ES KREISEN DIE GEIER - Ronald M. Hahn - E-Book

ES KREISEN DIE GEIER E-Book

Ronald M. Hahn

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Beschreibung

Rosie hechtete ans Fenster und beugte sich hinaus. Garrison lag zwei Stockwerke unter ihr auf dem Boden und rührte sich nicht mehr. Sie versetzte dem leblosen Cleveland wutschnaubend einen Tritt unters Kinn, packte ihren Patronengurt und schnallte ihn um. Sekunden später hetzte sie die Treppe hinab und suchte eine Tür, die in die Gasse hinter dem Hotel führte. Da sie keine fand, packte sie in der Lobby einen Stuhl, schlug kurz entschlossen ein Fenster ein und sprang ins Freie.
„Garrison...!“
Sie verschwendete weder einen Gedanken an ihre Nacktheit noch an die herbstlichen Temperaturen. Sie stürzte zu Garrison hin, der mit geschlossenen Augen auf dem Bauch im Dreck lag und sich nicht mehr rührte. „Nero...“
Erst das Scharren von Pferdehufen brachte sie wieder zu sich.
Rosie fuhr mit wirbelnder Mähne herum. Hinter ihr ragten sechs Gäule auf. Auf ihnen saßen sechs Männer, die Gewehre in den Händen hielten und Mund und Augen aufsperrten – als hätten sie gerade das legendäre Kalb mit den drei Köpfen erblickt.
Rosie verharrte. Ihre Hände schwebten über ihren Colts. Sie war fest entschlossen, ihr und Garrisons Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.

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RONALD M. HAHN

HARDCORE-WESTERN

VII. Es kreisen die Geier

Roman

Apex-Verlag/Edition Bärenklau

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 4 

Der Autor 5 

ES KREISEN DIE GEIER 7 

In Kürze als E-Book im Apex-Verlag/Edition Bärenklau erhältlich: 107 

 

Das Buch

Rosie hechtete ans Fenster und beugte sich hinaus. Garrison lag zwei Stockwerke unter ihr auf dem Boden und rührte sich nicht mehr. Sie versetzte dem leblosen Cleveland wutschnaubend einen Tritt unters Kinn, packte ihren Patronengurt und schnallte ihn um. Sekunden später hetzte sie die Treppe hinab und suchte eine Tür, die in die Gasse hinter dem Hotel führte. Da sie keine fand, packte sie in der Lobby einen Stuhl, schlug kurz entschlossen ein Fenster ein und sprang ins Freie.

„Garrison...!“

Sie verschwendete weder einen Gedanken an ihre Nacktheit noch an die herbstlichen Temperaturen. Sie stürzte zu Garrison hin, der mit geschlossenen Augen auf dem Bauch im Dreck lag und sich nicht mehr rührte. „Nero...“

Erst das Scharren von Pferdehufen brachte sie wieder zu sich.

Rosie fuhr mit wirbelnder Mähne herum. Hinter ihr ragten sechs Gäule auf. Auf ihnen saßen sechs Männer, die Gewehre in den Händen hielten und Mund und Augen aufsperrten – als hätten sie gerade das legendäre Kalb mit den drei Köpfen erblickt.

Rosie verharrte. Ihre Hände schwebten über ihren Colts. Sie war fest entschlossen, ihr und Garrisons Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.

Der Autor

Ronald M. Hahn, Jahrgang 1948.

Schriftsteller, Übersetzer, Literaturagent, Journalist, Herausgeber, Lektor, Redakteur von Zeitschriften.

Bekannt ist Ronald M. Hahn für die Herausgabe der SF-Magazine Science Fiction-Times (1972) und Nova (2002, mit Michael K. Iwoleit) sowie als Autor von Romanen/Kurzgeschichten/Erzählungen in den Bereichen Science Fiction, Krimi und Abenteuer.

Herausragend sind das (mit Hans-Joachim Alpers, Werner Fuchs und Wolfgang Jeschke verfasste) Lexikon der Science Fiction-Literatur (1980/1987), die Standard-Werke Lexikon des Science Fiction-Films (1984/1998, mit Volker Jansen), Lexikon des Horror-Films (1985, mit Volker Jansen) und das Lexikon des Fantasy-Films (1986, mit Volker Jansen und Norbert Stresau).

