Erben, sterben und ein Phantom: Krimi Quartett 4 Thriller 2/2023 - Alfred Bekker - E-Book

Erben, sterben und ein Phantom: Krimi Quartett 4 Thriller 2/2023 E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis: YYY Pete Hackett: Trevellian und das Phantom Alfred Bekker: Verschwörung der Killer Peter Haberl/Robert Gruber: Der Erbmord Pete Hackett: Highway-Piraten Detective Lieutenant Shane Jacko und Sergeant Bruce Hawthorne sind einem Schutzgelderpresser auf der Spur, der ihnen in letzter Sekunde entkommt. Dann bekommen sie einen Fall auf den Tisch, bei dem aus Lastwagen die komplette Ladung gestohlen wird. Nun müssen sie an zwei Fronten gegen das Verbrechen kämpfen...

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Alfred Bekker, Pete Hackett, Peter Haberl, Robert Gruber

Erben, sterben und ein Phantom: Krimi Quartett 4 Thriller 2/2023

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Inhaltsverzeichnis

Erben, sterben und ein Phantom: Krimi Quartett 4 Thriller 2/2023

Copyright

Trevellian und das Phantom

VERSCHWÖRUNG DER KILLER

Der Erbmord

Erben, sterben und ein Phantom: Krimi Quartett 4 Thriller 2/2023

Alfred Bekker, Pete Hackett, Peter Haberl, Robert Gruber

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Pete Hackett: Trevellian und das Phantom

Alfred Bekker: Verschwörung der Killer

Peter Haberl/Robert Gruber: Der Erbmord

Pete Hackett: Highway-Piraten

Detective Lieutenant Shane Jacko und Sergeant Bruce Hawthorne sind einem Schutzgelderpresser auf der Spur, der ihnen in letzter Sekunde entkommt. Dann bekommen sie einen Fall auf den Tisch, bei dem aus Lastwagen die komplette Ladung gestohlen wird. Nun müssen sie an zwei Fronten gegen das Verbrechen kämpfen...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author /

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Trevellian und das Phantom

Krimi von Pete Hackett

Der Umfang dieses Buchs entspricht 115 Taschenbuchseiten.

Wer hat gefährliche Waffen aus Amerika in den Irak schaffen lassen? Offenbar steckt ein Amerikaner dahinter, der eine Rechtfertigung für den Sturz von Saddam Hussein schaffen will. In wessen Auftrag? Trevellian und seine Partnerin ermitteln bis in den Irak hinein, aber den Gegnern sind Menschenleben billig – auch die von FBI-Agenten.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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1

„Eine hochbrisante Angelegenheit, Jesse, Sarah“, gab Mr. Jonathan D. McKee, der Special Agent in Charge des FBI New York, mit ernstem Gesicht zu verstehen. „Es geht nicht nur um nationale Interessen, sondern tangiert die ganze Welt. In der Nähe von Kirkuk im Irak wurden in einem Bunker biologische und chemische Waffen gefunden. Senfgas, Anthrax, Nervengifte … Auf den ersten Blick könnte man annehmen, dass die weltweite Gefährdung durch Iraks Massenvernichtungswaffen von der Regierung nicht übertrieben worden war.“

„Damit wäre auch der Irak-Krieg wenigstens teilweise gerechtfertigt“, meinte Sarah Anderson, meine schöne Teamgefährtin, die seit einiger Zeit Milo Tuckers Stelle einnahm.

„Wäre“, dehnte der Chef. „Jetzt sieht es so aus, als wäre das gefährliche Material aus den USA in den Bunker in der Nähe von Kirkuk geschafft worden, um diese Rechtfertigung zu suggerieren. Und der Umschlagplatz der B- und C-Waffen war New York.“

Das saß. Es bedurfte einiger Zeit, bis Sarah und ich das verdaut hatten. Aber dann war es durch, und ich sagte: „Das heißt also, dass wir gefordert sind.“

„Das heißt es in der Tat, Jesse.“

„Woher stammt Ihre Kenntnis, Sir? Wenn eine Regierungsstelle dahinterstecken würde, wäre die Aktion doch absolut Top Secret behandelt worden …“

„Es ist ein Tipp von einem V-Mann. Er hat Clive Caravaggio unterrichtet. Clive gab sein Wissen an mich weiter. Ob eine Regierungsstelle dahinter steckt, ist ungewiss. Ich dachte zunächst an die CIA. Solche großen Projekte laufen zumeist über die Agency. Aber es wurde ein Name genannt. Machud al-Khoi. Er ist eingebürgerter Kurde, also ein Feind des Hussein-Regimes. Er soll die Zwischenlagerung und Verladung der mit biologischen und chemischen Kampfstoffen bestückten Sprengköpfe und Granaten organisiert haben.“

„Sicher können Sie uns mehr zu diesem Mann sagen, Sir.“

„Ja. Ich habe ein wenig die Vergangenheit Machud al-Khois durchleuchtet. Er ist vor fünfzehn Jahren auf der Flucht vor Saddam Husseins Truppen in die USA emigriert und hat hier in New York einen Handel mit Kfz-Ersatzteilen aufgebaut. Verbindungen zum Geheimdienst, also weder zur CIA noch zur NSA, scheint es nicht zu geben.“

„Woher stammen die Waffen?“, erkundigte ich mich.

„Das ist unbekannt. Jedenfalls müssen die Kampfstoffe in irgendwelchen Labors in den Staaten hergestellt worden sein. Wo die Waffen damit bestückt wurden, ist ebenfalls unklar. Sicher ist nur, dass die Lieferung in New York zusammengestellt wurde, und als sie komplett war, von hier aus die Reise in den Irak antrat.“

„Ein heißes Eisen“, murmelte ich.

„Amerika hat ein Gesicht in der Welt zu verlieren, Jesse, Sarah.“ Der Chef sprach es geradezu beschwörend. „Jetzt, nachdem die B- und C-Waffen gefunden wurden, sagt natürlich jeder, ob Europäer, Asiate, Afrikaner, Australier oder Amerikaner, dass der Krieg nicht zu Unrecht geführt wurde, dass Präsident Bush und der britische Premier Blair die Lage richtig eingeschätzt haben. Was aber ist, wenn sich herausstellt, dass die Kampfstoffe den Irakis untergeschoben wurden, und zwar von uns – den Amerikanern?“

Mr. McKee ließ seine Frage wirken und musterte Sarah und mich abwechselnd. Schließlich fuhr er fort.

„Darum gilt es, die Sache aufzuklären und mit einem Ergebnis vor die Weltöffentlichkeit hinzutreten, das unsere Regierung entlastet. Ich habe an Sie beide gedacht, Jesse, Sarah. Finden Sie heraus, ob Machud al-Khoi aus eigenem Antrieb, aus Hass auf das Hussein-Regime also, gehandelt hat, oder ob mehr dahintersteckt.“

„Wo wohnt dieser Machud al-Khoi?“, fragte Sarah.

„Brooklyn, Wolcott Street.“

„Wird uns Clive den Namen seines V-Mannes verraten?“ Diese Frage stellte ich.

„Ich denke. Es stehen nationale Interesse dahinter, Interessen, die über alles andere zu stellen sind.“

„Das hört sich ja richtig patriotisch an, Sir.“

„Wir sind alle Patrioten“, meinte der SAC lächelnd. „Wären wir sonst beim FBI, um für Ruhe und Frieden in unserem schönen Land zu sorgen?“

„Wir werden uns mit al-Khoi befassen, Sir“, versicherte ich. „Es ist jedoch anzunehmen, dass hinter ihm einflussreiche Leute stehen. Alleine kann er den Deal nicht durchgezogen haben. Es geht schließlich nicht um eine Hand voll Raketen oder Granaten, sondern um eine ganze Schiffsladung, wenn ich Sie richtig verstanden habe.“

„Nicht nur einflussreiche Leute, Jesse“, meinte der Chef. „Auch eine ganze Reihe von Handlangern. Nehmen Sie diesen Kurden keinesfalls auf die leichte Schulter. Ich wünsche Ihnen jedenfalls Hals- und Beinbruch.“

„Danke, Sir“, sagten Sarah und ich in Stereo. Dann erhoben und verabschiedeten wir uns.

2

„Wir setzen bei al-Khoi Laterna Magica ein“, gab ich zu verstehen, als wir wieder in unserem gemeinsamen Büro waren.

Laterna Magica ist eine Software, die ferngesteuert auf jeden x-beliebigen PC installiert werden kann. Das Programm erlaubt die Dekodierung und Dechiffrierung aller Daten auf dem Computer. Der betroffene Anwender merkt von der Installation nichts. Jedoch kann das FBI den gesamten Inhalt der Festplatte des Computers analysieren, sogar die verschlüsselten oder geschützten Daten. Die Software läuft unter der Kategorie Trojanisches Pferd.

„Keine schlechte Idee“, versetzte Sarah. „Das wird jedoch die Fahndungsabteilung für uns erledigen müssen.“

„In Zusammenarbeit mit Craig E. Smith, unserem Experten für Computeranlagen“, ergänzte ich. „Komm …“

Craig E. Smith sah kein besonderes Problem in der Installation des Programms auf al-Khois Computer. „Voraussetzung ist“, schränkte er jedoch ein, „dass der PC des Kurden am Netz hängt. Aber das werden wir herausfinden. Wenn ja, können wir sämtliche Daten auf seiner Festplatte scannen und uns ansehen.“

„Uns interessieren vor allen Dingen seine persönlichen Daten und die E-Mails, die der Mister versendet und erhält, sowie die Adressen, mit denen er elektronisch verkehrt. Ich denke mal, dass er nicht nur telefonisch mit den Leuten in Kontakt steht, mit denen er dubiose Geschäfte macht.“

„Wir kriegen das auf die Reihe“, versprach Smith.

