4,49 €
Nach einer schmerzhaften Trennung schwor sich der stolze Schneckerich Schnucki, nie wieder einer Dame Zutritt zu seinem Schneckenhaus und seinem Herzen zu gewähren. Doch dann scheppert die pummelige, tollpatschige, aber durchaus liebenswürdige Hummel Summsi in sein Leben und erobert Stück für Stück das Herz des überzeugten Einzelgängers. Ein modernes Märchen (nicht nur) für Erwachsene, das Mut macht, auch nach einer schweren Enttäuschung den Glauben an das Glück nicht zu verlieren. Denn manchmal kommt das Glück in das Leben zurück, unverhofft, ohne Einladung und mit einem Scheppern. Und manchmal wird man vom Glück gefunden, wenn man es gar nicht erwartet.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 105
Für Uwe – aus Gründen, und weil ich Dich liebe!
Es war einmal…
Eine neue Freundschaft
Summsi gibt nicht auf
Der Weg zu neuem Glück
Und wenn sie nicht gestorben sind, …
Es war einmal, vor gar nicht so langer Zeit, in einem großen Garten, eine Schnecken-Tagesreise von einem kleinen Fluss entfernt… Da lebte ein Schneckerich.
Sein Name war Schnucki. Kein Vorname, kein Nachname, einfach nur Schnucki. Schnucki, die Schnecke. Schnucki war im besten Alter, ein stattlicher, groß gewachsener Schneckerich, der durchaus imposant daherkam.
Das lag an seiner großen Statur und seinem durchtrainierten Schneckenkörper, aber auch daran, dass Schnucki sich gerne gut kleidete. Wenn er arbeitete, trug er einen dunklen Anzug und eine Krawatte. Das hatten schon sein Vater und sein Großvater so gehalten, und Schnucki setzte diese Tradition fort. Wenn er mit der Arbeit fertig war, trug er eine gemütliche braune Hausjacke und weite Cordhosen. Abends, wenn er seine Gartenarbeit erledigt hatte und auf seiner Veranda entspannte, warf er sich in einen Hausmantel, den er über seinem Nachtgewand trug. Er achtete darauf, immer angemessen gekleidet zu sein - nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass sich einmal ein ungebetener und unerwarteter Gast auf seine Veranda oder zu seinem Schneckenhaus verirrte.
Er lebte in einem durchaus ansehnlichen Schneckenhaus, um das er einen schönen, gemütlichen Garten erschaffen hatte. Die unterschiedlichsten Blumen blühten in diesem Garten: Rosen und Stockrosen, Lilien und Löwenmäulchen, Gänseblümchen und Butterblumen verwandelten die Wiese in ein farbenprächtiges Blumenmeer. Im Frühling blühten Narzissen und Tulpen, im Herbst Astern, Chrysanthemen und Dahlien, und in der Ecke zum Nachbargarten hatte sich sogar ein Schmetterlingsbaum angesiedelt. Es blühten dort Hibiskus und Clematis, Zierquitte und selbst ein kleines Kirschbäumchen. Verwaltungs-Schnecke, die er war, hatte er seinen Garten mit einem Zaun von den Nachbargrundstücken abgegrenzt. Ordnung musste schließlich sein.
Die Nachbarn kümmerten ihn wenig. Er wollte seine Ruhe haben. Ein Schwätzchen am Gartenzaun, Klatsch und Tratsch, all das interessierte ihn wenig. Wenn er einen seiner Nachbarn in einem der anderen Gärten sah, deutete er mit seinen Fühlern ein Nicken an, drehte dann aber schnell den Kopf in eine andere Richtung, um nicht in ein Gespräch verwickelt zu werden.
Tagsüber arbeitete Schnucki als Verwaltungs-Schnecke. Er legte Ordner an, setzte gewichtig Stempel unter wichtige Dokumente, arbeitete sich durch Zahlenkolonnen, prüfte, korrigierte, schob Akten von links nach rechts und dann von rechts nach links und setzte Siegel unter noch wichtigere Dokumente.