Für das Lexikon der Fantasy-Literatur (2005, mit Hans-Joachim Alpers und Werner Fuchs) wurde er im Jahr 2005 mit dem Deutschen Fantasy-Preis ausgezeichnet. Insgesamt sechsmal erhielt Hahn darüber hinaus den Kurd-Laßwitz-Preis – dem renommiertesten deutschen SF-Preis - , u.a. für die beste Kurzgeschichte (Auf dem großen Strom, 1981) und als bester Übersetzer (für John Clute: Science Fiction – Eine illustrierte Enzyklopädie, 1997).

Weitere Werke sind u.a. die Kurzgeschichten-Sammlungen Ein Dutzend H-Bomben (1983), Inmitten der großen Leere (1984) und Auf dem großen Strom (1986) sowie – als Übersetzer – der Dune-Zyklus von Frank Herbert.

Ronald M. Hahn lebt und arbeitet in Wuppertal.

 

 

Ronald M. Hahn

ES KREISEN DIE GEIER

 

 

1.

 

Wie Garrison wusste, hatte die Stadt Missoula ursprünglich Hellgate geheißen – Höllentor.

Doch als er sie von seinem Kanu aus erblickte, fühlte er sich nicht im Geringsten an die Unterwelt erinnert. Französische Trapper waren vor Jahrzehnten in einem am Ostrand der Ortschaft gelegenen Canyon auf die Überbleibsel einer Schlacht gestoßen – nicht zuletzt auf menschliche Schädel und Knochen. Die Blackfeet- und Flathead-Indianer hatten sich einst hier aus Gründen bekriegt, die heute niemand mehr kannte.

Trotzdem war Hellgate gewachsen: Zuerst hatte jemand eine Getreidemühle gebaut. Später war ein Sägewerk hinzugekommen. Man hatte ihr den Namen Missoula Mills gegeben. Irgendwann war das Wort „Mills“ weggefallen. Deswegen hieß die Stadt nun Missoula. Missoula war die verballhornte Fassung des indianischen Wortes Nemissoolatakoo – was immer dies bedeuten mochte.

Die Ortschaft, in der C.P. Higgins und F.L. Worden 1860 die erste Handelsstation gegründet hatten, lag in einem ehemaligen Gletscherbett und wurde vom Clark Fork River durchschnitten. Am Südwestrand Missoulas mündete der Bitterroot River in den Clark Fork. Im Osten gesellte sich der Big Blackfoot River dazu.

Als Garrison angelegt und sein Kanu auf den flachen Uferstreifen gezogen hatte, schaute er sich interessiert um und registrierte erleichtert, dass die Menschen, die er sah, weder einen Pferdefuß hatten, noch nach Schwefel rochen. Und das war gut so. Nach der langen, ermüdenden Fahrt über das Wasser war ihm nämlich nicht nach einem Kampf gegen den Fürsten der Finsternis und seine Heerscharen. Er sehnte sich nach einem heißen Bad, einer Rasur, einem dicken Steak, einem Bier und einem sauberen Bett. Außerdem hoffte er inständig, dass ihm hier niemand begegnete, der ihn kannte und möglicherweise ahnte, in welcher Mission er unterwegs war.

Nachdem das Kanu sicher auf dem Trockenen lag, schulterte Garrison seinen Tornister und stieg zur Shore Street hinauf. Dass Missoula ein geschäftiges Örtchen war, sah man auf den ersten Blick: Vor dem gewaltigen Panomara der Rocky Mountains, die zu beiden Seiten des Tales in den stahlblauen Himmel ragten, gingen zahlreiche Einwohner im Sonnenschein ihren Geschäften nach. Niemand beachtete den drahtigen stoppelbärtigen Fremden in der mit kurzen Fransen verzierten Hirschlederkluft und dem schwarzen Stetson, der mit einem Henry-Unterhebelrepetierer vom Kaliber 44 unter dem Arm und einem abgegriffenen Remington-Revolver im Holster eines patronengespickten Gürtels durch die Uferstraße spazierte und nach einer Tränke Ausschau hielt. Über dem Eingang des ersten Saloons, auf den sein Blick fiel, prangte ein Schild mit der Aufschrift „The White Mouse“. Im Inneren der Schänke ertönte freudiges Geschrei und lauter Gesang. Kurz darauf vernahm Garrison das schrille Gewinsel zweier Fiedeln und das Klimpern eines Pianos.

Als er auf den Gehsteig trat, stürzte ein dicker Mann mit einem schwarzen Gehrock auf die Straße. Er schwang einen schwarzen Zylinderhut und schrie „Wir sind jetzt Staat! Wir sind ein Staat!“

Sekunden später, Garrison hatte die Schwingtür gerade aufgeschoben, verwandelte sich die Main Street in ein Tollhaus. Männer warfen Hüte in die Luft, brüllten „Whoopee!“ und schossen aus gezückten Waffen begeistert zum Himmel hinauf. Jemand packte Garrisons Ärmel, zerrte ihn an den Tresen und knallte ihm mit den Worten „Komm, Fremder, trink einen mit!“ ein volles Bierglas in die Hand.

