Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Johannes Gossner war einer der bedeutendsten Vertreter der evangelischen Bewegung, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Bayern entstand. In diesem inspirierenden Werk bietet er Auslegungen der Evangelien zu gewissen Gedächtnistagen, wie zum Beispiel am Buß- und Bettag, dem Reformationsfest, der Kirchweihe, Pauli Bekehrung, Mariä Verkündigung, Petri und Pauli, Johannis des Täufers, Maria Magdalena, Michaelis etc.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 1056
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Evangelische Hauskanzel
JOHANNES GOSSNER
Evangelische Hauskanzel, J. Gossner
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Loschberg 9
Deutschland
ISBN: 9783849663360
Der Originaltext dieses Werkes entstammt dem Online-Repositorium www.glaubensstimme.de, die diesen und weitere gemeinfreie Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Wir danken den Machern für diese Arbeit und die Erlaubnis, diese Texte frei zu nutzen. Diese Ausgabe folgt den Originaltexten und der jeweils bei Erscheinen gültigen Rechtschreibung und wurde nicht überarbeitet.
Cover Design: 27310 Oudenaarde Sint-Walburgakerk 85 von Paul M.R. Maeyaert - 2011 - PMR Maeyaert, Belgium - CC BY-SA.
https://www.europeana.eu/item/2058612/PMRMaeyaert_06832c66a44d032c92f0c0e61893a2a53c41d388
www.jazzybee-verlag.de
An den freundlichen Leser.1
Am 1. Sonntage des Advents3
Am 2. Sonntage des Advents.10
Am 3. Sonntage des Advents.16
Am 4. Sonntage des Advents.24
Am 1. Weihnachtstage.30
Am 2. Weihnachtstage.37
Am 3. Weihnachtstage.40
Am Sonntag nach dem Christtage.48
Am Neujahrstage.55
Am Sonntag nach dem Neujahr.62
Am Feste der Erscheinung Christi. (Epiphanias).69
Am 1. Sonntag nach Epiphanias. 77
Am 2. Sonntage nach Epiphanias.85
Am 3. Sonntage nach Epiphanias. 90
Am 4. Sonntag nach Epiphanias. 97
Am 5. Sonntag nach Epiphanias. 102
Am 6. Sonntag nach Epiphanias. 107
Am Sonntag Septuagesimae. 112
Am Sonntag Sexagesimäe. 119
Am Sonntag Estomihi126
Am 1. Fasten-Sonntage, Invocavit.133
Am 2. Fasten-Sonntage, Reminiscere.141
Am 3. Fasten-Sonntage, Oculi147
Am 4. Fasten-Sonntage, Laetare.153
Am 5. Fasten-Sonntage, Judica.160
Am 6. Fasten-Sonntage, Palmarum.166
Am Charfreitage.175
Am Oster-Sonntage.184
Am Oster-Montage.190
Am 1. Sonntage nach Ostern, Quasimodogeniti198
Am 2. Sonntage nach Ostern, Misericordias Domini.204
Am 3. Sonntage nach Ostern, Jubilate. 211
Am 4. Sonntage nach Ostern, Cantate.218
Am 5. Sonntage nach Ostern, Rogate. 225
Am Himmelfahrtstage.232
Am Sonntage Exaudi239
Am 1. Pfingsttage.246
Am Pfingst-Montage.253
Am Sonntage Trinitatis. 259
Am 1. Sonntage nach Trinitatis.266
Am 2. Sonntage nach Trinitatis.273
Am 3. Sonntage nach Trinitatis.281
Am 4. Sonntage nach Trinitatis.288
Am 5. Sonntage nach Trinitatis.295
Am 6. Sonntage nach Trinitatis.302
Am 7. Sonntage nach Trinitatis.309
Am 8. Sonntage nach Trinitatis.316
Am 9. Sonntage nach Trinitatis.323
Am 10. Sonntage nach Trinitatis.330
Am 11. Sonntage nach Trinitatis.337
Am 12. Sonntage nach Trinitatis.343
Am 13. Sonntage nach Trinitatis.350
Am 14. Sonntage nach Trinitatis.358
Am 15. Sonntage nach Trinitatis.364
Am 16. Sonntage nach Trinitatis.370
Am 17. Sonntage nach Trinitatis.377
Am 18. Sonntage nach Trinitatis. 385
Am 19. Sonntage nach Trinitatis.392
Am 20. Sonntage nach Trinitatis.398
Am 21. Sonntage nach Trinitatis.405
Am 22. Sonntage nach Trinitatis.412
Am 23. Sonntage nach Trinitatis.419
Am 24. Sonntage nach Trinitatis.424
Am 25. Sonntag nach Trinitatis. 430
Am 26. Sonntag nach Trinitatis. 436
Am 27. Sonntag nach Trinitatis. 443
Am Buß- und Bettage. 451
Am Tage der Kirchweihe.461
Pauli Bekehrung, (d. 25. Jan.)470
Mariä Verkündigung (d. 25. März.)482
Johannes der Täufer, (d. 24. Juni.)489
Am Tage Petri und Pauli, (d. 29. Juni.)496
Am Tage Maria Magdalena, (d. 27. Juli.)503
Am Michaelistage. (d. 29. Sept.)510
Am Reformationsfeste. (d. 31. Oct.)517
Was soll ich dir sagen, du lieber, freundlicher Leser! als: Nimm und lies, erbaue dich auf deinen allerheiligsten Glauben; lerne immer mehr mit deinem Glauben verbinden die Liebe, die Hoffnung, den Wandel in Christo - die Gottseligkeit. Denn diese Betrachtungen sind nicht geschrieben zum Predigen und für Prediger, sondern zum Lesen und Leben, zur Erbauung für heilsbegierige Seelen, die nicht Kunst und Schönheit der Rede suchen, sondern sich mit der Wahrheit, „die zur Gottseligkeit führt“ nähren und stärken - sich in der Gottseligkeit üben - in Gott und Christo selig leben wollen. Denn die Gottseligkeit ist zu allen Dingen nütze und hat die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens - weil sie hier und dort selig in Gott ist - darum heißt sie Gottseligkeit. Wenn diese Hauskanzel dazu beiträgt, hat sie ihren Zweck erreicht. Der Herr möge Seinen Segen dazu geben! Das wird Er auch thun, der treue Heiland, wenn der fromme Leser zuvor, ehe er das Buch in die Hand nimmt, sein Knie beugt und den Herrn um Segen und Geist bittet, wie der Verfasser es unter Gebet und Flehen geschrieben hat; denn der Buchstabe tödtet, der Geist macht lebendig - salbet und stärkt, was der Buchstabe nicht vermag.