In seiner Freizeit liebte Schnucki es, in seinem Garten zu werkeln. Mit seiner kleinen, roten Gießkanne ging er von Pflanze zu Pflanze, um ihnen das nötige Wasser zu geben. Immer fand er etwas, an dem er werkeln und basteln konnte: Den Zaun und die Veranda besserte er auf, baute ein neues Rankgitter für die Clematis oder einen Bogen für die Kletterrosen. Wenn er nicht im Garten werkelte, saß er in seinem Wohnzimmer, das eher einer Bibliothek glich, und steckte seinen Kopf in Bücher. Es war im egal, welches Buch es war – er las alles, so lange es spannend geschrieben war. Außerdem war er ein Freund einer guten Tasse Tees und hatte eine beträchtliche Sammlung an unterschiedlichen Blütentees: Roenblütenblättertee, Sonnenblumenblättertee, Brennnesselblättertee, nur um ein paar zu nennen. Und weil sein Garten so viele Blüten und einige Fruchtbäumchen beherbergte, hatte Schnucki es sich angewöhnt, in den Sommermonaten Marmeladen zu kochen. Diese Fertigkeit hatte er inzwischen so sehr perfektioniert, dass sich seine Verwaltungs-Schnecken-Kollegen immer freuten, wenn er ihnen das ein oder andere Gläschen selbstgekochter Marmelade mitbrachte.
Und obwohl er sich für viele Dinge begeistern konnte und an vielen Dingen Freude hatte, fürchtete er den Moment, wenn er seine Stempel und Stifte weglegte und die Akten fein säuberlich auf einen Stapel legte: Wenn er mit der Arbeit fertig war, dann begann für Schnucki der schwierige Teil des Tages.
Das war nicht immer so gewesen. Schnucki hatte seine Feierabende geliebt. Deswegen war er meist sogar früher aufgestanden und hatte schon in den frühen Morgenstunden mit seiner Verwaltungsarbeit begonnen, um möglichst bereits am frühen Nachmittag Feierabend machen zu können. Damals… Als er noch mit Frau Schnucki und Schnucki, dem Kleinen, und Schnucki, dem Ganz-Kleinen, zusammengelebt hatte. Als er noch eine Familie hatte…
Frau Schnucki hatte er bei der Schnecken- und Kriechtierolympiade kennengelernt, bei der sowohl seine spätere Gemahlin als auch er im Schnecken-Karate angetreten waren. Es war das erste und einzige Mal gewesen, dass Schnucki bei diesen Wettkämpfen angetreten war. Und auch wenn er damals als Favorit für einen Platz auf dem Siegerpodest gehandelt worden war, war er im entscheidenden Moment, als er zu seinem wichtigsten Kampf antreten musste, abgelenkt gewesen. Seine Aufmerksamkeit hatte der feschen Schneckendame gegolten, die am Rande des Wettkampfvierecks gestanden und ihn beobachtet hatte. Wie gut sie ausgesehen hatte, wie durchtrainiert und schick in ihrem Wettkampfdress. Ein Auge hatte er immer wieder in ihre Richtung wandern lassen, so dass nur das andere Auge bei seinem Gegner gewesen war. Das hatte dazu geführt, dass er den entscheidenden Angriff nicht hatte kommen sehen und als Verlierer aus dem Wettkampf ging.
Schnucki hatte noch nicht einmal Zeit gehabt, sich über sich selbst und die Niederlage zu ärgern. Denn gerade, als er die Matte, auf der die Kämpfe ausgetragen wurden, verlassen wollte, um Haltung bemüht, mit hoch erhobenem Haupt und durchgestreckten Fühlern, hatte sich die fesche Schneckendame ihm in den Weg gestellt und ihn gefragt, ob er sich mit ihr wohl auf ein Gläschen Rosennektar treffen wollte. Aus dem einen Gläschen war ein ganzes Fläschchen geworden, gefolgt von einem Brennnessel-Schnaps als Absacker. Schnucki war so aufgeregt gewesen, dass er noch nicht einmal von dem köstlichen Löwenzahn-Salat und den Möhren-Chips hatte essen können, die die fesche Schneckendame zu den Getränken bestellt hatte. Er war es nicht gewohnt, mit schicken, gutaussehenden Damen zu speisen. Noch weniger war es gewohnt, dass diese Damen ihm aufmerksam zuhörten, wenn er von seinem Garten und seiner Büchersammlung sprach, wenn er von seiner Tätigkeit als Verwaltungs-Schnecke berichtete oder von seiner Vorliebe für Tee und selbst gekochte Marmeladen.
