutigung zu bestmöglicher Lebensgestaltung.
Auf diesem Hintergrund ist Entspannung als Fähigkeit zu verstehen, zu der der Mensch grundsätzlich imstande ist, die aber unter den gegebenen gesellschaftlichen Zuständen (wieder) gelernt und eingeübt werden muss.
Es geht um etwas ganz Natürliches und Elementares: die Fähigkeit, wenn man angespannt, nervös oder unruhig ist, sich niederzulassen und aus eigener Kraft in überschaubarer Zeit zu innerer Ruhe zu kommen, wie sie der Organismus zur Regeneration benötigt.
Der Erwerb der Entspannungsfähigkeit ist vergleichbar damit, schwimmen oder Fahrrad fahren zu lernen – und dann sein Leben lang über diese Fähigkeit zu verfügen.
Die Aufgabe, vor der die Teilnehmer eines fachgerechten Entspannungstrainings stehen, sollte dabei nicht unterschätzt werden. Die Entspannungsfähigkeit, die es zu erreichen gilt, ist nicht auf Knopfdruck zu haben. Soll die Entspannung dann funktionieren, wenn sie dringend gebraucht wird, muss sie vorher intensiv genug eingeübt sein. Es braucht auch die Entschlossenheit, sich die erforderliche Zeit zur Entspannung zu nehmen (der menschliche Organismus lässt sich da nicht beschleunigen), und um eine Entspannungsübung jederzeit einsetzen zu können, muss sie so gelernt sein, dass sie selbstständig durchgeführt werden kann, unabhängig von besonderen äußeren Voraussetzungen und Hilfsmitteln.
So vergleiche ich ein richtig verstandenes Entspannungstraining gerne mit einer Fahrschule – nicht mit einem Taxistand und auch nicht mit dem Treffpunkt zu einer Kutschfahrt.
Diese Ernsthaftigkeit lässt sich im heutigen gesellschaftlichen und speziell medialen Umfeld nicht leicht aufrechterhalten.
Zum Beispiel ist schon lange der Trend allgegenwärtig, Entspannung gleichzusetzen mit einer genussvollen Wellness-Behandlung, wo man sich für eine Zeit, etwa ein Wochenende, „ausklinkt“ und verwöhnen lässt. Diese Art Entspannung ist auf Passivität, d.h. Abhängigkeit, angelegt. Und sie entspricht der verbreiteten Idealvorstellung vom scheinbar unbegrenzt belastungsfähigen Top-Manager bzw. der Power-Frau, die sich nach einer Phase schonungsloser Spitzenleistung mal eine kurze Luxus-Auszeit gönnt – eine auf Dauer ganz ungesunde Vorstellung.
Ähnlich problematisch ist die allgemeine Tendenz zur Beschleunigung. Auch Entspannung ist längst „angekommen auf der Fastfood-Ebene mit ‚leckeren Relax-Häppchen‘ und ‚AT für zwischendurch‘ und die Rezeptbücher sind derzeit auf dem Stand von ‚100 Tricks und Techniken‘ zur blitzschnellen Entspannung ‚in Sekunden‘“ (Schäfer 2008, 440. Die Zitate sind der Reihe nach entnommen aus Titeln von Lockstein/Faust 2001; Derra 1998; Wilson 1996; Sonntag 2005). Sicher sind Kurzentspannungen besser als gar keine Unterbrechung, aber sie unterwerfen sich selbst noch dem überzogenen Leistungsgedanken, dem sie eigentlich etwas entgegensetzen müssten, und sind zu wenig für einen gestressten Menschen – der braucht nach einer Zeit der Anstrengung und Anspannung zur Regeneration 10–20 Minuten wirklich erholsame Ruhe, schneller und leichter geht es nun einmal auf Dauer nicht.
Weit weg von einer selbstbestimmten Entspannungsfähigkeit sind auch die medialen Fertigprodukte. Aktuell werden die früher fast allen Entspannungsbüchern beigefügten CDs abgelöst durch „Meditations-Apps“ auf dem Smartphone, die als perfekt an den Alltag angepasste Konsumform von Entspannung jederzeitige Abrufbarkeit mit vollkommener Abhängigkeit verbinden.