Garrison musterte den großen Abreißkalender, der hinter dem Tresen hing und beschloss, sich das Datum des heutigen Tages zu merken: Es war der 8.  November 1889. Das zu Idaho gehörende „Territorium“ Montana war zum 41.  Staat der USA geworden. Diese Tatsache würde seine Mission möglicherweise sehr erleichtern.

Garrison leerte sein Bierglas bis zur Hälfte, dann schaute er den singenden und tanzenden Menschen zu. Der White Mouse Saloon füllte sich rapide; immer mehr Menschen strömten von der Straße herein, schüttelten sich die Hand und klopften sich freudestrahlend auf die Schulter. Die Stimmung war ausgelassen, überall herrschte Freude. Die fünf Musikanten neben der kleinen Bühne spielten auf.

Dann fiel Garrisons Blick auf eine kleine Rothaarige, deren Gesicht voller Sommersprossen und deren dunkelgrünes Kleid so kurz war, dass man fast ihr Höschen sah. Und er erinnerte sich an den lauschigen Frühlingstag vor vielen Jahren, an dem es ihm vergönnt gewesen war, der sommersprossigen kleinen Lady den Schlüpfer auszuziehen. Sie hatten sich seither nur alle paar Jahre gesehen, aber wenn sie sich trafen, passierte eigenartigerweise immer dasselbe.

Dass sie zum Inventar des White Mouse gehörte, war nicht zu übersehen. Die feinen Gesichtszüge der Rothaarigen wurden von übermäßiger Schminke verschönt. Dass sie nicht zu den käuflichen Ladies gehörte, bewies jedoch ihr frecher Blick, der gleich darauf auf Garrison fiel. Sie tat so, als sei er ihr völlig unbekannt und stand zwischen zwei abgerissen aussehenden Trappern oder Goldgräbern, die wie der Rest der Gäste den „Yankee Doodle“ schmetterten.

Garrison, der seit sechs Wochen unter freiem Himmel genächtigt hatte, vergaß spontan seine Erschöpfung, leerte sein Glas und stellte es auf eine Fensterbank. Eine Liedstrophe später hatte sich die kleine Rothaarige durch die eng zusammenstehenden Gäste zu ihm durchgearbeitet und zwinkerte ihm verdorben zu.

Garrison, der ebenfalls so tat, als sei sie eine Fremde, erkundigte sich artig, ob sie vielleicht Lust hätte, ein Glas auf seine Kosten zu trinken.

„Öuh, yes, Sir“, erwiderte sie mit einem drolligen britischen Akzent. Dann zwinkerte sie ihm zu und stellte sich als „Mavis aus London“ vor. Garrison winkte einem der drei schwitzenden Barkeeper und bestellte zwei Bier. Es wurde nun noch enger im White Mouse. Allem Anschein nach hatte nun auch der Rest der Stadt beschlossen, die Tatsache zu feiern, dass das Territorium nun ein Bestandteil der Vereinigten Staaten war. Die Schwingtür blieb ständig in Bewegung. Die Menschenmassen drängten sich jubelnd um den Tresen. Fünf gewagt gekleidete Ladies mit grobmaschigen Netzstrümpfen traten auf die Bühne und führten einen Tanz auf. 

Garrison und Mavis, die noch nicht dazu gekommen waren, mehr als ein paar Worte zu wechseln, wurden in die Ecke am Fenster gedrängt und mussten sich aneinander festhalten, um nicht umzufallen. Um sie herum drängten sich schätzungsweise zweihundert Menschen. Garrison fiel auf, dass es nicht nur Männer waren. Heute schien sich auch manche biedere und fromme Ehefrau entschlossen zu haben, dem städtischen Sündenpfuhl einen Besuch abzustatten.

„Diesen Tag“, sagte er und warf einen vielsagenden Blick auf Mavis’ prallen Busen, „werde ich wohl so schnell nicht vergessen!“ 

„Ja“, erwiderte Mavis mit einem schelmischen Grinsen. „Auch ich spüre deutlich, dass eine... ähm... starke Spannung in der Luft liegt.“ Ihre rechte Hand griff in Garrisons Schritt und streichelte die Wölbung, die sich dort allmählich aufbaute. Zum Glück waren sie von so vielen feiernden Menschen umgeben, dass niemand ihr Tun bemerkte. Hätte es jemand gesehen, wäre sie in ganz Missoula unten durch gewesen. 