Wir kehrten in unser Büro zurück. Zwanzig Minuten später wusste ich, dass al-Khoi Kunde bei ATT Wireless, der drittgrößten Telefongesellschaft der USA war. Ich bat, mir eine Liste der Telefongespräche des vergangenen Jahres, die von al-Khois Anschluss aus geführt worden waren, zusammenzustellen. „Senden Sie die Liste an das FBI New York, sechsundzwanzig Federal Plaza“, bat ich, „zu Händen Special Agent Jesse Trevellian.“

Mein Gesprächspartner sagte zu. Erst wollte er mich auf den Datenschutz verweisen, doch ich versprach ihm, mit einer Gruppe von Beamten und einem Durchsuchungsbefehl aufzukreuzen, was bei dem Schreibtischhengst sehr schnell eine Meinungsänderung hervorrief.

Nach dem Gespräch rief ich Clive Caravaggio an. Er war bereit, mir den Namen seines V-Mannes mitzuteilen. Er lautete Dan O'Leary. Ich würde O'Leary nahezu täglich ab zwanzig Uhr in einer Bar namens Eleazar in NoHo antreffen. „O'Leary ist ein mittelgroßer Bursche mit roten Haaren und tausend Sonnensprossen im Gesicht“, gab Clive noch zu verstehen. „Er sieht harmlos aus, ist aber gefährlich wie eine Klapperschlange.“

Ich bedankte mich.

„Und jetzt?“, fragte Sarah, als ich den Hörer auf den Apparat gelegt hatte und mich zurücklehnte.

„Jetzt warten wir ab und arbeiten den Papierkram auf, der auf unseren Schreibtischen herumliegt.“

Sarah zog schnitt ein wenig begeistertes Gesicht. Es war die sogenannte Ich-hab-keinen-Bock-Miene, die sie aufsetzte. „Fällt dir nichts Besseres ein?“, kaute sie hervor.

„Irgendwann müssen wir‘s schließlich tun“, antwortete ich. „Sonst nimmt der Krempel Ausmaße an …“

„Ich seh lieber mal im Zentralcomputer nach, ob es noch was über Machud al-Khoi herauszufinden gibt“, kam es von Sarah.

„Vergebliche Liebesmüh'“, widersprach ich. „Wenn der Chef das schon gecheckt hat, dann hat er nichts außer Acht gelassen. Das darfst du mir glauben.“

Achselzuckend fuhr Sarah ihr Computerterminal hoch.

„Ignorantin“, knurrte ich.

„Vier Augen sehen mehr als zwei“, konterte sie, und sie wollte damit zum Ausdruck bringen, dass Mr. McKee vielleicht doch etwas übersehen hatte, was von Bedeutung sein konnte.

Resignierend mit den Achseln zuckend schnappte ich mir eine Akte von meinem Schreibtisch und griff nach dem Diktiergerät.

Nun, auch ich war nicht begeistert. Doch ich ließ Sarah gewähren. Schließlich war ich nicht ihr Vorgesetzter. Jedes Mal, wenn mein Telefon dudelte, hoffte ich, dass Craig E. Smith am anderen Ende war, der mir mitteilte, mit wem Machud al-Khoi per E-Mail verkehrte.

Ich konnte mich nicht so recht auf die Akte vor mir konzentrieren. Eine Reihe von Gedanken gingen mir durch den Kopf. Ja, der Hass der Kurden auf Saddam Hussein war seit dem Vernichtungsfeldzug im Jahr 1988 sprichwörtlich, nachdem in der kurdischen Stadt Helabja mehr als 5.000 Menschen nach einer Giftgasattacke der irakischen Truppen getötet worden waren. Es war also nicht auszuschließen, dass Machud al-Khoi und seine Anhänger dem Präsidenten der USA einen Gefallen erweisen wollten, nachdem dieser wegen des Einsatzes im Irak gnadenlos im Kreuzfeuer der Kritiken stand. Das Auffinden großer Mengen B- und C-Waffen im Irak hätte den Präsidenten rehabilitiert und den von ihm veranlassten Krieg gerechtfertigt.

Meine Geduld wurde auf eine mehrstündige Probe gestellt. Einmal verkündete Sarah, dass es wirklich keine weiteren Erkenntnisse bezüglich Machud al-Khoi zu geben scheine.

„Sagte ich doch“, triumphierte ich. „Der Chef führt das Vier-Augen-Prinzip immer wieder ad absurdum.“ Ich grinste Sarah an.

„Das müsstest du in seiner Gegenwart zum Besten geben. Das bringt Pluspunkte.“

„Hab ich nicht nötig.“

„Ha, ha.“

Schließlich kam der erlösende Anruf. Craig E. Smith, unser Computerspezialist, sagte: „Es gibt Mails, Jesse. Insgesamt neun haben wir von der Festplatte al-Khois gezogen. Den Rest hat er gelöscht. Die Mails sind innerhalb der vergangenen zwei Wochen bei dem Kurden eingegangen. Er selbst hat drei elektronische Nachrichten versandt. Ich sende dir die Mails.“

„Hervorragende Arbeit, Craig“, lobte ich.

„Man tut, was man kann“, erwiderte Smith lachend. „Solltest du sonst noch Wünsche haben, du weißt, du kannst dich an mich wenden, Jesse.“

„Natürlich. Danke, Craig.“

Es knackte in der Leitung. Ich legte den Hörer auf. Wenig später kündigte ein spezieller Ton meines PC an, dass eine E-Mail eingetroffen war. Ich öffnete den elektronischen Postkasten. Es war die Mail von Craig E. Smith. Zunächst einmal leitete ich sie weiter an Sarahs E-Mail-Adresse. Die Anlagen zu speichern und die erste der Dateien zu öffnen, war die Sache weniger Minuten.

Zwei der Mails, die al-Khoi versandt hatte, gingen an einen gewissen Abdelmajid Abbas, das dritte an einen Jig Sugar. Empfangen hatte al-Khoi Mails ebenfalls von Abbas und Sugar, darüber hinaus von einem Gamil Taimur und einem Mann namens Frank Kellerman.

Die Text der Mails jedoch waren – auf den ersten Blick – nichtssagend und unverfänglich. Da tauchten Sätze auf wie „Mutter war einkaufen, der Kühlschrank ist voll, der Umzug steht bevor, der Kühlschrank ist zu entleeren, damit er neu gefüllt werden kann“.

Sarah und ich kamen zu dem Schluss, dass mit Mutter derjenige gemeint war, der die B- und C-Waffen erwarb, wahrscheinlich Machud al-Khoi. Der Kühlschrank konnte das Gebäude sein, in dem die Waffen gelagert worden waren, möglicherweise war damit auch das Schiff gemeint, mit dem Sie in Richtung Irak auf Reisen gingen. Der Umzug war Synonym für die Versendung in den Irak.

Das stand zu meiner und zu Sarahs Überzeugung fest.

„Abdelmajid Abbas“, sagte ich, „Jig Sugar, Gamil Taimur, Frank Kellerman …“ Ich schaute Sarah an. „Vielleicht sollten wir versuchen, herauszufinden, wo wir diese Gentlemen erreichen können, und was der Computer über sie ausspuckt.“

Gamil Taimur war ein Iraker kurdischer Abstammung, wie auch al-Khoi. Er lebte in New Jersey, Abdelmajid Abbas war Iraker. Er verfügte über eine Wohnung in Clinton, Manhattan.

Von Jig Sugar und Kellerman fanden wir weder im New Yorker Telefonbuch noch im Adressbuch einen Eintrag. Also fütterten wir den Computer. Wobei sowohl Sarah wie auch mich der Name Jig Sugar ziemlich außergewöhnlich anmutete.

Kellerman war Diplom-Chemiker. Er war in dieser Eigenschaft bei USAMRIID (US Army Medical Research Institute of Infectious Diseases) in Fort Detrick, Maryland, beschäftigt. Es handelt sich hierbei um das Zentrum der medizinischen B-Waffen-Defensivforschung in den USA.

Auf Jig Sugar gab es nirgends einen Hinweis.

Ein wenig ratlos nagte ich auf meiner Unterlippe herum. Sarah meinte: „Wir sollten uns vielleicht mal Dan O'Leary, diesen V-Mann, zur Brust nehmen. Vielleicht fällt ihm noch etwas ein zu der ganzen Angelegenheit. Vor allen Dingen wäre es interessant zu erfahren, wie er zu seinen Informationen gekommen ist.“

„Wir müssen auf den Abend warten“, sagte ich. „Dann treffen wir ihn wahrscheinlich in der Eleazar Bar an.“

Wenige Stunden später hielten wir in dem zwielichtigen Etablissement Ausschau nach einem mittelgroßen Burschen mit roten Haaren und tausend Sonnensprossen im Gesicht. So hatte ihn uns Clive Caravaggio beschrieben.

Ich entdeckte den Knaben am Pool-Billard-Tisch. Er lieferte sich mit einem hageren, wenig Vertrauen erweckenden Burschen ein Match. Soeben versenkte er mit einem Stoß zwei der farbigen Kugeln.

Das Publikum in dieser Bar gefiel mir ganz und gar nicht. Zigarettenqualm trieb unter der Decke und schlingerte um die Lichtquellen. Sarah und ich wurden angestarrt und eingeschätzt. Meine Kollegin trug Jeans und eine Lederjacke. Ich eine Kombination; schwarze Hose, beigefarbene Jacke. Vor allem ich fiel mit meinem Outfit auf.

„Hier stinkt‘s nach Bullen!“, röhrte ein Organ einige Tische von uns entfernt. „Oder hab ich was an der Nase?“

Sarah und ich schritten an der Theke entlang in den hinteren Teil der Bar. Wir nahmen Dan O'Leary gewissermaßen in die Zange. Erst, als wir ihn zwischen uns hatten, schien er uns wahrzunehmen.

