Es reicht jetzt! - Maria Hagenschneider - E-Book

Es reicht jetzt! E-Book

Maria Hagenschneider

0,0

Beschreibung

Der Missbrauchs- und Vertuschungsskandal hat die katholische Kirche in den Grundfesten erschüttert. Inzwischen ist klar, dass die Ursache dafür nicht nur persönliche Verfehlungen Einzelner sind, sondern dass es Strukturen gibt, die Machtmissbrauch begünstigen. Der "synodale Weg" soll daran etwas ändern. Wie für Tausende engagierte Frauen ist für Maria Hagenschneider klar: Eine Erneuerung kann nur gelingen, wenn den Frauen in der Kirche der gebührende Platz zukommt. Sie lassen sich nicht mehr mit theologischen Formeln abspeisen. Für viele Frauen aus der Mitte des kirchlichen Lebens stellt sich die Frage: Werde ich endlich ernst genommen oder werde ich gehen? Die Zukunft der Kirche hängt davon ab. >> eine Streitschrift – spirituell und leidenschaftlich >> Erfahrungen, Informationen, Plädoyers >> aktuell zu "Maria 2.0" und zum Dialogprozess "synodaler Weg"

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 99

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Maria Hagenschneider

Es reicht jetzt!

Frauen in der katholischen Kirche stehen auf

Patmos Verlag

Inhalt

Es reicht jetzt!

Statt eines Vorworts

Ist das wahr?

Wie der Stein ins Rollen kam

Das Ende des Schweigens

Frauen in Deutschland

Macht Licht an!

Maria 2.0

Befreiende Menschlichkeit!?

Maria als Vorbild und Abbild

Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche

Die Frauenfrage als Überlebensfrage

Wie gültig ist endgültig?

Das Diskussionsverbot von Johannes Paul II.

Vom Aufstehen, Gehen und Beten

Frauen in der Schweiz

Kirche mit* den Frauen

Gleichberechtigung.Punkt.Amen.

Gebet am Donnerstag

Keine Quotenheilige

Teresa und die Söhne Adams

Vom Bleiben und Wandeln

Frauen in Österreich

bleiben.erheben.wandeln

einmischen.mitmischen.aufmischen

Er legte ihr die Hände auf

Jesus und die Töchter Abrahams

Vom Rocktragen und Gesichtzeigen

Frauen weltweit

Comité de la jupe

Voices of Faith

Catholic Women Speak

Oskar und die Herrschenden

Ein Exkurs

Von Selbstverständlichkeiten und vom Ungehorsam

Geistliche aus dem deutschen Sprachraum

Verhinderungsargument oder Handlungsgebot?

Der Verweis auf die Weltkirche

Warum es den Einsatz wert ist

Ausblick

Was mich bewegt …

… und warum ich bewegen will

Ausgewählte Adressen

Anmerkungen

Über die Autorin

Über das Buch

Impressum

Hinweise des Verlags

Schweigen spricht Bände.

Es ist der Klang von

Ungerechtigkeit, Gleichgültigkeit, Ungleichheit.

Entscheidungen, die uns alle betreffen,

dürfen nicht nur von der Hälfte von uns geäußert werden.

Manche haben geflüstert.

Manche haben geredet.

Manche haben gebrüllt.

Wir sind Stimmen der Veränderung,

Stimmen, die nicht länger ignoriert werden dürfen.

Unsere Stimmen sollen gehört werden …

… wo Entscheidungen getroffen werden,

… wo Veränderungen stattfinden,

… wo Glaube besteht.

Durch unsere Stimmen erklingt

Mitgefühl, Gerechtigkeit, Stärke.

Und ohne unsere Stimmen

verharrt die Hälfte der Kirche

in Schweigen.

#overcomingsilence

www.overcomingsilence.com1

Es reicht jetzt!

Statt eines Vorworts

Erinnern Sie sich, liebe Leser*innen, an eine Situation, in der Sie selbst diese Worte hinausgeschrien haben: »Es reicht jetzt!«?