Neben solchen machtvollen Trends gibt es noch eine in besonderer Weise problematische Tendenz, der gegenüber eine kritische Distanz erforderlich ist, wenn man eine in ihrem Wesen richtig verstandene Entspannung angemessen praktizieren und vermitteln will: die Vermischung von Entspannung und Therapie.
Geeignete Vorgehensweisen, die dem Menschen in systematischer Form wirkliche Entspannung ermöglichen, mussten nicht völlig neu erfunden werden, sondern konnten aus vorhandenen Erfahrungen mit spirituellen Traditionen oder psychotherapeutischen Verfahren entwickelt werden.
Es lohnt sich, diese Entwicklung von Entspannungsübungen kurz zu betrachten. Denn daraus lassen sich wesentliche methodische Schlüsse ziehen für das richtige Verständnis von Entspannungstraining.
Musterbeispiel ist das Autogene Training (AT). Schultz hat dieses Entspannungsverfahren aus der Hypnose als einem seinerzeit in der Psychiatrie gut etablierten Therapieverfahren entwickelt, indem er die zentrale Methode, die Suggestion, aus dem therapeutischen Zusammenhang herauslöste und mit dem Ziel Entspannung verband. Zugleich stellte er sicher, etwa durch festgelegte Standardformeln für die Selbstsuggestion der Entspannungselemente, dass die Übung selbstständig durchgeführt werden konnte.
So ist ein außerordentlich wirkungsvolles Entspannungsverfahren entstanden. Wenn es ausreichend lange systematisch eingeübt ist, kann es innerhalb kürzester Zeit einen Weg zur Ruhe bahnen, die „Umschaltung“ (wie es Schultz genannt hat) in den Ruhezustand bewirken, den der gestresste menschliche Organismus zur Erholung braucht.
Da es sich nicht mehr um Hypnose, sondern um ein Entspannungsverfahren handelt, hat Schultz ihm auch eine spezielle Benennung, eben „Autogenes Training“, gegeben.
Damit sind die wesentlichen Schritte deutlich. Wenn ein Bereich bestimmt ist, der zur Entwicklung eines Entspannungsverfahrens geeignet erscheint, dann geht es um Folgendes:
■die zentrale Methode herauslösen,
■Entspannung/Ruhe als Ziel setzen,
■eine selbstständige Durchführung sicherstellen und
■eine passende Bezeichnung geben.
Diese Schritte sind in vielen Bereichen, die mit Entspannung in Verbindung gebracht werden, keineswegs konsequent durchgeführt. Es kommt oft zu einer unklaren Vermischung ganz verschiedener Konzepte, Ziele und Begriffe.
Ein Beispiel, wie eine allgemein noch ausstehende konsequente Entwicklung eines Entspannungsverfahrens in diesem Buch ausgeführt wird, ist der Bereich der Imagination.
Man kennt Imaginationen etwa aus Meditation und Schamanismus, aus Märchen und Fantasiereisen, als therapieorientierte Selbsterfahrungsübung oder als regelrechtes Therapieverfahren. Auf dem Hintergrund dieser Erfahrungen ist es durchaus naheliegend, dass die methodische Vorgehensweise, bildhafte Vorstellungen entstehen zu lassen, auch als „Weg zur Ruhe“ geeignet sein könnte.
Wenn nun aber Entspannung/Ruhe das Ziel ist und eine selbstständige Durchführung der Entspannungsübung gewährleistet sein soll, ist es methodisch erforderlich, einfache Ruhebilder (z.B. einen See in einer Berglandschaft) zum Inhalt der bildhaften Vorstellung zu machen und auf bestimmte Aspekte der inhaltlichen Gestaltung sowie auf die Abgrenzung etwa von Fantasiereisen oder von imaginativen Verfahren in der Therapie zu achten (2.5.4). Ein passender Begriff für dieses Entspannungsverfahren wäre „Imaginative Entspannung“.
Eine in dieser Weise konsequente Entwicklung und klare methodische Abgrenzung der Entspannungsverfahren ist ein Leitgedanke dieses Buches, auch in den Bereichen Meditation, Atem und Selbsthypnose.
