Erotische Frühlingsträume - Aimee Laurent - E-Book

Erotische Frühlingsträume E-Book

Aimee Laurent

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  • Herausgeber: Knaur eBook
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2011
Beschreibung

Vier erotische Fantasien rund um die schönste Jahreszeit: Prickelnd, romantisch und verführerisch. Nika freut sich auf ein paar ruhige Tage in Davos - und es kommt ganz anders… Anna ist auf der Suche nach einer neuen Wohnung - und trifft dabei auf einen geheimnisvollen Mann, der sie zutiefst verwirrt… Jenna reist in die Highlands, um einen Werbespot zu drehen -und wird von einem Highlander in seinen Bann gezogen... Kate findet heraus, dass ihr Manne eine Domina besucht hat. Wutentbrannt sucht sie diese nun selbst auf, doch ihr Besuch nimmt einen unerwarteten Verlauf ...

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Seitenzahl: 290

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Aimee Laurent / Susa Desiderio / Lara Sailor / Eric Boss

Erotische Frühlingsträume

Phantasien

Erotik

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Aimee Laurent – FrühlingsstürmeKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Susa Desiderio – FrühlingstangoKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Lara Sailor – Highland-FrühlingKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Eric Boss – FrühlingsgeflüsterPrologTagebuch»Joggen« by Jane»Arztbesuch« by PhilGeheimnis»Bondage« by Steve»Feuer und Eis« by VivienneLiebe»Verführung« by VanessaEpilog
Aimee Laurent – Frühlingsstürme

Kapitel 1

Die Bar war gut besucht. Nika schloss für einen Moment die Augen und gab sich der Musik hin. Jetzt kam die Stelle, wo der Drummer die Becken mit feinen Metallpinseln bearbeitete. Streichelte. Das Saxophon setzte ein. Nika bekam eine Gänsehaut. Sie liebte diese alten Jazzstücke.

»Tisch neun.«

Karim stellte das Tablett mit den Gin Tonics vor sie hin und grinste. Nika grinste zurück. Sie verstanden sich blind. Nicht nur hier, im Cube, sondern überall. Und besonders im Bett. Tisch neun war weiter hinten; um ihn zu erreichen, musste sie den langgestreckten Raum durchqueren. Während sie auf die vier Männer zusteuerte, spürte sie die Blicke der Gäste auf sich ruhen. Sie wusste, wann sie einer ansah, und wie er es tat. Nikas Gestalt straffte sich. Sie warf ihre hellroten Locken mit einem gekonnten Schwung zurück. Bei den Wartenden angekommen, stellte sie betont langsam die Gläser auf dem kleinen würfelförmigen Tischchen ab und lächelte verführerisch. Hier war alles cube, würfelförmig, und die Getränkekarte war so klein wie die Eiswürfel in den Longdrinks. Es gab nur Gin Tonic. Karim hatte die wohl größte Auswahl an Branntwein von allen Bars auf der Welt – aber eben nur und ausschließlich Gin. Was dieses minimalistische Konzept betraf, hatte er nie mit sich reden lassen. Zum Glück, denn heute war es genau das, was den anhaltenden Erfolg des Cube ausmachte.

Nika dachte an ihre erste gemeinsame Nacht zurück.

»Warum Gin Tonic«, hatte sie den Algerier gefragt, und der hatte sie in die hellen Brustwarzen gezwickt und geantwortet: »Weil es das Einzige ist, wovon ich keinen Kater bekomme, mon dieu. Darum.«

Nika lächelte den vier Gästen zu und deutete eine kleine Verbeugung an; die Locken fielen ihr dabei effektvoll ins Gesicht. Den Männern gefiel das, und das Trinkgeld rechtfertigte diese leicht devote Geste. Beschwingt kehrte sie zum Tresen zurück; wenn das heute so weiterging, brauchte sie sich um ihre Miete nächste Woche keine Sorgen zu machen.

»Alle wollen dich, mein kleiner Schmetterling.«

Karim stand neben ihr und strich mit den Fingern ihr Rückgrat entlang. Nika musste sich beherrschen, um nicht laut zu stöhnen. Sie mochte es, wenn Karim sie auf diese Weise berührte.

»Sie bekommen mich aber nicht«, flüsterte sie, griff nach seiner Hand und legte sie an ihren Rocksaum. »Im Gegensatz zu dir, Monsieur.«

Sie spürte, wie seine Finger unter den Rock glitten und ihre Pobacken berührten. Dann hörte sie ihn fluchen.

»Wie soll ich diese Nacht hier überstehen, wenn ich weiß, dass du heute kein Höschen trägst, he?«

Er zog sie an sich und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

»Du bist mein Elend, mein Untergang, jawohl!«

Nika sah ihn nachdenklich an. Dann verzog sie ihren Mund zu einem spöttischen Lächeln.

»Das will ich doch wohl hoffen!«

 

Für Ende März war es schon recht warm. Sogar der Asphalt fühlt sich warm an, dachte Nika, als sie aus dem Taxi stieg und die wenigen Meter zu ihrer Wohnung mit bloßen Füßen ging. Es war eine Wohltat, nach der langen Nacht im Cube endlich aus den zugegeben scharfen High Heels zu schlüpfen. Ob die Seidenstrümpfe, die sie häufig trug, den Weg über den Asphalt überleben würden, kümmerte sie in dem Augenblick wenig. Sie blickte an der Fassade hoch. Sie lebte in einer Altbauwohnung mitten im 6. Arrondissement – mit zwei Mitbewohnern, die jedoch gerade ein Auslandssemester absolvierten. So hatte sie die wunderschöne Mansarde bis Juli für sich allein. Erschöpft von der Arbeit im Cube stieg sie die Treppen hoch. Die Concierge nahm keine Notiz von ihr; sie schaute mal wieder eine dieser Verkaufssendungen im Nachtprogramm.