Bis es dazu kommt, haben Sie die Augen zu Schlitzen verengt und gespürt, wie sich Ihr Kiefer und Ihr ganzer Körper zunehmend anspannt. Und dann: »Es reicht jetzt!« In einem Schrei, vielleicht begleitet von einem Handschlag auf die Tisch­platte, entlädt sich die aufgestaute Spannung. Alles an Ihnen signalisiert: Hier ist die Grenze. Die erste Entladung liegt hinter Ihnen, aber die Situation bleibt erst einmal explosiv.

Eine solche Situation ist selten. In der Regel haben Sie, was man eine »Beißhemmung« nennt. Gut erzogen?

Diese Situation macht auch etwas mit Ihnen. Vermutlich sind Sie erschrocken, und als reflektierter Mensch werden Sie, sobald die Situation wieder entspannt ist, genau das tun: reflektieren. Aber auch: erkennen und planen.

Menschen, die von anderen dauerhaft gede­mütigt werden – indem ihnen Größe, Schönheit, Bildung, Fachkompetenz, Liebesfähigkeit, Würde u. a. abgesprochen wird; indem ein anderer sie kleinmacht oder in Abhängigkeit hält; indem sich jemand ständig über sie erhebt, sie übersieht oder bloßstellt –, werden irgendwann aufstehen und diese Situation beenden.

Menschen explodieren, wenn jemand wieder und wieder in eine Wunde schlägt. Die Wunde wird tiefer und der Schmerz nimmt zu, bis er un­erträglich wird. Es kann viel Zeit ins Land gehen, bevor es jemandem reicht.

Als besonders schmerzlich nehmen wir es wahr, wenn das Gegenüber ein Partner ist, der einmal von Liebe gesprochen hat. Oder wenn wir solche Erfahrungen in Familien oder Gruppen machen, in denen wir Grund hatten zu der Hoffnung auf Achtung und Liebe. Oder wenn ein Chef oder Kolleg*innen, die von Wertschätzung sprachen oder zunächst den Eindruck von Empathie erweckten, sich dann ganz anders verhalten.

Es reicht jetzt! Frauen in der katholischen Kirche stehen auf. So lautet der Titel dieses Buches. Ich hoffe, dass die »Es-reicht-jetzt«-Ausrufe der Frauen in der Kirche nicht nur der Anfang von Veränderungen sind, sondern auch Schlusspunkte für das, was bisher geschehen ist. Oder besser: nicht geschehen ist. Es reicht! Mehr ertragen wir nicht!

Manche in der kirchlichen Hierarchie scheinen das jedoch noch nicht begriffen zu haben. Sie (ver)trösten sich selbst mit dem Hinweis, dass es in der Kirche nur hier und da kleine aufständische Frauengruppen gebe, die im großen Setting der Weltkirche nicht von Bedeutung seien. Ja, viele trösten sich damit und manche glauben sogar daran.

Solchen Menschen ist nicht klar, dass die Situation – um im obigen Bild zu bleiben – schon explodiert ist und hochexplosiv bleibt. Einfach weiterzumachen, die Frauen weiter perspektivlos um Geduld zu bitten und zugleich von »verschlossenen Türen« für manche ihrer Forderungen zu sprechen, werden viele Frauen – und Männer, die mit ihnen solidarisch sind – nicht mehr hin­nehmen. Frauen stehen auf, weil sie sich massiv diskriminiert fühlen und in der katholischen Kirche, in der sie beheimatet sind, stets an den Rand gedrückt wurden und noch immer werden. Frauen stehen auf, damit die Kirche sich darauf besinnt, dass es nicht um Kirchenregeln, sondern um Nachfolge Jesu geht. Frauen wolle keine Gnadenerweise, sondern ihre Rechte als Menschen und Getaufte! Dafür tritt auch dieses Buch ein.

Es reicht jetzt! Frauen in der katholischen Kirchestehenauf. Sie wollen endlich ihr Recht. In diesem Buch benenne ich die Gründe für den »Aufstand«. Und ich stelle Ihnen Initiativen vor, die in besonderer Weise für Geschlechtergerechtigkeit in der katholischen Kirche stehen, die dafür ihre Stimmen erheben, dafür beten und sie in kreativer Vielfalt unterstützen.

