Erfüllt leben - Johann Spermann - E-Book

Erfüllt leben E-Book

Johann Spermann

0,0

Beschreibung

Die Ordensregeln der Jesuiten sind ein besonderer Schatz. Den Jesuiten gelingt es, Gegensätze zu vereinen. Freigeister auf der einen Seite, auf der anderen dem unbedingten Gehorsam verpflichtet, Intellektuelle und Pragmatiker zugleich. Gemeinsam mit dem Wirtschaftswissenschaftler Georg Kraus erkunden die beiden Jesuiten Johann Spermann und Tobias Zimmermann die Alltagstauglichkeit der ignatianischen Regeln. In einem leicht und eingängig zu lesenden Buch zeigen sie, dass es sich um Wegweiser hin zu einem glücklichen und erfüllten Leben handelt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 180

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Georg Kraus | Johann Spermann | Tobias Zimmermann

Erfüllt leben

Ein ignatianisches Fitnessbuch

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2020

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: wunderlichundweigand, Stefan Weigand

Umschlagmotiv: © ZIP (Zentrum für Ign. Pädagogik)

E-Book-Konvertierung: Carsten Klein, Torgau

ISBN E-Book 978-3-451-81962-9

ISBN Print 978-3-451-38639-8

Im Andenken an Ignatius von Loyola

und seine ersten Gefährten

»Gedächte man nicht derer im Guten,

von denen der Welt Gutes geschieht,

dann wäre es alles wie nichts,

was Gutes in der Welt geschieht.

Teuer und wert ist mir derjenige,

der gut und schlecht gegeneinander abwägen kann,

und jeden anderen

nach seinem tatsächlichen Wert einzuschätzen versteht.

…«

Gottfried von Straßburg,

Prolog zu Tristan und Isolde

Inhalt

Vorwort

Übersicht

Teil 1: Mit der Sehnsucht fängt alles an

Ignatius von Loyola und die Jesuiten

Auf der Suche nach Glück und Erfüllung

Verantwortung für dein Leben übernehmen

Deinen Kompass norden

Teil 2: Dein Leben in die Hand nehmen

Gewinne Abstand

Sei selbstbewusst demütig

Finde deine Balance

Engagement und Lebenssinn

Teil 3: Am Anderen wachsen

Reden hilft

Freiheit und Gehorsam

An die Ränder gehen

Teil 4: Die Gesellschaft gestalten

Veränderung gestalten

Den Rahmen schaffen

Führung ignatianisch

Was ist uns wirklich wichtig? – Summary der Autoren/Epilog

Dank

Über die Autoren

Vorwort

Den Jesuitenorden gibt es nun schon bald 500 Jahre. In dieser Zeit musste sich der Orden den schwierigsten Herausforderungen stellen und die Zeichen der Zeit immer wieder neu deuten. Gerade dadurch hat er überlebt. Generationen über Generationen von »Padres« haben den Orden neu interpretiert und weiterentwickelt, ohne dabei die ursprünglichen Ideale des Gründers Ignatius von Loyola außer Acht zu lassen. Im Zentrum stehen dauerhaft – Bildung, Spiritualität, Soziales und Ökologie. Inhalte und Methoden der Bildung ändern sich, Formen und Zugänge zur Spiritualität, Fragen gelingenden Lebens und Zusammenlebens ändern sich, aber durch waches, kritisches Reflektieren und den Mut, immer wieder neu aufzubrechen, erhält der Orden seine Kernidentität und bleibt effektiv.

Die Kombination einer starken Identität und einer Anschlussfähigkeit an eine sich verändernde Umwelt ist typisch für Jesuiten. Jesuiten sind Intellektuelle und Pragmatiker zugleich. Sie sind ebenso tiefgläubige »Fundis« wie praxisorientierte »Realos«. Sie sind sehr nah an der Kirche, gehen aber auch ihre eigenen Wege. Jesuiten lieben den engen menschlichen Kontakt, und doch sind sie unnahbar. Jesuiten sind Abenteurer und Missionare, sie sind aber auch Prinzipienreiter. Der Orden fordert absoluten Gehorsam, und dennoch lieben die Jesuiten die Dialektik, echte Auseinandersetzung mit einem Thema ohne Denktabus. Sie gelten als Individualisten und entfalten gleichzeitig ihre größte Wirkung als Gemeinschaft sowie als Netzwerker. Diese Widersprüche sind typisch für Jesuiten, sie sind Teil des Wesens dieses Ordens und prägen den »Ignatian Way of Life«.