Die Veranlassung zu diesem Werke war eine ähnliche, wie die zum Schatzkästchen. Möge der Segen und die Wirkung auch eine ähnliche sein! Ein heißer Kampf mit der großen und kleinen Welt trieb mich dazu. Um den Feind drei Schritt vom Leib - ganz vom Herzen abzuhalten und mein Gemüth zu bewahren, ergriff ich die Feder, das Schwert des Geistes, des Wortes, und schrieb in den langen Winternächten 1842 diese Auslegung und Erklärung der Evangelien, die längst vielfach von mir verlangt wurde - schrieb sie schnell nacheinander, also nicht für die Kirchenkanzel, sondern ganz allein für deine Hauskanzel, lieber Leser! - Ich kann sagen, es ist mir durch des Herrn Gnade gelungen, den Feind nieder zu schreiben und ferne zu halten. Der Leser sehe zu, daß er ihn auch weg lese und nieder bete; aber auch den Freund, der mir beim Schreiben gewöhnlich begegnete und nahe war, sich in's Herz hinein lese, und Ihm das Thürchen aufmache. Er steht ja zu Seinem Worte - und um Ihn ist es uns zu thun. Was fragen wir nach allem Andern, wenn wir nur Ihn haben!
Ein Nebenzweck ist die Unterhaltung und Unterstützung wohlthätiger Anstalten - die mir sehr auf dem Herzen liegen - ein barmherziges Krankenhaus, eine Diakonissen- und Missions-Anstalt, wozu aller Gewinn verwendet werden wird. Dazu würde sehr viel beitragen, wenn die Abnehmer unmittelbar „an den evangelischen Missions- oder Frauen-Kranken-Verein zu Händen des Herausgebers“ sich wendeten, wodurch sie das Buch billiger erhalten und zugleich den vollen Gewinn den wohlthätigen Anstalten zukommen lassen würden.
Die Auslegung der Evangelien an gewissen Gedächtnistagen, als: am Buß- und Bettag, Reformationsfest, Kirchweihe, Pauli Bekehrung, Mariä Verkündigung, Petri und Pauli, Johannis des Täufers, Maria Magdalena, Michaelis werden wohl Manche auch gern in diesem Erbauungsbuche finden, wenigstens haben es Einige verlangt.
Ist auch dieses Werk, das ich in die Welt ausgehen lasse, mein letztes, da ich in das siebzigste Lebensjahr getreten bin - so nehme ich doch nicht Abschied damit von meinen lieben Lesern und Zuhörern, denn wir sehen einander doch nie zum letzten Mal, sondern hoffentlich gewiß wieder beim Herrn; aber das Eine bitte ich, daß sie, wie ich täglich aller meiner Leser und Zuhörer, deren ich seit bald fünfzig Jahren an so vielen Orten mich zu erfreuen hatte, in allen meinen Gebeten gedenke, auch meiner nicht vergessen in ihren täglichen Andachten, sondern für mich flehen, daß ich in dem Glauben an die Wahrheit, die ich verkündigt habe, lebe und sterbe, damit wir alle einander wieder finden vor dem Thron des Lamms und uns mit einander freuen mit unaussprechlicher, ewiger Freude. Amen.
Berlin, den 7. März 1843.
Der Verfasser.
Evang. Matth. 21, 1-9.
Siehe, dein König kommt zu dir sanftmüthig - Hosianna! gelobt sei, der da kommt.
So wurde Er angekündigt, so kam Er: sanftmüthig. So wurde Er aufgenommen mit Hosianna, mit Lobpreisen von einem Theil der Menschen, ganz anders von einem andern. Er kam für Alle mit gleicher Sanftmuth und Liebe, aber nur Wenige nahmen Ihn auf mit Liebe und Glauben, Viele mit bitterm Haß und Verfolgung.
Er kommt auch jetzt noch sanftmüthig zu Allen, die Ihn aufnehmen, und gibt ihnen Macht, Kinder Gottes zu werden. Aber auch jetzt nehmen Ihn nicht Alle auf. Viele stoßen Ihn bis heute zurück, und wollen lieber ohne Gott und ohne Christus in der Welt leben und sterben.
Was hatten wir gethan, wenn wir bei Seiner ersten Ankunft gelebt hätten? was thun wir jetzt?
Er ist gekommen, wie Er versprochen und angekündigt war: sanftmüthig. Seine Geburt, Seine Kindheit, Sein dreißigjähriges verborgenes Leben in der arbeitsamen Zimmermanns-Hütte im stillen Nazareth, war das nicht Alles voll Sanftmuth und Demuth? Sein ganzes öffentliches Leben, von der Wüste und dem Jordan an bis zum Kreuze auf Golgatha, war es nicht lauter Sanftmuth und Liebe gegen Alle, mit denen Er umging, selbst gegen Seine bittersten Feinde? Sein Martertod am Kreuze, Sein Leiden in Gethsemane, Sein Stehen vor dem Gerichte der Priester, des Pilatus und Herodes, Sein Gang zum Tode, war nicht Alles der Sanftmuth und Liebe voll? Und war Er nach Seinem Tode, in Seinem neuen auferstandenen Leben anders? Die vierzig Tage nach Ostern? O nein! So wünschte man sich's immerdar, wie's vierzig Tag' nach Ostern war.