Der Hagere, mit dem er Billard spielte, fixierte uns unter zusammengeschobenen Brauen hervor. Er hatte sich den Queue auf die Schulter gelegt.

„Heh, was seid ihr für welche?“, entfuhr es Dan O'Leary. Unruhig sprang sein Blick zwischen Sarah und mir hin und her. Sein Blick war unstet. Er mutete an, als wäre er auf dem Sprung, als wollte er im nächsten Moment die Flucht ergreifen.

„FBI“, stellte ich uns vor. „Die Special Agents Anderson und Trevellian. Wir möchten mit Ihnen reden, O'Leary. Wo sind wir ungestört?“

Dan O'Leary zog den Kopf zwischen die Schultern. Die Unrast, die er verströmte, schien sich zu intensivieren. „Ich wüsste nicht, was ich mit euch zu reden hätte. FBI – Großer Gott, ich hab nichts ausgefressen …“

„Darum geht es nicht“, unterbrach ich ihn. „Dennoch können Sie uns womöglich helfen.“

„Heh, ihr elenden Schnüffler!“, schrie jemand an einem der Tische. Er war im diffusen Licht nur schlecht zu erkennen. „Lasst Dan in Ruhe. Wenn alle so harmlos wären wie er …“

„Gehen wir, O'Leary“, sagte ich. „Wir reden im Auto.“

Ich nahm dem Burschen den Queue aus der Hand, legte ihn auf den Billardtisch und griff nach O'Learys Oberarm. Doch der Bursche entwand sich meinem Griff. Seine Augen versprühten Blitze, aber er sagte nichts.

„Gehen Sie schon“, stieß ich hervor und wies zum Ausgang.

Wir setzten uns in Bewegung. Doch an einem der Tische erhob sich ein vierschrötiger Mister. Er kam schnell heran und baute sich vor O'Leary auf, stemmte die Arme in seine Seiten und grunzte:

„Was wollt ihr denn von O'Leary? Habt ihr ‘nen Haftbefehl, aufgrund dessen ihr ihn mitnehmen dürft? Oder was sonst gibt euch das Recht, ihn einfach hops zu nehmen? Er ist kein Orientale, der aufgrund seiner Herkunft schon von euch verhaftet werden darf. Er ist freier Amerikaner.“

„Mann“, kam es von Sarah, „was reden Sie für einen Mist. Gehen Sie aus dem Weg. Wir haben einige Fragen an Mr. O'Leary, und wenn er sie uns beantwortet hat, darf er weiter Billard spielen.“

„Wie großzügig“, höhnte der Vierschrötige.

Der Bursche war ziemlich angesäuselt. Es bedurfte keines großen Spürsinns, um zu erkennen, dass er gewaltig einen in der Krone hatte. Darum sagte ich fast sanft: „Gehen Sie zur Seite, Mann, und behindern Sie uns nicht in der Ausübung unserer dienstlichen Pflichten. Es kann dumm für Sie ausgehen.“

Aber der Knabe war nicht von seinem Entschluss abzubringen, sich mit uns anzulegen. Mit der den Betrunkenen eigenen Sturheit bettelte er geradezu um einen Satz heißer Ohren. Er grollte mit schwerer Zunge: „Du willst mir doch nicht etwa drohen, Bulle? Heh, ich habe hier ein Heimspiel. Deine nette Begleiterin könnte mir doch, wenn ich mit fertig bin, ein …“

Ich schob kurzerhand O'Leary beiseite und trat schnell zwei Schritte vor. Jetzt stand ich vor dem Großmaul. Der Grobschlächtige brach ab und prallte etwas zurück. Aber da hatte ich ihn schon mit beiden Händen an der Hemdbrust. „Geh zur Seite“, warnte ich. „Ein weiteres Mal bitte ich dich nicht mehr. Also …“

Ein Keuchen kam aus seiner Brust, seine Alkoholfahne schlug mir ins Gesicht, er wollte meine Arme zur Seite schlagen. Aber da setzte ich schon einen Fußfeger an. Es sah aus, als würde er plötzlich im Fußboden verschwunden. Er ging nieder und setzte sich auf den Hintern. Aus unterlaufenen Augen, mit dem stieren Ausdruck tiefer Ungläubigkeit starrte er zu mir in die Höhe.

Raunen und Flüstern ging durch die Bar. Stuhlbeine scharrten. Ich schaute mich schnell um. Einige der Kerle erhoben sich.

„Du solltest aus dieser Lektion lernen“, mahnte ich den Burschen am Fußboden, dann packte ich O'Leary am Oberarm und zerrte ihn hinter mir her.

Etwas Bedrohliches, Unheilvolles ging von den Kerlen aus, die sich von allen Seiten heranschoben. Ein mulmiges Gefühl wollte mich beschleichen. Da hörte ich Sarah mit klirrendem Organ rufen: „Bleibt, wo ihr seid. Wer einen polizeilichen Einsatz behindert, wandert ohne Pardon in den Knast. Die ganz besonders Unbelehrbaren fangen vielleicht sogar eine Kugel ein.“

Die Kerle hielten an. Es war, als bannte sie der klirrende Tonfall meiner Kollegin.

Ich bugsierte Dan O'Leary ins Freie.

3

Draußen war die Dunkelheit von vielen Lichtquellen erhellt. Der Asphalt glänzte feucht. Die Reflexe der Leuchtreklamen zuckten über die Fassaden der Gebäude. Die Peitschenmasten warfen Lichtkleckse auf Fahrbahn und Gehsteig.

Wir waren mit einem Dienstwagen gekommen. Es handelte sich um einen Van, den wir schon seit einiger Zeit benutzten. Mein Sportwagen befand sich nach wie vor in der Reparatur. Ihn hatten vor kurzer Zeit einige bezahlte Kerle demoliert, als wir gegen eine Autoschieberbande ermittelten.

Ich hatte den Wagen etwa 100 Schritt von der Eleazar Bar entfernt geparkt, denn vor der Bar war Parkverbot.

Dan O'Leary stemmte sich gegen den Druck meiner Hand, die ihn vorwärts schob. Neben mir ging Sarah. Sie ging mir bis zur Schulter und bewegte sich elastisch. „Ich kann alleine gehen, Trevellian!“, zeterte O'Leary und versuchte sich freizumachen. „Herrgott, was wollen Sie überhaupt von mir? Dem FBI habe ich den letzten Gefallen erwiesen, das kann ich euch sagen. Ich …“

Plötzlich riss er sich gewaltsam los und begann zu rennen. Ja, Dan O'Leary machte die Flitze. Hatte er was ausgefressen, so dass er uns fürchten musste? Oder fürchtete er, dass wir ihm unangenehme Fragen stellten in Bezug auf das, was er Clive Caravaggio anvertraut hatte, und das war ihm einige Nummern zu groß?

Weiß der Teufel, was O'Leary trieb. Jedenfalls rannte er wie ein Wiesel die Straße hinunter. Seine Beine wirbelten, seine Schuhsohlen berührten kaum noch den Boden.

Die Sekunde zwischen Begreifen und Reagieren verstrich, dann machten Sarah und ich uns an die Verfolgung des Burschen. Der Gehsteig war holprig. An manchen Stellen fehlten die Betonplatten. Man konnte sich hier die Beine brechen. Die Fassaden der Häuser schienen an mir vorbeizufliegen.

„Bleib stehen, O'Leary!“, stieß ich zwischen gepressten Atemzügen hervor. „Stehenbleiben!“

Genauso gut hätte ich dem Wind verbieten können, nicht mehr zu wehen. Im Gegenteil: O'Leary schien noch einen Zahn zuzulegen.

Unsere Absätze trappelten wie Pferdehufe. Sarah hielt sich tapfer neben mir. Sie war nicht nur schön und intelligent, sie war auch ausgesprochen sportlich. Ich gewann dieser Frau immer mehr positive Seiten ab.

Plötzlich stolperte O'Leary. Weit beugte er sich nach vorn, er vollführte zwei – drei lange Sätze, um sein Gleichgewicht zu bewahren und einen Sturz abzufangen. Aber er war viel zu schnell dran. Außerdem trat er in eine Vertiefung, wo eine Platte fehlte. Er brüllte eine Verwünschung …

O'Leary hatte keine Chance. Er krachte auf die Knie nieder, kippte nach vorn und schlitterte auf dem Bauch ein Stück dahin. Dazu fluchte und brüllte er. Schließlich lag er still. Sein Atem flog. Der Schmerz von seinen Knien ließ ihn stöhnen und röcheln.

Als Sarah und ich bei ihm ankamen, setzte er sich auf. Seine Bronchien pfiffen. Im vagen Licht sah ich, dass die Hose an den Knien aufgerissen war. Die Haut war dunkel vom Blut.

„Die Pest an eure Hälse!“, schnappte er gehässig.

„Das hast du dir schon selber zuzuschreiben“, knurrte ich und streckte ihm die Rechte hin, um ihm auf die Beine zu helfen. Er nahm die Hilfe in Anspruch.

„Warum?“, fragte ich ihn, und er wusste genau, was ich meinte, denn er erwiderte mit schmerzverzerrter Stimme: „Ich will mit euch nichts mehr zu tun haben. Die Sache wird mir zu heiß. Ich bereue es zutiefst, Clive den Tipp mit Machud al-Khoi gegeben zu haben.“

„Haben Sie einen Grund dazu?“, fragte Sarah.