Gedanken zu Maria, der Frau in unserer Kirche, müssen auch sein. Lesen Sie, wie nah uns die große heilige Teresa heute ist. Und lassen Sie sich noch einmal Jesu Handeln an der gebückten Frau vor Augen führen. Was wird schon getan und was können wir tun, damit unsere Kirche Zukunft hat?

Das alles finden Sie hier in kompakter Form und in einer für Sie vermutlich ungewöhnlichen Mischung aus sachlichen Informationen und persönlichem Erleben und Bewerten. Ich bekenne meine Zugehörigkeit zu »Maria 2.0«; auch ich bin also als Aufständische für Reformen unserer katholischen Kirche – und da vor allem für die Geschlechtergerechtigkeit – unterwegs.

Ich bin sicher: Einmal zornig aufgestanden und unterstützt von den vielen, auf die allein schon in diesem Buch verwiesen wird, werden Frauen die Hände nicht mehr einfach wieder in den Schoß legen und sich in aussichtsloser Geduld üben.

Und damit Sie sich vorstellen können, wie leidenschaftlich ich in diesem Thema unterwegs bin und sicher bleibe, lasse ich das folgende Zitat für mich sprechen. Ich korrigiere aber: Bei mir war es nicht Tee, sondern ganz viel Kaffee, die Tage waren nicht filzgrau, sondern sommerhell, und eine ganze Woche verbrachte ich in einem Benediktinerinnenkloster, gut versorgt und mit Gebets- und Gesprächspausen. Also:

»Ich schrieb mit einer Hingabe wie noch nie, mit einem Glücksgefühl, das dem Stoff nicht angemessen war, während mir gleichzeitig schien, als müsste ich mich durch einen Berg graben, dessen Ende ich niemals erreichen konnte. Ich befand mich im wahrsten Sinn des Wortes unter Tage, ich schrieb die ganze Nacht und verschlief den kurzen, filzgrauen Tag, um nach dem Erwachen sofort wieder an meinen PC zu stürzen, noch bevor ich mir Tee aufgebrüht hatte.« (Natascha Wodin2)

Ist das wahr?

Wie der Stein ins Rollen kam

Ende September 2018 stellte die katholische deutsche Bischofskonferenz die Ergebnisse der von ihr in Auftrag gegebenen MHG-Studie3 zum sexuellen Missbrauch vor. Damit rückten unvorstellbare Verbrechen, begangen von Priestern an Schutzbefohlenen, erneut massiv ins Blickfeld. Im ganzen Land gab es Wellen der Empörung und des Abscheus. Auch bis dato eher unauf­fällige Mitglieder der Kirche, die sich selbst als »sehr treue Katholik*innen« bezeichneten, wurden von Entsetzen geschüttelt. Für viele war unvorstellbar, was da an die Öffentlichkeit kam. Ist das wahr?, dachten viele.

Schon als 2010 der Missbrauchsskandal in Deutschland bekannt geworden war, geriet die Kirche in Erklärungsnot. Nun waren acht Jahre vergangen. Viele kritisierten, dass zur Aufarbeitung kaum etwas geschehen sei. Sicher, hier ging es um Ergebnisse einer Studie und damit zunächst um die Feststellung der Faktenlage. Aber hätte nicht zeitgleich schon mehr zur Aufarbeitung geschehen können? Die Bischofskonferenz hatte zwar den Trierer Bischof Stephan Ackermann zum Missbrauchsbeauftragten bestellt. Seine Antwortversuche mussten jedoch angesichts der Monstrosität dessen, was bekannt wurde, verhallen. Auch der unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM4) kümmerte sich. Doch es reichte noch lange nicht, was getan worden war. Uns aber reichte, was wir hörten und lasen.