Was uns aber am meisten freuen soll, ist, daß Er gerade gegen Sünder am sanftmüthigsten und liebevollsten war; denn für diese eigentlich ist die Sanftmuth und Liebe Gottes in Ihm Mensch geworden, für diese ist Er vorzugsweise in die Welt gekommen, nicht Gerechte, sondern Sünder zur Buße zu rufen, das Verlorene zu suchen. Wie kam Er in Zachäi Haus? wie begegnete Er diesem Sünder? wie sah Er zu ihm auf den Baum hinauf? wie lud Er sich bei ihm ein? wie ließ Er seinem Hause Heil widerfahren? wie veränderte Er, mit Seinem Kommen in das Haus des Sünders, das Herz und Wesen des Sünders in das eines Heiligen und Geliebten Gottes! Wie freigebig wird der Geizige! wie gerecht der Ungerechte! Welch ein Heiliger wird der Zöllner durch die Ankunft Jesu!
Wie kam Er in des Pharisäers Haus, nur um diesen sanft zu belehren, und die Sünderin zu Seinen Füßen mit göttlicher Huld und Liebe zu begnadigen und selig zu sprechen! wie himmlisch sanft rettet Er die Ehebrecherin aus den Händen ihrer Kläger! Wie kommt Er zu des Matthäus Zollbank? wie verfährt Er mit diesem Zöllner? Ein sanftes Wort: „Folge mir nach!“ ist genug, aus dem Sünder und Zöllner einen Jünger und Zeugen, einen Apostel und Gesandten des Himmelreiches zu machen, daß er plötzlich aufsteht, Alles verläßt und Jesu nachfolgt. Wie kommt Er zu den drei frommen Geschwistern in Bethanien? wie sitzt Er unter ihnen, wie ein Freund unter Freunden! wie hat Er sie Alle so lieb, so verschieden ihr Charakter war! wie sagt Er Jedem, was ihm noth war! Wie stand Er nachher am Grabe des Bruders und Freundes Lazarus mit Thränen und ruft den Todten ins Leben wieder! Wie begegnet Er Seinem Verräther Judas beim falschen Kusse? Welch ein Wort der Sanftmuth und Liebe zu einem solchen falschen Maischen: „Freund! wozu kommst du?“ Was hat der Dieb und Mörder am Galgen von seinem mitgekreuzigten Heiland für eine Antwort auf seine Bitte um's Himmelreich zu erwarten? Keine andere, als die liebevollste plötzliche Erhörung: „Heute noch sollst du mit mir im Paradiese sein.“ Wie kommt Er zu denen, die Ihn den Beelzebub nannten? wie begegnet Er ihnen? Sanft erwiderte Er ohne Zorn und Zank: „Ich habe keinen Teufel, ich ehre meinen Vater und ihr unehret mich.“ Und da sie Steine aufhoben, warf Er nicht auf sie, sondern die Sanftmuth verbarg sich und zog vorüber. Und wenn man die Sanftmuth Jesu in ihrer schönsten Schönheit und göttlich milden Gestalt sehen will, so betrachte man Ihn in Seinen letzten Leiden mitten unter Seinen Mördern, beim Verhör vor Gericht, bei der Verspottung der Kriegsknechte, bei der Krönung und Geißelung, bei Seinem Kreuzgang durch die Straßen Jerusalems nach Golgatha, am Kreuze selbst, und höre Ihn für diese Unmenschen beten: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie thun?“ Aber Er hatte Jünger, die Er so geliebt hat, und die Ihn in Seiner Noth verlassen, verläugnet und geschworen hatten, sie kennen den Menschen nicht? wie blickte Er den gefallenen Petrus an? Wie kommt die Sanftmuth zu ihnen allen nach der Auferstehung, nach dem Siege? Er gedenkt nicht mehr ihrer Sünden und Untreue, Er steht frühe auf, sie freundlich als Seine Brüder grüßen zu lassen, und endlich selbst einem nach dem andern und allen zugleich zu erscheinen, und die Strafe ist: „Der Friede sei mit euch!“ Doch die Sanftmuth kann auch schelten, ihre Jünger schelten, da sie nach Emmaus gehen und die Köpfe hängen und nicht glaubten Seiner Weissagung, nicht glaubten der Schrift, nicht glaubten denen von den Ihrigen, die da jagten: Er ist auferstanden, Engel haben's uns gesagt rc. Da schilt die Sanftmuth, aber so, daß ihnen das Herz brennt, und kehrt in ihre Hütte ein, bricht das Brodt mit ihnen und offenbart sich ihnen, daß sie wie entzückt sind, und wohl dies Schelten ihres Unglaubens um alle Welt nicht hingegeben hätten.
