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Warum heißt es eigentlich »Football«, obwohl der Ball überwiegend geworfen oder getragen wird? Darf jeder Spieler jede Nummer für sein Trikot wählen? Wer legt überhaupt die Regeln fest? Was ist ein First Down? Und warum verdienen Football-Profis so viel Geld? Rund um American Football, den komplexesten Teamsport der Welt, gibt es Tausende Fragen, Mythen und Theorien – so richtig genau wissen aber nur wenige Bescheid. Höchste Zeit also, das zu ändern, denn der Sport erfreut sich auch bei uns immer größerer Beliebtheit. In leicht verständlicher Form, die die beliebte Reihe »Erklärs mir, als wäre ich 5« gewährleistet, werden hier die wichtigsten Fakten rund um Offense, Defense, Touchdown, Field Goal und vieles mehr erklärt.
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Seitenzahl: 187
Veröffentlichungsjahr: 2025
Petra CnyrimMoritz Wollert
Erklärsmir, alswäre ich 5
American Football
Was bedeuten die Linien auf dem Spielfeld? Wieso gibt es beim College Football besondere Regeln? Warum gibt es beim Football so viele Schiedsrichter?
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Originalausgabe1. Auflage 2025© 2025 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbHTürkenstraße 8980799 MünchenTel.: 089 651285-0
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Redaktion: Ulrike ReinenUmschlaggestaltung: Isabella DorschUmschlagabbildung: Adobe Stock/nadiinko
Abbildungen im Innenteil: Shutterstock/Oleh Svetiukha (S. 59); alle weiteren: Sabrina Pronold
Satz: Kerstin SteineBook: ePUBoo.com
ISBN Print 978-3-7423-2794-9ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-2604-8
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DIE ANFÄNGE
GESCHICHTE DER NATIONAL FOOTBALL LEAGUE
AUSRÜSTUNG UND SPIELFELD
DAS SPIEL AN SICH
REGELN DES AMERICAN FOOTBALLS
DIE OFFENSE
DIE DEFENSE
SPECIAL TEAMS
DIES UND DAS
Der beliebte Mannschaftssport American Football ist vor allem in den USA sehr verbreitet, findet aber inzwischen auch seinen Weg in viele andere Länder. Dabei bleiben etliche Teile dieses interessanten Sports zahlreichen Menschen oft ein Rätsel und wirken gerade auf den neuen Zuschauer einschüchternd. Ein Umstand, den wir mit diesem Buch ändern möchten!
Die Eckdaten sind dabei eigentlich jetzt schon schnell erklärt: Beim Football spielen zwei Mannschaften mit jeweils 11 Spielern gegeneinander auf einem Feld, auch »Gridiron« genannt, und versuchen dabei mehr Punkte als der Gegner zu erzielen. Eben jene Punkte bekommt man meistens für Touchdowns, bei denen der Ball in die jeweilige Endzone vor der Grundlinie gebracht wird, oder durch Field Goals, für die ein Kicker einen Ball durch ein großes Torgestänge am Ende des Spielfelds schießt. Die Offense bewegt den Ball dabei mithilfe von Pässen oder läuft mit ihm das Feld hinunter. Die Defense versucht das, mit Tackles und ausgefeilten Strategien, zu verhindern.
Offense? Defense? Tackle? Touchdown? Was das alles sein soll? Ihr erfahrt das und eine ganze Menge mehr in den folgenden Kapiteln. Ebenso gehen wir auf Spurensuche zu den Anfängen des Spiels, wie es entstanden ist und wie aus der großen amerikanischen National Football League (NFL) die reichste Sportliga der Welt wurde. Es gibt zusätzlich Wissenswertes zur Ausrüstung, dem Spielablauf und den verschiedenen Aufstellungen, sodass ihr beim nächsten Spiel nur müde mit den Schultern zuckt, wenn jemand von »Spread Offense« oder einer »3–4-Defense« erzählt.