Zu seinem großen Erstaunen spürte Garrison, dass er errötete. Als er den Versuch machte, seinen Unterleib ein Stück zurückzuziehen, schlang sich Mavis’ Hand um seine Taille und sie schmiegte sich an ihn. „Bleib bloß hier!“, zischte sie.

„Ich hab nicht vor, davonzulaufen...“ Garrison schaute sich rasch um. „Aber ich befürchte, ich kann deinen Gelüsten in dieser Umgebung schwerlich nachkommen.“ 

„Meinen Gelüsten?“, sagte Mavis empört. 

„Na schön – unseren.“ 

„Ich hab eine Wohnung im oberen Stock“, hauchte Mavis in sein Ohr. 

„Was denn“, sagte Garrison erstaunt. „Nicht nur ein Zimmer?“ 

„Mir gehört der Laden“, erwiderte Mavis. „Ich hab mein Glück gemacht. Mein Vorgänger hat ihn mir vererbt.“ 

„Du bist ein Glückskind, Mavis“, sagte Garrison. „Wie gehen die Geschäfte?“ 

„Großartig.“ Mavis beugte sich vor, und Garrison spürte plötzlich ihre spitze kleine Zunge an seinem Hals. Seine Hose spannte sich noch mehr, was Mavis, deren Hand sich noch immer in seinem Schritt befand, mit einem taubenhaften Gurren quittierte. „Du bist noch immer scharf auf mich?“ 

„Ich träum jede Nacht von dir und deiner entzückenden...“ 

„Pssst! Sprich dieses Wort bloß nicht aus.“ Mavis’ rote Lippen nuckelten an seinem Hals, und es rann ihm heiß den Rücken runter. „Wenn du willst, können wir nach oben gehen. Dann zeig ich dir meine Briefmarkensammlung.“ 

„So ein Zufall“, erwiderte Garrison. „Ich bin ganz wild auf Briefmarken.“ Er packte Mavis’ Taille mit den Händen und zog sie an sich. Sie schlang die Arme um seinen Rücken und rieb ihren Schoß an dem seinen. Die sie umgebende Luft fing an zu knistern und Garrison befürchtete, seine Hose könne platzen. Die Muskeln seines Schwengels härteten sich noch mehr. Durch das weiche Hirschleder spürte er den wulstigen Schamhügel der schamlosen Engländerin. Die Vorstellung, dass sie sich in aller Öffentlichkeit aneinander rieben, während die Bewohner Montanas entzückt ihre neue Staatsangehörigkeit bejubelten, trieb ihm Perlen der Erregung auf die Stirn. Dann waren Mavis’ Lippen auf seinem Mund. Sie klammerte sich an ihn und knutschte ihn ab, dass ihm Hören und Sehen verging. 

Die rempelnden Umstehenden, die aufgrund der fröhlichen Musik und der tänzerischen Darbietung der Ladies auf der Bühne immer mehr aus dem Häuschen gerieten, ließen jedoch zum Glück nicht zu, dass Garrison Mavis an Ort und Stelle zur Mutter machte. Er riss sich widerwillig von ihr los, nahm ihre Hand und zog sie durch die Menge.

Kurz darauf erreichten sie die Treppe zum ersten Stock. Auch auf ihren Stufen hatte sich allerlei trinkendes und singendes Volk versammelt. Mit zielgerichteten Schritten gelang es den beiden jedoch, die Menschenfleisch-Barriere zu überwinden. Im ersten Stockwerk gelangten sie in einen Korridor, von dem ein Dutzend Türen abwichen. Mavis übernahm die Führung bis zu einer Tür, auf der ein Emailleschild verkündete, dass sich dahinter etwas befand, das sich PRIVAT nannte. Sie riss die Tür auf, stürzte in den dahinter liegenden Raum, rutschte auf einem grünroten Läufer aus und flog der Länge nach auf ein Messingbett, auf dem sie bäuchlings landete.

Auf der Shore Street fand nun ein Feuerwerk statt, dass sogar die vor dem White Mouse angebundenen Pferde wiehern ließ. Garrison hingegen hatte nur Augen für den in das enge grüne Kleid verpackten Po, der sich auf eine Weise, die er nur als brünstig bezeichnen konnte, vor ihm in die Luft reckte. Er lehnte sein Gewehr an die Wand. Die flog Tür ins Schloss, sein Hut auf den Boden. Dann schnallte Garrison den Patronengurt ab.