Wer sich das Bild der Sanftmuth Jesu, mit welcher Er gekommen ist, noch weiter ausmalen will, der findet Stoff genug in den heil. Evangelien. Und wer sollte das nicht thun, um recht lebendig überzeugt zu werden, wie herrlich nicht nur durch das Einreiten auf einer Eselin, sondern durch Sein ganzes Leben erfüllt worden ist, was gesagt war durch den Propheten, der da spricht: „Saget der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmüthig!“
Wie nahm man Ihn auf? Ach, das ist schön zu lesen im heutigen Evangelio, wie Ihn bei Seinem königlichen Einzuge in Jerusalem das Volk, die Jünger und die Kinder aufnahmen, wie sie ihre Kleider auf das Thier legten und sogar auf den Weg breiteten, Zweige von den Bäumen hieben und sie auf den Weg streuten, und eine Menge Vorangehender und eine Menge Nachfolgender schrie: Hosianna, dem Sohne Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe! Wer von Seinen jetzigen Jüngern und Kindern möchte da nicht dabei gewesen sein, und das alles mitgemacht haben? Aber wenn man weiter liest in der heil. Geschichte, und sieht dieselben Jünger bei Seiner blutigen Todesangst schlafen, und bei Seiner Gefangennehmung davon laufen, und hört sie schwören: Ich kenne diesen Menschen nicht, und das Volk rufen: Kreuzige Ihn! kreuzige Ihn! - Ach! es ist schön zu lesen in den Evangelien, wie Er kam zu den Kranken, Blinden, Lahmen und Aussätzigen, Gichtbrüchigen und Besessenen, wie Er sie alle heilte, und Kraft von dem Saume Seines Kleides strömte, wenn sie sich Ihm naheten und Ihn anrührten, welches Lob aus ihrem Munde tönte: „Er hat Alles wohl gemacht! Es ist ein großer Prophet unter uns aufgestanden! Der Herr hat sein Volk heimgesucht!“ Aber in den Tagen Seiner Verwertung und Hinrichtung verstummten alle diese Lobpreisenden, da hörte man auch nicht Einen der Geheilten, der Begnadigten, der da Zeugnis für Ihn gegeben hätte, der da gerufen hätte: „Warum wollt ihr Ihn kreuzigen? mich hat Er sehend, mich hörend, mich gehend, mich gesund gemacht, mich vom Tode erweckt, von mir eine Legion Teufel ausgetrieben; mir hat Er einen Sohn, eine Tochter vom Tode wiedergeschenkt!“ da hörte man nichts als: „Ans Kreuz mit Ihm! ist Er der Sohn Gottes, so steige Er herab vom Kreuz! Andern hat Er geholfen, sich selbst kann Er nicht helfen.“ So haben sie Ihn weggestoßen statt aufgenommen, gerade da, wo Er am allerannehmungswürdigsten war. Da war Er der Allerverachtetste und Unwertheste, für nichts geachtet; da hielten sie Ihn für den, der von Gott geschlagen war. Es ist schön zu lesen, wie freundlich Er die Kindlein zu sich rief, sie herzte und segnete, Er, der Sanfteste und Schönste unter den Menschenkindern, wie Er alle Mühseligen und Beladenen einlud, um sie zu erquicken; aber Ihm spie man in Seiner Schmach ins Angesicht und gab Ihm Backenstreiche, gab Ihm Galle und Essig in Seinem heißen Durst, Ihm verdeckte man Sein Angesicht, schlug Ihn und sprach: weissage uns, Christe! wer dich schlug. Es ist schön zu lesen, wie sanft und mild Er umherging und Allen wohlthat, und die vom Satan überwältigt waren, erlösete; aber dafür lästerte man Ihn als Gotteslästerer, Sabbatsschänder, Zöllner- und Sünderfreund, Fresser und Weinsäufer. So wurde Er bei Seiner ersten sanftmüthigen Zukunft ins Fleisch aufgenommen.
Nun, meine Lieben, wie wir uns verhalten haben würden, wenn wir damals bei Seiner Ankunft gelebt hätten, das können wir schließen aus unserm Verhalten gegen Ihn bei Seinem jetzigen Kommen an und in unser Herz.
Wie Er einst kam sanftmüthig zu Seinem Volke Israel, so kommt Er noch sanftmüthig alle Tage zu Allen, die Ihn aufnehmen. Er hat's gesagt: Ich komme zu euch und will euch nicht Waisen lassen, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende, ich stehe vor der Thür und klopfe an, und wer meine Stimme hört und mir aufthut, zu dem will ich eingehen und Abendmahl mit ihm halten. Ja, wahrhaftig, Er kommt an jedes Herz, so gewiß Er will, daß alle Menschen selig werden, so gewiß Er für alle Sünder in die Welt gekommen und gestorben ist. Er übersieht keinen. Er ist noch heute gegen alle jetzt Lebende so gesinnt, wie Er gegen die damals Lebenden gesinnt war. Er sucht heute noch alle Sünder selig zu machen, und ladet sie zu Sich ein, daß sie Gnade von Ihm nehmen sollen. Jeder Zachäus, auf welchem Baume er immer nach Ihm aussehen mag; jede Magdalene, die sich zu Seinen Füßen wirft; jeder Schächer, der Ihn um Sein Andenken in Seiner Herrlichkeit bittet; jeder Petrus, der bitterlich weint über seinen Fall, erhalt von Ihm Vergebung und das Himmelreich. Jeden Sündenaussatz, jede Seelenblindheit, jede Krankheit des Herzens heilt Er, jeden Todten weckt Er aus dem Sündengrabe, alle Teufel treibt Er noch aus der Seele, jede Last und Sorge nimmt Er Allen ab, die Ihn aufnehmen, die Ihn annehmen, die da glauben. O gewiß, Er kommt, Er kommt zu dir, ist gewiß schon oft da gewesen und hat angeklopft, hat in die Seele dir gerufen: „Wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben! wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen. Wer mein Wort hört, der ist's, der mich liebet, zu dem will ich mit dem Vater kommen und Wohnung bei ihm machen.“ Wie begegnetest du deinem Gott und Heilande? wie nahmst du Ihn auf? Wie begegnet Ihm der große Haufe der Christen, wie begegnen Ihm die Pharisäer und Schriftgelehrten unserer Tage? Ist Er nicht heute noch Vielen ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses? Vielen Thorheit und Unsinn? Wie Viele schämen sich Seiner, Seines Kreuzes und Seiner Wunden! Wie Viele bekennen Ihn zwar mit dem Munde, verläugnen Ihn aber mit dem Leben und Wandel! Wie Viele haben den Schein der Gottseligkeit, aber nicht die Kraft derselben! Wie Viele schreien: „Herr! Herr!“ aber den Willen des Vaters lassen sie ungethan. Wie Viele Seiner äußerlichen Bekenner, die Ihn mit „Hosianna“ aufnahmen, stellen sich nun der Welt gleich und rufen mit der Welt: Kreuzige Ihn! kreuzige Ihn! indem sie nicht wie Seine achten Anhänger ihr Fleisch kreuzigen samt seinen Lüsten und Begierden, nicht sich selbst verläugnen und Ihm nicht nachfolgen, und nicht Seinem Vorbilde ähnlich zu werden streben.
