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Der zweite Band über die Trägerraketenentwicklung in Europa behandelt die Ariane 5 und die Vega. Er schließt an das erste Buch des Autors, „Europäische Trägerraketen 1“ an. In den Kapiteln werden die Entwicklungsgeschichte und Technik der Ariane 5G, Ariane 5 Evolution und der Vega behandelt. Die Technologie der Stufen und Antriebe wird detailliert besprochen und durch eine Einführung in die Triebwerkstechnologien ergänzt. 170 Fotos, Diagramme und Grafiken verdeutlichen die Angaben, und über 120 Tabellen nehmen die technischen Daten auf. Nicht vergessen wurden der Einsatz der Träger und die politischen Hintergründe für die Entwicklung. Abgerundet wird das Buch durch zahlreiche Fotos der Träger, Stufen und Triebwerke. Weitere Kapitel behandeln die Pläne der ESA für die Weiterentwicklung der Ariane 5 sowie die Studien zur Nutzlaststeigerung der Vega. Ein eigener Abschnitt ist den Bodenanlagen für die beiden Träger im Raumfahrtzentrum CSG in Französisch-Guyana gewidmet. Erweitert wurde in der zweiten Auflage das Kapitel über die Vega und die Ariane 6.
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Seitenzahl: 504
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Vorwort
Anmerkungen zu den Daten und Angaben
Ariane 5G
Von der Oberstufe zur Ariane 5
Die Entwicklung
Ariane 5 und Hermes
Der Einsatz
Der zweite Testflug
Der dritte und letzte Fehlstart
Die Flüge
Die Technik der Ariane 5
Die Feststoffbooster EAP238
Die Zentralstufe EPC
Das Vulcain-Triebwerk
Die Oberstufe EPS
Das Aestus-Triebwerk
Vehicle Equipment Bay
Speltra
Die Nutzlastverkleidung
Nutzlastadapter
ASAP-5
Countdown der Ariane 5
Quellen und Referenzen
Das Ariane 5 Evolution Programm
Die Feststoffbooster EAP241
Die Zentralstufe EPC173
Das Vulcain 2-Triebwerk
Die Sylda-5
Vehicle Equipment Bay
Nutzlastverkleidung
Die EPS-Oberstufe
Die Oberstufe ESC-A
Das HM-7B
Die Varianten
Ariane 5G
Ariane 5 G
+
Ariane 5 GS
Ariane 5 ECA
Ariane 5 ES(V
)
Der Ariane 5 Start
Der Einsatz
Ariane 5 Bestellungen
Die Konkurrenz
Ariane auf einem wechselnden Markt
Liste der Ariane 5-Starts
Quellen und Referenzen
Ariane 5 ME
ESC-B: eine neue Oberstufe mit einem neuen Triebwerk
Die Fähigkeit zur Wiederzündung
Das Vinci-Triebwerk
Ariane 2010 Initiative
Vulcain Mark III
EPC-Stufe
Feststoffbooster
ESC-B Oberstufe
Gesamtbetrachtung
Die Ariane 5 Entwicklung – ein persönliches Urteil
Weitergehende Überlegungen
Hopper
Liquid Fly Back Booster LFBB
Ariane 5 – 50t
CNES Studie für eine Ariane 5 Mondrakete
Ariane 5 mit mehreren Boostern
Quellen und Referenzen
Die Vega
Vorgeschichte
Wer macht was bei der Vega?
Vega – die Rakete
Die erste Stufe P80 FW
Die zweite Stufe: Zefiro 23
Die dritte Stufe: Zefiro 9
Das AVUM (Altitude and Vernier Upper Module
)
Nutzlastverkleidung
VESPA
Missionsprofil
Die Entwicklung der Vega
Einsatz
Der Jungfernflug
Die folgenden Starts
Die Konkurrenz
Weiterentwicklungen
VERTA
VENUS-Oberstufe
Vega C
Die Lücke zwischen der Vega und Ariane 5
Quellen und Referenzen
Ariane 6
Technische Beschreibung des PPH Konzepts
Ariane 6.1 und 6.2
Ariane 62 und 64
Technische Beschreibung der Ariane 62 und 64
Die Ariane 6 – ein persönliches Urteil
Quellen und Referenzen
Das Centre Spatial Guyanais
Ariane 5
ELA 3
Nutzlastintegration
Kontrollzentren
Bodenstationen
Vega
Quellen und Referenzen
Abkürzungsverzeichnis
Als ich im Januar 2008 durch einen Artikel in der Zeitschrift ct' auf „Books on Demand“ aufmerksam wurde, war das Erste, was ich vorhatte, ein Buch über europäische Trägerraketen zu schreiben. Einige Tage später dämmerte mir, welche Arbeit das bedeuten würde. So entschloss ich mich, als ersten „Testballon“ eine Broschüre über das Gemini-Programm zu schreiben. Erstaunlicherweise fanden sich dafür mehr Käufer, als ich zunächst gedacht hatte. Zwei Bücher später wagte ich mich erneut an das ursprünglich geplante Thema heran.
Vierzig Jahre europäischer Trägerraketenentwicklung lassen sich nur schwer auf wenigen Seiten zusammenfassen. Während der Recherche entschloss ich mich daher, das Thema in zwei Bänden zu behandeln. Aufgrund der unterschiedlichen technischen Konzeption und dem damit verbundenen Bruch in der Entwicklungsgeschichte sind die früheren europäischen Träger von der Diamant bis zur Ariane 4 im ersten Band behandelt. Von allen meinen Büchern steckt in diesem Band die meiste Arbeit, fast zwei Jahre habe ich recherchiert und geschrieben, obwohl ich schon über Material über die Ariane und Vega verfügte.
Dieses Buch wäre nicht ohne fremde Unterstützung zustande gekommen. Ich möchte der ESA für den Zugang zur Fotobibliothek für Professionals danken und Jürgen Klug von MT Aerospace für ausführliche Informationen zu den Ariane 5 Boostern. Martin Sippel vom DLR stellte mir Artikel und Studien über die LFBB und die VENUS-Oberstufe zur Verfügung. Thomas Jakaitis und Kevin Glinka haben sich des Manuskripts angenommen und es zur Korrektur gelesen. Michel Van hat Grafiken für dieses Buch erstellt und zur Veröffentlichung freigegeben. Alle Grafiken und Diagramme stammen von der ESA, sofern nicht anders vermerkt. Mein Dank gilt auch Mitarbeitern des DLR, die nicht namentlich genannt werden wollen. Das Raumfahrtfirmen oder -agenturen einen Buchautor unterstützen ist, wie ich bei der Recherche feststellte, durchaus nicht selbstverständlich.
Das Buch behandelt Ariane und Vega jeweils in abgeschlossenen Kapiteln. Bei den Weiterentwicklungen der Ariane werden lediglich die jeweiligen Veränderungen besprochen. Jedes Kapitel hat eine einheitliche Struktur. Die Entwicklungs- und Einsatzgeschichte bildet den Anfang, es folgt eine ausführliche Beschreibung der Technologie, und den Abschluss bilden Projektstudien.
Den Installationen in Kourou und dem Bodennetzwerk ist ein eigenes Kapitel gewidmet, welches den Ausbau des europäischen Weltraumbahnhofs CSG (Centre Spatial Guyanais) in Französisch-Guayana beschreibt. Es schließt an das gleichnamige Kapitel im ersten Band an.
Das Buch soll gleichzeitig Nachschlagewerk sein, wie auch ein Buch über die Trägerraketenentwicklung, das man „von vorne bis hinten“ durchliest. Das machte einige Kompromisse nötig. So gibt es vor allem bei der Ariane technische Besonderheiten, die nun in mehreren Kapiteln angesprochen werden: bei der Entwicklung, der technischen Beschreibung und natürlich, weil dies der Ausgangspunkt für Verbesserungen war, bei den Erweiterungen. Ich habe mich für die kurze Wiederholung entschieden anstatt Querverweise zu setzen, um es dem Leser zu erlauben nachzuschlagen, ohne hin und her blättern zu müssen.
Das Buch wendet sich an Personen, die mehr über Ariane und Vega wissen wollen, als sie in den Presseinformationen von ESA und DLR finden. Ich habe daher die Kapitel über die Grundlagen der Technologien gestrichen, da diesem Personenkreis diese wohl bekannt sind.
Von den Entwürfen der Ariane 5 liegt heute kein Bildmaterial in digitaler, hochauflösender Form vor. Sie stammen aus den achtziger Jahren aus der „Vor Internet“-Ära. Für dieses Buch musste ich daher oft auf gedruckte Dokumente zurückgreifen und diese einscannen. Ich bitte, die Qualität dieser Abbildungen zu entschuldigen. Leider gilt dies auch für sehr neue Entwicklungen, so war es sehr schwer an Diagramme und Zeichnungen der ESC-A/B und Vega zu kommen. Auch hier ist das Material leider von nur mittlerer Qualität.
In den fünf Jahren, die zwischen Auflage 1 und 2 liegen, wurde die Ariane 5 ME gestrichen und die Konzeption der Ariane 6 mehrfach geändert. Von den Vega-Ausbauplänen blieb nur die Vega C übrig. Ich habe mir überlegt diese Teile zu streichen, doch mich doch dagegen entschieden. Das Buch wäre nur wenig dünner geworden und ich denke es ist in historischer Sicht auch interessant, welche Alternativen es sonst noch gegeben hätte.
Ariane 6 ist bei der Drucklegung noch vom Critical Design Review entfernt und die Informationspolitik von Firmen, aber auch Raumfahrtagenturen hat sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. Es gibt daher von diesem Träger nur wenige Angaben. Leider war auch durch persönliche Anfragen nicht mehr zu erfahren.
Ich bin bekennender „Ariane-Fan“, und dies hat sich auch in Umfang und Stil des Buchs niedergeschlagen. Ich habe mir erlaubt bei der Ariane 5 und Ariane 6 meine persönliche Meinung zur technischen Entwicklung zum Ausdruck zu bringen.
Und nun: Attention pour le grand finale: dix, neuf, huit ….