Diese Begriffe standen in der Anfangszeit des Footballs noch in den Sternen, da sah das Spiel noch ganz anders aus. Im ersten Kapitel reisen wir zurück ins 19. Jahrhundert und schauen einmal, wie American Football überhaupt entstanden ist und wie all das, was so viele Menschen heute lieben, eigentlich begann.
So ganz genau kann man den Startschuss für American Football gar nicht bestimmen, Historiker sind sich aber einig, dass die Sportart Mitte des 19. Jahrhunderts im Nordosten der Vereinigten Staaten von Amerika sowie an der kanadischen Ostküste entstanden ist. Erste Spielvarianten erinnerten dabei noch viel mehr an den europäischen Fußball und an Rugby, also die beiden Sportarten, von denen die ersten Football-Pioniere ihre größte Inspiration erhielten.
Beide Spiele stammen aus dem damaligen England, wo Sport bei den reichen Leuten der britischen Oberschicht einen hohen Stellenwert als Zeitvertreib hatte. Die dabei entstandene Idee vom Sport als Aktivität, mit der man Werte wie Fair Play und Einsatzwillen oder körperliche Ertüchtigung vermitteln konnte, schwappte irgendwann über den Atlantik nach Amerika über. Gerade an den Universitäten versammelten sich vermehrt Gruppen von Sportinteressierten, die sich ihre Freizeit neben dem Studium versüßen wollten oder von Professoren wie Lehrern zum Spiel ermuntert wurden. Die frühen Formen von American Football waren dabei ziemlich wilde Geschichten und basierten zumeist auf keinem festen Regelwerk. Man einigte sich einfach kurz vor Spielbeginn, wie gespielt werden sollte, und dann ging es los.
Heute ist das Werfen und Tragen des Balls ein wichtiger Bestandteil von American Football – also »amerikanischem Fußball« –, doch das war nicht immer der Fall. So waren derartige Aktionen zu Beginn der Football-Geschichte meist verboten und wahrscheinlich hätte so mancher damals nur über die Idee gelacht, dass man den Ball jemals werfen würde.
Im frühen 19. Jahrhundert galt der Sammelbegriff Fußball zunächst für Spiele, die »auf den Füßen« gespielt wurden und bei denen die Spieler den Ball mit dem Fuß über den Platz beförderten. Angeblich stammt diese Beschreibung sogar aus dem Mittelalter, also aus einer Zeit, in der es noch Ritter gab. In Großbritannien kristallisierte sich dann aber bald eine Frühform des Fußballs heraus, den man auch heute noch in Europa kennt und weswegen viele England als das »Mutterland des Fußball« bezeichnen. Der Name lautete zunächst »Association Football« (deutsch: Verbandsfußball), was in der Zeitung bald zu »Assoc« und später zu »Soc« abgekürzt wurde. Anschließend verlängerte man den Begriff wieder und kam auf »Soccer«. So wird das Spiel heute noch in Amerika genannt, in England war es seit jeher nur ein Spitzname. Daneben entwickelte sich Rugby auch aus den ursprünglichen »Fußballspielen« heraus, anfangs wurde es sogar »Rugby Football« genannt. Offiziell spaltete sich der Rugby-Verband kurz nach der Gründung der London Football Association 1863 endgültig vom Fußball ab und es existierten fortan zwei unterschiedliche Sportarten.
Die ersten Football-Fans in Amerika wollten ein ähnliches Spiel kreieren und orientierten sich dabei vor allem am Fußball und am Rugby, sprich zwei »Fußballspielen«.
Die erste offizielle Partie haben über die Jahre einige Orte für sich beansprucht, doch mittlerweile gilt das Spiel zwischen den Universitäten Rutgers und Princeton (damals noch das College of New Jersey) am 6. November 1869 als das erste echte American-Football-Spiel der Geschichte. Die Spieler von Princeton trugen an jenem Tag den Beinamen »Tigers«, die Akteure von Rutgers wurden »Queensmen« genannt. Ein interessanter Fakt dabei: Die Partie wird gleichzeitig auch als das erste offizielle Fußballspiel auf dem nordamerikanischen Kontinent gesehen, denn die Regeln richteten sich nach den 1863 in England erlassenen Fußballstatuten. Dadurch verlief die Veranstaltung aus heutiger Sicht eher wie ein Fußballspiel und weniger wie die Sportart, die man heute als American Football kennt.