Etwas anders ist die Situation bei der Progressiven Relaxation (PR). Jacobson setzt naturwissenschaftlich-medizinisch bei einer notwendigen physiologischen Voraussetzung für Entspannung an: der Gelöstheit der Muskulatur. Durch sein ausgedehntes Entspannungstraining wird diese Voraussetzung geschaffen, die sich dann in verbesserter Selbstregulation des Organismus und in leichter Abrufbarkeit von Entspannung bemerkbar macht. Es wird also keine Entspannungsübung nach Art des Autogenen Trainings entwickelt.
Dennoch gilt es auch bei PR, sorgfältig auf das richtige methodische Verständnis zu achten und die Entspannung von Therapie abzugrenzen.
Natürlich haben eine gute Entspannungsfähigkeit und eine ausreichende Entspannung im Alltag, so sie denn wieder erreicht sind, auch positive gesundheitliche Auswirkungen, die sich messen und wissenschaftlich nachweisen lassen. Solche Forschungsergebnisse dienen der Legitimation von Entspannungstrainings. Doch sollte das nicht dazu führen, praktisch nur noch danach zu forschen und darüber zu berichten, bei welcher Störung bzw. Krankheit positive Effekte durch ein Entspannungsverfahren zu verzeichnen sind, d.h. den Eindruck zu erwecken, Entspannung wäre als spezifisches Heilmittel zu verstehen. Meines Erachtens widerspricht dieser in Veröffentlichungen weit verbreitete klinische Anspruch grundsätzlich dem Wesen von Entspannung.
Entspannung ist notwendiger Teil einer gesunden Lebensführung. Entspannungstraining gehört also ihrem Wesen nach zur Prophylaxe. Vor allem gesunde Personen, die allenfalls Befindlichkeitsstörungen haben, sollten daran teilnehmen.
Als solches lässt sich Entspannungstraining auch im Rahmen von Therapie und Rehabilitation sinnvoll einsetzen. Entspannungsübungen haben dort eine ergänzende und unterstützende Funktion innerhalb einer tiefergreifenden bzw. umfassenderen Therapie. Sie sind von ähnlich grundlegender Bedeutung wie gesunde Ernährung oder Bewegung. An sich ist Entspannungstraining keine Therapie.
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Entspannung ist keine Therapie.
EntspannungstrainerInnen und KursleiterInnen sollten, auch wenn Personen durch spezifische Probleme, für die sie sich Hilfe erhoffen, zur Teilnahme motiviert sind, empathisch bemüht sein, nach und nach ein Verständnis von Entspannung als grundlegendem Teil von Gesundheit zu vermitteln, und nicht spezielle Heilungswirkungen in den Vordergrund stellen oder gar versprechen. Fehlt die Abgrenzung von Therapie und Entspannungstraining und sind neben Entspannung/Ruhe ständig noch andere, weitergehende Ziele im Umlauf, kann das leicht zu Schwierigkeiten führen: Entspannungsübungen werden mit überhöhten Erwartungen überfrachtet oder Entspannung erscheint nur noch als Beiprodukt oder Vorstufe von „Höherem“ – beides ist der motivierten Mitarbeit in einem Entspannungstraining nicht förderlich.
Unvollkommene Abgrenzung der Entspannung von Meditation und Therapie, mit ihren jeweils ganz anderen Zielen, kann geradezu als „Geburtsfehler“ allen Entspannungstrainings betrachtet werden.
Sowohl die traditionelle Meditation als auch die klassischen Methoden der Progressiven Relaxation und des Autogenen Trainings sind durch ihre Begründer verwurzelt in religiösen bzw. medizinischen Zusammenhängen und somit ursprünglich angelegt auf „höhere“ Ziele, auf Heilung, Therapie, Bewusstseinsentwicklung usw.
So hat Jacobson die Progressive Relaxation (PR) ganz in der Vorstellung entwickelt, damit eine grundlegend neue Therapie besonders von Angststörungen zu etablieren. Mittlerweile weiß man jedoch, dass eine Angsttherapie umfassender sein muss und PR (oder ein anderes Entspannungsverfahren) nur eine begrenzte Rolle dabei spielen kann (Hamm 2014).