Nika wollte als Erstes ein Bad nehmen, auch wenn sich Mme Leroche sicher am nächsten Tag wieder über die lauten Geräusche »von oben« beschweren würde. Nika kramte nach ihrem Schlüssel und summte leise vor sich hin, als sich die Tür langsam öffnete. Sofort war sie hellwach. Das konnte nur René sein. Sie verwünschte den Tag, an dem sie ihm benebelt vor Verliebtheit einen Wohnungsschlüssel gegeben hatte.

»Du kommst spät.«

Er blickte sie tadelnd an. Wahrscheinlich hatte er wieder die ganze Nacht hindurch vor dem Fernseher auf sie gewartet. Er nahm sie einfach nicht ernst, wenn sie sagte, sie müsse arbeiten und es könne spät werden. Und der Algerier war ihm sowieso ein Dorn im Auge. Nika wusste, dass René latent eifersüchtig auf den Clubchef war, aber sie dachte nicht im Traum daran, sich von seinem Genörgel erpressen zu lassen. Sie schob sich an ihm vorbei in den breiten Flur und ließ alles von sich fallen: erst ihre Schuhe, die sie in der Hand getragen hatte, dann ihre Tasche und den Mantel. Sie wusste, René konnte das nicht leiden. Und sie hatte sich nicht getäuscht. Er ließ eine seiner üblichen schulmeisterhaften Tiraden auf sie niederprasseln, während sie sich scheinbar unbeeindruckt weiter auszog. Top, Rock, BH.

»Du hast kein Höschen an.«

Renés Stimme kippte fast. Er zeigte konsterniert auf ihre nackte Scham. Nika nickte und nahm den Strapsgürtel ab, rollte die Strümpfe bis zu ihren schlanken Fesseln. Das tat sie betont langsam, denn sie wusste, wie sehr es ihn anmachte.

René rollte mit den Augen.

»Warum tust du das? Du arbeitest seit Jahren in diesem Schuppen und benimmst dich, also, du benimmst dich …«

»Wie benehme ich mich denn, Monsieur le Professeur?«

Nika trat dicht an ihn heran, so dicht, dass ihre Brüste sein Hemd berührten. »Ich muss arbeiten. Und ich habe keine Lust und keine Zeit, darüber mit dir zu diskutieren. Und jetzt lass mich vorbei. Ich möchte ein Bad nehmen.«

»Es ist halb fünf, Nika!«

Die junge Frau zuckte mit den Schultern und ging ins Badezimmer. René sah ihr zu, wie sie an den Armaturen hantierte. Schnell füllte sich die Wanne mit Wasser. Nika gab einen Badezusatz hinein und ließ sich in das wohlig warme, schäumende Nass gleiten.

»Warum machst du das?«, fragte René sanft und setzte sich auf den Wannenrand.

»Weil es mir Spaß macht«, antwortete sie und begann, sich in aller Seelenruhe die Beine zu rasieren. »Ich frage dich doch auch nicht, warum du manche Dinge tust und andere lässt.«

René erwiderte nichts. Er blickte auf den pinkfarbenen Damenrasierer, mit dem sie ihre Scham bearbeitete. Nika hob ihr Becken aus dem Wasser, um besser sehen zu können. René sagte immer noch nichts.

»Ich habe Crémant im Kühlschrank.« Nika beugte sich zu ihm. Ihre Stimme wurde zu einem Flüstern. »Warum holst du uns beiden nicht ein Glas?«

René stand auf und verschwand Richtung Küche. Nika blickte ihm hinterher. Er war das, was die Leute oft leicht gehässig als Beau bezeichneten. Groß, athletisch, perfekte Zähne. Sie lächelte. Ein guter Liebhaber, ja, ansonsten: ungeduldig, selbstverliebt, rechthaberisch. Vielleicht waren es diese Wesenszüge, die sie immer dazu trieben, auch mit anderen Männern zu schlafen. Sie hasste die Kontrolle, seine Eifersucht. Nika schlug mit beiden Händen so heftig in das Badewasser, dass der Schaum bis hoch an die Wände spritzte. Und trotzdem: René war ihr Freund, seit vier Jahren. Und sie liebte ihn.

 

Nika saß auf seinem Schoß und bewegte sich langsam auf und ab. René seufzte leise mit geschlossenen Augen; er berührte mit den Fingerspitzen ihre Brustwarzen, zog vorsichtig daran. Nika nahm ihn in sich auf, so tief es ging, und bewegte sich dann nicht mehr. In ihrem Schoß spürte sie sein Zittern; sie genoss es sehr, wenn sie den Ton angab.

Über Renés Schulter hinweg sah sie, wie sich der Vorhang am offenen Fenster bewegte. Es war noch dunkel, aber der Straßenlärm der erwachenden Stadt stieg bis zu ihnen hoch in die Mansarde. Nika fühlte Renés Hände an ihren Hüften, auf ihren Schenkeln, sie griff in seine Haare, strich ihm die langen Strähnen aus dem Gesicht und küsste ihn. Ihr Freund erwiderte es, zunächst zögernd, als traue er ihrer spontanen Zärtlichkeit nicht, dann drückte er sie mit beiden Händen fest auf seinen Schoß und küsste sie mit wachsender Gier.