„Hinter al-Khoi steht eine ganze Organisation. Ich habe das nur zu spät bedacht. Vielleicht sogar die CIA. Ich habe Angst. Mein Leben ist keinen Pfifferling wert, wenn al-Khoi und seine Komplizen dahinter kommen, dass der Tipp von mir stammt.“

„Setzen wir uns ins Auto“, schlug ich vor. „Da können wir auch Ihre Knie versorgen, O'Leary.“

„Ich pfeif drauf. Lasst mich in Ruhe. Ihr habt nicht das Recht …“

„Was redest du denn, O'Leary“, knurrte ich ungnädig. „Vorwärts jetzt. Irgendwann reißt auch mir der Geduldsfaden.“

Manche Kerle verstanden eben nur die raue Sprache.

Wenig später saß der kleine Gauner auf dem Beifahrersitz. Die Füße standen auf dem Gehsteig, die Hosenbeine waren hochgekrempelt. Ich hatte ihm Desinfektionsmittel aus dem Autoverbandskasten auf die Schürfwunden gestrichen und Verbände angelegt. Hose und Jacke konnte er nach seiner unfreiwilligen Landung auf dem Bauch wegwerfen. Die Ärmel der Jacke waren sehr in Mitleidenschaft gezogen worden.

„Woher stammt Ihr Wissen bezüglich der B- und C-Waffen, die in dem Bunker in der Nähe von Kirkuk gelagert werden?“, fragte ich.

O'Leary druckste herum. Er schien auf dem Autositz regelrecht zu schrumpfen. „Ich habe in den Nachrichten gehört, dass ein Bunker mit B- und C-Waffen ausgehoben worden ist“, gab er schließlich mit lahmer Stimme zu verstehen. „Vor einigen Wochen nahm mich ein Freund mit in die Gravesend Bay. Dort dümpelte eine riesige Yacht. Wir sollten sie beladen. Die Kisten, die es in einer Nacht- und Nebelaktion in den Kahn zu verladen galt, kamen auf drei Lastwagen. Wir waren über ein Dutzend Männer und schleppten die Kisten in den Bauch der Yacht, deren Besitzer die Machud al-Khoi ist. Und dabei belauschte ich ein Gespräch, das al-Khoi per Telefon führte.“

O'Leary machte eine kleine Pause, als müsste er nachdenken oder seine nächsten Worte im Kopf vorformulieren. Dann zuckte er mit den Achseln und fuhr fort: „Ich habe den Wortlaut nicht mehr im Kopf, außerdem verstand ich nur die Hälfte. Aber al-Khoi brachte zum Ausdruck, dass aufgrund dieses Arsenals an biologischen und chemischen Waffen, wenn es auf irakischem Boden gefunden wird, die gesamt Welt dran glauben muss, dass Saddam Hussein alles tat, um die Inspektoren der von der UNO eingesetzten Spezialkommission für den Irak und der Internationalen Atomenergiebehörde zu täuschen, dass also Bush und Blair keine Kriegstreiber sind, sondern dass der Krieg wegen der Verschleierungspolitik Saddam Husseins gerechtfertigt und auch notwendig war.“

„Befanden sich in den Kisten B- und C-Waffen?“, stieß ich hervor.

„Nachsehen konnte ich leider nicht“, erwiderte O'Leary. „Nach dem Gespräch aber, das ich zufällig hörte, nehme ich es doch schwer an.“

„Wie viele Kisten waren es?“

„Dreißig.“

„Haben Sie sonst noch was gehört oder gesehen?“, fragte Sarah.

„Nein. Ich musste mich schnell verziehen, andernfalls wäre ich sicher aufgefallen. Für den Job hab ich fünfzig Dollar kassiert. Irgendwelche Fragen hatten wir nicht zu stellen.“

„War es eine Hochseeyacht?“

„Ja. Ein riesiger Kahn. Möchte nicht wissen, das er gekostet hat.“ O'Leary grinste schief.

„Wer war der Mann, der Sie mitgenommen hat?“

„Paul Janciewicz. Aber den brauchen Sie gar nicht zu fragen. Der weiß nicht mehr, als ich auch.“

„Ist das der Mister, mit dem Sie Billard gespielt haben?“, wollte Sarah wissen.

„Ja.“

„Irgendjemand muss euch ja angeheuert haben“, knurrte ich.

„Ja. Der Bursche nennt sich Gamil. Seinen Familiennahmen kenne ich nicht. Er ist‘n Araber oder sowas. Der hat uns auch ausbezahlt.“

„Ist al-Khoi mit der Yacht gefahren?“

„Keine Ahnung. Als wir die Bay verließen, ankerte der Kahn noch. Paul und ich sind in die Eleazar Bar gefahren und haben unseren Fünfziger auf den Kopf gehau‘n.“

„Und die anderen Kerle?“

„Ich kannte keinen von ihnen. Nun, auch sie verschwanden. Ich kümmerte mich weder um sie, noch um Machud al-Khoi, noch um diesen Gamil.“

„Sagt Ihnen der Name Sugar etwas?“, wollte ich wissen. „Jig Sugar?“

O'Leary überlegte nur kurz. Dann schüttelte er den Kopf. „Nein. Wer soll das sein?“

Wir ignorierten seine Frage. Stattdessen peitschte Sarahs Organ: „Weshalb wollten Sie die Fliege machen, O'Leary?“

Der Blick des Rothaarigen irrte ab. „Ich – nun, ich habe es doch schon gesagt. Ich will nichts mehr zu tun haben mit dem FBI. Wenn es aufkommt, dass ich Spitzeldienste leiste, bin ich fertig in New York. Dann muss ich froh sein, wenn ich nicht als Fischfutter im Hudson lande.“

„Vor wem haben Sie Angst?“, fragte ich.

„Angst, ich?“ O'Leary tippte sich großspurig mit dem Daumen gegen die Brust. „Das hat mit Angst nichts zu tun, G-man. Das ist reine Überlebenstaktik. Reden ist Silber – Schweigen ist Gold. ‘ne alte Weisheit. Es haben sich Leute schon um Kopf und Kragen geredet.“

„Sollen wir Ihre Taschen filzen, O'Leary?“, kam es von Sarah. „Wetten, dass wir dann den Grund finden, aus dem Sie flitzen wollten.“

„Ach, geht doch zur Hölle!“ O'Leary erhob sich. Seine Hosenbeine rutschten über den Verband nach unten. Er griff in die Jackentasche, dann klatschte er etwas mit der flachen Hand auf das Dach des Dienst-Van. „Okay, okay, ich hab ein paar Gramm Hasch bei mir. Das war der Grund.“

Ich nahm das Rauschgift, das sich in einer kleinen Cellophantüte befand. Es waren etwa 50 Gramm. „Für den Eigenverbrauch?“

„Ja“, kam es zerknirscht.

„Verschwinde, O'Leary“, sagte ich. „Du hast uns sehr geholfen.“

„Im Ernst?“

„Ja. Jetzt zieh Leine. Fünfzig Gramm sind kein Pappenstiel …“

Der kleine Gauner humpelte schnell davon.

4

„Was wollten die Bullen von dir?“, fragte der hagere Bursche beim Billardtisch, als O'Leary in die Kneipe zurückgekehrt war.

O'Leary überlegte nicht lange, dann versetzte er: „Sie haben mich gefragt, was wir in der Gravesend Bay in die Yacht verladen haben.“

Paul Janciewicz, der hagere Mister, schaute verblüfft. „Woher wissen die Bullen …“

„Das darfst du mich auch nicht fragen“, log O'Leary.

„Was hast du ihnen gesagt?“

„Dass wir Kisten eingeladen haben, Kisten, die mit drei Lastern angeliefert worden waren, und dass ich keine Ahnung habe, was sich in den Kisten befunden hat.“

Janciewicz zog die Unterlippe zwischen die Zähne, kaute kurz darauf herum, dann stieß er hervor: „Haben Sie dich sonst noch was gefragt?“

„Ja. Wem die Yacht gehört, wer uns angeheuert hat, ob ich weiß, wohin die Kisten transportiert worden sind.“ O'Leary gab sich genervt.

„Und?“

„Ich habe den Schnüfflern nichts gesagt – gar nichts. Außerdem hätte ich ihnen die Fragen nicht beantworten können, selbst wenn ich gewollt hätte.“

Paul Janciewicz wandte sich halb von O'Leary ab und starrte auf einen imaginären Punkt irgendwo im Raum. In seinem Gesicht arbeitete es. Plötzlich sagte er: „Ich muss telefonieren. Warte hier auf mich …“

Janciewicz schritt zu der Tür, durch die man in einen Flur mit den Toiletten und der Hintertür des Gebäudes gelangte. Der hagere Bursche ging in den Hof. Es war hier finster wie im Schlund der Hölle. Er holte sein Handy aus der Tasche und schaltete es ein. Das Display leuchtete grünlich. Janciewicz klickte eine gespeicherte Nummer her und ging auf Verbindung. Das Freizeichen ertönte, dann erklang eine dunkle Stimme: „Taimur!“

„Hier Janciewicz. Hör zu, Gamil …“

Gamil Taimur unterbrach ihn kein einziges Mal. Erst, als Janciewicz geendet hatte, knurrte er: „Woher weiß das FBI von der Übernahme der Fracht auf die Yacht? Und wie, vor allen Dingen, kommen die Schnüffler dazu, ausgerechnet die kleine Ratte O'Leary zu befragen?“

„Zwei Fragen, Gamil, die ich dir beide nicht beantworten kann“, murmelte Paul Janciewicz.