Wir, Pater Johann Spermann und Pater Tobias Zimmermann, zwei Jesuiten, haben uns zusammen mit Georg Kraus, Professor zum Thema »Interpersonal Skills«, zu einer Suche nach dem typisch »Ignatianischen« herausfordern lassen. Dabei ist uns dreien aufgefallen, dass sich viele Prinzipien, die in den letzten Hunderten von Jahren die Besonderheit der Denk- und Handlungskultur der Jesuiten waren, in modernen Denkschulen ebenso wiederfinden wie in den Weisheiten des Dalai Lama oder spirituellen Slogans, die Lebens- und Fitnessberater gerne anbieten. Viele ignatianische Prinzipien können wir heute zudem etwa in der Psychologie, der Psychotherapie, Philosophie, Gruppendynamik und Systemtheorie entdecken. Manches, was einmal als »jesuitisch« galt, ist inzwischen in den gesellschaftlichen Diskurs eingesickert und heute allgemein verbreitet. Viele richtige Einsichten werden unabhängig voneinander von klugen Menschen entdeckt. So finden sich Elemente aus dem Exerzitienprogramm der Jesuiten in Retreatprogrammen aller Weltanschauungen und sogar in säkularen Trainings.

Das erschwert aber auch das Hervorheben dessen, was nun das Besondere der Jesuiten ist. In diesem Buch haben wir einen Versuch unternommen, die Grundprinzipien, die den Orden in seinem Denken und Handeln prägen, zu beschreiben.

Dabei können wir das Leitmotiv schon vorweggenehmen: Ignatius von Loyola hat den Orden auf Grundlage seiner Erfahrungen einer eigenen »Sinnkrise« – oder sagen wir es netter: »Sinnsuche« gegründet. Die meisten Prinzipien und Grundsätze der Jesuiten basieren auf Antworten aus dieser Suche nach dem Sinn des Lebens. Etwa auf der Antwort darauf, was ein erfülltes Leben ist und was der eigene Beitrag des Einzelnen zum Gelingen des eigenen Lebens und das der Gesellschaft auf dieser Erde sein soll und sein kann. Dabei ist der Glaube ein Aspekt – aber nicht der einzige.

Ein erfülltes sinnhaftes Leben zu führen und zu ermöglichen, ist sicher keine »triviale« Aufgabe. Die Jesuiten haben in den letzten knapp 500 Jahren kontinuierlich diese Lebensweise weiterentwickelt.

Wir lesen Ignatius mit der Brille moderner Jesuiten und bringen eigene Perspektiven und Erfahrungen des Ordens in diese Sicht mit ein. Wir erlauben uns darum auch, liebevoll und voller Respekt von »Iggy« zu sprechen, weil wir wissen, dass wir uns den Idealen des Ignatius mit der Brille unseres Vorverständnisses nähern, aber auch, dass die Gründung der Jesuiten und die Entwicklung ihres Gedankengutes eine echte Kooperation von Freunden war. »Iggy« ist für uns ein wertschätzendes Synonym für die ersten Jesuiten.

Prof. Georg Kraus hat den Anstoß zu diesem Buch gegeben mit seiner Frage: Wie geht das, dass eine Institution 500 Jahre nicht nur überlebt, sondern sich ständig ändert und sich dabei doch treu bleibt? Wir möchten mit dem Werk einen Einblick in diese besondere Lebenswelt des Jesuitenordens geben und Übungen vorstellen, die helfen können, sich in die Haltungen dieser Lebenswelt hineinzuversetzen. Wir sind überzeugt, dass daraus ein Gewinn zu erzielen ist – in Richtung Wachstum und erfülltes Leben.

Übersicht

Teil 1: Mit der Sehnsucht fängt alles an

Ignatius von Loyola und die Jesuiten

»societas jesu« – Kurz und knapp die Ursprünge

Über den ersten General der Jesuiten und die Gemeinschaft, die er gegründet hat.