Es existieren zu fast allen Trägerraketen schwankende technische Angaben. Diese beruhen neben Veränderungen während der Produktion vor allem auf unterschiedlichen Sichtweisen. So ist zum Beispiel manchmal unklar, ob das angegebene Leergewicht einer Raketenstufe dem Trockengewicht oder dem Gewicht nach Brennschluss (mit Treibstoffresten, Flüssigkeiten und Gasen) entspricht. Sofern es mir möglich war, habe ich dies aufgeschlüsselt.
Im weiteren habe ich mich bemüht, Zahlen über Entwicklungskosten und Startpreise zusammenzutragen. Dabei gab es jedoch zwei Probleme: wechselnde Währungsangaben (DM, Pfund, Dollar, Accounting Units) mit variablen Umrechnungskursen und die Inflation. Innerhalb der ESA wurde vor Einführung des Euro mit „Millionen Accounting Units“ gerechnet, die später in ECU umbenannt wurden. Der Umrechnungskurs dieser als „MAU“ bezeichneten Größe zur D-Mark schwankte in rund zwanzig Jahren nur wenig. Er lag zwischen 1,90 und 2,07 DM pro ECU. Eine MAU hat damit in etwa den gleichen Wert wie 1 Million Euro (1,96 Millionen DM). Der Dollar änderte seinen Wechselkurs gegenüber der D-Mark stark im Laufe der Jahrzehnte. Es lagen die Extreme im Zeitraum von 1985 bis 2001 zwischen 2,50 und 1,40 DM pro Dollar.
Es gibt in der Raumfahrt eine Reihe von Abkürzungen. Ich habe diese beim ersten Auftreten ausgeführt und verweise auf das Abkürzungsverzeichnis auf S.386.
Praktisch keine Firma, die 1988 einen Entwicklungsauftrag für ein System bekam, heißt heute noch so. Alle Firmennamen in diesem Buch geben den Stand wieder, als die jeweilige Entwicklung beschlossen wurde.
Alle Nutzlastangaben beziehen sich bei der Ariane auf den GTO-Orbit, bei der Vega auf den Referenzorbit in 700 km Höhe mit einer sonnensynchronen Bahn, also den Missionstypen, die am häufigsten bei beiden Trägern vorkommen. Bei der Ariane 5 ist die Eingabe für eine Einzelstartnutzlast. Bei Doppelstarts ist von dieser das Gewicht der Spelda oder Sylda-5 abzuziehen. Ebenfalls berücksichtigt muss der Nutzlastadapter werden. Auch er gehört zu Nutzlast. Dies kann zusammen bis zu 800 kg ausmachen.
Redaktionsschluss für technische Daten und Angaben über Programme und Projekte war der 1.8.2015.
Dieses Kapitel beschreibt die Entwicklung und Technik der Ariane 5. Die Weiterentwicklung wird in den beiden folgenden Kapiteln genauer beschrieben. Nachdem die „Evolution“ der Ariane 5 im Jahr 1995 beschlossen worden war, bekam die Ariane 5 eine neue Bezeichnung: Es wurde nun der Buchstabe „G“ als Abkürzung für „Generic“ (allgemein, gewöhnlich) angehängt, um sie von den folgenden Versionen zu unterscheiden.
Wie die Ariane 1 wurde die Ariane 5G nur wenige Male eingesetzt, um dann leistungsfähigeren Versionen zu weichen. Da der Jungfernflug der Ariane 5 in der „Evolution“ Version jedoch scheiterte, war ihr eine längere Einsatzdauer vergönnt. Dafür wurden einige Zwischenversionen, die Ariane 5 G+ und GS, eingesetzt.
Abbildung 1: Die Ariane Versionen im Größenvergleich zur Ariane 1-4 Familie
Die ersten Ideen für eine Ariane 5 gab es schon 1979, als die Entwicklung der Ariane 2 und 3 beschlossen wurde. Die damalige „Ariane 5“ war noch keine komplett neue Rakete wie die später realisierte Ariane 5. Es handelte sich um die Ariane 4 Erststufe mit einer hydrogenen Zweitstufe von 40-45 t Treibstoffzuladung und 4,65 m Durchmesser. Der Durchmesser der Nutzlastverkleidung hätte auch 4,65 m betragen, womit die Rakete kompatibel zum Nutzlastraum des Space Shuttle gewesen wäre.
Ein Triebwerk von 600 bis 800 kN Schub hätte die zweite Stufe angetrieben. Bei einem Startgewicht von 310 t hätte sie 12 t in einen erdnahen Orbit transportiert und mit der H10 Oberstufe der Ariane 3 etwa 5,5 t in den GTO-Orbit (Geosynchronos Transferorbit). Der Startpreis wäre 35% höher gelegen als bei einer Ariane 1. Pro Kilogramm beförderter Nutzlast sanken die Kosten allerdings um 56%. Der Erstflug war 1979 noch für 1990 geplant. Ihr sollte nach frühen Planungen eine teilweise wiederverwendbare Trägerrakete mit einer geflügelten ersten Stufe folgen.
Abbildung 3: Frühe Ariane 5 Entwürfe mit kryogener Oberstufe
Abbildung 4: Hermes auf Ariane 5
Aus dem Triebwerk mit 600 kN Schub wurde das HM-60, das später mehrfach im Schub gesteigert wurde und den Namen „Vulcain“ erhielt. Im Laufe der Jahre wandelten sich die Entwürfe von einer modifizierten Ariane 4 zu einer von Grund auf neuen Rakete.
Der heutige Entwurf der Ariane 5 wurde in der grundlegenden Form 1984 ausgearbeitet. An die Ariane 5 wurden zu diesem Zeitpunkt viele, teilweise widersprüchliche, Anforderungen gestellt.
Ariane 5 sollte Ariane 4 beim Transport von kommerziellen Satelliten ablösen. Dafür sollte sie über eine höhere Nutzlast verfügen: 5.200 kg im Einzelstart. Marktprognosen von Arianespace sahen voraus, dass die meisten Satelliten in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre 2.000 bis 2.800 kg wiegen würden. Ohne Steigerung der Kapazität würde Ariane keine Doppelstarts durchführen können. Diese machten die Starts auf der Ariane 4 erst preisgünstig.
Gleichzeitig sollte sie günstiger als die Ariane 4 zu produzieren sein. Der Startpreis sollte um 10% sinken, die Kosten pro Kilogramm Nutzlast sogar um 40%.
Ariane 5 sollte aber auch den Raumgleiter Hermes transportieren. Dafür musste sie 15 t in einen erdnahen Orbit transportieren. Ariane 4 war für den GTO-Transport optimiert und konnte in erdnahen Bahnen ihre Maximalnutzlast nicht ausnutzen.
Für bemannte Einsätze musste sie sehr zuverlässig sein: Nur ein Start von hundert dürfte bei bemannten Missionen fehlschlagen. Beim Einsatz einer optionalen Oberstufe (für GTO Einsätze) sollte die Zuverlässigkeit noch 1:66 betragen. Die Ariane 4 war nur für ein Verlustrisiko von 1:20 ausgelegt, erreicht wurde aber eine Zuverlässigkeit von 1:38.
Nicht zuletzt: Die europäische Industrie sollte neue Technologien entwickeln und ihre Kompetenz steigern. Das erklärt einige suboptimale Designentscheidungen, die dann bei der Weiterentwicklung von leistungsfähigeren Lösungen abgelöst wurden.
Das waren einige Herausforderungen. Insgesamt wurden 30 verschiedene Konfigurationen untersucht. Um die Produktionskosten zu senken, war bald klar, dass zwei Feststoffbooster die Rakete antreiben sollten. Auch bei der zentralen Stufe sollte nur ein Triebwerk verwendet werden, um die Kosten möglichst niedrig zu halten und das Risiko zu senken. Die Zentralstufe sollte flüssigen Wasserstoff als Treibstoff einsetzen. Das erlaubte es, mit nur zwei Stufen einen niedrigen Erdorbit zu erreichen. Für Hermes war so keine Oberstufe nötig. Ein System weniger, das ausfallen konnte. Dadurch erreichte die ESA die gewünschte hohe Zuverlässigkeit, da bei einem Hermes-Start das Vulcain-Triebwerk am Boden geprüft werden konnte, bevor die Booster gezündet wurden und die Rakete abhob. Probleme bei der Zündung sind die Ursache von vielen Fehlstarts. So entfielen zwei der fünf Fehlstarts des HM-7 Triebwerks bei Ariane 1-4 auf Probleme bei der Zündung der dritten Stufe. Bei der Ariane 5 in der Hermes Konfiguration wurde kein Triebwerk im Flug gezündet. So konnte eine hohe Zuverlässigkeit für diese Konfiguration erreicht werden.
Der Schub des Triebwerks wurde auf das notwendige Minimum beschränkt, ohne Reserven für einen Ausbau. Das machte die Entwicklung und die Produktion des Vulcain-Triebwerks preiswerter. Die Entwicklung der Ariane 5 sollte 2.000 bis 2.500 Millionen Dollar kosten.
Für GTO Missionen brauchte die Ariane 5 eine Oberstufe. Hermes-Missionen hätten hingegen keine Oberstufe eingesetzt. Der Raumgleiter Hermes hätte nach dem Abtrennen seine eigenen Triebwerke zünden müssen, um den Orbit zu erreichen. Die GTO-Oberstufe hätte auf der H10 Oberstufe der Ariane 4 basiert und kryogene Treibstoffe verwendet. Diese technisch optimale Lösung wurde 1984 noch favorisiert.
Abbildung 5: Entwurf der Ariane 5 1985 mit zwei Oberstufen
Abbildung 6: Frühe Ariane 5 Entwürfe © der Grafik: Michel Van
Im Januar 1985 kam dann der Vorschlag mit einer zweiten Oberstufe hinzu, die damals L4 (für Low Energy, 4 t Treibstoff) genannt wurde. Diese Stufe wurde in der Folge immer größer. Der allererste Entwurf der Ariane 5 hatte nur 300 kg Treibstoff in der VEB für Feinkorrekturen der Bahn vorgesehen, aber keine Oberstufe. Später folgte eine eigene Stufe mit zuerst 1 t Treibstoff (L1), die dann zur L2 und L4 wurde. Die L4 Oberstufe war zuerst für Missionen in einen sonnensynchronen Orbit (bis 800 km Höhe) gedacht. In dieser Bahn war ein frei fliegendes Labor geplant, das von Hermes regelmäßig gewartet werden sollte. Für Missionen zur Raumstation Freedom (aus der später die ISS entstehen sollte) konnte Hermes auf die L4 Stufe verzichten. Die L4 hatte ein druckgefördertes Triebwerk mit 20 kN Schub.