Das ist betrübend. Darum, meine Lieben, laßt uns nicht den bösen Beispielen der alten und der neuen Tage folgen, sondern den guten. Laßt uns den kommenden Heiland, den man heute noch wie ehemals und alle Tage haben und nehmen kann, mit ganzem Herzen aufnehmen. Laßt uns Ihm entgegen gehen und Ihn einführen in unsere Herzen, wie die Jünger, die Kinder und das Volk Israel im heutigen Evangelio Ihn aufnahmen und einführten in die Königsstadt; unser Herz ist auch eine Königsstadt, Seine Königsstadt, wo Er Seinen Thron aufschlagen und regieren will. Laßt uns Ihn aufnehmen wie alle Sünder und Sünderinnen Seiner Zeit Ihn aufnahmen, wie ein Zachäus, ein Matthäus, eine Magdalena, wie die drei Geschwister in Bethanien, wie alle Sünder und Zöllner die Gnade und Vergebung der Sünden von Ihm erhalten haben. Lasset uns Ihm die Thüren und Thore unserer Herzen weit aufthun, daß der König der Ehren einziehe und Seinen Sitz und Wohnung in uns nehme, denn der König kommt zu uns sanftmüthig und alles Heil mit Ihm. Ihr Heilsbegierigen! greifet zu! nahet euch zu Ihm, Er kommt für euch, Er ruft euch wie dem Zachäus auf dem Baume: Steig eilend hernieder, denn ich muß heute bei dir einkehren und deinem Hause Heil bringen. Ihr Traurigen über eure Sünden, voll göttlicher Traurigkeit, die eine Reue wirket zur Seligkeit, die Niemand gereuet, begegnet eurem König und Heiland, Er kommt, euch Trost und Freude zu bringen, die Niemand von euch nehmen kann. Gehet Ihm entgegen und nehmet Ihn auf mit Glauben und Zuversicht, Er wird euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; denn könnte eine Mutter ihr Kindlein vergessen, so kann doch Er euch nicht vergessen noch verlassen, in Seine Hände, in die Hände eures gekreuzigten Königs seid ihr gegraben. Wie wird Er euch so wohlthun! Ihr Hungrigen und Durstigen nach Gerechtigkeit, schließet euch an den Zug derer an, die ihren König der Ehren heute in das neue Jerusalem einführen, die ihre Kleider der Selbstgerechtigkeit Ihm zu Füßen legen, und dem Herrn, der unsere Gerechtigkeit ist, die Ehre geben, ein Hosianna singen und loben den Sohn Davids und Gottes, der da kommt im Namen des Herrn. Er wird euren Hunger und Durst nach Gerechtigkeit stillen und sättigen, denn in Ihm habt ihr Gerechtigkeit und Stärke. Kommt Alle, die ihr mühselig und beladen seid, nehmet auf euren König, denn Er kommt euch zu erquicken, Er nimmt eure Last auf sich und trägt sie weg, daß ihr sie ewig nicht mehr fühlet. Kommt Alle, die ihr nach Gnade und Erbarmen schmachtet, die Tag und Nacht schreien:
Ach wo krieg' ich Jesum her?
wenn Er doch auch mein Heiland wär'!
Kommt! solche Leute will der König haben, ihr seid es, bei denen Er einziehen, denen Er all Sein Heil mittheilen will. Kommt, ihr Gläubigen, ihr Kinder Gottes, die ihr keinen andern Namen wisset im Himmel und auf Erden, in dem ihr sollet selig werden, als den Namen über alle Namen, euer König kommt, gehet Ihm entgegen, nehmet Ihn auf in euer Herz; wo soll Er einziehen, wenn nicht bei euch, wo Er Sich bereits Wohnung bestellt hat, und das Pfand Seines Geistes euch gegeben hat. Ist Er in Jerusalem, der Propheten Mörderin, wo nur Schmach und Kreuz und Tod auf Ihn wartete, so feierlich eingezogen, wie vielmehr wird Er in euer Herz kommen, welches nur nach Ihm verlangt und Ihn Tag und Nacht umfängt, welches Ihm entgegenschreit: Du bist mein und ich bin dein, ich will keines Andern sein! Kommt ihr Kinder und Kindlein! euer ist das Himmelreich und der König des Himmelreiches, singt Ihm Hosianna! Begegnet Ihm, wie jene Kinder von Jerusalem, traget Ihm eure Herzen entgegen, und schließet Ihn in dieselben ein, Er herzt euch, Er segnet euch, Er bleibt bei euch und gibt euch Macht, Kinder Gottes zu werden.
O möchte der König der Ehren bei uns Allen einziehen! Möchten Ihn Alle mit Freuden im Glauben aufnehmen und in ihren Herzen wohnen lassen! Möchte doch Keiner unter uns, Keiner in der ganzen Christenheit sein, der Seinen Advent feiert und dem Kommenden begegnet, wie Seine Feinde zu Jerusalem, die Ihn aufnahmen um Ihn zu kreuzigen, die Ihn fingen, verurteilten, geißelten, krönten und tödteten. O möchten Ihn nicht nur alle Christen, sondern alle Menschen, alle Welt aufnehmen! Er ist ja als aller Welt Heiland für alle Welt gekommen, nicht um sie zu richten, sondern sie selig zu machen! - Das sei unser stetes unablässiges Gebet, daß nicht nur wir Ihn gern aufnehmen, sondern daß Er sich Bahn mache in alle Herzen aller Menschen.
O wohl dem Land, o wohl der Stadt,
Die diesen König bei sich hat!
Wohl allen Herzen insgemein,
Da dieser König ziehet ein!
Macht hoch die Thür, die Thore weit,
Euer Herz zum Tempel zubereit't.
Die Zweiglein der Gottseligkeit
Steckt auf mit Andacht, Lust und Freud',
So kommt der König auch zu euch,
Und Heil und Leben mit zugleich.