Auf der Suche nach Glück und Erfüllung

»desire« – Wie uns Sehnsucht antreibt

Halt – Haltung – Verhalten – Verhältnisse: Das ist nicht nur ein »Wortspiel«, sondern eine fundmentale Kausalkette. Haltung bestimmt unser Verhalten, wichtiger ist aber, dass sie in Halt gründen muss. Sie braucht einen inneren Haltepunkt, um fest und klar sein zu können. Der Wegweiser auf der Suche nach dem, was wirklich Halt gibt, ist die Sehnsucht. Mit der Sehnsucht fängt alles an. Sehnsucht ist ein langfristiges, tiefes Verlangen nach etwas, ein starker Wunsch. Sie öffnet die Tür zu Änderungsenergie, Kraft und Emotion. Ignatius beschreibt Zugänge zu diesem Antrieb, so dass die Sehnsucht sich in Alltagsentscheidungen und Alltagshandlungen manifestieren kann.

Verantwortung für dein Leben übernehmen

»ut homo vincat se ipsum et ordinet vitam suam« – Warum Tugenden gefragt sind

Wenn du sagst, dass du dich einem hehren Ziel verpflichtet fühlen und dich tugendhaft verhalten willst, wird man dich unter Umständen belächeln. Macht nichts! Traue dem eigenen inneren Kompass! Wenn du vorher gelernt hast, ihn zu lesen.

Deinen Kompass norden

»discreta caritas« – Die Kunst, gute Entscheidungen zu treffen

Jeder Mensch hat die Wahl, sich zu entscheiden, ob er sich mehr dem Licht oder mehr dem Schatten zuwenden möchte. Wichtig sind dabei zwei Ebenen. Einmal geht es um die grundsätzliche Zielrichtung im Leben. Zum anderen muss sich diese Grundausrichtung im Alltag situationsgerecht niederschlagen. Das ist ein Lernweg voller Erfolge und Fehler. Ignatius’ Methode der Unterscheidung der Geister (innerer Motive) ist dabei eine hervorragende Unterstützung.

Teil 2: Dein Leben in die Hand nehmen

Gewinne Abstand

»exercitia spiritualia – non multa sed multum« – Damit du deine innere Mitte findest

Was passiert gerade und wie gestalte ich mein Leben? Worauf baue ich und worauf setze ich? Warum sollte ich mich dies überhaupt fragen? Um diesen Fragen strukturiert nachzugehen und Entscheidungen für die Zielrichtung des Lebens nicht dem Zufall zu überlassen, bieten ignatianische Exerzitien Struktur und Methoden.

Sei selbstbewusst demütig

»peccatum meum contra me est semper« – Fehler und falsche Antriebe meistern

Eitelkeit, Habgier, Arroganz, Gier …, es gibt Antriebe, die nicht nur Einzelnen, sondern auch Familien, Firmen und der Gesellschaft schaden. Die schlimmen Finger sind nicht immer nur die anderen! Der erste Schritt in eine lebensfördernde Neuausrichtung besteht darin, sich an der eigenen Nase zu packen!

Finde deine Balance

»ascesis« – Wissen, was man wirklich braucht

»Ich muss endlich aus diesem Hamsterrad raus«, »Mein Mailbriefkasten ist völlig überfüllt«, »Ich habe keine freie Zeit mehr für meine Lieben«, »Ich fühle mich erschlagen« – viele und gerade erfolgreiche Menschen kennen diesen Druck. Ignatianische Spiritualität weist einen Ausweg in Richtung innerer Ausgeglichenheit und einer bewussten Lebensführung: Verzicht, Maß und Balance.

Engagement und Lebenssinn

»Facta, non verba« – Warum Engagement glücklich macht

Ignatius lehrte die Jesuiten nicht nur das Beten. Sie sollten Gott immer mehr kennen, lieben und ihm dienen. Es geht ihm um die Einheit von Intellekt, Emotion und Willen, die sich in konkreter Haltung und im Tun manifestiert. Ignatianisch geprägte Menschen versuchen in der Konsequenz dieser Haltung, das Gute immer besser zu kennen, zu lieben und zu tun. Altruismus und Kooperation auf der Basis echter Empathie und eines festen Wertekonzepts helfen ihnen ihre Energien zu finden. Anderen zu helfen und mehr an andere denken – Altruismus – ist Teil ihres Glücksprojekts und Lebenskonzepts. Der ignatianische Weg ist ein Übungspfad der Herzensbildung.