»Beweg dich endlich«, forderte er mit heiserer Stimme, »sonst steig ab, und ich mach es mir selbst.«

Nika rührte sich keinen Zentimeter. Sie bedeckte sein Gesicht mit kleinen Küssen und fragte mit schmollendem Unterton: »Das würdest du nicht wirklich tun, oder?«

Statt einer Antwort warf sich René mit Schwung vornüber und begrub sie unter sich. Nika kicherte und spürte, dass er ebenso erregt wie missgelaunt war. Sie löste die Hände von ihm und streckte die Arme auf dem Bett aus.

»Ich bin jetzt völlig passiv, Chéri. Gefällt dir das besser?«

Sie lachte hell auf und spürte im selben Moment, wie René hart in sie hineinstieß. Na endlich, ging es ihr durch den Kopf, er kommt auf Touren. Sie hob ihm ihr Becken entgegen, um ihn noch tiefer in sich aufnehmen zu können, und passte sich geschickt seinem Rhythmus an. Auf seiner Oberlippe standen kleine Schweißperlen. Ein sicheres Zeichen, dass er bald so weit war. Nika legte eine Hand auf ihren Venushügel, glitt mit den Fingern tiefer in die feuchte Spalte. René stöhnte laut auf. Er mochte es, wenn sie sich vor ihm streichelte und ihn dabei berührte, wenn er in ihr war. Nika keuchte. Seine Stöße kamen jetzt noch schneller, gingen noch tiefer. Ihre Finger legten sich um seinen Schaft, der sich immer wieder mit Wucht in sie hineinbohrte. Vorsichtig berührte sie ihren Kitzler, zupfte an ihren Lippen.

»Leck mich, bitte.«

René hielt inne, legte ihre Beine über seine Schultern und begann, sie mit dem Mund zu liebkosen. Er tut immer das, was ich will, dachte sie, wie langweilig. Doch sie schnurrte vor Lust und gab sich seinen Zärtlichkeiten hin und dann … hatte er den richtigen Punkt getroffen und sie kam.

 

»Wenn du unbedingt arbeiten willst, warum nicht an der Universität? Ich kann da bestimmt etwas arrangieren.«

René schenkte ihr den Rest aus der Flasche ein und stellte sie dann vorsichtig neben das Bett.

»Es wird hell«, bemerkte Nika, als habe sie nicht gehört, was er gerade gesagt hatte. René schüttelte den Kopf und strich sich seine Haare zurück.

»Du bist Doktorandin. Vielleicht wäre es gescheiter, wenn du dir mal Gedanken um deine Zukunft machst. Was kommt nach der Sorbonne? Bist du dann die erste Thekenschlampe mit Doktortitel?«

Nika zündete sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. »Thekenschlampe ist ein sehr hässliches Wort«, antwortete sie kühl. »Sag das nie wieder, verstehst du? Es ist mein Leben, ich führe es, wie ich es will. So machst du es doch auch, oder?«

Sie rückte etwas von ihm weg und betrachtete ihn ruhig. Ihr Liebster nutzte gern zweierlei Maß für dieselbe Sache. Ein grundsätzliches Streitthema zwischen ihnen.

»Wir sind seit vier Jahren ein Paar, und ich kann es an einer Hand abzählen, wann ich in deiner Wohnung war. Ich kenne keinen deiner Freunde. Wie findest du das? Normal ist es jedenfalls nicht.«

Sie stand auf und ging vor dem offenen Fenster auf und ab. »Also sag mir nicht ständig, was ich tun und lassen soll.«

René schlug die Decke zurück und stand ebenfalls auf. Gut in Form für sein Alter, ging es Nika durch den Kopf. Sie nahm noch einen langen Zug, dann drückte sie die Zigarette auf der Fensterbank aus und warf die Kippe aus dem Fenster. Sie blickte hinunter, betrachtete das lebendige Treiben auf der Straße und sog die frische Luft ein.

»Es ist bald Frühling«, sagte sie gedankenversunken. Es klang sehnsüchtig.

»Ich finde, wir sollten ein paar Tage verreisen. Eine Woche entspannen, rumvögeln, kochen. Was meinst du?«

Sie drehte sich zu ihm um. Er war schon fast angezogen. Während er die Schnürsenkel seiner Schuhe zuband, blickte er zu ihr hoch und sagte versöhnlich: »Ja, warum nicht, Nika. Lass uns heute Abend zusammen essen und überlegen, wo die Reise hingehen soll, o.k.?«

Er hauchte ihr einen Kuss auf die Wange, dann fiel auch schon die Tür hinter ihm ins Schloss. Nika fluchte und warf ihr Sektglas gegen die Wand. Er machte es sich immer so einfach. Sie schlug etwas vor – er sagte ja. Keine Diskussion, immer ein Ja. Langweilig, dachte Nika und legte sich wieder ins Bett.