Komm, o mein Heiland, Jesu Christ!
Des Herzens Thür Dir offen ist.
Ach! zeuch mit Deiner Gnade ein,
Dein' Freundlichkeit auch uns erschein'.
Dein heil'ger Geist uns führ' und leit'
Den Weg zur ew'gen Seligkeit!
Amen.
Evang. Lucas 21,25 - 36.
Es werden Zeichen geschehen rc.
1) Der Herr ist gekommen ins Fleisch. 2) Er kommt immer in die Herzen. 3) Er wird kommen zum Gericht. Er kam sanftmüthig zu Seinem Volke, um die Sünder selig zu machen, und kommt immer noch, klopft vor jeder Herzensthür und will bei Allen einkehren, um ihnen den Himmel ins Herz zu bringen. Das haben wir vor acht Tagen nach dem Evangelio betrachtet. Heute aber hält Er uns im Evangelio Seine letzte öffentliche Zukunft zum Gericht vor, wo Er kommen wird nicht mehr in Sanftmuth, sondern mit großer Kraft und Herrlichkeit, nicht mehr in Kindesgebärden, nicht mehr in Knechtsgestalt, sondern als König Himmels und der Erde, als Herr und Richter, zum Schrecken aller Gottlosen und zur Freude der Frommen. Er kündigt die Zeichen an, die Seiner Erscheinung vorangehen werden. Er warnt und ermahnt, vor was wir uns hüten und was wir thun sollen, um zu entfliehen dem zukünftigen Zorn, und zu stehen vor Seinem Angesicht.
Himmel und Erde und das Meer werden die nahe Zukunft ihres Herrn und Richters verkünden. An den Himmelskörpern, der Sonne, dem Monde und den Sternen werden Zeichen geschehen, und das Meer und seine Wogen werden brausen, so daß allen Menschen wird bange werden, ja, daß sie verschmachten werden vor Furcht und Warten der Dinge, die da kommen sollen über den ganzen Erdkreis, daß keine Kreatur entfliehen kann. Er wird sich so ankündigen, daß es auch die Ungläubigsten und Verstocktesten glauben müssen, und der Zweifler nicht mehr zweifeln kann. Denn auch der Himmel Kräfte sich bewegen werden. Das werden Tage des Zorns und Tage der Rache sein, des Zorns und der Rache der göttlichen Liebe und Langmuth, die so lange gewartet und die Sünder durch Güte und Geduld zur Buße zu leiten gesucht hat, weil sie nicht will, daß eine Seele verloren gehe. Aber nun hat die Zeit der göttlichen Geduld und Langmuth, wie zu den Zeiten Noahs, ein Ende.
Aus Barmherzigkeit und lauter Liebe hat der Heiland dies Alles vorausgesagt, daß es doch alle Menschen, die Gottlosen und die Frommen beherzigen, sich prüfen und fragen mögen: Wer wird da bestehen können? wem wird nicht bange werden, wenn nach den Worten Jesu, allen Leuten bange sein wird? Wer wird nicht verschmachten, wenn alle Menschen verschmachten werden vor Furcht und Warten der noch ärgern Schrecknisse und Gerichte auf dem ganzen Erdkreis und an des Himmels Kräften? - Doch nein! nicht allen wird bange werden, nicht alle werden verschmachten vor Furcht; vielmehr ein Theil der Menschheit wird sich freuen und frohlocken, wird, wie der Heiland auch selbst sagt, die Häupter emporheben, während die ganze Welt die Köpfe hängt. Und gerade die sogenannten Kopfhänger werden dann, wenn die lustigen Sünder, die immer ihren Kopf hoch trugen, die Köpfe hängen, ihre Häupter emporheben, und sich mit unaussprechlicher Freude freuen, weil die, für die Bösen schreckbaren Zeichen am Himmel, an der Erde und am Meer für sie Vorboten und Signale sind, daß ihre Erlösung nahet. Wer sind die, welche, wenn die ganze Welt zittert, bebt und verschmachtet, sich wie Bräute auf den Hochzeittag freuen, welche in den Tagen des Zorns und der Rache jauchzen und triumphieren? Das sind die Jünger des Herrn, die wahren Jünger, die Ihn hörten, Ihm glaubten, Ihm folgten, Ihm anhingen von ganzem Herzen. Das sind die Gläubigen, deren Glaube die Welt überwunden Hat, die in Christo sind und Christus in ihnen, die durch den Glauben an Ihn gerecht und selig geworden sind und das ewige Leben schon ergriffen haben, die nicht ins Gericht kommen, sondern vom Tode zum Leben durchgedrungen sind, Joh. 5, 24. und also kein Gericht, und die Schrecken des Gerichts und kommenden Richters nicht im Geringsten zu fürchten haben Das sind die Schafe Seiner Weide, von welchen Er sagt: Ich gebe meinen Schafen das ewige Leben, sie werden nimmermehr umkommen und Niemand wird sie aus meiner Hand reißen. Joh. 10. Das sind die, welche sich selber richten, darum werden sie nicht gerichtet werden, nicht mit dieser Welt zu Grunde gehen, und haben also nicht Ursache bange zu sein und zu verschmachten, weder bei den Vorboten des kommenden Richters, noch bei dem Gerichte selbst.