Teil 3: Am Anderen wachsen

Reden hilft

»prudenter et amanter« – lerne zuzuhören und dich auszudrücken

Manche Menschen sind geborene Kommunikationsgenies. Auch diese Genies und alle anderen Menschen sowieso tun gut daran, ihr Kommunikationsverhalten regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu justieren. Ignatius’ Kommunikationsstrategien ermöglichen gelingende Beziehungen.

Freiheit und Gehorsam

»nova obidientia« – sei loyal und handle autonom

Nichts geht über Unabhängigkeit. Wirklich? Paradoxerweise führt oft gerade ein »Sich- Einlassen« und »In-Dienst-nehmen-Lassen« zu größerer Freiheit und einem Wachstum der eigenen Persönlichkeit sowie der Organisation, in der man lebt und arbeitet. Leben im Spannungsfeld von Gehorsam und Freiheit, das ist die Paradedisziplin der Jesuiten.

An die Ränder gehen

»totus mundus nostra fit habitatio« – … weil du dort wachsen wirst

Es ist gesellschaftlicher Narzissmus, wenn die Geschichte der eigenen Kultur schöngeredet wird, nur weil es das eigene Ego beleidigt, das sich auf der Seite der Guten und Schönen sehen will. Ich, ich, ich und wieder ich. Werde ich genug wahrgenommen? Erhalte ich genug Bestätigung? Ich, ich, ich und wieder ich! Wenn Realität nur noch als Spiegel eigener Bedürfnisse gesehen wird, dann ist das Narzissmus! Ignatianische Pädagogik und Spiritualität weiß sich einem anderen Konzept verbunden: Wachsen am Anderen!

Teil 4: Die Gesellschaft gestalten

Veränderung gestalten

»magnamitas et magis« – Nur wer sich weiterentwickelt, bleibt bestehen

Für Ignatius gehört zu einem sinnerfüllten Leben, dass der Mensch nicht nur nach einem guten Leben für sich selbst strebt. Nur der Mensch findet bleibende Erfüllung, der sich in den Dienst nehmen lässt für Andere. »Durch dich kann die Welt ein besserer Ort werden und sei es nur im vermeintlich Kleinen«. Dazu gehören der eigene Mut zur Veränderung und die persönliche Entschiedenheit, sich großherzig zu engagieren. Aber wenn deine Arbeitsstelle, dein Lebensumfeld, wenn sich Welt und Gesellschaft um dich herum ganz konkret verändern sollen, dann brauchst du auch Verbündete und eine Idee, was es braucht, damit Veränderung gelingen kann. Lasse dich einmal darauf ein. Dann wirst du auch dein Leben als wert- und sinnvoller ansehen. Und was den Einzelnen stärkt, wird in der Wirkung potenziert in der Zusammenarbeit vieler!

Den Rahmen schaffen

»omnia ad maiorem dei gloriam« – Wie Institutionen und Netzwerke wirksam werden

Große Ideen und edle Worten bleiben ohne die Sprache des konkreten Umsetzens hohl. Jesuiten betreiben viele und große Institutionen. Das gehört zu ihrem Markenkern. Sosehr man ihnen auch nachsagt, dass sie Arbeitstiere und Einzelkämpfer seien, lag ihr Erfolg immer schon in der Zusammenarbeit untereinander. Und sie suchen Hilfe von außerhalb: Denn bewältigen können sie ihre ressourcenintensiven Aufgaben in der Regel nur mit Hilfe großherziger Unterstützer_innen sowie dem hohen persönlichen Einsatz ihrer Mitarbeiter_innen. Jesuiten sind Netzwerkplayer!

Führung ignatianisch

»noster modus procedendi« – Wie wir die Dinge angehen

Der Jesuitenorden ist eine globale, multinationale Organisation, in der Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen und gesellschaftlichen Hintergründen zusammenwirken. Jesuiten haben es geschafft, über Hunderte von Jahren dieses »Gebilde« zusammenzuhalten. Dies funktioniert nur mit einem wohlüberlegten Managementsystem, das den Rahmen vorgibt, wie Führung, Zusammenarbeit und Organisation gestaltet werden. Dieses Managementsystem muss aber gleichzeitig offen für neue Impulse sein, so dass der Orden sich weiterhin anpassen und weiterentwickeln kann. Jesuiten legen in diesem Kontext sehr viel Wert auf die Qualität der Führungsausbildung.

