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Peter Trawnys Essay behandelt eine der größten Ideen der abendländischen Geschichte und zugleich eins der größten politischen Projekte der Welt: Europa. Fragen, die Peter Trawny versucht zu beantworten: Was konstituiert Europa? Wo liegt die Zukunft Europas? Und vor allem: Ist ein anderes Europa denkbar? "Die aktuelle, intellektuell anspruchsvollste Version von einem philosophisch begründbaren identischen Europa hat der Philosoph Peter Trawny in seinem Aufsatz Europa und die Revolution entworfen, wobei abermals an die Stelle konkreter politische Diagnose spirituell-spekulative Kategorien treten." Karl-Heinz Bohrer, Die Zeit
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Seitenzahl: 27
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Peter Trawny
Europa und die Revolution
MSeB bei Matthes & Seitz Berlin
Gibt es Europa? Oder gibt es nur ein Europa, das sich von einem anderen unterscheidet? Hat sich Europa mit sich selbst entzweit? Und ist Europa dadurch zweideutig geworden? Oder hat sich in diesem seit langem zweideutigen Europa längst ein eindeutiges eingeschlichen, so dass die Janusköpfigkeit Europas eine Maske ist, die verbirgt, was geschieht?
Es gibt einen geoökonomischen Raum der »Euro-Zone«. Diese Bezeichnung, dieser Code, der wie jeder Code eindeutig funktioniert, dient dazu, den Zugang zu einem technisch-wissenschaftlich-ökonomisch-medial definierten Gegenstand zu steuern. Europa dreht sich um diese Festlegung. Die »Euro-Zone« ist ein solch definierter Gegenstand, der alles erwürgt, was dieser Definition widerspricht.
Und doch scheint es über diese Grenze, diese Lage hinweg noch ein anderes Europa zu geben, eines, das weit zurückgeht bis zu der Grenze, jenseits derer der Niemandsraum und die Niemandszeit herrschen. Das ist die Schwelle, der Ursprung, an dem die Erinnerung beginnt und Europa erscheint. Dieses Europa ist mit den drei Orten der Akropolis, des Kapitols und – das lässt sich nicht wirklich bezweifeln – Golgathas verknüpft. Von diesen drei Orten geht alles aus, was Europa bedeuten kann.
Es gibt also anscheinend zwei Europa, deren Zusammenhang zwar behauptet, aber nicht verwirklicht wird. Dafür spricht z.B. der seit Jahrzehnten immer stärker vollzogene Abbau eines Bildungsverständnisses, das sich vor allem auf die Ursprünge von Europa bezog; ein Abbau, der zu Gunsten von »Kompetenzen« institutionalisiert wird. Es handelt sich dabei um einen Begriff, der seine ökonomische Signatur nicht verheimlicht. Der »Europäer« der Zukunft ist vor allem »kompetent«.
Europa besteht und erhält sich als Euro-Zone. Diese Erhaltung manifestiert sich in seinen Sektionen Technik, Wissenschaft, Ökonomie und Medium. Die Sektionen lassen sich nicht voneinander trennen. Alle vier sind in jeder einzelnen mit anwesend. Was ihre Unterscheidung möglich macht, sind vier verschiedene Zwecke, die allerdings niemals völlig zu differenzieren sind. So lässt sich das Design der Präsentation eines Unternehmens als Kunst deuten, während die Arbeit eines Künstlers ökonomisch analysiert werden kann.
Die Erhaltung der Euro-Zone organisiert sich technisch, wissenschaftlich, ökonomisch und medial, d.h. nicht politisch. Vielmehr ist die ›Politik‹ ein Instrument, das von allen Sektionen der Zone verwendet wird. Als Instrument dient sie, sie herrscht nicht.1 Die Herrschaft scheint überhaupt verdächtig geworden zu sein. Die Sprache der Herrschaft ist einer des Managements gewichen. Die Politik verweigert ihre kreativen Potentiale, die in den Anfängen Europas entspringen. Sie speist sich in die Vermittlungskanäle ein wie alles, was ist. Damit dient sie einer anderen Art von Herrschaft.