„Schon klar. Pass auf, Paul. Bring O'Leary zur Lagerhalle. Ich werde dort sein. Der Dummkopf hat vielleicht irgendetwas aufgeschnappt und es im Suff herumerzählt. Ich muss wissen, was es war, das das FBI auf ihn aufmerksam machte. Also bring ihn zur Lagerhalle, damit ich ihm die Würmer aus der Nase ziehen kann.“

„Ist in Ordnung. In einer Stunde?“

„Gut.“ Nach diesem Wort klickte es, und dann herrschte Funkstille in der Leitung. Janciewicz versenkte sein Handy in der Jackentasche und kehrte in die Bar zurück. Er nahm eine der Kugeln vom Billardtisch, visierte eines der Löcher in der Ecke an und ließ die Kugel rollen. Sie verschwand in dem Loch. „Komm, Dan“, sagte Janciewicz und schaute seinen Kumpel unter halb gesenkten Lidern hervor an. „Wir fahren ein Stück. Es gilt, einige Fragen zu klären.“

Etwas schien sich in O'Learys Magen einzunisten und ihn zusammenzukrampfen. Herzschlag und Atmung beschleunigten sich bei ihm. „Wohin, Paul?“, ächzte O'Leary. „Wohin fahren wir?“

„Zu Gamil. Er hat einige Fragen an dich. Gehen wir.“

Sie bezahlten ihre Zeche und verließen das Lokal. O'Leary spürte nagende Angst. Waren ihm die Gangster, für die er zeitweilig arbeitete, auf die Schliche gekommen? Himmel, wenn dem so war, dann hatte er verspielt. Ihm wurde heiß und kalt, wenn er daran dachte.

Dem Fegefeuer seiner Gedanken ausgesetzt schritt er neben Paul Janciewicz her zu dessen Chevy, der ein Stück entfernt auf der anderen Straßenseite abgestellt war. Als O'Leary auf dem Beifahrersitz saß und Janciewicz aus der Parklücke fuhr, stieß er hervor: „Ich habe doch nichts falsch gemacht, Paul. Mein Gott, wieso hast du bei Gamil angerufen? Ich habe das FBI nicht auf meine Spur gebracht. Wenn es eine undichte Stelle gibt, dann …“

„… wird Gamil sie herausfinden, Dan“, schnitt ihm Janciewicz barsch das Wort ab. „Und jetzt mach dich nicht ins Hemd. Es wird sicher nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Er wird dir seine Fragen stellen, du wirst sie beantworten, und dann spielen wir unsere Partie Billard zu Ende.“

Janciewicz lachte.

O'Leary schaute, als hätte man ihn mit Sauerampfer gefüttert.

Die Fahrt ging zu den Piers beim Bay Ridge Channel. Sie hatten also Manhattan verlassen und befanden sich Brooklyn. Es gab hier alte Lagerschuppen, verlassene Werkstätten und Hallen, in denen früher einmal irgendwelche Güter gelagert wurden, die jetzt aber dem Verfall preisgegeben waren. Rostige Schienenstränge zogen sich hier, zwischen den Schienen und in den Ritzen des Betons wucherte Unkraut. Das Unbehagen, das Dan O'Leary spürte, war tief und ließ sich nicht verdrängen. Die Dunkelheit hier draußen bei den Piers schien Unheil zu verkünden.

Zwei Personenwagen standen bei einer der Lagerhallen. Paul Janciewicz stellte seinen Chevy dazu, die beiden Männer stiegen aus. „Shit!“, entrang es sich O'Leary, „ich hab das Gefühl, zum Schafott geführt zu werden.“

„Rede mit ihnen. Sie werden sehr schnell merken, dass du sauber bist. Dann bist du aus dem Schneider …“

Janciewicz schob das große Rolltor etwas beiseite. Es quietschte und knirschte. Dann war der Spalt breit genug, so dass sie die ehemalige Lagerhalle betreten konnten.

Eine Taschenlampe flammte am anderen Ende auf. „Hierher!“, rief jemand. Die Stimme hallte in der Halle wie in einer Gruft. Ein eisiger Schauer rann O'Leary den Rücken hinunter. Er überlegte, ob er sich nicht einfach herumwerfen und die Flucht ergreifen sollte. Seine Knie schmerzten. Sein Herz raste. Sein Blutdruck war wahrscheinlich auf 180. Tief in seinem Bewusstsein wühlte die Angst vor dem, was auf ihn zukam.

Sie durchschritten die leere Halle. Im Licht der Taschenlampe schälte sich eine Tür aus der Finsternis. Sie führte in einen Raum, in dem früher sicher einmal ein Büro oder ein Aufenthaltsraum untergebracht war. Ein Bursche mit düster verkniffenem Gesicht hielt die Stablampe.

Sie betraten den Raum. Der Kerl mit der Lampe folgte ihnen und zog die Tür aus Stahlblech hinter sich zu. Der Schein der Lampe geisterte über vier weitere Männer hinweg. Ihre Schatten wurden groß und verzerrt auf den Fußboden und gegen die Wand geworfen. O'Leary schluckte trocken.

Er erkannte im vagen Licht Gamil.

Paul Janciewicz war zur Seite getreten und hatte sich mit dem Rücken an die Wand gelehnt. Ohne besondere Regung beobachtete er seinen Kumpel, der mit hängenden Schultern zwischen den fünf Kerlen stand, die sie hier erwartet hatten. Wie ein Rudel Wölfe, die ihr Opfer gestellt hatten, belauerten sie Dan O'Leary. Der zog unbehaglich die Schultern an.

Gamil Taimur erhob die Stimme: „Nun erzähl doch mal, O'Leary. Was wollten die beiden Schnüffler genau von dir wissen?“

O'Leary schluckte würgend. Er musst zweimal ansetzen, dann stieg es aus seiner trockenen Kehle: „Sie wollten wissen, was wir vor einigen Wochen unten in der Gravesend Bay in die Yacht geladen haben. Außerdem fragten sie mich, ob ich einen Mann namens Jig Sugar kennen würde.“

„Was hast du ihnen geantwortet?“

„Dass ich nichts weiß. Dass ich zwar für ‘nen Fuffziger geholfen habe, die Kisten zu verladen, dass ich aber vom Inhalt selbiger und vom Ziel, das sie erreichen sollten, keinen blassen Dunst habe.“

„Haben sie nicht wissen wollen, wem die Yacht gehört?“

„Doch, natürlich, aber ich konnte ihnen diese Frage nicht beantworten, ebenso wenig wie die Frage nach diesem Sugar.“

„Wie können die Bullen ausgerechnet auf dich gekommen sein?“ Die Frage klang auf besondere Art drohend.

„Was weiß ich denn? Ich hab mit keinem über die Verladung der Kisten auf die Yacht gesprochen. Vielleicht befand sich ein Polizeispitzel unter all den Kerlen, die halfen …“

Einer der anderen Kerle meldete sich zu Wort. „Ja, das nehmen wir auch an, O'Leary.“ Der Bursche war blondhaarig und sprach akzentfreies Englisch. „So eine Art V-Mann. Und wenn wir uns das richtig überlegen, könntest du dieser Mann sein.“

Er dehnte die letzten Worte in einer Art, die in ihrer Unmissverständlichkeit erschreckend war. Im vagen Licht der Taschenlampe schien sein Blick O'Leary zu durchbohren. Der nahm all die Eindrücke auf, die sich ihm boten. Die Kerle, die mit Gamil auf ihn und Paul gewartet hatten, trugen Anzüge und Kombinationen. Sie erinnerten O'Leary an Polizeibeamte. Dafür hatte der kleine Ganove ein geschultes Auge.

„Wie – wie kommen Sie darauf, Mister?“, würgte O'Leary mit brüchiger Stimme hervor. „Ich wäre der letzte, der jemand an die Bullen verpfeifen würde. Die beiden Agenten haben mir sogar fünfzig Gramm Hasch weggenommen. Sie …“

Er hielt inne, denn er merkte, dass er einen schwerwiegenden Fehler begangen hatte. Er verschluckte sich und hüstelte.

Der Blonde knurrte: „Sieh mal an. Sie haben dir fünfzig Gramm Stoff weggenommen, und dann schickten sie dich wieder in die Eleazar Bar zurück. Normalerweise müsstest du in einer Arrestzelle oder in einem Vernehmungsraum sitzen, und die Schnüffler würden von dir wissen wollen, woher du den Stoff hast. Seltsam, nicht wahr?“

Der Kreis der Kerle schob sich etwas zusammen. Die Atmosphäre war angespannt, gefährlich geworden, und O'Leary hatte Mühe, sie zu ertragen. Die Luft schien plötzlich mit Elektrizität geladen zu sein. Eine eiskalte Hand schien nach dem unbedeutenden Gangster zu greifen.

„Keine Ahnung, weshalb sie mich nicht mitgenommen haben“, keuchte O'Leary und rang die Hände. „Ich – ich weiß es wirklich nicht. Wahrscheinlich – sicherlich hatten sie Wichtigeres zu tun. Himmel, um was geht es denn überhaupt? Ich habe geholfen, ein paar Kisten von drei Lastwagen auf eine Yacht umzuladen. Was wird mir jetzt für ein Strick daraus …“

Er bekam einen brutalen Schlag in den Magen. Sein Satz riss ab, ein Japsen kämpfte sich in ihm hoch und brach aus seiner Kehle. Die Augen quollen ihm aus den Höhlen. Er taumelte zwei Schritte zurück und erhielt einen derben Stoß, der ihn wieder auf den blonden Burschen zutrieb.

„Was hast du den Bullen erzählt?“, kam es abgehackt und zwingend.

O'Leary hatte noch mit seiner Not zu kämpfen. Verzweifelt versuchte er, Luft in seine Lungen zu pumpen. Ohne jede Gemütsregung fixierten ihn die Umstehenden. Paul Janciewicz beobachtete ihn, mischte sich aber nicht ein.

„Nichts“, röchelte O'Leary, als der befreiende Atemzug endlich gelungen war. „Warum wollt ihr mir denn nicht glauben? Ich – ich hab keine Ahnung. Selbst wenn ich ihnen etwas erzählen wollte, ich könnte ihnen nichts erzählen, weil ich nichts weiß.“

„Hast du meinen Namen genannt?“, fragte Gamil, der Iraker kurdischer Abstammung.