Teil 1: Mit der Sehnsucht fängt alles an

Ignatius von Loyola und die Jesuiten

»societas jesu« – Kurz und knapp die Ursprünge

Ignatius von Loyola (Íñigo López de Loyola)

Geburtsdatum: 31. Mai (?) 1491

Geburtsort: Schloss Loyola in Azpeitia, Baskenland, Spanien

Todesdatum: 31. Juli 1556 (†65)

Sterbeort: Rom, Kirchenstaat, Italien

Namenspatron/Namenstage: Ignaz, Ignatius

Heiliger, Gründer des Jesuitenordens, Mystiker

Gedenktag: 31. Juli

Patron: des Jesuitenordens (Societas Jesu/SJ); der Exerzitienhäuser und geistlichen Übungen (Exerzitien); der Kinder, Schwangeren und Soldaten

Fürsprecher gegen Fieber, Dämonen, Zauberei, Gewissensbisse, Dickköpfigkeit, Viehkrankheiten, Pest und Cholera

Helfer bei schweren Entbindungen

Ziele zu erreichen war ihm wichtig. Er war ein Taktiker. Daher bezeichnen manche Menschen Ignatius schmunzelnd als Schutzpatron für »Plan B«.

In der Wahrnehmung eines Reisenden in Rom: »Ein Spanierlein, klein, etwas hinkend, mit fröhlichen Augen«.

societas jesu – sj – Die Jesuiten

Gegründet wurde die societas jesu (Gesellschaft Jesu) im Jahr 1534 von Ignatius von Loyola und sechs weiteren Freunden. 1540 wurden die Jesuiten, wie sich die ersten Mitglieder des Ordens bald nannten, von Papst Paul III. offiziell als Orden anerkannt.

Die Jesuiten unterschieden sich von anderen Orden unter anderem durch den Verzicht auf ein bestimmtes Ordenskleid und auf das gemeinsame Chorgebet. Sie lebten nicht abgeschieden von der Welt hinter dicken Klostermauern, sondern unter den Menschen, die sie erreichen wollten. Denn als ihre Hauptaufgabe begriffen die Jesuiten den Einsatz für die Armen und Benachteiligten sowie die Verkündung des katholischen Glaubens durch Bildung und Predigt in Europa und den »neuen Ländern« Asiens und Amerikas. Früh bauten sie ein internationales Netzwerk von Schulen und Universitäten mit einem gemeinsamen Curriculum auf und waren in ihrer jungen Zeit Teil der wissenschaftlichen Elite.

Um 1600 waren die Jesuiten bereits in sämtlichen katholischen Ländern Europas vertreten, durch die Gründung von Schulen und Universitäten und durch ihre Arbeit in der Seelsorge erlangten sie hier erheblichen Einfluss. Oft waren sie als Beichtväter und Seelsorger an katholischen Königs- und Fürstenhöfen eingesetzt, was in Zeiten der Aufklärung heftig kritisiert wurde. Die Jesuiten kamen in den Ruf, hinter den Kulissen die Fäden zu ziehen und Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Häufig verdächtigten ihre protestantischen, aber auch katholischen Gegner sie der Verschwörung.

Die Jesuiten kennen keine Bindung an ein Kloster. Vielmehr wurde ihnen von Beginn an Flexibilität und Mobilität abverlangt. Für ihre Zeit hochmodern etablierten sie ein ausgefeiltes Verwaltungs- und Kommunikationsmodell.

Immer schon wollten sie den Marginalisierten und Ausgebeuteten helfen. So waren sie neben Seelsorgern für die Ärmsten ihrer Zeit (Wanderhirten, Galeerensklaven, Soldaten, Prostituierte, Bettler und Kranke …) auch häufig Missionare in fernen, unbekannten Ländern. Sie wurden zu Entdeckern, Geografen und Naturforschern und erreichten die fremden Völker auf den Schiffen der Händler und Kolonialherren. In ihren guten Zeiten erhielten sie sich die Freiheit leidenschaftlicher Seelsorger und kämpften gegen die Auswirkung des europäischen Kolonialismus.

Im heutigen Paraguay und in Brasilien bestand von 1610 bis 1767 sogar ein Jesuitenstaat mit einem christlichen Sozialsystem, in dem die indigene Bevölkerung in sogenannten Reduktionen – gemeinwirtschaftlichen Siedlungen – in Sicherheit vor den spanischen und portugiesischen Kolonialherren und Sklavenhändlern lebte und arbeitete. 1767 vertrieben Portugiesen und Spanier die Jesuiten aus Südamerika.