Der Vorschlag für das Ministertreffen in Rom im Juni 1985 sah somit zwei verschiedene Oberstufen vor. Die Booster und die Erststufe waren kürzer als beim endgültigen Entwurf. Daraus resultierte eine geringere Treibstoffzuladung. Das HM60 sollte einen Schub von 1.000 kN und eine Brenndauer von 500 s aufweisen. Die Entwicklungskosten dieser 550 t schweren Rakete wurden auf 2.600 MAU (Million Accounting Units – interne Rechnungseinheit der ESA und Vorläufer des Euro) geschätzt. Beim Ministerratstreffen wurde beschlossen, dieses Konzept weiter untersuchen zu lassen, und Mittel für Vorentwicklungen des Vulcain-Triebwerks wurden freigegeben. Über die endgültige Entwicklung der Ariane 5 sollte dann beim nächsten ESA-Konzil, drei Jahre später, entschieden werden.
Ariane 5 (1985)
P170
H120
L4
Durchmesser:
3,00 m
5,00 m
5,00 m
Höhe:
27,00 m
27,00 m
4,50 m
Treibstoff:
170 t
120 t
4,00 t
Brenndauer:
120 s
500 s
800 s
Schub:
450 t (Meereshöhe)
102 t Vakuum
20 kN (Vakuum)
Nutzlast:
5.200 kg GTO (mit L4)
8.200 kg GTO (mit H10)
11.000 kg SSO 800 km Höhe (mit L4)
15.000 kg zur ISS (ohne Oberstufe)
Die Version, die Ende 1987 dem Ministerrat vorgelegt wurde, sah dann schon eine gestreckte Hauptstufe und Boosters vor. Hermes, die wichtigste Nutzlast, wurde laufend schwerer, und die Ariane 5 musste deswegen entsprechend leistungsfähiger werden. Die kryogene Oberstufe wurde dagegen ersatzlos gestrichen. Die zweite Oberstufe nahm nun 5 t Treibstoff auf (L5). Dieser Entwurf sollte 6,8 t in den GTO-Orbit bringen und 18 t in den LEO transportieren.
Abbildung 7: Start einer Ariane © des Fotos: ESA
Geplante Aufgabenaufteilung 1985
Matra Marconi Space
VEB
Aerospatiale
Hauptauftragnehmer, Boosterentwicklung, EPC
SEP
Vulcain Triebwerk, Tests in Frankreich
Europropulsion
Boosterintegration
CNES
Bodenanlagen
DFVLR
Tests in Deutschland
MBB/ERNO
EPS Stufe Entwicklung und Integration
Dornier
Speltra
Oerlikon Contraves
Nutzlastverkleidung
Finanzposten
Millionen Accounting Units
Systemstudien und Tests
125
P170 Booster
355
H120 Stufe
270
HM60 Antrieb (inklusive Testeinrichtungen)
738
Andere Elemente der unteren beiden Stufen
95
Oberstufe + VEB
200
Bodenanlagen in Europa
80
CSG Anlagen
450
Testflüge Gesamt
185 2498
Managementkosten ESA/CNES
102
Gesamtbudget
2600
Die kleine L5 Stufe machte einen Kunstgriff möglich: Um nicht zwei Konfigurationen für GTO und Hermes Missionen erstellen zu müssen, wurde das Design der L5 so ausgelegt, dass sie innerhalb der VEB angebracht werden konnte. Die VEB gab die statischen Belastungen der Nutzlast an die Zentralstufe weiter. Das erlaubte es, für erdnahe Missionen die L5 einfach wegzulassen, und es war nur eine VEB für beide Missionstypen notwendig. Allerdings war damit die Größe der Oberstufe begrenzt. Kryogene Treibstoffe, die voluminös sind, schieden von vornherein aus.
Was daraus resultierte, war eine für LEO Missionen optimierte Rakete, die auch GTO Missionen durchführen konnte, aber mit einer deutlich geringeren Nutzlast als für eine so große Rakete üblich. Aus heutiger Sicht eine falsche Entscheidung, doch alleine für den kommerziellen Transport hätte die ESA 1987 nicht die hohen Entwicklungskosten für Ariane 5 beim Ministerrat genehmigt bekommen. Der Erfolg, den später Ariane 4 haben sollte, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorauszusehen.
Gerade Hermes machte jedoch Probleme: Sein Startgewicht stieg sehr rasch von 17 auf 23 t. Das machte es nötig, die Nutzlast der Ariane 5 weiter zu steigern. So wurden die Stufen nochmals vergrößert, bis 1990 das Design weitgehend eingefroren wurde, siehe folgende Tabelle.
Ariane (1990)
P230
H155
L5
VEB
Nutzlastverkleidung
Durchmesser:
3,0 m
5,4 m
5,4 m
5,4 m
5,4 m
Höhe:
30 m
30 m
4,5 m
2,2 m
11 / 20,5 m
Startgewicht:
269 t
170 t
6,0 t
1,1 t
1,4 / 2,4 t
Treibstoff:
230 t
130 t LOX + 25 t LH2
3,5 t NTO + 1,7 t MMH
0,06 t Hydrazin
Brenndauer:
125 s
615 s
800 s
Schub:
750 t (max), 5.703 kN beim Start 375 t (min)
90 t Meereshöhe 104 t Vakuum
20 kN (Vakuum)
Spezifischer Impuls:
2479 m/s (Meeres- höhe)
3883 m/s (Meeres- höhe) 4126 m/s (Mittel) 4218 m/s (Vakuum)
3316 m/s (Vakuum)
Die Nutzlast von 21 t (LEO) beziehungsweise 6,92 t (GTO) entsprach schon derjenigen der Ariane 5G. Es gab dann noch zwei kleinere Änderungen, welche die Oberstufe und VEB betrafen. Die VEB war nicht so leichtgewichtig zu produzieren, wie dies angenommen worden war. Sie wog 1,5 statt 1,1 t. Dies machte ein Anheben der Treibstoffmenge der Oberstufe auf 7 t notwendig. Trotzdem sank die Nutzlast auf 6.290 kg in den GTO.
Die letzte Entscheidung, welche zu einer Revision führte, war eine veränderte Aufstiegsbahn. Bisher war diese auf minimalen Treibstoffverbrauch optimiert. Dies führte dazu, dass die EPC bei GTO Missionen einen niedrigen Erdorbit erreichte. Die ESA beschloss aber, dass die EPC keinen Orbit erreichen sollte, um die Bildung von Weltraummüll zu vermeiden. Das führte zu einer neuen, ballistischen Aufstiegsbahn, bei der die EPC nach einem halben Erdumlauf wieder in die Atmosphäre eintritt. Diese suborbitale Bahn war allerdings energetisch ungünstiger. Dies führte dazu, dass die L7 nochmals 2,5 t mehr Treibstoff aufnehmen und der Schub des Triebwerks von 20 auf 27,8 kN angehoben werden musste. Damit stand Mitte 1991 die endgültige Version fest. Kurz danach wurde im November 1992 Hermes endgültig gestrichen: Er war zu schwer und zu teuer geworden.
Die folgenden Tabellen zeigen die Evolution des Konzepts, das geplante Finanzvolumen, die Beteiligung der Länder und die Aufteilung der Aufgaben.
1985 Planung
1990 Planung
Ariane 5 beim Jungfernflug
Treibstoff Booster
170 t
230 t
238 t
Treibstoff Zentralstufe
120 t
155 t
158 t
Treibstoff Oberstufe
4 t
5,2 t
9,7 t
VEB
?
1,1 t
1,5 t
Nutzlast (GTO
5,2 t
6,92 t
6,8 t
Startgewicht
550 t
722 t
746 t
Land
Anteil
Hauptanteil
Frankreich
44,7%
EPC Stufe, EAP Düsen, Vulcain Triebwerk, Bodenanlagen
Deutschland
22%
Boostergehäuse, EPS Stufe, Vulcain Brennkammer, Speltra
Italien
15%
Füllung der Booster, Boosterintegration, Düse Booster
Belgien
6%
Spanien
3%
VEB Struktur, Speltra
Niederlande
2,1%
Fallschirmsystem Booster
Schweden
2%
LOX Turbopumpen Vulcain, Bordcomputer
Schweiz
2%
Nutzlastverkleidung
Österreich, Irland, Norwegen, Dänemark
< 1%
Programmkosten (Schätzung 1985)
Programm
Kosten [MAU] (entsprechend Millionen Euro)
Systemarbeiten
216
EAP Booster
819
EPC Hauptstufe
964
EPS-Oberstufe
732
Industrie
234
Management
212
Bodenanlagen
566
2 Qualifikationsflüge
266
Gesamt
4.144
Abbildung 8: Explosionsschaubild der Ariane 1988
Abbildung 9: Verantwortliche für die Subsysteme (1988)
Nach den Definitionsstudien für den neuen Träger beschloss die ESA bei der Ministerratstagung am 31.1.1985 in Rom zuerst ein Vorbereitungsprogramm für die Ariane 5. Dieses freiwillige Programm (Mitgliedstaaten können teilnehmen, müssen aber nicht) umfasste in einem ersten Schritt bis Dezember 1987 technologische Vorentwicklungen für die kritischen Systeme des neuen Trägers. Dies betraf vor allem Arbeiten an den Turbopumpen des HM-60 Triebwerks, aber auch den Ausbau bestehender Teststände. Dieses Vorbereitungsprogramm, wie auch die Revision des Konzeptes, verlief ohne Probleme, und so konnte die nächste Konferenz im Dezember 1987 über das eigentliche Programm beschließen.
Die geschätzten Kosten lagen nun bei 3.496 MAU auf der Preisbasis von 1986. Dazu kamen noch die schon ausgegebenen 616 MAU für das Vorbereitungsprogramm. So betrugen die gesamten Entwicklungskosten 4.114 MAU. Der Erststart war für Anfang 1995 und der erste kommerzielle Einsatz nach zwei Qualifikationsflügen 1996 vorgesehen. Obwohl die Kosten deutlich höher lagen als die noch 1985 veranschlagten 2.600 MAU, bekam Ariane 5 als einziges der drei großen neu beschlossenen Programme (die anderen waren Columbus und Hermes) die Rückendeckung aller Mitgliedsstaaten und wurde einstimmig beschlossen. Die Mehrkosten waren vor allem auf die Anpassung an Hermes zurückzuführen. Sie führten zur Vergrößerung der Booster und der Zentralstufe.