 

»Mein kleiner Schmetterling, das kannst du mir nicht antun!«

Karim blickte sie aus großen, schwarzen Augen traurig an. Seine Verzweiflung war gespielt, aber er sah dabei einfach hinreißend aus. Nika musste lachen und trat einen Schritt auf ihn zu. »Es ist doch nur für eine Woche. Dann bin ich wieder da.«

Karim brummelte etwas in seinen modisch rasierten Spitzbart und guckte so unglücklich wie ein Cockerspaniel, dem jemand seinen Knochen weggenommen hat. Er nahm Nikas Hand, tätschelte sie freundschaftlich.

»Aber morgen Abend kommst du noch, ja? Du weißt, die After-Show-Party des Gigs in der Buddha Bar findet hier statt.«

Nika nickte ernst.

»Natürlich, Karim. Das habe ich nicht vergessen. Außerdem bist du mein Freund, und ich lasse dich an einem so wichtigen Abend nicht im Stich.«

Sie stand so nah vor ihm, dass sich ihre Lippen fast berührten. »Es gibt niemanden, wirklich niemanden, mit dem ich mich so gut unterhalten kann und so viel Spaß habe wie mit dir, Karim.«

Der Clubchef legte den Kopf etwas schief und strich Nika mit dem Zeigefinger zärtlich über die Wange. »Vielleicht sollten wir es doch mal miteinander versuchen, als Paar, meine ich.«

Nika lächelte und schnappte nach seinem Finger. Dann gab sie ihm einen langen Kuss.

»Du bist mein bester Freund«, sagte sie danach ernst, »stell dir vor, es geht in die Hose. Das Risiko will ich nicht eingehen. Außerdem …«

»Außerdem was?«, wollte Karim wissen und glitt mit der Zungenspitze zärtlich über ihren Mund. Nika zog ihren Kopf zur Seite. »Wir sind uns einfach zu nah.«

 

Als sie das Restaurant betrat, stand René sofort auf, um ihr den Stuhl zurechtzurücken. Er musste sie weder ansehen noch etwas sagen. Seine Körpersprache verriet alles. Die Reise fällt ins Wasser, dachte Nika und wartete darauf, dass der Ober die Bestellung aufgenommen hatte und sie allein ließ. Sie zog die Augenbrauen hoch und sah ihren Freund erwartungsvoll an.

René holte tief Luft. »Ich kann hier einfach nicht weg. Aber mit etwas Glück komme ich nach.«

Nun war es heraus. Unsicher betrachtete er sie; Nika neigte zu Temperamentsausbrüchen. Zu seinem Erstaunen blieb sie aber völlig ruhig, zumindest äußerlich.

»Und nun?« Ihre Stimme klang kühl, geschäftsmäßig.

René wunderte sich. Er hatte erwartet, dass sie nach den Gründen fragte, und sich genau überlegt, wie er ihr alles erklären konnte, aber sie wollte es anscheinend gar nicht wissen.

Er entspannte sich etwas. »Du fährst vor und machst es dir gemütlich. Die kleine Hütte ist ein Traum. Außerdem ist alles bezahlt – es wäre ein Jammer, die Reise verfallen zu lassen. Und in zwei, drei Tagen komme ich nach. Einverstanden?«

Er zog ihre Hand über den kleinen Tisch hinweg an seine Lippen. Nika atmete tief ein. Sie hatte sich wirklich auf einige intime Tage in Davos gefreut. Eine Woche am Stück hatte sie mit René noch nie verbracht und sich insgeheim gewünscht, dass die gemeinsamen Tage zeigen würden, ob ihre Beziehung zukunftstauglich war.

»Ich überlege es mir«, sagte sie nur und entzog ihm ihre Hand. René nickte. Er wusste, in dieser Nacht würden sie keinen Sex haben. Nika war sauer.

Kapitel 2

Als sie die Bar betrat, war es noch relativ leer im Cube. René hatte sie nach einem schweigsamen Dinner kommentarlos hier abgesetzt, und sie hatte ihn nicht gefragt, ob er sie noch auf einen Drink begleiten wolle. Ziellos schaute sie umher; sie konnte sich nicht erinnern, jemals als Gast in der Bar gewesen zu sein. Sie ging auf den diffus beleuchteten Tresen zu und ließ sich auf einen der Hocker gleiten. Im nächsten Moment spürte sie eine Hand, die sich von hinten auf ihre Schulter legte.

Es war Karim.

»Wie willst du einen netten Mann kennenlernen, wenn du mit hängenden Schultern an der Theke sitzt?«

Nika musste lächeln und drehte sich um. Der Clubchef sah sofort, dass es ihr nicht gutging.

»Du kannst dich betrinken, wenn es sein muss, du kannst aber auch nüchtern bleiben und arbeiten. Das lenkt wenigstens etwas ab.«

Nika grinste. Typisch Karim. Immer eine praktische Lösung parat. Sie glitt vom Hocker und verschwand in dem privaten Trakt der Bar. Ihr Make-up konnte etwas Auffrischung vertragen.

»Dafür, dass hier bis heute Morgen After-Show-Party war und du ziemlich unglücklich bist, siehst du verdammt gut aus, Madame.«

Karim schob ihr einen Vitamindrink rüber und prostete ihr mit einem Tonic zu, allerdings ohne Gin. Der Algerier trank während des Jobs so gut wie nie Alkohol und verlangte das auch von seinem Team. Wer sich nicht daran hielt, flog raus. So einfach war das. Nika rührte in ihrem Glas herum und sah Karim lange an. Vielleicht hatte er ja Recht gehabt. Vielleicht sollten sie es wirklich mal miteinander versuchen.