Wie bei allen Organisationen und Gemeinschaften gab es unter den Jesuiten unterschiedliche Strömungen. Es fanden sich Friedensstifter und Kriegstreiber, Kämpfer für Menschlichkeit und Sklavenhalter, entschiedene Gegner der Hexenprozesse und Aufwiegler gegen sogenannte Hexen, Vertreter internationaler Zusammenarbeit und Nationalisten, Verbrecher und Heilige sowie Überflieger und ganz normale Menschen.

1773 wurde der Jesuitenorden auf Betreiben der Könige Portugals, Spaniens und Frankreichs von Papst Klemens XIV. verboten. Zahlreiche Jesuiten fanden in Preußen und Russland Zuflucht, wo die päpstliche Autorität nicht galt. Katharina die Große und Friedrich der Große wollten die Vorteile des jesuitischen Schulsystems nicht missen. 1814 ließ Papst Pius VII. die Gesellschaft Jesu wieder zu, die schnell zu alter Größe wuchs.

Im Deutschen Kaiserreich wurden die Jesuiten als Folge des Kulturkampfs 1872 durch Bismarcks »Jesuitengesetz« des Landes verwiesen. Die Aufhebung dieses Gesetzes erfolgte erst 1917. Sein größtes Wachstum erlebte der Orden weltweit in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Zahl der Mitglieder erreichte mit 36 000 ihren bisherigen Höchststand. Die NS-Diktatur bezeichnete die Jesuiten als »Volksschädlinge«, mehrere Ordensmitglieder erhielten Predigtverbot oder kamen in Konzentrationslager. Pater Rupert Mayer (1876–1945), der große Münchner Männerseelsorger, wurde im Kloster Ettal interniert. Pater Alfred Delp (1907–1945) wurde mit weiteren Mitgliedern des Kreisauer Kreises ermordet.

Unter dem Generaloberen Pedro Aruppe SJ fand in den 1960er und 70er Jahren eine wegweisende Neuorientierung statt: Der Orden griff Anliegen der Befreiungstheologie auf und definierte die Sendung des Ordens als »Dienst am Glauben und Förderung der Gerechtigkeit«. Insgesamt sollten die Fragen der Menschen und die Werte der jeweiligen Kultur, in der Jesuiten arbeiten, besser aufgegriffen werden. Dies führte zu massiven Spannungen – intern und gegenüber dem Vatikan – und beinahe zu einem Verbot des Ordens.

Heute gibt es rund 17 000 Jesuiten in 120 Ländern. Die Ordensleute unterhalten Gymnasien und Universitäten, betätigen sich in der Erwachsenenbildung, Jugendarbeit und Seelsorge. Weltweit arbeiten sie in einer NGO, dem Jesuiten-Flüchtlingsdienst, und sehen im Einsatz für »Glaube und Gerechtigkeit« einen Schwerpunkt ihrer Arbeit. Sie erreichen über zwei Millionen Schüler_innen allein in den Schulen. In den Bildungseinrichtungen arbeiten über 70 000 Lehrkräfte.

All das erreichten und erreichen die Jesuiten immer schon nur deswegen, weil viele großherzige und gleichgesinnte Frauen und Männer als Mitarbeiter_innen, Unterstützer_innen und Förderer_innen den Jesuitenorden sowie das ignatianische Netzwerk und deren Anliegen begleiten. Ohne sie wäre der Orden schlichtweg unbedeutend.

Was Jesuiten formt und antreibt, lässt sich in drei Sätzen zusammenfassen. Jesuiten gehen davon aus, dass Gott jedem Menschen zuruft:

Mensch, du bist okay! Gott sagt »Ja« zur Welt und jedem Einzelnen. Der Mensch hat Würde und Freiheit als Geschöpf, obwohl er nicht perfekt und endlich ist. Gott spricht alle Menschen gleich an!Ich, Gott, bin bei dir! Gott begleitet uns und spricht zu jedem Einzelnen. In der Bibel, in der Welt, im Nächsten – in allen Dingen – können wir – jetzt – seine Spuren und seine Botschaft für uns erkennen. In der Reflexion, Kontemplation und im Verkosten der Dinge kann der Einzelne seinen je eigenen Weg finden. Jesuiten sprechen hier von der Unterscheidung der Geister. Das bedeutet, die Antriebe zu unterscheiden: Wo bin ich getrieben von Antrieben, die mich unfrei machen? Wo zieht mich das Gute, wo zieht mich Gott an?Ich brauche dich! Gott fördert und fordert uns. Wir haben Verantwortung für unsere Lebensgestaltung, die Gesellschaft und die Welt. Der einzelne Mensch erfährt durch Andere Halt und entwickelt seine Beziehungsfähigkeit. Gemeinsam gestalten Menschen Maßstäbe für das, was wertvoll und wichtig ist – und handeln danach.