10. Abbildung: Die Subversionen der Ariane 5 © der Grafik EADS Astrium LV
Die ersten Tests fanden mit dem Haupttriebwerk statt, dass von HM60 (Hydrogen Motor, 60 t Schub) in „Vulcain“ umbenannt wurde. Ende 1988 wurde der Teststand PF50 in Vernon und im Herbst 1990 der Teststand P5 in Lampoldshausen fertiggestellt. 1988 erfolgte auch der erste Test eines Subsystems des Vulcain, nämlich der des Gasgenerators. Im November 1988 erfolgte auch der erste Test einer Turbopumpe über 1200 s, also doppelt so lang wie die spätere nominelle Betriebszeit. Es folgte am 5. Juli 1990 der erste Test eines kompletten Vulcain Triebwerks. Schon ein Jahr später, am 13.7.1991, lief es erstmals über die volle Betriebszeit von 600 s, damals allerdings noch mit 100 Bar Brennkammerdruck und rund 1.070 kN Schub, doch eine Schuberhöhung auf 1.140 kN war schon beschlossen und innerhalb der Entwicklungszeit auch möglich.
Bis Ende 1991 waren schon 69 Tests erfolgt, drei davon über die nominelle Brenndauer. Die akkumulierte Gesamtzeit betrug nun bereits 5.176 s. Mitte 1992 stand die endgültige Konfiguration fest: Die zwei wesentlichen Änderungen waren eine deutlich größere Oberstufe und die Schubsteigerung beim Vulcain-Triebwerk durch Erhöhung des Brennkammerdrucks.
Obwohl das Vulcain-Triebwerk als die größte technologische Herausforderung galt, verlief seine Erprobung unproblematisch. Als die Tests beendet wurden, hatten 13 Testtriebwerke insgesamt 278 Testläufe mit einer akkumulierten Gesamtbetriebszeit von 87.000 s (entsprechend 145 Missionen) absolviert. Einige Exemplare waren insgesamt 10.000 s lang gelaufen.
Ganz anders verlief die Erprobung der Booster. Die Tests von Boostern sind aufwendiger, und aufgrund ihrer Konstruktion kann jedes Gehäuse auch nur für einen Test verwendet werden. Für jeden Probelauf ist daher ein eigener Booster nötig. Es gab daher neben statischen Tests der Hüllen bis zum Bersten (am 18.7.1991) nur sieben Zündungen des ganzen Boosters. Ursprünglich waren zehn geplant, die Zahl wurde dann aber reduziert. Aufgrund der dabei frei werdenden Verbrennungsprodukte (die unter anderem auch Salzsäure enthalten) sind Tests der ganzen Booster nur in Französisch-Guyana möglich. Die ersten beiden Tests fanden mit verstärkter Boosterhülle statt („Battleship“ oder B-Konfiguration), die folgenden drei in der Flugkonfiguration (M-Konfiguration) und die beiden Letzten in derselben Konfiguration wie bei den Qualifikationsflügen (Q-Konfiguration).
Verzögerungen bei der Herstellung des Thermalschutzes der Booster beim Hersteller führten schon frühzeitig zur Verschiebung des ersten Tests B1 vom Oktober 1991 auf März 1992. Als dann der erste Booster in der Fabrik in Guayana mit Treibstoff gefüllt wurde, stellte sich heraus, dass der Treibsatz stellenweise noch zähflüssig und nicht ausgehärtet war. Eine Untersuchungskommission wurde eingesetzt. Sie stellte fest, dass ein Ventil zu wenig Binder in einen der zehn Rührer beförderte und so der Treibstoff nicht vollständig aushärten konnte. Diese relativ einfache Ursache führte zu einer weiteren Verzögerung um sechs Monate, sodass erst im Februar 1992 der Test B1 durchgeführt werden konnte. Anders als die Space Shuttle-Booster werden die Booster in Kourou in vertikaler Position, also in derselben Position wie beim Start getestet. Die Aussagekraft der Tests ist dadurch höher, da die Belastungen vergleichbar zum Flug sind. Nach den Tests hatten die Flammen einige Meter massiven Fels unter den Testständen buchstäblich verdampft.
Auch wenn die folgenden Erprobungen der Booster ohne Probleme verliefen und mit den beiden Qualifikationstests am 10.3.1995 und 21.7.1995 abgeschlossen wurden, war durch die Verzögerung der Zeitplan Makulatur, und der Erstflug wurde schon Ende 1991 auf Oktober/November 1995 verschoben. Gleichzeitig stiegen die Kosten an. Schon Anfang 1993 war eine Kostenüberschreitung von 10% offensichtlich, und eine Kostenüberschreitung von 20% – der Marke, ab der die einzelnen Staaten zum Ausstieg aus dem Programm berechtigt waren – erschien nicht mehr unmöglich.
Nach den Tests des Vulcain-Triebwerks alleine fanden die Tests der kompletten EPC-Stufe statt, auch hier zuerst mit einer verstärkten Struktur (Battleship-Konfiguration). Am 5.9.1994 fand die erste Erprobung der EPC statt. Die Tests der Flugkonfiguration begannen am 16.6.1995 mit einem Testlauf der MQ-Konfiguration über die volle Betriebszeit von 590 s. Dabei wurden die Feststoffbooster durch Gewichte mit derselben Gewichtsverteilung ersetzt. Ein Dutzend Zündungen der kompletten EPC folgten in den nächsten zwei Monaten.
Im Dezember 1992 lief das Aestus-Triebwerk erstmals über 1.380 s – mehr als die nominelle Missionsdauer, gefolgt vom ersten Test im Vakuum im selben Monat. Insgesamt hatte das Aestus-Triebwerk 12.000 s Betriebszeit vor dem Jungfernflug akkumuliert, was rund 11 Flügen entsprach. Es fanden zwar bedingt durch die geringeren technischen Herausforderungen weniger Tests als beim Vulcain-Triebwerk statt, jedoch waren sie aufwendiger. Da das Aestus-Triebwerk im Weltraum im Hochvakuum bei einem Druck von 10-4 Pa gezündet wird, waren realitätsnahe Simulationen nur im Höhenbetriebsteststand P4.2 in Lampoldshausen möglich. Die Zündung erfolgte im (fast) Vakuum bei 200 Pa Druck, und während des Betriebs wurden die Abgase durch Turbinen abgesaugt und ein Vakuum von 500 Pa aufrecht erhalten. Zum Vergleich: Der mittlere Luftdruck auf Meereshöhe liegt bei 100.130 Pa.
Die EPS / VEB Erprobung verlief ohne Auffälligkeiten. Da die EPS innerhalb der VEB befestigt wurde, fanden immer kombinierte Tests einer VEB mit einer EPS-Stufe statt. Nach Strukturtests folgten elektromagnetische Unverträglichkeitsprüfungen untereinander und mit der EPC-Elektronik. Sehr spät begannen die Tests der kompletten EPS-Oberstufe, die erstmals am 4.10.1994 erprobt wurde. Das Erprobungsprogramm der EPS-Oberstufe konnte schon am 27. Juli 1995 abgeschlossen werden. Die erste Produktionsstufe flog nun am 29.11.1995 für die Vorbereitungskampagne für den Jungfernflug nach Kourou.
Neue Verzögerungen gab es von anderer Stelle. Tests der pyrotechnischen Abtrennung von Nutzlasthülle, Oberstufe und Speltra ergaben sehr hohe Schallbelastungen mit Spitzenwerten oberhalb der zulässigen Werte in einigen Frequenzbereichen. Sie führten zu einer Modifikation der Nutzlasthülle, in die Schallabsorber eingebaut wurden. Der Erststart musste erneut verschoben werden: Er rutschte nun auf Mai/Juni 1996.
Die Kosten waren inzwischen auch deutlich angestiegen, bedingt vor allem durch die Programmverzögerungen. 1990 lagen sie noch bei 3.694 Millionen AU im Wert von 1986 (4.371 im Wert von 1990, ein kleiner Anstieg von 5,7% aufgrund technischer Änderungen), stiegen dann aber an und überschritten die Sicherheitsgrenze von 20%, die vorgesehen war. 1994 erreichten sie 5.150 MAU. Die gesamten Entwicklungskosten lagen schließlich vor dem Erststart bei 5.790 Millionen MAU, allerdings in realen Einheiten und nicht auf dem Wert von 1987. Sie sollten auch danach durch den gescheiterten Jungfernflug weiter ansteigen.
System
Verantwortlichkeiten (1995)
Feststoffbooster
Aerospatiale (Hauptkontraktor), Europropulsion (Befüllung) SEP (Düsen), MAN (Boosterhülsen), BPD (Treibstoff, Zünder, Thermalschutz)
Zentralstufe
Aerospatiale (Hauptkontraktor), SEP (Antrieb), Air Liquide (Tanks)
EPS-Oberstufe
DASA (Hauptkontraktor, Integration, Antriebssystem) CASA (Struktur), MAN (Tanks)
VEB
Matra Marconi Space (Hauptkontraktor) CASA (Struktur), DASA (Antriebssystem), SAAB Ericsson (Computer)
Nutzlastverkleidung
Oerlikon-Contraves (Hauptkontraktor, Struktur) Aerospatiale (Pyrotechnik), DASA/Dornier (Helmholz-Absorber)
SPELTRA + Sylda
DASA/Dornier (Hauptkontraktor, Struktur), Aerospatiale (Pyrotechnik)
Bodenanlagen
Fiat-Regulus (UPG-Treibstofffabrik), MAN (mobiler Starttisch)
Mit dem europäischen Space Shuttle Hermes sollte Europa einen eigenständigen, bemannten Zugang zum Weltraum erhalten. Er war die wichtigste Nutzlast für Ariane 5. Gleichzeitig sollte Ariane 5 auch ein preiswerter Träger für geostationäre Transporte werden. Diese beiden Forderungen unter einen Hut zu bringen, war nicht einfach. Mitte der achtziger Jahre war die Zeit vorbei, bei der eine schon verfügbare Trägerrakete eine Kapsel in den Orbit transportierte. Sowohl die Saturn wie auch das Space Shuttle waren speziell als bemannte Systeme entwickelt worden und besonders zuverlässige, aber auch teure Träger. Die ESA löste das Dilemma, dass Ariane 5 kommerziell erfolgreich und trotzdem sicher sein musste, indem sie zwei Konfigurationen der Ariane 5 entwickelte:
Zum einen die Ariane 5 mit der EPS-Oberstufe: Sie sollte schon eine sehr hohe Sicherheit aufweisen. Dies resultiert aus den wenigen Triebwerken und dem Startkonzept: Das Vulcain wird vor den Boostern gezündet und geprüft, analog den Space Shuttle-Haupttriebwerken. Feststoffbooster gelten als sehr zuverlässig. Dadurch sollte die Zuverlässigkeit der Ariane 5 Basiskonfiguration sehr hoch sein.