Welch ein Vorrecht der Gläubigen, daß sie das Fürchterlichste nicht fürchten, vor dem Entsetzlichsten sich nicht entsetzen, sondern vielmehr darauf sich freuen dürfen! Aber welch ein Jammer für die blinde Welt, daß sie, die Alles zu fürchten hat, sich jetzt nicht fürchtet, und Alles, was der Heiland von Seiner Zukunft zu ihrem Gerichte vorhergesagt hat, nicht glaubt oder nicht daran denkt und nicht daran erinnert werden will, um sich nicht fürchten und nicht bekehren zu müssen und dem Verderben zu entgehen! O möchten wir es doch allen Sündern vor Augen malen können mit den stärksten Farben, was ihrer wartet schon vor dem Gerichte! was wird es erst hernach werden? - Allein wenn das, was auf Golgatha für sie geschehen ist, sie nicht rührt und bekehrt, so werden die Dinge, die erst geschehen sollen, die Schrecken der Zornschalen, die ihnen drohen, sie noch viel weniger aus dem Schlafe wecken und zur Besinnung bringen. Ihr aber, ihr gläubigen Jünger und Jüngerinnen des Herrn! stellet ihr euch noch einmal und oft hin vor das Gemälde, welches der Heiland von Seiner Zukunft zum Gerichte entworfen hat, und prüfet euch dabei, ob ihr alle so im Herrn stehet, so fest auf Ihn gegründet seid und in Ihm erfunden werdet, daß ihr euch wirklich nicht zu fürchten habet, daß ihr, wenn das Alles ansangt zu geschehen, mit Recht, ohne Bangigkeit und Furcht eure Häupter werdet empor heben und ohne Zweifel glauben können, daß eure Erlösung damit nahe. Ja, ich beschwöre einen Jeden, daß er sich vorstelle diese Zeichen an Sonne, Mond und Sternen, wenn sie herunterfallen, wenn das Meer und seine fürchterlichen Wogen brausen, wenn die Fundamente des Himmels und der Erde erschüttert werden, wenn aller Kreatur bange wird, wenn alle Menschen verschmachten werden vor Furcht und Warten der noch fürchterlicheren Dinge, die da kommen sollen über den Erdkreis; ja bedenket es, und ein Jeder prüfe sich, ob da sein Glaube nicht wanken, seine Zuversicht fest bleiben und er sagen können wird: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem soll ich mich fürchten! Der Herr ist meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir grauen? Wenn gleich das Meer wüthete und wallete und die Berge mitten ins Meer sanken, so fürchtet sich doch mein Herz nicht.“ Ps. 27. u. 46. Ist eure Frömmigkeit so echt, so wahr, so rein, seid ihr auch von Gott durch und durch Geheiligte, daß euer Geist ganz, samt Seele und Leib unsträflich behalten werden auf jenen Tag der Zukunft Jesu Christi? 1 Thess. 5,23. Dort wird Keiner sein Haupt emporheben, Keiner der Bangigkeit und dem Verschmachten entgehen, der nur den Schein der Gottseligkeit hatte, und die Kraft derselben verläugnete; dort wird Keiner den Menschensohn auf den Wolken kommen sehen und Seinen Blick ertragen können, ohne niedergeschmettert zu werden, der jetzt nur Herr! Herr! sagt und nicht den Willen des Vaters im Himmel thut. Dort werden mit den Gottlosen und Ungläubigen verschmachten, vor Furcht und Angst, alle Heuchler und Verlogene, die nur die Sprache Kanaans reden gelernt, nur den Buchstaben ohne Geist aufgefaßt, nur mit dem Munde Christum bekannt, aber mit den Werken verläugnet haben, indem sie dabei die Welt lieb hatten und sich der Welt gleichstellten. Dort wird auch keine Zeit mehr sein, sich noch einmal und erst recht zu bekehren. Jetzt, jetzt, heute, heute, da ihr Seine Stimme höret, so verstocket eure Herzen nicht.
Darum fand der Heiland für nöthig, auch Seine Jünger und alle Gläubige zu warnen, daß sie nicht sicher werden, sondern sich hüten sollen, daß ihre Herzen nicht beschweret werden mit Fressen und Saufen, und mit Sorgen der Nahrung, daß sie wachen und beten sollen allezeit, um würdig zu werden zu entfliehen diesem Allen, und zu stehen vor des Menschen Sohn. O welche wichtige Warnungen und Ermahnungen auch für alle Fromme und Gläubige im Hinblick auf die Schrecknisse, die Seinem Tage vorherlaufen! Das Allerwichtigste und Nöthigste ist: „Hütet euch, daß eure Herzen nicht beschweret werden“ - denn wenn das Herz beschwert ist durch sinnliche Genüsse in Speise und Trank, durch Zerstreuungen, Vergnügungen oder durch Geizen und heidnische Sorgen der Nahrung und Kleidung, dann ist auch das zweite: „Wachet und betet“ unmöglich. Ein zerstreutes, beschwertes, von der Welt erfülltes Herz kann nicht beten, mag nicht wachen. Darum heißt es: „Sei mäßig und nüchtern zum Gebet.“ 1 Petr. 4, 8. „Lasset uns wachen und nüchtern sein.“ 2 Thess. 2, 6. 8. Der Heiland verbietet nicht das Essen und Trinken, sondern das Fressen und Saufen, die thierische Lust, die unersättliche Begierde, dem Fleische zu geben, so viel es will, das nie genug hat, und je mehr man ihm gibt, um so mehr verlangt. Der Heiland hat vorhergesehen den Zustand der Menschen in den letzten Tagen, daß gerade vor Seiner Zukunft das Fressen und Saufen den höchsten Grad erreichen wird, wie wir jetzt vor Augen sehen, den entsetzlichen Mißbrauch berauschender Getränke, das in unmäßiger Menge Bereiten und Verbreiten des giftigen Branntweins. Wann, in welchem Jahrhundert ist mehr von diesem zerstörenden Getränke gemacht und verbraucht worden, als eben jetzt? Und was macht das Herz des Menschen untüchtiger zum Wachen und Beten als diese schreckliche Pest? Doch hat die Barmherzigkeit es auch gefügt, daß gerade in dieser traurigen und gefährlichen Zeit mitleidige und thätige Menschenfreunde erweckt wurden und sich zu Vereinen bildeten, die dem höllischen Verderben steuern und dem Würgengel entgegen treten, ihn ausrotten wollen. Die Mäßigkeitsvereine sind also wahre Engel Gottes, die nicht nur für sich, sondern für ihre Mitmenschen des Heilandes Warnung zu befolgen suchen: „Beschweret eure Herzen nicht mit Fressen und Saufen.“ Doch ist es der Branntwein und anderes berauschende Getränk nicht allein; jedes Übermaß in Speise und Trank, in Sorgen und Jagen nach den Gütern der Erde, nach der Ehre der Welt, nach der Lust des Fleisches, ist ein Beschwernis des Herzens, eine Feindschaft gegen das Kreuz Christi, ein Bauchdienst und Abgötterei, die das Herz für Gott und Christus zuschnürt, den Geist niederdrückt, und alle Lust und Kraft zum Gebet und Wachen lähmt; so wie die Dornen der Sorgen allen Samen des göttlichen Wortes ersticken, das Wachsthum hindern und die Frucht unmöglich machen. Ein von Unmäßigkeit und Sorgen beschwertes Herz ist ein Stein- und Dornacker, in dem alle Keime des Guten, des Glaubens und der Liebe, der Gnade und des Geistes ersticken, alle guten Eindrücke bald wieder verschwinden, weil sie nicht wurzeln noch wachsen können.