Auch Schultz hält für sein Autogenes Training (AT) letztlich am therapeutischen Gedanken fest, indem er eine regelrecht therapeutische „Oberstufe“ des AT zu etablieren versucht. Die Entspannungsübung des AT wird dabei zur „Unterstufe“ – aber selbst die gehört dann noch zur „kleinen Psychotherapie“ (Schultz 2003, 367) und sollte nach seiner Auffassung Ärzten vorbehalten bleiben.
Das tut den Verdiensten von Schultz und Jacobson keinen Abbruch. Sie haben methodisch gut fundierte, wissenschaftlich untermauerte und nachgewiesenermaßen wirkungsvolle Entspannungsverfahren entwickelt. Ebenso verdanken wir den Traditionen von Meditation oder Schamanismus die unschätzbare Möglichkeit, von jahrhundertelanger Erfahrung mit Trance-Induktion, Achtsamkeit und Imagination für die Entwicklung von besonderen Entspannungsmethoden zu profitieren.
Die Tendenz, nicht bloß als EntspannungstrainerIn einen wertvollen Beitrag zur grundlegenden Gesundheitsvorsorge zu leisten, sondern lieber Therapeut/Arzt/Heiler/Retter sein zu wollen, sollte gesellschaftlich und persönlich bewusst werden als das psychologische Muster „There is no glory in prevention“, dem rational gegenzusteuern wäre.
Entspannungsübungen gehören im besten Sinn zur Gesundheitsvorsorge, genauso wie Ausdauersport, gesunde Ernährung und gute soziale Kontakte. So können sie ein erfreulicher und sinnvoller Teil des Lebens sein: angenehm, wirkungsvoll und bestärkend als Erleben persönlicher Kompetenz.
Entsprechend diesen einführenden Gedanken soll Entspannungstraining in diesem Buch auf solidem fachlichem Fundament dargestellt werden, mit dem Schwerpunkt auf der Praxis des Lernens und Vermittelns der wesentlichen Entspannungsverfahren.
Um dem Wesen der Entspannung gerecht zu werden, habe ich nur Vorgehensweisen aufgenommen, die
■zum Ziel haben, die Entspannungsfähigkeit zu fördern,
■selbstständig durchgeführt werden können und sollen („Hilfe zur Selbsthilfe“),
■unabhängig sind von körperlichem Kontakt, technischen Geräten und sonstigem speziellen Beiwerk,
■nicht mit Bewegung oder sonstiger äußerer Aktivität verbunden sind und
■in ihrer Entspannungswirkung als empirisch gesichert gelten können.
Damit ist auch schon gesagt, dass es verschiedene, gleichwertige „Wege zur Ruhe“ gibt. Alle haben das gleiche Ziel: Die Person soll sich auf diesem Weg ausreichend entspannen können. Die Vorgehensweisen sind jedoch methodisch unterschiedlich.
Es ist individuell zu klären, welcher Weg der persönlich passendste ist, einfach durch Ausprobieren – eine schematische Zuordnung etwa zu Persönlichkeitstypen ist nach meiner Erfahrung weder verlässlich noch notwendig.
In Teil 2 dieses Buches werden sechs Wege der Entspannung nebeneinander gestellt:
■Meditative Entspannung (bzw. Achtsamkeits-Entspannung),
■Atem-Entspannung (bzw. Atemorientierte Entspannung)
■Progressive Relaxation nach Edmund Jacobson
■Autogenes Training nach Johannes H. Schultz
■Imaginative Entspannung und
■Selbsthypnose-Entspannung.
Bei der Darstellung der einzelnen Entspannungsverfahren habe ich besonderen Wert auf methodische Klarheit und Differenzierung gelegt. Auch wenn sich in späterer Praxis Vorgehensweisen kombinieren oder integrieren lassen, scheint es mir wichtig, erst einmal die jeweilige methodische Besonderheit herauszuarbeiten und durch differenzierende Betrachtung ein genaues Verständnis zu ermöglichen.
Übrigens ist es meine Erfahrung, dass solche Kombinationen praktisch nie notwendig sind. Wenn eine Methode sich als persönlich passend erweist und die Tür zur Entspannung öffnet, geschieht die weitere Entwicklung zur Ruhe ganz selbstständig und sicher, manchmal auch mit spontaner Einbeziehung anderer Vorgehensweisen (etwa wenn jemand beim AT auch bildhafte Vorstellungen erlebt, 2.4.1). Es ist nicht erforderlich, eine Methodenkombination zur Regel zu machen.