Aber diese Dame hatte ihm zugehört. Sie hatte an seinen Lippen gehangen, hatte den Kopf immer wieder von der einen auf die andere Seite gelegt und zustimmend mit ihren Fühlern genickt. Dann wieder hatte sie erzählt von sich und ihrem Leben. Sie hatte ihm berichtet von ihrem Traum, eine Familie zu gründen und ein schönes Schnecken-Doppelhaus in einem schönen Garten zu bewohnen. Ausführlich hatte sie sich erkundigt, ob sein Garten wohl groß genug wäre, um dort ein zweites Schneckenhaus aufzustellen. Und ob denn die Lage des Gartens günstig wäre, ob es dort viele Schnecken-Feinde gäbe oder ob dort ein sicherer Ort wäre, um kleine Schneckeriche großzuziehen.
Es war ein langer Abend geworden. Es dämmerte schon und die Sonne war kurz davor aufzugehen, als Schnucki der Schneckendame lange in die Augen schaute, seine Fühler sanft die ihren berühren ließ und sie dann fragte, ob sie nicht gleich mit ihm mitkommen wolle – Platz hätte er, und man würde doch sonst zu viel Zeit verlieren. Die Schneckendame hatte wieder den Kopf erst auf die linke, dann auf die rechte Seite gelegt. Dann hatte sie ihre Fühler kreisen lassen, als ob sie nachdachte. Und dann hatte sie genickt.
Gemeinsam waren sie aufgebrochen und hatten am späten Nachmittag Schnuckis Garten erreicht. Dort hatten sie die beiden Schneckenhäuser miteinander verzurrt, so dass ein Schnecken-Doppelhaus entstanden war.
Da Schnecken pragmatische Lebewesen sind und die Zeit, die ihnen durch ihr gemächliches Fortkommen verloren geht, gerne durch spontane Entschlüsse wieder einholen, gaben Schnucki und die fesche Schneckendame am nächsten Tag ihre Verlobung bekannt. Am übernächsten Tag heirateten sie. Es war keine große Hochzeit, das hätten sie in der Kürze der Zeit gar nicht hinbekommen. Die Freunde und Verwandten der Schneckendame lebten auf der anderen Seite des Flusses und konnten daher nicht rechtzeitig kommen. Schnucki hatte keine Freunde, und die Bekannten, die er hatte, wollte er nicht bei seiner Hochzeit dabeihaben. Es traute sie Ringel, der Regenwurm, in seiner Funktion als Standesbeamter. Danach gönnten sie sich als Herr und Frau Schnucki ein köstliches Hochzeitsmahl bei Madame Pünktchen, der Marienkäferdame, die in der Nähe des Standesamtes eine hervorragende Wirtschaft betrieb.
Schnucki war glücklich. Er hatte eine gut aussehende, fesche Schneckendame an seiner Seite. Er hatte ein gemütliches, geräumiges Heim und einen schönen, bunten Garten. Wenn er jetzt mit seiner Verwaltungs-Arbeit fertig war und Feierabend hatte, machte er sich daran, ihr Heim zu verschönern. Er baute eine Veranda und eine Bank, auf der sie abends sitzen und den Sonnenuntergang beobachten konnten. Er fing an, Bettchen zu bauen, für die kleinen Schneckeriche, die sie sich wünschten. Er baute auch Spielzeug für die Kleinen, eine Wippe, eine Schaukel, einen Sandkasten.
Als dann Schnucki, der Kleine, und kurze Zeit später Schnucki, der Ganz-Kleine, geboren wurden, schien seine Welt perfekt zu sein. Schnucki hatte nie gedacht, dass er jemals so glücklich sein würde. Er hatte noch nicht einmal von so viel Glück zu träumen gewagt.
Stolz und mit erhobenen Fühlern saß er jeden Tag am Schreibtisch, wissend, dass er nicht mehr nur Schnucki, die Verwaltungs-Schnecke, und Schnucki, der Fast-Olympiasieger war, sondern dass er Schnucki, Vater von zwei wunderbaren Schneckerichen, war.