Auf der Suche nach Glück und Erfüllung

»desire« – Wie uns Sehnsucht antreibt

»Es muss doch mehr als alles geben.«

Dorothee Sölle

»Wir leben in einer Zeit vollkommener Mittel und verworrener Ziele.«

Albert Einstein

Halt – Haltung – Verhalten – Verhältnisse: Das ist nicht nur ein Wortspiel, sondern eine fundmentale Kausalkette. Haltung bestimmt unser Verhalten, wichtiger ist aber, dass sie in einem Halt gründen muss. Sie braucht einen inneren Haltepunkt, um fest und klar sein zu können. Der Wegweiser auf der Suche nach dem, was wirklich Halt gibt, ist die Sehnsucht.

Mit der Sehnsucht fängt alles an. Sehnsucht ist ein langfristiges, tiefes Verlangen nach etwas, ein starker Wunsch. Sie öffnet die Tür zu Änderungsenergie, Kraft und Emotion. Ignatius beschreibt Zugänge zu diesem Antrieb, so dass die Sehnsucht sich in Alltagsentscheidungen und Alltagshandlungen manifestieren kann.

Iggys Beobachtung

Ignatius war Offizier in der Armee des spanischen Königs. In einem Gefecht bei der Belagerung von Pamplona wurde er von einer Kanonenkugel so schwer am Bein verletzt, dass man um sein Leben fürchtete. In seinem autobiographischen Bericht heißt es: »Und als der Tag des hl. Johannes kam, riet man ihm zu beichten, weil die Ärzte sehr wenig Vertrauen auf seine Rettung hatten. Wenn er bis Mitternacht keine Besserung verspüre, könne er sich für tot rechnen.«

Dem Tod knapp entronnen lag er monatelang im Krankenbett auf der Burg seines Bruders. Er war frustriert, war er doch in den Krieg gezogen, um Ruhm und Ehre zu erlangen. Doch nun musste er damit rechnen, dass er, trotz einer erneuten gefährlichen Operation, die das verwachsene Bein strecken sollte, den Rest seines Lebens verkrüppelt bleiben würde. Womöglich musste er sogar sterben. Ignatius sah seine hochgesteckten Ziele verfliegen. In dieser Lebenskrise und mit der Langeweile des monatelangen Krankenlagers war er auf sich zurückgeworfen. Er hatte aber auch die Chance, sich neu zu entdecken.

In dieser Situation fragte er sich, was er eigentlich mit seinem Leben erreichen wollte. Zu einer Art Lebenspause gezwungen, stellte er fest, dass er sein Leben lang einer Illusion hinterhergerannt war. Um sich neu auszurichten, verließ er seine Heimat und machte sich pilgernd auf den Weg nach Jerusalem.

In Manresa, noch in Spanien, zog sich Ignatius in eine Einsiedlerhöhle zurück. Dort fiel er in ein tiefes existentielles Loch und fastete sich beinahe zu Tode. Desillusioniert musste er sich ein neues Weltbild aufbauen. Eines, das viel tiefer reichte und viel näher an seinen grundlegenden Sehnsüchten angesiedelt war als das zusammengebrochene. Er lernte zu unterscheiden zwischen dem, was ihm durch die Gesellschaft mitgegeben wurde, und seiner eigenen Berufung. Letztendlich führte seine Suche zu neuen Einsichten, zu Weggefährten und zur Gründung des Jesuitenordens. Hier fand er seine Mission.

Iggys Ziel

Im Rückblick auf diesen unangenehmen Prozess stellte Ignatius fest, dass seine Lebenskrise eine glückliche Fügung war. Sie gab ihm die Gelegenheit, sich mit seinen tiefsten Sehnsüchten zu beschäftigen, mit dem, was ihn wirklich anzog und antrieb.