Solche Einordnungen interessierten allerdings weder die Spieler noch die einhundert anwesenden Zuschauer – es ging nur darum, einen Sieg einzufahren. 25 Spieler pro Mannschaft tummelten sich auf dem Feld an der College Avenue in New Brunswick, im US-Bundesstaat New Jersey, und versuchten, den zunächst noch runden Ball in das Tor der anderen Mannschaft zu schießen. Aufgrund der hohen Teilnehmerzahl entbrannte zeitweise ein heilloses Chaos und mehrfach entstand eine vollkommen unübersichtliche Menschentraube. Das Spiel bestand dabei aus zehn einzelnen »Games«, die jeweils endeten, wenn einem Team ein Tor gelang. Manche Positionen hatten eigentümliche Namen: Die Spieler, deren Aufgabe es war, vorn die Tore zu schießen, nannte man zum Beispiel »Bulldogs« (deutsch: Bulldoggen).
Es entwickelte sich bald ein munteres und ziemlich körperbetontes Spiel; dabei ging es bei beiden Mannschaften regelmäßig um das sogenannte Flying Wedge Play. Hierbei formierten sich die Spieler zu einer Art Dreieck und rannten dann nach vorn. Diese Taktik hatte man sich unter anderem beim Militär abgeschaut, wo der eine oder andere der beteiligten Spieler kurz zuvor während des Amerikanischen Bürgerkriegs gedient hatte. Rutgers versuchte vor allem mit dieser Formation seine körperliche Unterlegenheit wettzumachen. Insgesamt brachten die Spieler von Princeton nämlich deutlich mehr Kilos auf die Waage als ihre Kontrahenten. Diese nutzten dafür ihre schnelleren Beine, besaßen das bessere Ballgefühl und setzten beim Stand von 4–4 die entscheidenden Akzente. Rutgers-Kapitän John W. Leggett gab die Taktik aus, den Ball vor allem über den Boden zu spielen, hier hatten die hochgewachsenen Princeton-Akteure Probleme zu folgen. Rutgers stürmte zwei Mal erfolgreich auf das Tor zu und entschied damit das Spiel schließlich mit 6–4 für sich.
Bei den Rutgers-Fans brach daraufhin großer Jubel aus. Laut Zeitungsberichten sollen sie sogar die unterlegenen Spieler von Princeton förmlich aus dem Stadion gejagt und anschließend mit ihrer Mannschaft den Sieg gefeiert haben. Die eine Woche später stattfindende Revanche ging allerdings mit einem glatten 8–0 an Princeton.
Dass sich die frühen Footballspieler in Amerika viel vom europäischen Fußball abgeguckt hatten, war beim ersten offiziellen Spiel offensichtlich. Eine ganz wichtige Idee für American Football stammt allerdings vom Rugby.
Dieser Sport war im England des 19. Jahrhunderts ebenfalls sehr populär und verbreitete sich in der Folge durch das British Empire (das damalige Britische Weltreich) über die gesamte Welt. Damals regierte Großbritannien viele Kolonien – also auswärtige Gebiete, die trotzdem dazugehörten –, und herrschte als riesige Seemacht über einen beträchtlichen Teil der Erde. Rugby war dabei am Anfang dem Fußballspiel sehr ähnlich, es wurde sogar lange Zeit offiziell »Rugby Football« genannt. Es handelte sich dabei zunächst um ein Spiel, bei dem der Ball vor allem mit dem Fuß gespielt werden und somit in eine gegnerische Endzone, den hinteren Bereich auf beiden Seiten des Feldes, befördert werden sollte.