»Kann ich nachher bei dir schlafen?«, fragte sie unvermittelt.

Karim grinste. »Ich weiß nicht, ob wir dann zum Schlafen kommen werden!«

Jetzt grinste Nika auch. Sie trank ihr Glas leer und nahm das Tablett an, das Karim gerade mit Gläsern bestückt hatte.

»Tisch fünf«, sagte er knapp und gab ihr einen Klaps auf den Hintern. Er seufzte. Dieser René war wirklich ein Vollidiot.

Als Nika, inzwischen mit entspanntem Gesicht, von Tisch fünf zurückgeschlendert kam, fand sie den Clubchef in Begleitung von zwei jungen Männern am Tresen vor. Zunächst fiel ihr der eine auf, der wild gestikulierend auf Karim einredete. Er hatte etwas längere, blonde Haare und war gestylt, wie sie es oft bei Jungen aus wohlhabenden Familien sah, die versuchten, locker und hip zu wirken. Einfach lächerlich. Sie gesellte sich zu den Männern und stellte das Tablett vor Karim ab. Der war anscheinend froh über diese Unterbrechung und rollte mit den Augen. »Darf ich dir Sebastian und Louis vorstellen, mein Schmetterling?«

Er zeigte von einem zum anderen. Die Männer wandten ihr zeitgleich die Gesichter zu. Nika entfuhr ein erstaunter Laut. Diese beiden Möchte-gern-Hipster waren nicht nur bildhübsch, sondern glichen sich darüber hinaus wie ein Ei dem anderen. Karim bemerkte ihre Verwunderung und erklärte hastig: »Wir kennen uns schon geraume Zeit, die Eltern von Sebastian und Louis besitzen ein Weingut in der Champagne, aber …«, er blickte die Zwillinge leutselig an,»ich weiß immer noch nicht, wer nun wer ist.«

Die beiden jungen Männer grinsten wie auf Kommando exakt synchron. Nika konnte nicht sagen, ob ihr die zwei sympathisch waren, interessant fand sie sie auf jeden Fall.

»Was möchtet ihr trinken?«, begann sie das Gespräch und lächelte. »Ich würde Gin Tonic empfehlen.«

 

»Du machst mich irre, Baby.«

Karim hielt Nikas Kopf fest in seinen Schoß gedrückt.

»Ich platze gleich …«

Nika hörte auf zu lutschen und befreite sich aus seinem harten Griff. Sie leckte sich über die Lippen und küsste seine Scham. Diesen Teil seines Körpers rasierte er genauso phantasievoll wie sein Kinn. Zurzeit führte nur eine schmale Haarlinie vom Nabel bis zur Schwanzwurzel. Nika leckte um seinen dicken Schaft herum und spürte, wie sie geil wurde. Sie musste sich zusammennehmen, um sich nicht sofort auf ihn zu setzen.

Karim atmete heftig. »Nimm ihn noch mal in den Mund. Richtig schön tief.«

Nika dachte nicht daran. Sie verschwand mit dem Kopf zwischen seinen Beinen, leckte und küsste ihn, ließ ihn aber nicht in den Mund gleiten. Ihr Liebhaber keuchte auf.

»Du bist eine Hexe«, flüsterte er und seufzte vor Lust. »Lutsch ihn leer. Komm schon, Nika, ich will dir alles in den Mund spritzen.«

Aber Nika tat, als hätte sie ihn nicht gehört. Sie vergrub ihren Kopf tiefer zwischen seinen Schenkeln, fuhr mit der Zunge über die Stelle zwischen Schwanzwurzel und Anus, die bei Karim so empfindlich war. Sie spürte, wie ihre Brüste hart wurden und schmerzten. Ihr Herz pochte laut. Sie genoss den Sex mit Karim; er konnte wunderbar loslassen und sich ihr völlig hingeben. Sie gab etwas Spucke auf ihren kleinen Finger und drang in ihn ein. Karim griff nach einem Kissen und drückte es sich auf das Gesicht. Trotzdem war sein Lustschrei deutlich zu hören. Nika lächelte. Er liebte es, auf diese Weise verwöhnt zu werden. Vorsichtig drückte sie gegen die Prostata. Wieder stöhnte er auf. Dann keuchte er nach Luft ringend: »Genug damit, du bringst mich um. Komm zu mir …«

Er griff unter ihre Achseln und zog sie an sich hoch. Seine Haut war recht dunkel, und wenn sie wie jetzt auf ihm lag, wirkte ihre eigene weiß wie Milch. Karim griff in ihre Haare und bog ihren Kopf zurück. Seine Augen funkelten vor Leidenschaft. Nika setzte sich auf ihn und bewegte sich genüsslich. Er fasste ihre Brüste, leckte über die harten Nippel und drehte sie zwischen seinen Fingern. Jetzt war es Nika, die stöhnte. Die Hitze, die sich in ihrem Bauch ausgebreitet hatte, sammelte sich feucht in ihrem Schoß und tropfte aus ihr heraus.

»Du bist wunderschön«, murmelte Karim und küsste sie.

Nika bog den Rücken durch und ließ sich etwas nach hinten gleiten. Sie nahm seine Hand und legte sie zwischen ihre Schenkel. Er verstand sofort und begann sie zu streicheln, neckte ihren harten Kitzler, ließ die Finger durch die feuchte nackte Spalte gleiten. Nika wand sich vor Lust. Sie beugte sich nach vorn und bot ihm ihre Brüste an; er leckte und sog daran, bis sie auch das nicht mehr ertragen konnte. Zitternd stieg sie von ihm ab und legte sich neben ihn.