„Ich kenne doch nur deinen Vornamen“, hechelte O'Leary. „Was sollten sie wohl mit dem anfangen?“

Der Blonde schlug wieder zu. Erneut bohrte sich seine Faust in den Leib O'Learys. Die Luft wurde dem Gauner aus den Lungen gepresst. Er ging auf das linke Knie nieder und stöhnte langgezogen. „Was hast du den Bullen erzählt?“ Die Worte fielen wie Hammerschläge.

„Sie – sie hatten mich in der Hand“, log O'Leary. „Wegen des Hasch. Ich wusste nicht, wie ich mich sonst aus der Affäre ziehen sollte. Sie haben mich gefragt, ob sich in den Kisten Waffen befunden haben. Sie wollten mich einsperren, bis ich erzählen würde, was sie hören wollten, drohten sie. Also bejahte ich Ihre Frage. Ich erzählte ihnen, dass sie in den Kisten Sprengköpfe und Granaten befunden haben, die für irgendein arabisches Land bestimmt waren.“

O'Leary wunderte sich selbst, wie glatt die Lügen über seine Lippen kamen. Er gewann etwas von seiner Sicherheit zurück. Er fand die Ausrede gut. Die Kerle würden sie schlucken.

„Was sollte ich denn tun? Sie hätten mich verhaftet und ausgequetscht. Und irgendwann hätte ich nicht mehr standhalten können und ihnen alles erzählt, was …“

Erneut brach er erschreckt ab, als ihm mit Schaudern bewusst wurde, dass er den zweiten Fehler begangen hatte. Möglicherweise einen tödlichen Fehler!

Sein Zahnschmelz knirschte übereinander.

„… was du weißt?“ Die Worte tropften auf O'Leary hinunter wie Bleiklumpen. „Dann sprich doch mal, mein Freund. Was weißt du denn?“

„Nichts“, keuchte O'Leary.

„Jim, Bob, jetzt seid ihr dran“, sagte der blondhaarige Bursche.

5

Am Vormittag des folgenden Tages schrillte mein Telefon. Ich nahm ab und meldete mich mit Namen und Dienstgrad. Eine seltsam blecherne Stimme sagte: „Stecken Sie Ihre Nase nicht in Dinge, die Sie nichts angehen, Trevellian. Das gleiche gilt auch für Ihre Teampartnerin. Verstehen Sie es als Warnung.“

„Wovon sprechen Sie?“

„Wir wissen, dass Sie mit O'Leary gesprochen haben. Wir kennen auch den Inhalt Ihres Gesprächs mit dem Narren. Nun, O'Leary kann Ihnen nicht mehr dienlich sein. Vergessen Sie, was er Ihnen gesagt hat. Es ist zwar nicht viel, und Sie können damit kaum etwas anfangen, aber vergessen Sie es trotzdem.“

„Wer sind Sie?“ Ich stellte die Frage natürlich völlig überflüssigerweise, das wusste ich.

„Jemand, der Ihnen gefährlich werden kann, Trevellian. Also lassen Sie die Sache sausen.“

„Was haben Sie mit O'Leary gemacht?“

„Er ist den Weg aller Verräter gegangen.“

„Sie haben ihn …“

Der andere hatte aufgelegt.

Ich warf den Hörer auf den Apparat und gab Sarah mit knappen Worten den Inhalt des Gesprächs wieder. Sie war ziemlich schockiert. Unter ihrem Augen zuckte ein Nerv. „Das heißt also, dass O'Leary tot ist. Mein Gott, mit was für Leuten haben wir es hier zu tun? Denen scheint nichts heilig zu sein.“

Ich antwortete darauf nichts. Aber es gab nach dem, was wir von O'Leary erfahren hatten, nur zwei Antworten auf diese Frage: Entweder waren es kurdische Fanatiker, die der ehemaligen irakischen Regierung zusätzlich eins auswischen wollten, oder es waren Leute, die Präsident Bush und den englischen Premier zu entlasten versuchten, indem sie der Welt vormachten, dass der Irak B- und C-Waffen produziert und gehortet hatte.

Ich dachte eher an die zweite Alternative. Bush und Blair hatten bei den Bevölkerungen ihrer Länder ziemlich an Popularität verloren. Wenn im Moment Wahlen wären, würde Bush ein riesiges Problem haben. Man sagte ihm und Blair nach, dass sie ihre Geheimdienste manipulierten und gefälschte Berichte, die Gefährlichkeit des Irak betreffend, erstellen ließen. Die Dossiers, die erstellt worden waren, sollten nur dazu dienen, der ganzen Welt Sand in die Augen zu streuen.

Mit dem Waffenfund in der Nähe von Kirkuk würde man die Gegner des Irak-Krieges zum Schweigen bringen. Und vielleicht tauchten weitere Lager mit B- und C-Waffen im Irak auf. Das würde dem letzten Zweifler den Wind aus den Segeln nehmen!

Die Warnung, die mir eben zuteil wurde, war nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Daher beschloss ich, mit Mr. McKee ein Gespräch zu führen. Ich meldete Sarah und mich an. Und schon wenige Minuten später saßen wir am Konferenztisch in seinem Büro. Schweigend hörte der SAC mir zu. Als ich geendet hatte, sagte er:

„Ich denke, da steckt keine Bande dahinter, die persönliche Absichten verfolgt. Hier geht es um höhere Interessen. Wir stehen jetzt vor der Frage, ob wir weitermachen oder die Sache auf sich beruhen lassen sollen. Was ist, wenn wir dem Geheimdienst ins Handwerk pfuschen?“

„Sir“, brach es aus meiner Kehle, „es sieht so aus, als wäre ein Mann ermordet worden, nachdem er mit Sarah und mir sprach. Davor können wir doch nicht einfach die Augen verschließen. Im Moment deutet alles darauf hin, dass Machud al-Khoi und Gamil Taimur ihre Finger in der Sache haben. Kurdische Interessen, Sir. Anders kann ich das im Moment nicht sehen. Eine Spur führt möglicherweise nach Fort Detrick zu USAMRIID, zu diesem Frank Kellerman, der dort als Chemiker tätig ist und mit dem al-Khoi per E-Mail in Verbindung stand.“

„Sie denken, dass einige der chemischen Kampfstoffe aus dem Institut entwendet wurden?“, fragte der Chef.

„Ja. Und in irgendeiner Waffenfabrik wurden Raketensprengköpfe, Bomben und Granaten damit bestückt, die schließlich in New York landeten, bis die Schiffsladung komplett war und auf die Reise geschickt wurde. Wir wissen von den Zuständen bei USAMRIID. Jemand hat sie mal mit den Zuständen in der Spülküche einer Hafenspelunke verglichen. Die Sicherheitsvorkehrungen werden ausgesprochen lasch gehandhabt. Ehemalige Mitarbeiter haben berichtet, dass sie noch nach ihrer Entlassung unkontrolliert kistenweise Material aus den Labors herausgeschleppt hatten.“

Der Chef schaute mich nachdenklich an. „Was gedenken Sie als nächstes in der Sache zu tun, Jesse, Sarah?“

Ich spitzte die Lippen.

„Man sollte sich vielleicht mal O'Learys Freund, diesen Paul Janciewicz vorknöpfen“, hörte da schon Sarah sagen, „und dann diesen Gamil Taimur. Schließlich soll er unter anderem O'Leary angeheuert haben, um die Lastwagen zu entladen und die Kisten auf die Yacht zu schaffen.“

Ich nickte beipflichtend. „Janciewicz treffen wir möglicherweise im Eleazar an“, meinte ich.

„Allerdings erst am Abend“, wandte Sarah ein. „Vielleicht sollten wir zuerst mit Taimur reden. Im Endeffekt spielt es keine Rolle, bei wem wir anfangen.“

„Seien Sie nur auf der Hut“, mahnte der SAC besorgt. „Mir gefällt das alles nicht. Wie ich schon einmal andeutete: Höchste nationale Interessen. Mit den Kerlen von der Agency ist nicht zu spaßen.“

Wir ließen Mr. McKee allein und kehrten in unser Büro zurück. Ich notierte mir die Adresse Gamil Taimurs, die wir zwischenzeitlich festgestellt hatten. Lawton Avenue, New Jersey. Ich griff zum Telefon und wählte Taimurs Nummer.

Es war eine Frau, die sich meldete. Ich fragte, ob Taimur zu Hause sei. „Nein“, wurde mir geantwortet, „Gamil arbeitet bei Machud al-Khoi in dessen Firma als Buchhalter. Er kommt erst abends, gegen achtzehn Uhr, nach Hause.“

Ich hatte keine Ahnung, woher ich plötzlich die Idee hatte, doch diesem jähen Impuls folgend, der mich durchzuckte, fragte ich: „Hat er einen Arbeitskollegen namens Abdelmajid Abbas?“

„Kenne ich nicht, kann ich Ihnen nicht sagen“, erwiderte die Lady.

„Na, dann vielen Dank“, sagte ich und legte auf. „Er ist Buchhalter bei al-Khoi“, wandte ich mich an Sarah.

„Der Sitz des Betriebes ist in der Greenwich Avenue“, gab Sarah zu verstehen. „Nur ein Katzensprung von hier. Warum fahren wir nicht einfach hin.“

Ich nickte. „Vorher aber will ich wissen, ob Kellerman noch bei USAMRIID tätig ist.“

Ich suchte die Telefonnummer des Instituts heraus. Schließlich hing ich an der Strippe. Ich erhielt keine Auskunft. Man riet mir, schriftlich eine offizielle Anfrage zu starten, dann könne man mir vielleicht helfen. Aber telefonische Auskünfte über Bedienstete dürfen nicht erteilt werden.

Der Knabe am anderen Ende ließ sich nicht erweichen. Also gab ich auf.