Einem gewissen William Webb Ellis, einem Studenten an der Rugby School in Rugby, in der englischen Grafschaft Warwickshire, soll das der Legende nach zu langweilig gewesen sein. Er hob den Ball 1823 einfach auf und trug ihn während eines Spiels in die Endzone. Ganz gesichert ist diese Version der Geschichte nicht, mehrere Sporthistoriker zweifeln sie bis heute an. Dennoch begann sich der Rugby-Sport durch das Tragen des Balls nachhaltig vom Fußball abzugrenzen. Einige Jahrzehnte nach Ellis besuchte auch der Amerikaner David Schley Schaff die englische Rugby School und lernte dabei das nach dem Ort benannte Spiel kennen. Als er in seine amerikanische Heimat zurückkehrte, begann er ein Studium am Yale College, das Anfang der 1870er-Jahre bereits zusammen mit den Universitäten von Harvard, Princeton und Columbia eine Leidenschaft für das neuartige Spiel American Football entdeckt hatte. Schaff versuchte die anderen Studenten ebenfalls für die Vorzüge von Rugby zu begeistern, scheiterte damit aber zunächst.
1874 ereigneten sich aber zwei bedeutende Spiele zwischen Harvard und der kanadischen McGill University. Dort hatte man ebenfalls schon vom Rugby gehört und nahm unter anderem das Tragen des Balls mit in die Spielregeln auf. Es war eine von zahlreichen Neuerungen, die sich parallel zum Geschehen in den USA auf kanadischem Boden entwickelten. Nach den beiden Partien entschieden sich alle Anwesenden dafür, dass Football nach Rugby-Prinzipien viel mehr Spaß macht und aufregender ist. Es dauerte noch ein bisschen, aber in den kommenden Jahren verfestigte sich diese Idee auch an allen anderen Colleges, unter anderem auch durch die Mitwirkung eines gewissen Walter Camp.
Dieser Walter Camp gilt heute für viele als der »Vater des American Footballs«. Trotz seiner geringen Körpergröße spielte er mehrere Jahre für Yale Football, sein wahrer Wert für den Sport zeigte sich aber in verschiedenen Regelkomitees der damaligen Zeit. In diesen versuchten zahlreiche Repräsentanten von den Universitäten, die Sportart Football populärer und interessanter zu machen. Und niemand zeigte sich dabei so fortschrittlich wie Camp.
Zu seiner Zeit bestand ein extrem hoher Bedarf an einer Veränderung des Spiels, denn die ersten Versionen steckten noch in den Kinderschuhen und entwickelten sich teilweise in die komplett falsche Richtung. Football war viel zu körperbetont, zu gefährlich, zu zäh und wurde oftmals ohne echte Strategie gespielt. 1880 erfand man das Prinzip des Ballbesitzes für immer nur eine Mannschaft, im Gegensatz zum Fußball oder Rugby, wo ein ständiges Hin und Her herrschte. Auch das »Gedränge«, das sogenannte Scrum, war Camp ein Dorn im Auge und wurde aus dem Spiel genommen. Doch diese bahnbrechenden Erweiterungen des Football waren noch lange nicht genug. Zumal manche Mannschaften anfingen auf Zeit zu spielen, weil ein Meister damals bei einem Unentschieden den im Vorjahr gewonnenen Pokal weiterhin behalten durfte. Die Teams agierten sehr defensiv, versuchten erst gar nicht den Ball nach vorn zu bewegen und hofften einfach, dass die Zeit dabei abläuft. Regeln gegen die Taktiken der »Block Games«, wie man diese damals nannte, gab es nicht. Als Yale und Princeton sich 1881 schließlich ein solch langweiliges Spiel vor über 10 000 Zuschauern lieferten, sorgte das in der Folge für enorme Beschwerden in der gesamten Footballwelt. Vielen war klar, dass sich etwas ändern musste.