»Steck ihn mir hinten rein«, flüsterte sie und griff nach seinem Schwanz, »und sieh mir in die Augen, wenn du kommst.«

 

Das Kofferpacken würde nicht lange dauern. Sie machte sich jedes Mal einen Zettel, wenn sie wegfuhr, auch wenn es nur eine Übernachtung war. Pass, Fön, Badeschlappen … sie bückte sich, um ein paar ausgefallene Dessous aus der Schublade zu nehmen. Ihr Po schmerzte immer noch ein wenig. Sie mochte analen Sex, aber Karim war ein ziemliches Kaliber, und sie brauchte immer einige Tage, um sich davon zu erholen. Nika verstaute die Dessous in einem zarten Baumwollbeutel und legte ihn zuoberst in den Koffer. René hatte sich natürlich nicht mehr gemeldet. Zunächst hatte sie damit gerechnet, dass er – wie so oft – unangemeldet vorbeikam, aber nein. Er schien wirklich eingeschnappt zu sein. Sie warf noch einen Blick auf ihren Zettel, dann klappte sie den Koffer zu. Eigentlich wollte sie nicht fahren, aber ihre Freunde hatten ihr gut zugeredet. Schließlich hatte sie ihre trotzige Haltung aufgegeben und die Vorteile akzeptiert. Eine Woche Davos, das bedeutete eine kuschelige Hütte mit Sauna und viel Schnee drum herum. Der Frühling kündigte sich schon an; es war somit die letzte Chance, Ski zu fahren.

Sie würde den Nachtzug vom Gare de L’Est bis nach Zermatt nehmen und dann am nächsten Morgen mit dem Glacier-Express nach Davos fahren. René hatte sich schon immer gewünscht, mit diesem Zug zu reisen. Sie verstand nicht, dass er erst alles buchte und bezahlte und nun nicht mitkommen wollte. Sie schüttelte den Kopf und band sich ihre Locken mit einem dicken Haargummi im Nacken zusammen. Er war ein hoch dekorierter, allseits geschätzter Professor an der Sorbonne. René besaß so etwas wie einen Freifahrtschein, und gerade er wollte sie glauben machen, dass er keine Zeit hatte? Nika schloss die Wohnungstür ab, schleppte ihren Koffer nach unten und wechselte einige Worte mit der Concierge. Sie würde sich in der kommenden Woche um ihre Post kümmern. Als Nika auf die Straße trat und ein Taxi herbeiwinkte, war sie in Gedanken immer noch bei René. Zugegeben, sie hatte ihn nicht gefragt, warum er nicht mitkommen konnte oder wollte. Vielleicht soll es ja so sein, überlegte sie, vielleicht tut mir die Woche allein in der Hütte sogar gut.

 

Am Bahnhof herrschte Chaos. Als sie vor zehn Jahren aus der Bretagne nach Paris gekommen war, hatte sie das alles genervt. Inzwischen konnte sie ebenso stoisch mit Dreck und Krach und dem immerwährenden Durcheinander umgehen wie alle Pariser. Unbeirrbar bahnte sie sich einen Weg durch die Menge der Wartenden und versuchte, sich ihre Wagonnummer in Erinnerung zu rufen. Obwohl sie Zermatt bereits gegen Mitternacht erreichen würden, hatte René ein Schlafwagenabteil gebucht. Selbst schuld, René, wenn du nicht bei mir bist, dachte sie und trat einen Schritt zurück, denn der Zug fuhr bereits ein.

Eine halbe Stunde später saß Nika auf ihrem ausgeklappten Bett und versuchte zu lesen. Sie genoss das ungewohnte Gefühl, in einem Abteil so viel Platz zu haben. Es gab sogar ein winziges WC mit einem Waschbecken, hinter einer kleinen Tür in einer Nische versteckt. Sie legte das Buch zur Seite und schaute nach draußen. Die dämmerige Landschaft flog an ihr vorbei, aber da war nichts Spannendes, was sie zu fesseln vermochte. Irgendwie war es ziemlich langweilig in diesem Zug. Nikas Gedanken waren auf einmal wieder bei René. Vielleicht stellte sich ja alles nur als blöder Witz heraus, und er würde am nächsten Bahnhof zusteigen. Nein, natürlich würde er das nicht. René besaß zwar Humor, aber etwas Ungewöhnliches, gar Abenteuerhaftes hatte sie bislang noch nicht an ihm entdecken können. Nika kramte in ihrer Handtasche nach Süßigkeiten, aber außer einem angebrochenen, sandigen Schokoriegel fand sie nichts. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie noch gut sieben Stunden hier verbringen musste. Sie nahm den Zugplan des TGV zur Hand. Der Speisewagen befand sich nur zwei Wagons weiter. Einen Versuch war es wert. Vielleicht konnte sie dort ein wenig plaudern, und wenn es nur mit einem der Kellner war. Sie sprühte sich etwas von dem Parfum auf die Handgelenke, das Karim ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. René hatte getobt. Nika roch an ihrem Arm. Ein wunderbarer Duft strömte ihr entgegen, orientalisch, aber zugleich zitronig und kühl. Sie wuschelte sich durch die Haare und gab etwas Glanzgel hinein, dann machte sie sich auf den Weg zum Speisewagen. Nika hatte noch nicht die Tür hinter sich geschlossen, da sah sie die Zwillinge. Einer der beiden winkte ihr zu, der andere drehte sich zu ihr um und winkte ebenfalls. So ein Zufall, dachte Nika und beschleunigte ihren Schritt.