Wir fuhren in die Greenwich Avenue. Machud al-Khoi hatte Filialen seines Kfz-Ersatzteilhandels in New York, New Jersey und Newark eingerichtet. In der Greenwich Avenue befand sich die Verwaltung der Firmenkette. Und dort würden wir auch den Buchhalter antreffen.

Wir irrten uns nicht. Eine Sekretärin meldete uns bei Gamil Taimur an, und gleich darauf saßen wir ihm in seinem Büro gegenüber.

Taimur war ein mittelgroßer Mann um die 45 Jahre, dessen schwarze Haare schon eine graue Färbung annahmen. Er musterte uns mit erzwungener Ruhe. Nervös spielte er mit einem Kugelschreiber. „Was führt das FBI zu mir?“

„Ihr Name ist bei einem Verhör gefallen, Taimur“, fiel ich sofort mit der Tür ins Haus. „Und zwar im Zusammenhang mit der Verschiffung von B- und C-Waffen in den Irak.“

Ich hatte das ganz große Geschütz aufgefahren. Jetzt beobachtete ich den Mann und suchte nach irgendeiner verräterischen Reaktion in seinen Zügen.

In seinen Mundwinkeln zuckte es. Er sagte: „Was will man mir da in die Schuhe schieben? Bei einem Verhör sei mein Name gefallen?“ Er legte den Kopf etwas schief. „Im Zusammenhang mit Waffenschmuggel? Bei Allah, ich bin Buchhalter. Ich habe nichts mit Waffen zu tun.“

„Was sagt Ihnen der Name Dan O'Leary?“ Ich stellte die Frage und versuchte wieder in seinem Gesicht zu lesen.

„Wer ist das?“

„Ein Mann, der uns Ihren Namen nannte und jetzt wahrscheinlich tot ist. Denken Sie mal nach, Taimur. Gravesend Bay, eine riesige Yacht, die Ihrem Arbeitgeber gehört, drei Lastwagen voll Kisten, in denen Waffen liegen, die für einen Bunker in der Nähe von Kirkuk bestimmt sind. Chemische und biologische Waffen. Etwa ein Dutzend Arbeiter, unter ihnen O'Leary, die die Kisten auf das Schiff schleppen. Hilft das Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge?“

„Ich lasse mir das nicht bieten!“, erzürnte sich der Kurde. „Sie sprechen in Rätseln. Mit mir können Sie das nicht …“

„Was sagen Ihnen die Namen Frank Kellerman, Abdelmajid Abbas und Jig Sugar?“, schnappte Sarah in seinen Gefühlsausbruch hinein.

Er starrte sie erschreckt und verwundert zugleich an. Dann knirschte er: „Nichts, rein gar nichts. Ebenso wenig wie ich diesen O'Leary kenne.“

„Besitzt Ihr Chef eine große Yacht?“

„Ja, warum nicht? Er verdient viel Geld.“

„Wo liegt sie?“

„Bei den Piers im Bay Ridge Channel.“

„Wo kann man al-Khoi erreichen?“

„Ich nehme an, in seiner Villa in Brooklyn“, erklärte Taimur. „Wolcott Street, Brooklyn.“

„Kennen Sie einen Mann namens Paul Janciewicz?“, fragte wieder Sarah.

„Nein.“ Das Aufblitzen in den Augen des Kurden mutete fast an wie ein Signal. „Nie gehört den Namen. Hört sich polnisch an.“

„Ich denke, dass Sie uns anlügen, Taimur“, knurrte ich.

„Ich kenne den Mann wirklich nicht.“

„Das habe ich auch gar nicht gemeint. Wir wissen, dass vor einigen Wochen die Yacht Ihres Brötchengebers mit drei Lastwagenladungen voll B- und C-Waffen vollgestopft wurde, die in Richtung Irak auf die Reise gingen. Natürlich wurden sie nicht mit der Yacht in den Irak befördert. Irgendwo auf hoher See hat man sie wahrscheinlich umgeladen. Und Sie, Taimur, wissen Bescheid. Sie waren für die Beschaffung der Arbeitskräfte zuständig, die die Kisten auf die Yacht verluden. Wir wissen das aus zuverlässiger Quelle.“

Taimur lachte gekünstelt auf. „Können Sie das auch beweisen?“

Sarah und ich erhoben uns. Sarah sagte: „Sie erweisen dem amerikanischen Volk keinen Gefallen, wenn Sie helfen, etwas zu suggerieren, was sich hinterher als Schmierenkomödie herausstellt, Taimur. Es wird den Präsidenten den Job kosten. Haben Sie daran schon einmal gedacht?“

„Was interessiert mich der amerikanische Präsident?“, schnappte Taimur. „Ich arbeite hier als Buchhalter, und solange ich jeden Monatsersten mein Geld dafür bekomme, ist das für mich in Ordnung. Politik ist nicht mein Ding.“

Wir verließen die Firma. Es war um die Mittagszeit, und wir beschlossen, uns in einem McDonalds-Laden in der Nähe einen Hamburger und eine Cola zu gönnen.

„Er steckt mit drin“, sagte Sarah, indes wir auf dem Gehsteig entlang schritten. Der Imbissladen lag auf der anderen Straßenseite. Eine Fahrzeugkolonne bewegte sich die Greenwich Avenue hinunter.

„Das denke ich auch. Was O'Leary uns erzählte, war die Wahrheit. Taimur weiß Bescheid. Sollte der Geheimdienst dahinterstecken, dann bedient er sich einiger Privatleute, die aus Hass auf das Hussein-Regime zu allem bereit sind.“

Als einmal eine Lücke im Verkehrsfluss entstand, überquerten wir schnell die Straße.

Drüben fuhr ich fort: „Falls die Sache schiefgeht, hat man jemand, dem man die Schuld zuschieben kann. Irakische Kurden, die aus Eigeninteresse die Waffennummer inszeniert haben. Einige Leute werden liquidiert, und damit hat es sich. Man wäscht seine Hände in Unschuld …“

„Willst du meine Meinung hören, Jesse?“

„Ja.“

„Wir stochern hier in einem Hornissennest herum. Und wenn sich die Hornissen voll Zorn auf uns stürzen, dann werden wir wohl eine Reihe von Stichen abbekommen.“

Ich hatte nichts in petto, um diese düstere Prognose zu entkräften. Im Gegenteil. Wenn meine Vermutung zutraf, dann wären ein paar Hornissenstiche harmlos gegen das, was uns erwartete. Die blecherne Stimme hallte in mir nach: Stecken Sie Ihre Nase nicht in Dinge, die Sie nichts angehen, Trevellian!

6

Am Abend dieses Tages fuhren Sarah und ich noch einmal in die Eleazar Bar. Der krankhaft hagere Typ, mit dem am Vortag Dan O'Leary Billard gespielt hatte, war da. Von O'Leary war nichts zu sehen. Dumpfer Druck breitete sich in meiner Magengegend aus. War der Bursche etwa tatsächlich liquidiert worden? Wenn ja, dann waren Sarah und ich nicht ganz unschuldig daran. Andererseits jedoch hatten wir nur unseren Job gemacht, unsere Pflicht erfüllt.

Paul Janciewicz hatte heute einen anderen Gegner am Billardtisch. Soeben vollführte der Hagere einen Stoß. Die weiße Kugel streifte eine farbige, ließ sie nach rechts abdriften, und prallte schließlich mit einem trockenen Klicken gegen eine weitere, die in Richtung Loch in Bewegung gesetzt wurde. Sie verschwand. „Versenkt!“, stieß Janciewicz zufrieden hervor, dann sah er uns, und seine Gesichtszüge entgleisten.

„Heute hätten wir gern ein paar Takte mit Ihnen gesprochen, Paul“, sagte Sarah. „Wo haben Sie denn Ihren Freund O'Leary gelassen?“

Sarah und starrten den Burschen dabei durchdringend an, mit einer fast hypnotischen Starre. Er zog unbehaglich die Schultern an. Sein knochiges Gesicht verkniff sich. „Ich wüsste nicht, was ich mit euch zu reden hätte“, kam es patzig über seine schmalen Lippen. „Und der Hüter O'Learys bin ich auch nicht. Also lasst mich in Ruhe.“

Der andere Bursche ließ immer wieder den Queue in seine flache linke Hand klatschen. Er schaute uns an und griente schief. Er war glatzköpfig und stiernackig und besaß Schultern wie ein Preisboxer. Er gehörte sicherlich zu der Sorte, die erst die Fäuste fliegen ließ und dann die Fragen stellte. Die Haltung, die er einnahm, war jedenfalls herausfordernd.

„O doch, Paul“, sagte ich, „es gibt ein paar Dinge zu bereden. Also gehen wir.“

„Wohin?“

„Nach draußen.“

„Heh, ihr wollt mich wohl auch fertig machen wie gestern den armen Dan? Er kam total zerschunden zurück. Wahrscheinlich ist er heute nicht hier, weil er das Bett hüten muss. Ja, ihr habt ihn ganz schön in die Mangel genommen. Und dabei ist der Junge ausgesprochen harmlos.“

„Kommen Sie schon“, drängte ich. „Wir können Sie auch mitnehmen, Paul. Einen Haftbefehl bekommen wir auch nachträglich ausgestellt.“

„Ihr habt doch gehört, dass er nicht will“, grunzte der Glatzkopf. Er kam einen Schritt näher. Das Klatschen des Queue in seiner linken Handfläche nervte mich schon die ganze Zeit. In der Bar waren etwa zwei Dutzend Kerle und auch einige Frauen. Sicher waren Freunde der beiden darunter. Ich erinnerte mich unseres ersten Auftritts hier. Der Respekt vor der Polizei war nicht besonders groß. Vielleicht war es auch heute wieder nötig, sich durchzusetzen.