Hermes ersetzt dann bei bemannten Flügen die Oberstufe und die VEB. Er steuert direkt die Rakete und kann sich bei einer Fehlfunktion rechtzeitig abtrennen. Dafür verfügt Hermes über eine eigene Antriebsstufe. Sie wird auch aktiv, wenn Hermes in 110 km Höhe von der Ariane 5 abgetrennt wird und befördert ihn in seinen Orbit.
Geplant war der erste Flug von Hermes für den fünften Ariane 5 Flug im Jahr 1998. Eine Flugrate von zwei Starts pro Jahr war vorgesehen. Jeder Gleiter sollte dreißigmal über einen Zeitraum von 15 Jahren eingesetzt werden können. Die Ariane 5 für Hermes wäre in den ersten beiden Stufen identisch zur Version für Satellitentransporte gewesen. Es darf aber davon ausgegangen werden, dass bei dieser Version wesentlich strengere und ausführlichere Überprüfungen während der Produktion erfolgt wären. Auch sollte eine Startkampagne doppelt so lange dauern, wie bei einem Satellitentransport. Das machte, um die kommerziellen Flüge nicht zu beeinträchtigen, eine zweite Startrampe nötig. Aufgrund der Kostensteigerungen beim Entwicklungsprogramm verschob die ESA die Entscheidung für eine zweite Startrampe für ELA 3, bis der Jungfernflug von Hermes anstehen würde.
Vorstudien für Hermes gab es seit 1985. Frankreich wollte diese Raumfähre bauen und musste vor allem bei Deutschland Überzeugungsarbeit leisten, das mit zwei Großprojekten – Ariane und Columbus – genügend teure Vorhaben bei der ESA sah. 1985 sollte Hermes noch 2.000 Millionen Euro kosten.
Hermes 1985
Gleiter:
17,90 m Länge, 10,20 m Spannweite
17.000 kg Startgewicht
40 Tage Betriebsdauer (erweiterbar auf 90 Tage). Besatzung 4-6 Personen
Nutzlastraum: 3 m Durchmesser, 5 m Länge, 4.550 kg Nutzlast
Antriebssystem:
1 × 20 kN Schub
Landung:
2.500 km Querreichweite, 260 km/h Landegeschwindigkeit
Umlaufbahn:
400 km (17.000 kg Startgewicht) – 800 km Höhe (13.000 kg Startgewicht)
Hermes übernahm in der Konzeption Lehren vom Space Shuttle, so war der Hitzeschutzschild fest angebracht, statt geklebt. Er sollte aus einem Kohlenstoff-Keramikmaterialmix in Honigwabenbauweise bestehen, besonders beanspruchte Stellen aus Kohlenstoff oder Verbundwerkstoffen. Die Oberseite sollte mit Glasfasermatten geschützt werden. Die besonders exponierten Triebwerksdüsen sollten aus einer hochtemperaturfesten Legierung bestehen. Die Raumfähre unterschied sich in der Form vom Space Shuttle und war gedrungener mit einer kleineren Flügelspannweite (im Verhältnis zum Rumpf). Sie verarbeitete die Erfahrungen, welche die NASA mit dem experimentellen X-20 Versuchsflugzeug gewonnen hatte. Der Gleiter sollte durch die Flügel auch eine hohe Querreichweite von 2.000 – 2.500 km aufweisen.
Die Besatzung gelangte in die Nutzlastbucht, die nicht unter Druck stand, durch eine Luftschleuse. Hermes sollte eine Besatzung von bis zu sechs Personen aufnehmen. Davon waren zwei der Pilot und Copilot. Bei eigenständigen Forschungsmissionen kamen noch ein bis zwei Missionsspezialisten hinzu. Bei Versorgungsmissionen zur Raumstation Freedom konnte die Besatzung bis auf sechs ansteigen. Sein Einsatzspektrum war größer als beim Space Shuttle: Er sollte bis zu 30 Tage autonom im All verbleiben können oder 90 Tage angedockt an eine Raumstation. Der Gleiter hätte eine Bahn von bis zu 800 km Höhe zur Versorgung der polaren Plattform erreichen können.
Jeder Orbiter sollte drei Monate nach der Landung erneut starten. In einem ersten Schritt war die Produktion von zwei Gleitern geplant.
Bei einem Flugabbruch bis 84 s nach dem Start (eine Abtrennung während des Betriebs der Feststoffbooster war vorgesehen!) wäre Hermes auf einer Landebahn in Kourou notgelandet. Bis 360 s nach dem Start wäre er im Atlantik notgewassert und von einem Bergungsschiff geborgen worden. Danach hätte er eine suborbitale Bahn durchflogen und wäre in Frankreich gelandet. Dort war auch der reguläre Landeplatz bei einer Mission vorgesehen. Nach einer Überholung in Europa hätte ein Airbus 300 den Raumgleiter huckepack nach Französisch-Guyana gebracht. Die Startkampagne sollte mit 40 Tagen fast doppelt so lange wie bei der Ariane 5 (22 Tage) dauern.
Die jährlichen Kosten für zwei Flüge wurden damals mit nur 220 MAU angesetzt, ein Dritter sollte sogar nur 80 MAU kosten; als aber die Ariane 5 operationell wurde, kostete schon die Produktion der Trägerrakete mehr. Die Zuverlässigkeit (Rettung der Besatzung) wurde mit 0,9999 angegeben – verglichen mit 0,99 für eine Ariane 5.
Die Konfiguration von Hermes veränderte sich stark während der Entwicklung. Gravierende Änderungen nach der Explosion der Challenger machten den Gleiter deutlich schwerer. Schon 1986 war Hermes 3 t schwerer geworden und die ESA fing an, als Folge die Ariane 5 zu verstärken. So nahm die EPC nun 140 statt 120 t Treibstoff auf, und das Vulcain-Triebwerk sollte 600 s anstatt 500 s lang brennen. Der Schub des Vulcain wurde um 10% erhöht. Auch jeder Booster erhielt 20 t mehr Treibstoff (190 statt 170 t). Alles zusammen erhöhte die Nutzlast von 15 auf 16,7 t. Hermes war immer schwerer als die nominelle Nutzlast, da die VEB entfiel, und er nur auf einer suborbitalen Bahn ausgesetzt worden wäre. Er hätte diese mit eigenen Triebwerken anheben müssen. Dafür wurde nun ein zweites Triebwerk beim Gleiter notwendig.
Den Hauptteil des Zusatzgewichtes machten vier Feststofftriebwerke mit je 160 kN Schub aus, welche den Raumgleiter im Falle einer Fehlfunktion der Ariane 5 abtrennen sollten. Sie mussten so schubstark sein, damit dies auch möglich gewesen wäre, während die Feststoffbooster noch arbeiteten. Da diese Triebwerke an der Basis des Gleiters, am Adapter zur Ariane, befestigt worden wären, entsprachen sie totem Gewicht, das mit in den Orbit transportiert werden musste. Bei einer Kapsel hätte ein Fluchtturm nach der Abtrennung der Feststoffbooster abgetrennt werden können. Das Vulcain-Triebwerk hätte abgeschaltet werden können und die beiden eigenen Triebwerke des Gleiters hätten ausgereicht, um den Gleiter abzutrennen. Neben dem Zusatzgewicht für die Triebwerke zur Abtrennung des Gleiters machte es diesen selbst auch schwerer, da nun die Struktur für eine Spitzenbelastung von 10 g in Längsrichtung ausgelegt werden musste.
Erst im Mai 1987 wurde Hermes endgültig von der ESA beschlossen. Deutschland hatte lange gezögert, bis der Entschluss fiel, sich an dem Projekt zu beteiligen. Die Entwicklungsphase B wurde damals zwar offiziell abgeschlossen, trotzdem wurde das Konzept substanziell weiter verändert. Zu diesem Zeitpunkt wurden die Entwicklungskosten schon auf 4.250 Millionen Dollar (4.490 Millionen MAU oder 9.294 Millionen DM) geschätzt, und der Erstflug war von 1995 auf 1998 gerutscht. Er wäre unbemannt erfolgt: Wie die russische Raumfähre Buran sollte Hermes auch unbemannt eingesetzt werden können.
Hermes Beteiligung 1987 für die Phase C1
Frankreich:
42,65%
Deutschland:
26,70%
Italien
12,47%
Belgien:
5,86%
Spanien:
4,45%
Niederlande:
2,40%
Schweiz:
1,98%
Österreich:
0,50%
Dänemark:
0,45%
Kanada:
0,45%
Norwegen:
0,26%
Der Hauptkontraktor für die Entwicklung des Gleiters war Aerospatiale. Dassault fertigte den Hochtemperaturthermalschutz und das Flugkontrollsystem, Matra die Elektronik, ANT die Antennen, MBB das Antriebssystem, Dornier die Brennstoffzellen und das Umweltkontrollsystem, ETCA die Stromversorgung und Aeritalia den Niedrigtemperaturhitzeschutzschild.