Und somit schob Walter Camp das Prinzip der »Downs« an, der Anzahl von Versuchen, den Ball in Richtung Endzone zu befördern. Anfangs ging es darum, mit drei Versuchen mindestens 5 Yards zurückzulegen, sonst bekam der Gegner den Ball. Heute sind es mittlerweile vier Versuche, um 10 Yards zu schaffen. Als dieses Prinzip 1882 erstmals verwendet wurde, entstanden auch verschiedene Markierungen auf dem Feld. Mehrere Linien gingen von Endzone zu Endzone sowie von Seitenlinie zu Seitenlinie. Dabei einstand eine Art Gitter, was viele an einen Grillrost erinnerte. Damit bekam das Feld auch seinen bekannten Spitznamen »Gridiron«, der bis heute noch sehr beliebt ist. Die damals noch verwendeten Quadrate auf dem Feld zeigten jeweils den Punkt an, von wo aus nach einem Stopp weitergespielt wurde.
Camp, der nebenbei auch noch in der Uhrenfabrik seiner Familie arbeitete, hatte damit aber noch nicht genug und ihm kamen weitere Ideen für neue Regeln. Er erfand den »Snap«, also die Übergabe des Balls vom Center zum Quarterback (so heißen die beiden Spielerpositionen), stellte ein erstes Punktesystem zusammen und befürwortete die Reduzierung der Spieleranzahl einer Mannschaft von 15 auf 11. Camps Vorschläge für die einheitliche Aufstellung lassen eine deutliche Ähnlichkeit zu den heutigen Strategien ausmachen, denn auch er positionierte sieben Angriffsspieler an der von ihm festgelegten »Line of Scrimmage« und vier dahinter. Diese Linie kann man sich als unsichtbare Trennung zwischen dem Angriff und der Verteidigung vorstellen, die genau auf Höhe des ruhenden Balls verläuft. Eine weitere Neuerung war der sogenannte Safety, bei dem die Verteidigung Punkte dafür bekommt, dass sie einen Angreifer in seiner eigenen Endzone zu Boden bringt. Dieser Schritt war wichtig, weil Teams damit ebenfalls dauerhaft gezwungen waren, nach vorn zu spielen.
Historisch gesehen wird die Rolle Camps im Nachhinein sicherlich ein wenig überzeichnet, denn der Football findet Gefallen daran, ihn als leuchtende Figur seiner doch durchaus chaotischen Entstehungsgeschichte zu betrachten. Trotzdem war seine richtungsweisende und einende Funktion für die Sportart von außerordentlich großer Bedeutung und ging vielen beliebten Formen des heutigen Spiels voraus.
Noch heute gilt American Football als eine der brutalsten Sportarten der Welt, heftige Zusammenstöße und schmerzvolle Verletzungen gehören quasi zur Tagesordnung. Es ist allerdings kein Vergleich zu den Anfangstagen der Sportart, denn in diesen war das Spiel manchmal sogar tödlich.
Um die Jahrtausendwende gab es zwar mehr oder minder standardisierte Football-Regeln, doch viele davon sind in der Praxis nur unzureichend erforscht oder getestet. Es dauerte ohne moderne Kommunikationsmittel auch viel länger, bis sich Neuerungen im Regelwerk durchsetzen konnten oder alle aktiven Mannschaften auf gewisse Missstände aufmerksam wurden. Als man auch im Sport noch auf eine ganz andere Art und Weise seine Härte unter Beweis stellen wollte, entwickelte sich Football zu einem wahrlich gefährlichen Zeitvertreib. Spieler stürmten, ohne dass ein »Tackle« (siehe Seite 79) – klar definiert worden war, oder mit regelwidrigen Aktionen ineinander, oftmals ohne Rücksicht auf Verluste. Das neuartige Blocken des Gegenspielers, eine der deutlichsten Unterschiede zum Rugbysport, war ebenfalls nicht reglementiert und die Spieler ließen sich somit zu etlichen halsbrecherischen Aktionen hinreißen, um sich ihrem Gegner in den Weg zu stellen. Besonders gefährlich waren aber Sturmläufe wie zum Beispiel das »Flying Wedge Play«, bei denen sich die Angreifer zeitweise sogar unterhakten und mit einer »menschlichen Walze« ihre Gegner zu überrollen versuchten. Helme, Schulterpolster oder sonstige Schutzkleidung gab es damals nicht, auch die sportmedizinische Betreuung war kaum vorhanden.