Es gibt zwei methodische Hauptrichtungen, wie Entspannungsverfahren die Entwicklung von Ruhe befördern. Einerseits geht es darum, die Unruhe bzw. das Beunruhigende loszulassen, sich davon zu lösen, inneren Abstand zu finden – die Basis-Methode der Distanzierung. Andererseits geht es darum, die Ruhe, die Entspannung kommen zu lassen, herbeizulocken, aufzubauen – die Basis-Methode der (Selbst-)Suggestion. Wie leicht zu sehen ist, gehören zu einer vollständigen Entspannung letztlich beide Aspekte.
In den sechs vorgestellten Entspannungsformen sind die beiden Hauptlinien unterschiedlich verwirklicht, die methodischen Schwerpunkte der einzelnen Verfahren lassen sich durchaus unterscheiden: Zu Loslassen/Distanz gehören schwerpunktmäßig die Meditative Entspannung und die Progressive Relaxation, zu Suggestion von Ruhe das Autogene Training und die Imaginative Entspannung, bei der Atem-Entspannung sind beide Grundlinien gleichwertig möglich, bei der Selbsthypnose-Entspannung liegt eine Integration von (suggestiver) Imagination und (dissoziativer) Loslösung vor.
Das Buch ist in erster Linie gedacht für Personen, die Entspannungstrainings durchführen (oder durchführen wollen), ob nun im Rahmen von Gesundheitsvorsorge, etwa bei Krankenkassen oder an Volkshochschulen, oder an Kliniken bzw. Praxen im Rahmen therapeutischer Maßnahmen. Es vermittelt die dafür notwendige fachliche Kompetenz auf wissenschaftlichem Niveau mit dem Schwerpunkt auf der Praxis und enthält reichlich Hinweise für Gestaltung und Durchführung von Entspannungstrainings.
Die relevanten Entspannungsverfahren werden so eingehend und ausführlich dargestellt, dass es interessierten Personen auch die Möglichkeit eröffnet, einen oder mehrere dieser sechs „Wege zu Ruhe“ selbstständig zu lernen und sich fachgerecht anzueignen, falls die Teilnahme an einem Kurs, die grundsätzlich vorzuziehen wäre, nicht möglich ist.
Das Buch kann auch für Personen in verantwortlicher Position im Gesundheitsbereich wertvoll sein, die weder selbst Entspannungsübungen erlernen noch entsprechende Kurse selbst durchführen, aber fachlich fundiert informiert sein wollen, was sie von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Entspannungsbereich erwarten dürfen.
Langjährige Beschäftigung mit dem Thema Entspannung und Erfahrung mit Entspannungstrainings, vor allem als Psychologischer Psychotherapeut an einer psychosomatischen Klinik und in der Ausbildung von Entspannungstrainerinnen und -trainern an einer Akademie, stehen hinter diesem Buch. So sind teilweise vor Jahren erarbeitete und ständig erfahrungsgemäß weiterentwickelte Materialien als integrale Bestandteile in dieses Buch eingeflossen, die gelegentlich auch schon in früherer Form veröffentlicht wurden (etwa zur Programmatik Schäfer 2008, zur Progressiven Relaxation Schäfer 2005, einiges weiter Verstreute findet sich nun gesammelt in Schäfer 2020).
Bei jedem Entspannungsverfahren (außer den anders aufgebauten PR und AT) werden auch mehrere ausformulierte Übungstexte vorgelegt, die als Standardformen der betreffenden Entspannungsmethode gelten können. Die Texte zeigen beispielhaft den Übungsaufbau und passende Formulierungen für die Anleitung.
In erster Linie sind sie jedoch als „Merkblatt“ gedacht, wie sie in Kursen nach der Durchführung der Übung mit nach Hause gegeben werden, damit eine Person sich vor dem selbstständigen Üben (wenn nötig) das Blatt durchlesen und sich den Aufbau der Übung nochmals vergegenwärtigen kann.