Viele, die aus der katholischen Kirche innerlich schon emigriert waren, hätten nur noch den berühmten einen Tropfen gebraucht, um ihr randvolles Fass negativer Erfahrungen mit der Kirche zum Überlaufen zu bringen, und auszutreten. Die Ergebnisse der MHG-Studie erlebten sie dann nicht nur als Tropfen, sondern als gewaltigen Guss. Für viele führte der einzig gangbare Weg aufs Standesamt oder zum Amtsgericht. Dort beendeten sie mit einer Unterschrift ihre Mitgliedschaft in der katholischen Kirche. Ich schwankte zwischen Verständnis und großer Traurigkeit, vor allem, wenn ich Menschen, die sich zu gehen entschieden hatten, persönlich kannte.

Nach und nach gab es weitere Informationen. Zunehmend wurde bekannt, dass Missbrauchs­täter von ihren Bischöfen – in Kenntnis der Untaten – in Umfelder mit gleichen Strukturen versetzt worden waren. So wurden neuerlich vor allem Kinder sexuellem Missbrauch ausgesetzt. Es stellte sich heraus, dass viele Bischöfe lieber den guten Ruf der Kirche bewahren wollten, als konsequent einzugreifen, und die meisten Taten vertuschten. Der Missbrauch selbst, die Praxis des Versetzens und die Vertuschung bildeten ein »ganzheitliches« Tatengemenge, in dem das eine kaum vom anderen zu trennen war. Opfer blieben in der Regel ungesehen und alleingelassen. Manche von uns gewannen den Eindruck, dass An­kläger – Opfer, aber auch andere, die die Dinge beim Namen nannten – in der Kirche als Nestbeschmutzer angesehen wurden.

Ganz allgemein bekannte sich die Kirche schuldig und verwies darauf, dass sie ja von sich immer auch als von einer sündigen Kirche spreche. Niemand bekannte sich persönlich schuldig, auch nicht des Vertuschens. Die Kirche gelobte vieles. Sie gelobte Veränderung. Die hatte sie aber schon immer gelobt. Das glauben ihr viele katholische Christen nicht mehr.

Der Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz erkennt in Antworten von Menschen, die im Jahr 2018 aus der Kirche ausgetreten sind, einen roten Faden: den »Verdacht, dass die Kirche sich gar nicht wirklich ändern will. Das empört die Leute aufs Äußerste.«5

Dass ich diesen Skandal zum Ausgangspunkt meiner Informationen und Überlegungen mache, werden mir wohl viele Hierarchen in der katholischen Kirche übelnehmen. Sie werden den Vorwurf erheben, dass ich den Missbrauch instrumentalisiere. Dem widerspreche ich entschieden und zeige im Weiteren auf, warum es nicht so ist.

Die Ergebnisse der Studie haben bei vielen Menschen inner- und außerhalb der katholischen Kirche – auch bei mir – deshalb zu so heftigen Emotionen und Reaktionen geführt, weil sie deutlich machen, dass die Taten auch mit dem Umgang der Kirche mit dem Thema Sexualität zu tun haben. Da zeigt sich eine große Diskrepanz zwischen den Ansprüchen an das Sexualverhalten katholischer Christen und der Wirklichkeit von Amtsträgern in der Kirche. Die Kirche fordert die Einhaltung einer engen Sexualmoral, wie sie sie für richtig hält. Damit legt sie vielen Menschen aber teils unerträgliche Lasten auf, die noch dazu nicht alle argumentativ stimmig erklärt werden können. Schlimm sind die harten Urteile, die die Kirche fällt, wenn Sexualität anders gelebt wird, als sie sie für »gottgewollt« erachtet. Nur ein Beispiel ist das homophobe Verhalten polnischer Bischöfe, die durch ihre Ablehnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und die Rede von der »Regenbogen-Seuche« die Diskriminierung sexueller Minderheiten befeuern.6 So etwas schreit in mir nach Aufstand. Auch mit dem Festhalten am Pflichtzölibat in Kombination mit der Unterstellung, dass nur Männer zum Priester berufen sein können und dies auch nur dann, wenn sie zugleich zölibatär leben, offenbart die Kirche eine negative Haltung zur Sexualität. Dass viele Priester hier »gespalten« unterwegs sind, ist ein offenes Geheimnis.