Die Resultate aus all diesen Begebenheiten waren verheerend. Jahr für Jahr starben etliche Studenten auf den Football-Feldern Amerikas, unzählige weitere erlitten schwerwiegende und teilweise lebensverändernde Verletzungen. Anfang des 20. Jahrhunderts merkten die zuständigen Universitäten und Gremien, dass sich etwas ändern musste. Auch der öffentliche Druck auf die Sportler wuchs, selbst von oberster Stelle. Der Sohn des damaligen US-Präsidenten Theodore »Teddy« Roosevelt studierte zu jener Zeit an der Harvard-Uni in Cambridge – und somit hatte das Staatsoberhaupt selbst tiefen Einblick in die dortigen Zustände. Als 1905 landesweit 19 Todesfälle beim Football durch die Chicago Tribune registriert wurden, machte er Druck auf die verantwortlichen Gremien und verlangte bessere Regeln. Manche Kritiker forderten damals sogar ein nationales Verbot des Sports. In der Folge erließen die Football-Funktionäre jedenfalls etliche neue Regeln, um das Spiel sicherer zu machen. Tackles (siehe Seite 79) wurden genau definiert, ebenso deutliche Regeln für das Blocken des Gegenspielers. Gefährliche Team-Formationen gehörten plötzlich der Vergangenheit an. Mit der baldigen Einführung des Vorwärtspasses, einer neuen Wurftechnik, öffnete sich das Spiel zusätzlich und machte einen entscheidenden Schritt in die Zukunft.
Als American Football im Nordosten der USA gegen Ende des 19. Jahrhunderts an Beliebtheit gewann, waren Pässe, wie man sie heute kennt, noch verboten. Doch auch wenn sich das reguläre Spiel auf das Kicken und Tragen des Balls beschränkte, wurde hier und da doch immer mal mit einem Wurf (Pass) experimentiert und der späteren Entwicklung somit vorgegriffen.
Es gibt sogar einige Überlieferungen von Pässen in offiziellen Spielen, ungeachtet des eigentlich bestehenden Verbots. Hierbei benutzte man einen Wurf zunächst als spontane Notlösung. 1876 wurde kein Geringerer als »Football-Vater« Walter Camp in einem Spiel zwischen Yale und Princeton von seinen Gegenspielern getackled, schmiss den Ball aber gerade noch im Fallen nach vorn. Sein Teamkollege Oliver Thompson fing ihn zur großen Verblüffung aller und erzielte einen Touchdown (siehe Seite 72). Princeton protestierte, aber so richtig wusste niemand mit der Situation umzugehen. Nicht einmal der Schiedsrichter, der einfach eine Münze warf, um zu entscheiden, ob die Punkte zählen oder nicht. Yale und Camp hatten das Glück auf ihrer Seite, der Touchdown wurde nicht zurückgenommen. Ebenso verhielt es sich mit einem Spielzug der North Carolina Tar Heels, die sich 1895 in einem engen Spiel mit den Georgia Bulldogs befanden. Diese stürzten bei einem Punt (siehe Seite 78) auf North Carolinas Joel zu und drohten, seinen Kick zu blocken. Verzweifelt schleuderte dieser den Ball nach vorn und fand George Stephens, der prompt 70 Yards in die Endzone lief. Der Schiedsrichter ließ die Punkte zählen, da er den Pass angeblich nicht gesehen hatte.
Es sollte danach noch ein paar Jahre dauern, bis der Vorwärtspass im Football seinen Weg ins niedergeschriebene Regelbuch fand. Dabei meldeten sich etliche Befürworter der Angriffsaktion immer lauter zu Wort, unter anderem John Heisman, nach dem später die berühmte Heisman Trophy für den besten Collegespieler benannt wurde. Er und andere argumentieren, dass das zeitweise doch sehr zähe und körperbetonte Spiel eine Veränderung braucht. Weil der Sport nach etlichen Todesfällen außerdem sicherer gemacht werden musste, erlaubte die »Intercollegiate Athletic Association of the United States« (kurz IAAUS, später wurde aus dieser Vereinigung der heutige College-Verband NCAA) schließlich am 6. April 1906 den Vorwärtspass und schrieb ihn als rechtmäßige Handlung in die Regelbücher. Viele Football-Größen jener historischen Tage waren aber skeptisch, sie hielten den Pass für eine Art seltsamen und riskanten Trick. Das liegt zeitweise auch daran, dass die ersten Passregeln mit allerlei Einschränkungen versehen wurden. So ging der Ball zum Beispiel am Anfang noch direkt zum Gegner über, wenn ein Pass ohne Berührung zu Boden fiel.