Zu diesem Zeitpunkt war die Crew auf drei Personen und die Nutzlast auf 3.000 kg reduziert worden. Die Raumfähre wog nun schon 24 t mit und 21 t ohne Nutzlast. Trotz einer weiteren Vergrößerung der Ariane 5 (auf 230 t Treibstoff in den Feststoffbooster und 155 t Treibstoff in der kryogenen Hauptstufe) war dies zu schwer für die Ariane 5, doch deren Design wurde nun eingefroren. Hermes sollte erst mit einer leistungsgesteigerten Version der Ariane 5 in den Orbit gelangen. 1996 sollten Gleittests von einem Airbus A-320 aus folgen. Ein erster Flug war nun für 1998/99 geplant, gefolgt von einem bemannten Einsatz ab dem Jahr 2000.
Das Hauptproblem bei der Entwicklung war weniger das Gewicht, als die durch das Gewicht resultierende thermische Belastung beim Wiedereintritt. Die Spitzentemperaturen waren von 1.600 auf 1.820 °C geklettert, deutlich höher als die 1.648 °C, die beim Space Shuttle erreicht werden. Das führte zu einer Revision des Konzeptes: Der Gleiter wurde verkleinert, und die Nutzlastbucht entfiel nun. Die Nutzlast sollte in einem angekoppelten Ressourcenmodul transportiert werden. Direkt hinter dem Raumgleiter befand sich das Antriebsmodul mit zwei Aestus-Triebwerken. Es beförderte den Gleiter in den Orbit und deorbitierte ihn. Geplant war später eine Integration des Antriebsmoduls in die Ariane 5 für höhere Nutzlasten in einen erdnahen Orbit.
Das Ressourcenmodul war mit dem Raumgleiter über ein Docking-Modul verbunden. Dies erlaubte es, bei einem Einsatz zur Raumstation Freedom (der späteren ISS) oder dem freilegenden Labor das Ressourcenmodul wegzulassen. Das Antriebsmodul wurde abgetrennt, nachdem der Orbit erreicht war. Die Feinkorrekturen und das Deorbitieren wurden von den Triebwerken im Ressourcenmodul durchgeführt. Die Besatzung gelangte durch eine Luftschleuse und einen 1,28 m weiten Tunnel im Docking-Modul in das Ressourcenmodul. Am Ressourcenmodul war ein fernbedienbarer Roboterarm (HERA – Hermes Robotic Arm) angebracht. Eine ausrichtbare Parabolantenne sollte den Funkkontakt mit einem amerikanischen TDRS-Satelliten aufnehmen. Ein damals geplanter europäischer Datenrelaysatellit (DRS) hätte es erlaubt, über 70%, statt nur 30% der Umlaufszeit mit der Besatzung zu kommunizieren.
Von diesen vier Komponenten überlebte nur der Raumgleiter die Mission. Der Rest wurde nach dem Start oder vor der Rückkehr abgetrennt und verglühte beim Wiedereintritt.
Die schweren Raketentriebwerke für die Abtrennung des Orbiters von der Ariane wurden nun wieder gestrichen, und die ESA dachte nun an Schleudersitze oder einen Fluchtturm auf dem Gleiter, der nur die Crewkabine abgetrennt hätte. Das 400 Millionen Dollar teure System zur Abtrennung der Crewkabine war das Erste, was gestrichen wurde, und so bekam Hermes nur 200 kg schwere Schleudersitze, die bis in eine Höhe von 22-29 km und einer Geschwindigkeit von Mach 3 eingesetzt werden konnten. Sie sollten lediglich 50 Millionen Dollar kosten und auf verfügbaren Schleudersitzen für Militärflugzeuge basieren.
Abbildung 11: Konzeption von Hermes 1989: Raumgleiter, Antriebsmodul und Ressourcenmodul mit Roboterarm © der Grafik: FlightGlobal.com
Es erwies sich, als die L5 Stufe der Ariane 5 vergrößert werden musste, um die EPC zu deorbitieren, auch nicht mehr als nötig, ein eigenes Antriebsmodul einzuführen. Stattdessen sollte nun eine Ariane 5 mit VEB und EPS Stufe den Euroshuttle in den Orbit bringen. Die Treibstofftanks wurden nun vom Ressourcenmodul wieder in den Orbiter transferiert und ein größerer Teil seiner Struktur sollte aus Aluminium statt Titan oder anderen hoch beanspruchbaren Legierungen bestehen, um den Kostenanstieg zu begrenzen, was aber nicht gelang.
Hermes 1989
Startgewicht:
23.900 kg
Davon Nutzlast:
3.000 kg
Hermes Raumgleiter:
12,70 m Länge, 9,00 m Spannweite, 5,40 m Rumpfdurchmesser:
15.000 kg Gewicht
Ressourcenmodul:
8,00 m Länge, 6.000 kg Gewicht
32 Triebwerke von 20 und 400 N Schub
Antriebsmodul:
1,00 m Länge, 2.000 kg Gewicht
2 Triebwerke Aestus mit je 27,5 kN Schub
720 kg Treibstoff in vier Tanks
Schon 1990 wollte Deutschland aus dem Projekt aussteigen, weil die Kosten weiter anstiegen. Sie betrugen nun schon 7.320 Millionen MAU, 23% mehr aufgrund technischer Probleme und weitere 17% aufgrund einer Verlängerung des Programms um vier Jahre. Das Problem war, dass die damalige Konzeption der europäischen Beteiligung an der Raumstation Alpha (der späteren ISS) zwei eigenständige Projekte beinhaltete. Neben dem permanenten Labor Columbus waren auch ein von Hermes besuchtes, frei fliegendes Labor und eine unbemannte, polare Plattform vorgesehen, auf der Astronauten regelmäßig Experimente austauschen sollten. Würde Hermes gestrichen, so müssten auch diese Projekte eingestellt werden.
Im Februar 1991 wurde endlich das Design von Hermes eingefroren. Er war inzwischen so schwer, dass auch das Ressourcenmodul gestrichen werden musste. Es verblieben das Kopplungsmodul, das nun auch eine Ankopplung an die Mir erlauben sollte und der eigentliche Raumgleiter. Ein Ressourcenmodul müsste separat gestartet werden. Das Kopplungsmodul sollte vor dem Wiedereintritt abgetrennt werden und würde jeweils verloren gehen.
Der Übergang auf Aluminium in der Rumpfstruktur anstelle von Titan oder Kohlefaserverbundwerkstoffen erhöhte das Gewicht um 250 kg. Der Thermalschutz sollte nun aus Siliziumcarbid, Carbon-Carbon-Siliziumdioxid oder Quarzkacheln bestehen. Sie mussten bis zu 1.900°C aushalten können.
Hermes 1991
Startgewicht:
24.500 kg, davon 22.000 kg für Hermes
Davon Nutzlast:
2.722 kg / 1.500 kg zurück zur Erde
Hermes Raumgleiter:
12,70 m Länge, 9,00 m Spannweite, 5,40 m Rumpfdurchmesser:
16.700 kg Startgewicht, 16.000 kg Landgewicht.
3 Mann Besatzung
Docking Modul:
4.700 kg
1991 stand das nächste ESA-Ministerratstreffen in München an. Die Programmkosten von Hermes wurden nun auf 7.663 Millionen Dollar geschätzt. 1.500 Personen arbeiteten an dem Gleiter, eine Zahl, die sich bis auf 5.000 erhöhen sollte. Nun kamen neben 1.330 Millionen Dollar an zusätzlichen Kosten für Hermes auch noch 666 Millionen Dollar für ein Upgrade der Ariane 5 hinzu, um den Raumgleiter transportieren zu können.
Ariane 5 hätte maximal 22,2 t in die Transferbahn transportieren können – das war gerade mal Hermes ohne jede Nutzlast. Alles zusammen war das Hermes-Projekt inzwischen 40,5% teuer als geplant, davon 23% alleine deswegen, weil der Zeitplan immer weiter nach hinten rutschte: Der Erstflug war nun für 2002 vorgesehen, der erste bemannte Einsatz für 2003. Das war zu viel für die Minister, und so wurde Hermes fast vollständig eingestellt.
Abbildung 12: Hermes, angedockt an das Free Flying Lab, Konzept 1990
Der Rat beschloss, in einem „Hermes X-2000“ Programm zusammen mit Russland zu untersuchen, wie die Kosten um mindestens 20% gesenkt werden könnten. Bis dahin sollte die Arbeit an Hermes eingestellt werden. Dieses Programm sollte bis 1998 nur noch 1,9-2,3 Milliarden Dollar kosten. Schon ein Jahr später wurde aber auch dieses Programm eingestellt. Dies war das Ende der europäischen Pläne für einen eigenen Raumgleiter.
Abbildung 13: Querschnitt durch die letzte Konzeption von Hermes 1991
Abbildung 14: Explosion der Ariane 5 beim Jungfernflug
Am 4.6.1996 stand schließlich nach zahlreichen Verzögerungen der Erste von zwei Qualifikationsflügen der Ariane 5 an. Die ESA war so sicher, dass dieser erste Start klappen würde, dass sie nicht eine Technologienutzlast, sondern die vier Flugexemplare der Cluster-Forschungssatelliten im Werte von 450 Millionen DM als Nutzlast wählte. Schließlich war dieser Qualifikationsflug umsonst. Die Startkampagne von Flug 501 dauerte deutlich länger als bei den folgenden operationellen Flügen, wo sie 22 Tage umfassen sollte. Nach der Anlieferung der einzelnen Stufen im Februar 1996 begann sie am 4.3.1996 mit dem Ziel eines Starts am 15.5.1996. Verzögerungen und die Vermeidung der terminlichen Kollision mit Startvorbereitungen von Ariane 4 Starts führten schließlich zu einer stufenweisen Verschiebung des Starttermins auf den 4.6.1996.
Nach einem perfekten Start begann die Rakete 37 s nach dem Flug um die Längsachse zu kippen, und 40 s nach dem Start brach die Nutzlastspitze ab. Danach wurde die Rakete vom Selbstzerstörungssystem gesprengt, als die elektrischen Leitungen zwischen der VEB und der EPC rissen.
Sehr bald nach dem Unglück, eigentlich schon am gleichen Tag, stand nach einer ersten Auswertung der Telemetrie fest, dass die Ariane 5 sich selbst gesprengt hatte, nachdem die Düsen der Feststofftriebwerke und des Haupttriebwerks von einem Moment zum anderen vom Bordcomputer abrupt geschwenkt wurden. Weshalb aber dieser Wechsel? Bisher lag Ariane 5 perfekt auf Kurs!