Den Text als Anleitung vorzulesen (oder sich selbst als Audiodatei vorzusprechen), ist zwar möglich, aber weit entfernt von einer optimalen Entspannungsanleitung. Die erfordert mehr und persönlichere Worte, eine (im Schriftbild nur ansatzweise erkennbare) Rhythmisierung und Setzung von Pausen beim Sprechen sowie ein empathisches Eingehen auf Besonderheiten von Teilnehmer und Situation.
Somit deutet sich auch schon an, warum dem Buch keine CD mit Übungsanleitungen (bzw. kein Link zu einer entsprechenden App) beigefügt ist. Sie könnte zwar den Einstieg für manche erleichtern, aber sie ist nicht notwendig – gute Entspannungsübungen sind in ihrem Inhalt und Aufbau so einfach, dass eine kurze Beschreibung zum Verständnis genügt. Vor allem aber zeigt die Erfahrung, dass solche Hilfsmittel immer weiter eingesetzt werden, dass es praktisch nie zu der unabhängigen Selbstständigkeit kommt, die mit Entspannungsfähigkeit gemeint ist. Dabei ist die technisch gespeicherte Anleitung immer gleich, sie kann keine Besonderheit der Situation (wenn z.B. eine Störung eintritt) berücksichtigen und nicht den Übungsfortschritten der Person (etwa dass längere Pausen möglich und sinnvoll sind) Rechnung tragen. Die Person hat auch keine Möglichkeit zu besprechen, was ihr bei der Übung aufgefallen ist, und so können kleine Schwierigkeiten, die in einem Kurs leicht zu beheben wären, zum Abbruch jeglichen Übens und Praktizierens führen.
Entspannungstraining sollte ganz bewusst und entschieden Selbstständigkeit, Selbstverantwortung und Selbstvertrauen durch Können und Fähigkeit (entsprechend dem psychologischen Konzept der „Selbstwirksamkeit“) fördern.
Ich bin sicher, das Buch hat als Frucht meiner langjährigen fachlichen Beschäftigung mit Entspannung und meiner praktischen Erfahrung mit Entspannungsübungen und -trainings Relevantes beizutragen zum Grundverständnis von Entspannungstraining und zu den einzelnen Verfahren und bildet eine solide Basis für die Praxis.
So soll es der Gesundheit der Menschen dienen und den gesellschaftlichen Stellenwert des Arbeitsfeldes „Entspannungstraining“ erhöhen.
1Grundlegende Gedanken und Allgemeines zur Praxis von Entspannungstrainings
1.1 Grundlegende Gedanken zu Entspannungstrainings
Vor dem Einsteigen in die Praxis der einzelnen Entspannungsverfahren sollen nun einige grundlegende Gesichtspunkte dargelegt werden, die allgemein für Entspannungstraining aufschlussreich und wesentlich sind.
Wenn jemand kaum Kenntnisse und Erfahrungen mit Entspannungstrainings hat, ist es wahrscheinlich sinnvoller, sich erst einmal mit einzelnen Verfahren (Teil 2) zu beschäftigen und danach die hier ausgeführten grundlegenden Gedanken einzubeziehen.
1.1.1 Zielperspektiven
Das Ziel Entspannung ist bei genauerer Betrachtung vielschichtig. Ich halte es für sinnvoll, vier Ebenen oder Perspektiven zu unterscheiden, um sich seiner eigenen Zielvorstellung beim Entspannungstraining bewusster zu sein und die Besonderheit einer bestimmten Entspannungsübung richtig einzuschätzen:
1.Sofortige Entspannungswirkung der durchgeführten Übung: Bin ich jetzt nach der Übung entspannt? War das eine schöne Kursstunde?
2.Entwicklung der Entspannungsfähigkeit: Habe ich etwas dazugelernt, um später, wann immer ich es brauche, punktuell selbstständig zur Ruhe kommen zu können?
3.Verbesserung der Selbstregulation des Organismus: Gerate ich, seit ich die Übungen mache, weniger in Anspannung und Unruhe?
4.Entwicklung einer Lebenshaltung der Gelassenheit: Gewinnt Gelassenheit immer mehr Bedeutung in meinem Leben?