„Du solltest dich nicht einmischen, mein Freund“, warnte ich. „Vielleicht warst du gestern hier und hast erlebt, was mit Kerlen geschieht, die die große Lippe riskieren. Dabei hatte der Knabe noch Glück, dass er nur auf dem Hosenboden landete. Wir hätten ihn auch mitnehmen und einsperren können.“

„Ich versinke gleich vor Ehrfurcht im Boden“, höhnte der Glatzkopf. „Wie willst du jemand mitnehmen und einsperren, wenn du auf allen Vieren zur Tür hinauskriechst?“, setzte er sogleich mit einem Anflug böser Gehässigkeit hinzu.

Sarah und ich wechselten einen schnellen Blick. Zwischen uns bestand Einigkeit. Ich nickte ihr zu. Meine Gefährtin sagte zu Paul Janciewicz: „Gehen wir, Paul. Es sind nur ein paar Fragen. Marsch!“

„Halt, Schätzchen“, röhrte das Organ des Glatzkopfes. Ich bemerkte aus den Augenwinkeln, dass sich einige der Kerle näher geschoben hatten. Ihre Augen glitzerten im schummrigen Licht. Sie erinnerten an ein Rudel Raubtiere. Der Glatzkopf schien sich sehr sicher und überlegen zu fühlen. Er stieß hervor: „Ihr Scheißbullen denkt, ihr braucht nur zu kommen und das große Wort zu führen, und jeder tanzt nach eurer Pfeife. Irrtum! Wir haben nichts ausgefressen, und es gibt Staatsbürgerrechte. Wir sind keine …“

Mir platzte der Kragen. Blitzschnell glitt ich an den stiernackigen Burschen heran, packte sein linkes Handgelenk, und ehe er sich versah, hatte ich ihm den Arm auf den Rücken gedreht. Er brüllte auf, wahrscheinlich mehr überrascht als vor Schmerz, machte das Kreuz hohl, um dem Druck in seinem Schultergelenk entgegenzuwirken, und trat dann nach hinten aus wie ein Pferd. Aber ich war auf der Hut. Sein Tritt streifte mein Knie nur, ich hingegen drückte seinen Arm weiter in die Höhe, und jetzt tat es ihm weh. Deutlich vernehmbar saugte er die Luft zwischen den Zähnen ein. Dann brach ein gequältes Stöhnen über seine Lippen.

„Schwing die Hufe, Paul!“, hörte ich Sarah sagen. Sie ließ jetzt auch die Formalitäten weg. Manche Leute verstanden eben nur die raue, ungeschönte Sprache.

Sie dirigierte Paul Janciewicz nach draußen. Ich hielt den Glatzkopf fest, bis Sarah und Janciewicz die Bar verlassen hatten. Die Kerle ringsum nahmen drohende Haltungen ein. Aber sie hielten sich zurück. Wahrscheinlich sagten sie sich, dass ich ihnen eine Hundertschaft auf den Hals schicken konnte, wenn ich wollte.

Dicht neben dem Ohr des Glatzköpfigen flüsterte ich: „Wie ist dein Name?“

„Man – man nennt mich …“

Ich fuhr ihm hart dazwischen: „Ich will nicht wissen, wie man dich nennt, ich will deinen Namen hören.“

„Chuck Tanner.“

„Okay, Chuck Tanner. Lass jetzt das Queue fallen. Und dann nimm Vernunft an. Sich mit der Polizei anzulegen kann teuer werden. Du willst doch wegen deines krankhaften Geltungsbedürfnisses nicht hinter Gittern landen?“

Seine Hand öffnete sich, das Queue polterte auf den Boden.

Ich versetzte Tanner einen Stoß in den Rücken und ließ zugleich seinen Arm los. Er taumelte zwei Schritte nach vorn, drehte sich zu mir herum, starrte mich aus unterlaufenen Augen an und massierte seine linke Schulter mit der rechten Hand.

Gelassen begegnete ich seinem gehässigen Blick. Plötzlich spuckte er auf den Boden. „Arroganter Hurensohn!“, presste er hervor, dann schwang er herum und stapfte zur Theke.

Ich ahnte, was ihn bewegte. Mit derartigem Rückzuggeplänkel versuchte er sein Gesicht vor den anderen Gästen hier zu wahren. Es war das Imponiergehabe eines Primaten, das er damit an den Tag legte. Unbeeindruckt wandte ich mich ab und schritt zur Tür.

Draußen warteten Sarah und Janciewicz. Das Licht von der roten Leuchtreklame fiel auf sein Gesicht und ließ die Linien und Furchen darin dunkel und tief erscheinen. Dieser Mann war gut und gerne 50 Jahre alt.

Ich gesellte mich zu ihnen.

„Okay“, sagte Sarah, die nur darauf gewartet hatte, dass ich kam. „Dann wollen wir mal. Wo ist Dan O'Leary?“

„Ich weiß es nicht“, behauptete Janciewicz. Trotzig schaute er von Sarah zu mir. „Ich weiß es wirklich nicht, verdammt!“

„Na schön“, sagte ich. „Sie haben zusammen mit O'Leary und einer Reihe weiterer Leute vor einigen Wochen die Ladung dreier Lastwagen auf die Yacht Machud al-Khois gebracht. Was war in den Kisten, wo kam das Zeug her, und mit welchem Ziel verließ die Yacht die Gravesend Bay?“

„Ich war noch nie in der Gravesend Bay“, knirschte Janciewicz. „Wo soll die Bay überhaupt sein?“

„O'Leary behauptete das Gegenteil, Janciewicz“, stieß Sarah hervor. „Sie haben ihn mitgenommen und bekamen beide für Ihre Arbeit einen Fünfziger. Angeheuert wurden Sie von einem Mann namens Gamil Taimur.“

„Das ist Unsinn“, schnaubte Janciewicz. „Ich verlange, dass mir O'Leary gegenübergestellt wird. Bin neugierig, ob er dann immer noch die Stirn hat, derlei Behauptungen aufzustellen.“

„Wie es aussieht, lebt Ihr Freund nicht mehr, Janciewicz“, erklärte Sarah mit klarer, präziser Stimme. „Wer sind die Leute, für die Gamil Taimur arbeitet? Erzählen Sie mir nicht, dass Sie sich von ihm anheuern ließen, ohne Fragen zu stellen. Woher kennen Sie Taimur überhaupt?“

„Ich höre den Namen zum ersten Mal!“, herrschte uns Janciewicz ungeduldig an. „Dan werde ich das Gebiss in den Hals schlagen, sollte er noch einmal meinen Weg kreuzen. Und in der Gravesend Bay war ich mein Leben lang noch nicht. Kann ich jetzt wieder in die Bar gehen?“

Die Straße kam ein Van herunter. Er bremste ab, als er noch 50 Yards von der Bar entfernt war. Langsam rollte er näher. Es sah aus, als suchte der Fahrer einen Parkplatz. Ich fragte mich, ob er denn das Schild nicht gesehen hatte, das hier auf eine Länge von 200 Yards Parkverbot verkündete.

Ich sah im Licht der Peitschenmasten und der Leuchtreklamen, dass vier Kerle in dem Fahrzeug saßen. Der Van mutete mich plötzlich gefährlich und bedrohlich an. Ich weiß nicht, woher dieses Gefühl kam. Vielleicht meldete sich mein sechster Sinn für die Gefahr, vielleicht war es ganz einfach nur Intuition, vielleicht Instinkt. In mir schlugen jedenfalls die Alarmglocken an. Durch meine Gehirnwindungen ratterten die warnenden Worte: Stecken Sie Ihre Nase nicht in Dinge, die Sie nichts angehen, Trevellian!

„Auf den Boden!“, knirschte ich und riss Sarah auch schon nieder. Und es geschah keinen Sekundenbruchteil zu spät. Eine MP fing an zu rattern. Feurige Garben zuckten aus dem Seitenfenster des Van. Die Detonationen verschmolzen ineinander, stauten sich auf der Straße und schlugen über uns zusammen wie ein satanisches Intermezzo. Die Kugeln pfiffen über uns hinweg. Der Bursche mit der MP hatte freies Schussfeld, da hier keine Autos parkten. Über mir klirrte es. Ein Querschläger jaulte durchdringend. Ich machte mich flach wie eine Flunder. Sarah lag dicht bei mir. Ich spürte die Wärme ihres Körpers, doch im Moment konzentrierte ich mich nur darauf, nicht getroffen zu werden.

Ehe sich der Schütze auf das jäh veränderte Ziel einstellen konnte, war der Van vorbei. Der Fahrer gab Gas. Der Motor heulte auf. Der Wagen vollführte einen wahrhaftigen Satz nach vorn und brauste davon. Er verschwand in der nächsten Querstraße. Die aufleuchtenden Bremslichter waren das Letzte, was ich von ihm sah.

Ich war hochgeschnellt. Wie hineingewachsen lag die SIG in meiner Faust. Paul Janciewicz lehnte nach vorne gekrümmt an der Hauswand. Er hatte beide Hände über dem Leib verkrampft. Seine Lippen formten tonlose Worte. Sarah kam hoch. Auch sie hatte die Waffe in der Hand. Wir waren beide dem Totengräber im letzten Moment von der Schippe gesprungen. Die MP-Salve hätte uns unweigerlich umgemäht.

Ich kümmerte mich um Janciewicz. Er röchelte und wankte. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. Die SIG hatte ich wieder eingesteckt. Sarah rief die Kollegen vom Police Department zu Hilfe und forderte eine Ambulanz an.

Janciewicz konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten. Er sank zu Boden, ich hielt ihn dabei fest. Der Verwundete streckte sich stöhnend aus. Ich bat Sarah, den Verbandskasten aus unserem Dienstwagen zu holen.

„O verdammt“, entrang es sich Janciewicz mühsam, mit brüchiger Stimme. „Diese elenden Narren. Sie haben mich versehentlich …“