Eine Untersuchungskommission wurde angesetzt, und sie konnte folgende Ursache feststellen und sie einer verblüfften Öffentlichkeit präsentieren.
Die Ursache des Manövers lag im Trägheitsnavigationssystem SRI (Systeme Reference Inertial: Referenzsystem für die Position im Raum), das die Ariane 5 aus Kostengründen von der Ariane 4 übernommen hatte. Das SRI liefert dem Bordcomputer die Daten über die räumliche Ausrichtung der Rakete, ihre Position im Raum und Geschwindigkeit. Diese Daten benötigt der Bordcomputer zur Berechnung, ob die Rakete auf dem vorgegebenen Kurs ist.
Genauer gesagt ging es um ein kleines Modul der Software des SRI. Die Software des SRI musste auch für den Fall gewappnet sein, dass ein Countdown noch in den letzten Sekunden vor dem Abheben abgebrochen wird, da bei der Ariane 4 eine Dreiviertelstunde für das Ausrichten der Inertialplattform benötigt wurde. Sie wurde daher erst 9 s vor dem Start freigegeben. Für den Fall, dass ein Countdown nach diesem Zeitpunkt abgebrochen wird (einmal bei V33 im Jahre 1989 geschehen, als die schon laufenden Triebwerke wieder abgeschaltet wurden), musste die Software des SRI die Daten für die Orientierung zirka 50 s lang bereithalten, bis die Bodenkontrolle die Rakete wieder übernommen hatte. Beim Countdown wird die Inertialplattform der Ariane permanent mit dem Referenzsystem der Startplattform abglichen, und erst kurz vor dem Start wird diese Synchronisation aufgegeben. Da das komplette Neuausrichten bei der Ariane 4 wie gesagt eine Dreiviertelstunde dauerte, lief das SRI-Programm auch nach einem Startabbruch weiter, bis die Bodenkontrolle wieder die Synchronisation mit der Startplattform initiiert hatte. So konnte ein Verschieben des Starts auf den nächsten Tag bei der Ariane 4 vermieden werden, wenn der Countdown im letzten Augenblick angehalten werden muss. Bei normalen Starts lief die Software nach dem Abheben noch, aber ihr Output machte keinen Sinn mehr.
Abbildung 15: Trümmer regnen nach der Explosion der ersten Ariane 5 in den Urwald
Bei Ariane 5 war dieses Vorgehen eigentlich überflüssig, denn die Startabbrüche wurden hier anders behandelt. Die Soft- und Hardware wurde aber unverändert übernommen, schließlich hatte sie bei Ariane 4 problemlos funktioniert.
Intern wurde in dem Modul mit 64-Bit-Fließkommazahlen gearbeitet. Sieben Variablen gab es in dem Modul. Sie wurden in 16-Bit-Ganzzahlen konvertiert, die vom Bordcomputer weiter verarbeitet wurden. Es ist nicht möglich, jede Fließkommazahl in eine Ganzzahl umzuwandeln. Bei vorzeichenbehafteten Ganzzahlen reicht der Wertebereich einer 16-Bit-Ganzzahl z. B. von -32.768 bis +32.767. Eine kleinere oder größere Zahl kann nicht als 16-Bit-Ganzzahl gespeichert werden. Wenn dies trotzdem versucht wird, gibt es einen Überlauf und damit einen Fehler. Es gibt nun die Möglichkeit, auf diesen Fehler zu reagieren und das Problem zu behandeln. Diese Behandlung erfordert aber zusätzliche Rechenzeit und verlangsamt den Programmablauf. Da die SRI-Computer von der Ariane 4 übernommen wurden und somit ältere und langsame Rechner waren, war es nicht möglich, alle sieben Variablen gegen einen Überlauf zu schützen.
Wenn ein Fehler auftrat und nicht behandelt werden konnte, brach der SRI das Programm ab und übergab den Fehler zusammen mit Statusdaten, mithilfe derer er lokalisiert werden konnte, an den Bordrechner.
Vier Variablen waren geschützt, drei waren es nicht. Dies waren Werte, die entweder physikalisch beschränkt waren oder bei denen bei der Ariane 4 der auftretende Wertebereich kleiner als der Wertebereich der 16-Bit-Ganzzahlen war.
Ein Wert in der Software des SRI war der BH-Wert, die horizontale Beschleunigung der Rakete. Bei Ariane 4 konnte dieser nie den Wertebereich einer Ganzzahl verlassen, denn diese hob gemächlich ab. Die Ariane 5 beschleunigte aber fünfmal schneller in der horizontalen Achse als die Ariane 4!
37 s nach dem Start kam es dann zur Katastrophe: Der BH-Wert ist zu groß für eine 16-Bit-Zahl, es kommt zu einem Überlauf im SRI, der daraufhin die Arbeit einstellt und Statusdaten an den Bordcomputer sendet und auf Anweisungen wartet. Das gesamte Computersystem der Ariane 5 ist redundant vorhanden. Während des ganzen Starts läuft das Backupsystem SR2 als „Hot Backup“ mit und übernimmt nun die Funktion des ausgefallenen SR1, doch auf dem SR2 läuft die gleiche Software wie auf der SR1. Im zweiten SRI kommt es 0,05 s später zum gleichen Überlauf. Es schaltet sich ebenfalls ab, und von nun an erhält der Bordcomputer nur noch Statusinformationen zum Fehler, keine Navigationsdaten mehr.
Der Bordcomputer hält diese Informationen für echte Navigationsdaten, die auf eine enorme Abweichung von der Bahn hinweisen, und ohne die Tatsache zu hinterfragen, dass die Rakete innerhalb von 50 ms plötzlich gravierend vom Kurs abgekommen sein soll, werden die Düsen der Raketentriebwerke auf Vollausschlag gestellt, um die Abweichung auszugleichen. Diese vermeintliche Korrektur der falschen Flugbahn bewirkt, dass sich die Rakete sich innerhalb von drei Sekunden 20 Grad quer zur Flugrichtung stellt. Zu diesem Zeitpunkt ist Ariane 5 noch in rund 3.500 m Höhe. Die aerodynamische Belastung führt zum Auseinanderbrechen der Rakete. Auf den Fernsehaufnahmen ist zu erkennen, wie die Nutzlastspitze schon vor der Sprengung abbricht. Die Selbstzerstörung wurde dann automatisch vom entsprechenden Sicherheitssystem ausgelöst, als Brüche in der Struktur registriert wurden.
Die Tatsache konnte später durch Auslesen des EEPROM (Electrical Erasable Programmable Read Only Memory), in dem die Fehlerdaten gespeichert wurden, verifiziert werden. Die Trümmer gingen im Dschungel vor der Startrampe nieder, und die wichtigsten Teile des Bordcomputers und der SRI konnten geborgen werden.
Die Untersuchungskommission monierte daher auch etliche Versäumnisse:
Ein System von Ariane 4 wurde ohne Überprüfung in die Ariane 5 übernommen. In der Raumfahrt ist es üblich, alle Systeme, bei denen sich etwas ändert, sehr zeit- und kostenintensiv neu zu qualifizieren. Dies wurde hier völlig unterlassen.
Die Software war eigentlich bei Ariane 5 wegen einer anderen Startabbruchprozedur überflüssig, lieferte aber trotzdem Daten an den Computer. Damit wurde bewusst eine mögliche Fehlerursache eingebaut.
Die SRI-Computer arbeiteten nach dem Überlauf nicht weiter, sondern schalteten sich ab: Beim Design des Systems wurde von zufälligen Hardwarefehlern ausgegangen, nicht von Softwarefehlern. Die Untersuchungskommission vertrat die auch wissenschaftlich abgesicherte Meinung, dass die Fehlerfreiheit von Software nicht nachgewiesen werden kann und daher bei der Entwicklung viel eher von einem Software-, als einem Hardwarefehler ausgegangen werden sollte.
Durch die Annahme, dass nur Hardware ausfallen kann, war ein systematischer Fehler fähig, beide SRI praktisch gleichzeitig auszuschalten, die Rakete war damit ohne Navigationsdaten.
Abbildung 16: Der Fehlstart bei L501. Schnappschüsse aus dem Startvideo © der Bildsequenz: Bernd Leitenberger
Auch die Software des OBC war verbesserungsfähig: Anstatt den bisherigen Kurs beizubehalten, wenn die SRI ausgefallen sind, wurden deren Statusmeldungen als Navigationsdaten interpretiert, und es kam zur Zerstörung der Rakete. Es wurde vorgeschlagen, in diesem Falle mit Schätzdaten aufgrund der bisher vorliegenden Daten weiter zu arbeiten, im Zweifelsfalle also einfach die Rakete auf Kurs zu halten. Eventuell hätte dann die Bodenkontrolle durch Senden von Navigationsdaten die Steuerung übernehmen können.
Das Problem, dass bei der Konzeption nur Hardwarefehler berücksichtigt worden waren und dann betreffende Komponenten abschaltet wurden, statt zu improvisieren, entdeckte der Untersuchungsausschuss auch bei anderen Teilen der Ariane 5 Software; auch war das SRI nie unter Flugbedingungen getestet worden. Idealerweise hätte das gesamte Inertialsystem auf einem in drei Achsen beweglichen Tisch montiert werden müssen. Dieser hätte dann die erwarteten Flugbedingungen als Neigungs- und Bewegungsprofil nachvollzogen. Aus Kostengründen wurde aber beschlossen, nur die Rechner mit simulierten Daten der analogen Sensoren und digitalen Messaufnehmern zu füttern. Doch selbst diese Lösung wurde nicht angewandt, sondern stattdessen wurde das gesamte SRI-System nur im Computer simuliert, und dadurch gab es natürlich nur die Daten zurück, die nach den eingespeisten Simulationsdaten auch erwartet wurden.