Einige Coaches hielt das aber nicht davon ab, in der Neuerung eine Chance zu erkennen. So dachte auch Eddie Cochems, Head Coach (Cheftrainer) der Saint Louis University, und versammelte sein Team deshalb extra zu einem Trainingscamp in einer Jesuitensiedlung in Wisconsin, um sich dort tagtäglich mit dem Passspiel vertraut zu machen. Am 5. September reiste das Team zum Carroll College, wo das vorher Eingeübte auch direkt unter Spielbedingungen ausprobiert wurde. Der erste Pass führte noch zu einem Verlust des Balls, doch dann warf ihn Bradbury Robinson über 20 Yards zu Jack Schneider. Der viel umjubelte Touchdown war für Saint Louis der Startschuss in eine denkwürdige Saison, in der die Uni kein Spiel verlor und ihre Gegner mit einem Gesamtpunktestand von 407–11 dominierte.
Derartiger Erfolg ließ aufhorchen, ebenso wie manch andere erfolgreiche Pass-Systeme der ersten Stunde. Unter anderem machte sich Glenn »Pop« Warner mit einer neuen Angriffstaktik an der Carlisle Indian Industrial School einen Namen. Trotz einzelner solcher Erfolgsfälle lief die Einführung des Passspiels zunächst schleppend. Zum einen waren die Regeln anfangs sehr einschränkend und machten Pässe durchaus riskant, zum anderen hatte der damalige Ball noch nicht die vorteilhafte aerodynamische Form eines heutigen Footballs. Er erinnerte vielmehr an einen großen Rugby-Ball oder eine Melone. Damit war es ziemlich schwer, ihn zielgenau zu werfen, weshalb so mancher Spieler ihn mehr oder minder durch die Luft schleuderte.
Mit den Jahren entwickelte sich das Passspiel aber zusehends weiter und auch die Regeln wurden nach und nach angepasst. Ein aggressiveres Angriffsspiel wurde unter anderem durch Änderungen im Punktesystem angekurbelt, seit 1912 zählt ein Touchdown nämlich 6 Punkte anstatt der vorigen 5. In diesem Wissen und mit besserem Training verwehrten sich immer weniger Teams dem Werfen des Balls. Besonders berühmt in der damaligen Zeit und ein Meilenstein für die Entwicklung des Passspiels ist eine Partie zwischen der University of Notre Dame und der Football-Mannschaft der US-Army. Das Duell der beiden Rivalen fand auf dem Gelände der berühmten Militärakademie in West Point, New York, statt. Notre Dames Gus Dorais brachte für die damalige Zeit unglaubliche 14 von 17 Würfen an den Mann, viele davon fing sein Teamkollege Knute Rockne. Insgesamt brachte es das Team auf 243 Passing Yards (den »Raumgewinn« durch das Passspiel) und fuhr einen dominanten 35–13-Sieg ein, der landesweit für Aufsehen sorgte. Ihre gute Abstimmung hatten sich Rockne und Dorais übrigens im vorangegangenen Sommer geholt, als sie im Rahmen eines Sommerjobs als Rettungsschwimmer am Strand in Ohio arbeiteten und dabei stets einen Football durch die Luft fliegen ließen.
Seinen Anfang nahm American Football zunächst an den Universitäten und an den Highschools der amerikanischen Ostküste. Es dauerte aber nicht allzu lange, bis die Spieler merkten, dass man mit dem Sport auch durchaus ein wenig Geld verdienen kann.