Es war immer Leben in dem rundlichen Heim gewesen, denn auch wenn Schnecken grundsätzlich nicht die schnellsten Tiere sind, können kleine Schneckenkinder doch Leben in ein solches Schnecken-Doppelhaus bringen. Was war da für ein Lachen gewesen! Manchmal, wenn Schnucki jetzt am Abend auf seiner Veranda saß und vor sich hinstarrte, meinte er noch immer, die piepsigen Stimmen seiner Sprösslinge hören zu können. So wie er sie damals gehört hatte, als er mit Frau Schnucki auf der Veranda saß, ein Gläschen von dem süßen Morgentau trank und seinen Söhnen beim Spielen auf der Veranda zuschaute. Er hatte gesehen, wie die beiden Kleinen ihre ersten unbeholfenen Schritte gingen, hatte mit Staunen zugeschaut, wie sie die Welt eroberten. Hatte Freude daran gefunden, wie sie in der kleinen Pfütze, die sich in dem Dielenbrett der Veranda nach jedem Regen bildete, plantschten und tobten. Er hatte amüsiert beobachtet, wie sie versuchten, mit ihren Fühlern die vorbeifliegenden Fliegen und Schmetterlinge zu berühren.
Während Schnucki glücklich und zufrieden war, schien es, dass Frau Schnucki immer unzufriedener wurde. Sie begann, an allen möglichen Dingen herumzumäkeln. Erst waren es Kleinigkeiten: Der Gartenzaun hatte eine zu langweilige Farbe. Statt einer Bank auf der Veranda wünschte sie sich einen Schaukelstuhl. Der gute Morgentau war ihr zu langweilig, sie bevorzugte auf einmal die Sonnenblumen-Spätlese. Schnucki versuchte, ihre Wünsche zu erfüllen, baute einen Schaukelstuhl, strich den Gartenzaun in perlmutt-weiß, ließ die beste Spätlese liefern. Es half nichts: Frau Schnucki fand andere Dinge, die ihr nicht gefielen.
So wurde ihr der Garten zu klein, das Haus zu bieder, Schnuckis Tätigkeit als Verwaltungs-Schnecke zu langweilig, ihr Leben insgesamt zu wenig aufregend. Immer öfter beobachtete Schnucki seine Frau, wie sie den schillernden, bunten Schmetterlingen hinterherschaute, wie sie ihre Fühler zu einem Herz verbog, wenn die große, prächtige Libelle vorbeiflog.
Irgendwann war dieses Leben, von dem Schnucki dachte, dass es das schönste Leben überhaupt war, zu Ende gegangen. Schnucki mochte nicht darüber nachdenken, was passiert war. Frau Schnucki hatte ihm eines Tages, als er an seinem Schreibtisch saß und Zahlenkolonnen kontrollierte, erklärt, dass ihr das Leben mit ihm zu langweilig war und dass sie sich mehr wünschte; mehr Erleben, mehr Aufregendes, mehr Spannung. Und dann hatte sie die beiden Kleinen eingepackt, hatte ihr Schneckenhaus aufgeschnallt und war langsam, aber stetig, mit den beiden gemeinsamen Söhnen von dannen gezogen.
Seitdem lebte Schnucki alleine in seinem schönen, runden Schneckenhaus in dem bunten Garten mit dem perlmuttfarbenen Gartenzaun. Kurz nachdem Frau Schnucki mit Schnucki, dem Kleinen, und Schnucki, dem Ganz-Kleinen, davongezogen war, hatte Schnucki Angst gehabt, er würde an einem gebrochenen Herzen sterben. So leer fühlte er sich innerlich, so sehr schmerzte die Gegend, in der sein Herzchen pochte. Irgendwann lernte er, dass man auch mit einem gebrochenen Herzen weiterleben konnte.
Schnucki stürzte sich in seine Arbeit, kontrollierte noch mehr Zahlenkolonnen, setzte noch mehr Stempel mit noch mehr Schwung unter wichtige Dokumente und schob noch mehr Akten von rechts nach links und von links nach rechts. Immer, wenn er einen der Nachbarn in den angrenzenden Gärten sah, drehte er nun schon den Kopf zur Seite, bevor er mit den Fühlern nicken musste. Er verschanzte sich in seinem Schneckenhaus und schwor sich, niemals wieder einer feschen Dame Zutritt zu seinem Haus zu gewähren.
Abends saß er auf der Veranda und blickte traurig in den Sonnenuntergang. Der Morgentau wollte ihm nicht mehr schmecken, und auch die Fläschchen mit der guten Spätlese lagen ungeöffnet in seinem Flaschenregal. Wenn es dunkel und kalt wurde, setzte Schnucki sich in den Ohrensessel