Als der Hersteller einen der SRI in einem Versuch mit den Daten des Fluges aus dem EEPROM fütterte, fiel er genauso wie die Ariane 5 nach kurzer Zeit aus. Das Ganze führte zu einer genauen Revision der Computersteuerung der Ariane 5. Das gesamte Computersystem musste erneut qualifiziert werden, wobei nun auch die Versuche auf dem Drehtisch gehörten. Die Folgen waren gravierend. Ein dritter Testflug der Ariane 5 musste erfolgen. Die dafür notwendige Ariane 5 schlug mit 250 Millionen DM an zusätzlichen Kosten zu Buche. Noch teurer waren die Nachbesserung und die Verzögerungen im Qualifikationsprogramm. Dies erforderte weitere Mittel in Höhe von 600 Millionen DM. Die Mittel wurden aus dem Budget genommen, das eigentlich für die Weiterentwicklung der Ariane 5 vorgesehen war, wodurch sich diese verzögerte. Die Cluster Satelliten wurden später nachgebaut und mit zwei Sojus Trägerraketen in den Orbit befördert.
Der ursprünglich für den Herbst 1996 angesetzte Testflug musste so verschoben werden und fand erst am 30.10.1997 statt. Statt des eigentlich vorgesehenen ARD (Atmospheric Reentry Demonstrator) und eines Kommunikationssatelliten waren nur eine Messkapsel und Ballast sowie zwei kleine Satelliten (AMSAT P3-D und Teamsat H) an Bord. Auch der zweite Testflug war noch nicht voll erfolgreich. Die Satelliten wurden in einen 524 × 27.000 km Orbit entlassen. Das Perigäum und die Inklination der Bahn waren korrekt, doch der erdfernste Punkt hätte bei 36.000 km Höhe liegen müssen.
Die Ursache dafür lag in einer vorzeitigen Abschaltung der EPC. Dadurch fehlten 200 m/s Geschwindigkeit für den Orbit. Dies konnte die EPS trotz einer längeren Brenndauer bis zum vollständigen Verbrauch des Treibstoffs nicht kompensieren. Die Analyse zeigte, dass die EPC nach Abtrennung der beiden Booster ein Rollmoment aufwies, das immer stärker wurde, je länger die Stufe brannte. Nach Verbrauchen des Treibstoffs für die Rollachsenregelung führte das Rollmoment zu einer Rotation von 5,5 U/min. Die Rotation bewirkte, dass der Treibstoff vom tiefsten Punkt der Tanks wegbewegt wurde. In der Folge bewirkte das Abreißen des Treibstoffflusses das Brennschlusssignal für die EPC.
Abbildung 17: Start einer Ariane 5G
Als Ursache wurde ein Drehmoment durch die Kühlkanäle der Vulcain-Düse ausgemacht, die spiralförmig gewunden sind, wodurch das austretende Kühlgas eine Drehbewegung erzeugte. Am Boden konnte diese nie beobachtet werden, da das Triebwerk fest im Teststand montiert war und diese Kräfte im Vergleich zum Schub klein sind. Ariane 5 hat in der VEB ein System zur Kompensation von Rollbewegungen. Kleine Triebwerke zersetzen dazu Hydrazin. Es erwies sich aber als unterdimensioniert. Auch dieses System war neu. Bei Ariane 1-4 war durch die schwenkbaren Triebwerke in der ersten Stufe keine Rollachsenregelung notwendig, und die zweite und dritte Stufe setzten dazu das Abgas des Gasgenerators ein. Davon stand mehr zur Verfügung als benötigt wurde.
Die Veränderungen bestanden zum einen in einer Verbesserung des Systems zur Kontrolle der Rollbewegung. Das alte System konnte ein Moment von 280 Nm auffangen. Das neue System konnte 2.000 Nm kompensieren. Bei V502 trat ein maximales Rollmoment von 900 Nm auf. Im weiteren wurde die Kühlung des Vulcain überarbeitet, damit ein geringeres Drehmoment auftritt. Bei Flug 503 und 504 wurden die Treibstoffvorräte der Steuerdüsen in der VEB deutlich vergrößert und zusätzliche Triebwerke in der Rollachse montiert. Nachdem diese Änderungen beim Vulcain eine deutliche Reduktion des Rollmomentes bewirkten und bei den folgenden Flügen ein maximales Moment von 100 Nm auftrat, konnten die Treibstoffvorräte in der VEB wieder reduziert werden.
So verzögerte sich auch der nächste Start einer Ariane 5. Der letzte Erprobungsflug 503 fand so erst am 21.10.1998 statt. Die Nachbesserungen nach L501 und L502 hatten zu einer Verschiebung des dritten Fluges um ganze zwei Jahre geführt. Auch diesmal war nur eine Demonstrationsnutzlast an Bord, zusätzlich jedoch noch der ARD. Dieser wurde zwei Minuten nach Ausbrennen der EPC ausgesetzt und 90 Minuten später im Pazifik geborgen. Erst danach wurde die EPS gezündet, die den Maqsat 3 (ein Massenmodell eines Kommunikationssatelliten) in einer korrekten Bahn aussetzte. Die verzögerte Zündung der EPS konnte so erprobt werden. Nach 600 s Betrieb wurde nach einer ballistischen Phase von neun Minuten die EPS erneut gezündet – eine Premiere für Europa. Damit konnte erstmals die Wiederzündbarkeit getestet werden, die für die ATV-Flüge wichtig sein würde.
Noch einmal sollte Ariane 5 eine Nutzlast in einem falschen Orbit aussetzen, und zwar beim Flug 510, am 12.7.2001. Die Satelliten wurden in einem 17.545 × 594 km Orbit mit 2,9 Grad Neigung zum Äquator ausgesetzt. Geplant war ein 35.853 × 858 km hoher Orbit, mit einer Neigung von 2 Grad. Als Ursache konnte eine Verbrennungsinstabilität bei der Zündung des Aestus-Triebwerks ausgemacht werden. Dies führte zu einer Reduktion des Schubs auf 80% des Normalwertes und zu einem vorzeitigen Brennschluss (80 s zu früh), da eine Treibstoffkomponente vorzeitig verbraucht war. Es gab eine Feedbackschleife zwischen dem Fördersystem und der Instabilität, die zu einem erhöhten MMH-Verbrauch führte. Der Artemis-Satellit konnte mit seinen Ionentriebwerken – einem seiner Technologieexperimente – den Orbit noch anheben. Der zweite Satellit, der japanische BSAT B2A, war jedoch ein Totalverlust. Für Astrium Bremen, Nachfolger von ERNO/DASA, welches seit 1973 Stufen für die Ariane 1-5 entwickelte, war es eine bittere Premiere: Es war der erste Fehlstart, der auf eine Fehlfunktion einer deutschen Stufe bei Ariane zurückgeführt werden konnte – nach 154 erfolgreichen Einsätzen von zweiten Stufen und Boostern bei Ariane 1-5.
Sehr bald konzentrierte sich die Untersuchung auf den Triebwerksstart, bei dem die Instabilität auftrat. Nach einer Variation der Startparameter konnte die Instabilität, verbunden mit einer Druckspitze, auch beim Bodenversuch bei einem kurzzeitig zu hohen Monomethylhydrazinfluss beobachtet werden, und es zeigte sich eine Anfälligkeit des Triebwerks beim Start. Weitere Tests erfolgten, um diese Situation zu vermeiden und führten schließlich zu einer Verschiebung des Fluges 511. Nach 70 Zündungen und zehn kompletten Testläufen wurde eine „weichere“ Zündsequenz erarbeitet, die das Phänomen vermeidet. Seitdem gab es keine Probleme mehr mit der EPS-Oberstufe.
Insgesamt hatte Ariane 5 so einen Fehlstart und zwei unbrauchbare Bahnen bei 16 Flügen. Das war deutlich unter den Erwartungen, die an die Rakete gestellt wurden. Es ist aber ein typischer Wert für eine neu eingeführte Trägerrakete. Auch andere neue Träger wie die H-2 und Zenit hatten eine ähnliche Bilanz bei den ersten Flügen.
Die Ariane 5G wurde parallel zur Ariane 4 eingesetzt. Einsätze der Ariane 4 fingen auch die Verzögerungen durch den verzögerten Jungfernflug und die Probleme beim zweiten Flug ab. Die ESA führte die ersten beiden Qualifikationsflüge durch. Der dritte, zusätzliche Qualifikationsflug wurde dann schon von Arianespace betreut. Der erste kommerzielle Einsatz war am 10.12.1999 der Start des 684 Millionen Euro teuren, europäischen Röntgenastronomieobservatoriums XMM Newton in einen hochexzentrischen Orbit. Ursprünglich hätte der erste kommerzielle Einsatz schon Ende 1996 erfolgen sollen. Ariane 5 transportierte vor allem kommerzielle Kommunikationssatelliten, aber auch einige prominente ESA Nutzlasten. V135, der siebte Flug der Ariane 5, setzte erstmals die ASAP-5 Plattform ein und transportierte drei Sekundärnutzlasten in den geostationären Übergangsorbit. Der nächste Flug brachte als Sekundärnutzlast das LDREX-Experiment der JAXA in den Weltraum, eine entfaltbare Antenne von 6,00 m Durchmesser.
Eine wichtige ESA-Nutzlast war der experimentelle Kommunikationssatellit Artemis. Er erprobte die Kommunikation in neuen Frequenzbereichen und die optische Kommunikation mittels Lasern. Dazu wurden Daten des Erdbeobachtungssatelliten SPOT-4 über Artemis zum Boden gesandt. Eine weitere technologische Nutzlast, die erprobt werden sollte, rettete die Mission von Artemis: Ionentriebwerke, welche für die Lageregelung im geostationären Orbit ausgelegt waren und bei zukünftigen Kommunikationssatelliten die dazu benötigten Treibstoffvorräte drastisch reduzieren sollen. Dank ihnen war es überhaupt möglich, den Orbit zu erreichen. Die Lebensdauer von Artemis wurde durch den verbrauchten Treibstoff allerdings reduziert. Die ESA rechnete mit nur noch fünf anstatt elf Jahren. Doch Ende 2010, acht Jahre nach dem Erreichen des endgültigen Orbits, ist Artemis immer noch aktiv. Ein Betrieb bis Ende 2012 ist geplant, sodass er seine vorgesehene Betriebsdauer erreichen wird.
Der nächste Einsatz der Ariane 5 war der Einzige in einen erdnahen Orbit. Sie beförderte dabei ihre bisher schwerste Nutzlast, den 8,2 t schweren, busgroßen Erdbeobachtungssatelliten Envisat in einen 800 km hohen, sonnensynchronen Orbit.