»So ein Zufall«, begrüßte sie einer der Brüder mit strahlendem Lächeln und bot ihr einen Platz am Fenster an. »Ich bin übrigens Louis.«

»Ach wirklich?«, fragte Nika kokett und gab ihm ein Küsschen auf beide Wangen. Nun stand auch Sebastian auf und begrüßte sie. Er riecht nach Pfefferminz, stellte sie fest und setzte sich.

»Was wollen wir trinken?«, wandte sich Louis an sie. »Sag jetzt bitte nicht Gin Tonic.«

»Oh, doch«, erwiderte Nika und blickte die Zwillinge herausfordernd an. Die lachten wie abgesprochen gleichzeitig, und Louis bestellte ein Flasche Crémant.

 

Mit der dritten Flasche Crémant, die Louis orderte, wurde es noch lebhafter an ihrem Tisch. Die beiden Brüder, unterhaltsame Erzähler, hatten sich bereits die ganze Zeit abgewechselt, wenn es darum ging, Anekdoten zum Besten zu geben oder kleine zotige Witze zu reißen. Doch nachdem sich der Speisewagen geleert hatte und sie die letzten verbliebenen Gäste waren, liefen die beiden zur Hochform auf. Ein Bonmot jagte das andere, und Nika klatschte vor Vergnügen in die Hände, wenn Sebastian oder Louis eine pointierte Geschichte erzählt hatte. Als der Kellner an ihren Tisch trat, um die Rechnung zu bringen, blickten sich die drei verstört an – wie Kinder, die mitten im schönsten Spiel nach Hause gerufen werden. Sebastian ließ noch eine vierte Flasche kommen und zahlte.

»Und nun?«

Louis half Nika beim Aufstehen und hielt ihre Hand. Er streichelte sanft darüber und küsste sie. Sein Bruder hielt den Crémant in der einen, Gläser in der anderen Hand und deutete mit dem Kopf in die Richtung, aus der Nika vor ein paar Stunden gekommen war.

»Wir bringen dich jetzt ins Bett«, sagte er charmant, doch seine Augen blitzten vor Gier.

»Auf einen kleinen Schlummertrunk, genau«, pflichtete Louis ihm bei und schob Nika sanft, aber bestimmt vor sich her. Mit kleinen, unsicheren Schritten ging sie voran, durch den Gang des ersten und zweiten Wagons, bis sie vor ihrem Abteil standen. Umständlich suchte sie nach ihrer Schlüsselkarte, blickte dann von einem Bruder zum anderen und war wieder fasziniert von der völlig identischen Erscheinung der beiden. Vielleicht schiele ich und es ist nur einer, dachte sie, aber sie wusste, auch wenn sie angeheitert war, dass sie gerade zwei Männer zu sich mit ins Bett nahm. Sebastian sah sich im Abteil um, während Louis die Tür schloss. Sie setzten sich auf das Bett – Nika in der Mitte.

Sebastian rückte näher an sie heran, küsste zart ihre Hand.

Nika spürte ein stimulierendes Kribbeln in sich aufsteigen. Sie nahm das Glas, das ihr sein Bruder entgegenhielt, und trank einen Schluck. Nun drängte sich auch Louis an sie heran, strich zärtlich über ihre Wange. Nikas Herz klopfte laut. Es war sicher mehr als verführerisch, mit diesen beiden blonden Zuckerstückchen ihre Lust zu teilen, aber war sie wirklich bereit dafür?

Louis schien ihre Gedanken zu erraten. Er löste das Gummi aus ihren Haaren und vergrub seine Nase in den hellroten Locken. »Wir sind vorsichtig, versprochen«, raunte er und biss zart in ihr Ohrläppchen. Seine Lippen wanderten ihren Hals hinunter, und seine Finger folgten ihnen. Nika genoss die Liebkosung mit geschlossenen Augen und wagte kaum zu atmen. Sie erwartete auch Sebastians Berührungen, doch die erfolgten nicht. Nika hörte ihn trinken, während sein Bruder inzwischen ihre Brüste entdeckt hatte und ausgiebig an ihren Nippeln sog. Aber ihre anfängliche Erregung war jäh wieder verflogen. Warum macht mir das hier keinen Spaß, überlegte sie. Es hat nichts mit René zu tun, und trotzdem kann ich mich nicht entspannen. Louis strich mit den Fingerspitzen um ihre Warzenhöfe, sie hörte ihn leise stöhnen. Sie wusste nicht warum, aber das alles wurde ihr zu viel. Vorsichtig nahm sie seine Hand von ihrer Brust und setzte sich auf. »Ich bin noch nicht so weit«, erklärte sie leise. Die Zwillinge nickten. Ohne einen Kommentar abzugeben, standen sie auf und küssten Nika freundschaftlich auf die Wange. Erst Louis, dann sein Bruder.

»Wir werden uns trösten«, sagte Sebastian und hob die Crémantflasche hoch.