Natürlich schließen sich die verschiedenen Zielperspektiven nicht gegenseitig aus, sondern entwickeln sich im besten Fall nach und nach mit fließenden Übergängen.
Die Frage ist allerdings:
■Worauf kommt es mir hauptsächlich an?
■Worauf ziele ich ab, wenn ich selbst eine Entspannungsübung mache?
■Was will ich vor allem vermitteln, wenn ich eine Entspannungsübung anleite?
Entspannungsübungen lassen sich fachlich-methodisch diesen Zielebenen zuordnen.
Die meisten Entspannungsübungen, wie z.B. das Autogene Training, zielen hauptsächlich auf die Fähigkeit, punktuell bei Bedarf einen Entspannungszustand entstehen lassen zu können (Stressbewältigung). Die Übung steht dann quasi bereit als Werkzeug zur bewussten Herstellung der inneren Ruhe.
Eine Entspannungsübung kann in diesem Sinn als stete Prophylaxe ritualisiert im Tagesablauf eingesetzt werden (durchaus vergleichbar mit dem Zähneputzen), oder sie findet Anwendung in kritischen Situationen, um eine aktuell erhöhte Spannung auf ein gesundes Maß „runterzufahren“.
Nach längerem Üben, wenn also die Übung gut „verankert“ ist, lässt sich manchmal eine ausreichende Wirkung auch kurz „abrufen“, ohne dass die Übung vollständig durchgeführt werden muss. Bei einer Imaginativen Entspannung genügt dann etwa die einfache Vergegenwärtigung des eingeübten Bildes.
Andere Entspannungsübungen zielen weniger auf die Bereitstellung einer unmittelbar wirkungsvollen Übung, sondern sind eher zu verstehen als Training zum Aufbau einer guten Entspannungsselbstregulation des Organismus (Schutz vor Stress). Dafür ist die Progressive Relaxation ein Beispiel.
Manche Übungen, vor allem der meditativen Richtung, zielen von Anfang an sehr stark auf die Entwicklung einer Lebenshaltung der Gelassenheit, was mehr ist, als im Rahmen eines Entspannungstrainings normalerweise erwartet werden kann.
Wellness-Entspannungen, wie z.B. Entspannungsmusik im Ruheraum des Saunabereichs, sind praktisch nur auf die sofortige Wirkung orientiert.
Durch ein klares Verständnis der Zielebenen lässt sich mancher Enttäuschung im Teilnehmerkreis und bei der Leitung eines Entspannungstrainings vorbeugen. Wer z.B. lediglich das Ziel 1 oder allenfalls 2 vor Augen hat, wird in einem fachgerechten Kurs der Progressiven Relaxation kaum zufrieden sein. Ein verständnisvolles Besprechen und Erklären könnte eventuell die Motivation „retten“.
Ein Entspannungstraining sollte meiner Ansicht nach vor allem auf den Zielebenen 2 und 3, also Entspannungsfähigkeit und Selbstregulation, angesiedelt sein.
Die Ziele des Entspannungstrainings
Ein fachgerechtes Entspannungstraining dient der systematischen Entwicklung der Entspannungsfähigkeit als Hilfe zur Selbsthilfe.
Es ist gedacht für Menschen, die spontan und natürlich nicht mehr ausreichend zur Ruhe kommen bzw. die für solche Zeiten prophylaktisch etwas lernen möchten.
Die Teilnehmenden sollen also eine Entspannungsübung so lernen und üben,
■dass sie befähigt sind, selbstständig und sicher einen wirklich erholsamen Entspannungszustand herbeizuführen, d.h. möglichst unabhängig von
-anderen Personen (Anleitung, Berührung),
-äußeren Hilfsmitteln (Smartphone, CD, Musik),
-speziellen situativen Bedingungen (Liegestuhl, Duft);
■dass die unbewusste Selbstregulation des Organismus bezüglich Entspannung/Erholung sich deutlich verbessert,
■dass sich in der Person eine gesunde Lebenshaltung der Gelassenheit entwickelt.
Bedenke:
■Entspannung behebt nicht die Ursachen von übermäßigem Stress.
■Entspannung ist mehr als kurze Ablenkung und etwas anderes als Sich-Verwöhnen-Lassen.
1.1.2 Entspannungszustand