Beide Männer lächelten und warfen ihr noch eine Kusshand zu, dann zogen sie die Abteiltür hinter sich ins Schloss. Das Rauschen des Zuges schluckte ihre Schritte; Nika sah aus dem Fenster, da waren keine Wolken, sondern nur Dunkelheit. Bald würden sie Zermatt erreichen, und am nächsten Tag um diese Zeit war sie bereits in der kleinen Hütte in Davos. Nika griff nach ihrer Reisetasche, suchte nach Zahnbürste und Zahncreme. Dieser Schlummertrunk hatte irgendwie einen bitteren Nachgeschmack in ihr hinterlassen.

Kapitel 3

Nika war noch nie in Zermatt gewesen. Ihr Element war das Meer; einen Urlaub in den Bergen hatte sie noch nie gemacht. René war ein begnadeter Skifahrer, und im Gegensatz zu ihr kannte er Davos. Und nun war er nicht bei ihr. Sie seufzte und drückte dem Pagen ein Geldstück in die Hand. Der Hotel-Shuttle beförderte sie in wenigen Minuten zum Bahnsteig. Sie blinzelte in die Sonne und sog die klare Luft ein. Es war noch Winter, ja, aber es roch schon nach Frühling. Zu ihrem Erstaunen war der Glacier-Express nicht sonderlich voll. Nika verstaute ihr Gepäck und ließ sich in den bequemen Sessel gleiten. Durch das Panoramadach des Zuges sah sie die Spitzen der umliegenden Berge. Es war einfach wunderschön, auf diese Art zu reisen. Mit jeder Biegung und jedem Viadukt tauchte der Express tiefer in die Bergwelt ein, und sie entfernte sich mehr und mehr von Paris, von René und ihrem Alltag.

 

»Tut mir leid, aber die Hütte ist nicht bewohnbar. Es gab einen Wasserschaden.«

Nika glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen. Die wohlige Müdigkeit, die sie den ganzen Tag wie eine warme Decke umgeben hatte, verschwand sofort.

Die Maklerin seufzte. Es war ihr anzusehen, dass ihr die Situation mehr als unangenehm war. Sie wich Nikas entsetztem Blick aus und setzte sich an ihren Computer. Minuten vergingen, ohne dass mit Ausnahme des Klackens der Tastatur irgendetwas zu hören war.

»Einen Moment noch bitte, ich muss telefonieren.«

Die Maklerin griff nach ihrem Handy und ging in den Nebenraum. Das Telefonat war kurz. Mit triumphierendem Blick kam die Frau zurück ins Büro und begann, Unterlagen zusammenzusuchen. Dann setzte sie eine besonders freundliche Miene auf und übergab Nika eine Mappe und einen Schlüsselbund.

»Wir haben leider keine andere Hütte frei, nicht in Ihrer Kategorie und auch in keiner anderen, aber …«, jetzt schien ihr Lächeln sogar echt zu sein, »ich kann Ihnen ein Chalet anbieten, und zwar hier.«

Sie tippte auf einen Punkt in den Bergen, weit über Davos-Stadt gelegen.

»Beste Lage, beste Ausstattung. Sauna, Whirlpool, Yacuzzi. Allerdings sind schon einige Gäste dort. Sie hätten im Chalet Ihr eigenes Zimmer mit Bad und könnten alle Facilities im Hause nutzen. Würde Ihnen das gefallen?«

»Wie viele Gäste sind dort? Auch Kinder?«, wollte Nika wissen. Auf Urlaub mit Familienanschluss verspürte sie keine Lust. Bilder von abendlichen Scrabble-Runden am Kamin bei Kräutertee und Gebäck zogen an ihrem inneren Auge vorbei.

Die Maklerin schüttelte den Kopf. »Fünf Erwachsene, alles Stammgäste. Sie besuchen uns jedes Jahr, wenn es Frühling wird. Der sechste Gast musste absagen, daher ist ein Zimmer frei. Ich habe gerade dort angerufen. Man freut sich auf Sie, soll ich ausrichten.«

Nika zuckte mit den Schultern. Wenigstens keine plärrenden Kleinkinder. Ihre Vorfreude war dennoch irgendwie dahin. Heute Abend ließ sich sowieso nichts mehr machen, das war ihr klar. Also bedankte sie sich bei der Maklerin und stieg in das Taxi, das vor dem Büro auf sie wartete. Eine merkwürdige Reise war das. Erst die Absage von René, dann das Zusammentreffen mit den Zwillingen, jetzt ein Wasserschaden in der Hütte. Rein wissenschaftlich betrachtet, dachte Nika, sind das ein paar zufällige Ereignisse zu viel auf einmal.

 

Die Taxifahrt schien nicht enden zu wollen. Mit stoischer Langsamkeit schob sich der betagte Jeep die schmale, gewundene Straße hinauf. Bald gab es keine Laternen, keine Häuser mehr, und nach weiteren Kurven waren auch die Lichter von Davos verschwunden. Der Fahrer drehte am Radioknopf, fand keinen Sender, legte eine Kassette ein. Der Reggae-Rhythmus bildete einen merkwürdigen Kontrast zu der verschneiten Bilderbuchlandschaft, aber das leichte Leiern des Bandes machte das Ganze irgendwie sympathisch. Nika beugte sich über den Vordersitz und fragte: »Dauert es noch lange?«

Der Taxifahrer stellte die Musik etwas leiser und fragte gut gelaunt zurück: »Wieso, gefällt Ihnen die Musikauswahl nicht?«