Hütet euch also vor Allem, was das Herz beschwert, das Andenken an das Eine, was noth thut, besonders in dieser letzten Zeit, schwächt, den Umgang mit Dem, der da ist und kommen wird, stört, was den Geist niederdrückt, daß er sich nicht erheben kann zu Dem, der uns berufen hat zu Seiner Herrlichkeit. Wer darin nicht geübt ist und sich nicht immer bereit hält, der wird von jenem Tage, wie der Heiland sagt, schnell, plötzlich überfallen, denn wie ein Fallstrick wird er kommen über Alle, die auf Erden wohnen. Da ist dann nichts mehr zu ändern, keine Zeit mehr zur Bekehrung. Bedenket doch Alle, wie wünschet ihr an jenem Tage des Schreckens und des Zornes erfunden zu werden, in welchem Zustande? in der Trunkenheit und Völlerei? bei einem üppigen Gastmahl? bei einer Belustigung der Sinnlichkeit? bei einem Tanze? in einem Schauspiele? bei Langweil und eitlem Zeitvertreib? bei einem Spiele? beim Wuchern und Jagen nach Gewinn? beim Betrug und Übervortheilen des Nächsten in Handel und Wandel? bei Zank und Streit über Mein und Dein, oder um Ehre und Eigennutzes willen? in wollüstigen Gedanken, Begierden und Genüssen? in leichtsinnigen Scherzen und Zerstreuungen? mit einem Herzen voll eitler Gedanken und Begierden, ohne Gott, ohne Christus, ohne Friede und heilige Gesinnung? Wollt ihr so von jenem furchtbaren Tage, von jenen Zeichen am Himmel und auf Erden, von jenem Brausen des Meeres und der Wasserwogen, von jenem Krachen der Himmelskräfte überfallen werden? Würdet ihr so eure Häupter emporheben und des Menschen Sohn mit Freuden kommen sehen können auf den Wolken des Himmels? Soll dieser Fallstrick ohne gleichen so über euch kommen, wie über alle Bewohner der Erde, die ohne Gott in der Welt sind? Oder wie wünschet ihr in jenen Tagen zu sein? nicht wie Knechte und Mägde, die auf ihren Herrn warten mit umgürteten Lenden, mit Lichtern in den Händen? nicht wie Bräute, die auf ihren längst ersehnten Bräutigam mit heißer Liebe, mit heiliger Ungeduld warten? die alle herzbeschwerende Genüsse, alle unnöthige Sorgen abweisen, und sie von der Herzenslust und Sehnsucht, beim Herrn zu sein, von der Hauptsorge, dem Herrn zu gefallen, wir mögen daheim sein oder wallen, verdrängen lassen? Ja, solche, solche Herzen müssen wir haben, die, wie Paulus sagt, 1 Thess. 3, 13. gestärket und unsträflich seien in der Heiligkeit vor Gott und unserm Vater auf die Zukunft unsers Herrn Jesu Christi samt allen seinen Heiligen.
Nun höret noch das zweite Ermahnungswort des Herrn: So seid nun wacker (oder wachet) allezeit und betet, daß ihr würdig werden wöget (denn aus sich selbst ist es Keiner), zu entfliehen dem allen, was geschehen soll, und zu stehen (bestehen) vor des Menschen Sohn. Das sagte der Herr seinen auserwählten Jüngern; wer will sich davon ausnehmen und sagen: Das gilt mir nicht, ich bin sicher, ich werde bestehen, ohne zu wachen und zu beten? Wer ist rein unter denen, da Keiner rein ist? Also auf! meine Lieben! lasset uns das Wort des Herrn nie vergessen, lasset uns wachen und beten, daß wir durch die Gnade des Herrn bewahret und würdig werden, in der großen Versuchungsstunde, die über den ganzen Erdkreis vor der Ankunft des Herrn kommen wird, zu bestehen. Die wir in kleinen und täglichen Versuchungen so oft fallen und überwunden werden; was wird es werden mit uns, wenn alle Elemente, alle Kräfte des Himmels und der Erde und der Hölle auf uns einstürmen? Wessen Kraft wird da ausreichen? Wer aber dort fällt und nicht besteht, kann nimmermehr aufstehen, ist ewig verloren. Darum lasset uns stark werden in dem Herrn und in der Macht Seiner Stärke - durch Wachen und Beten werden wir's - dadurch ziehen wir an den Herrn und Seinen Harnisch, Eph. 6. - und in Ihm überwinden wir weit, so daß uns nichts von Ihm und Seiner Liebe scheiden, nichts schrecken und bange machen kann, weder Trübsal, noch Angst, noch Verfolgung, oder Hunger, weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstenthum, noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Kreatur - Röm. 8.
Das Wachen allezeit und das Beten ist kein so schweres und saures Ding, als es sich Manche vorstellen, die es nicht von Grund aus kennen und üben. Es ist eine süße, ja die süßeste, leichteste Sache; es ist das Bleiben in Ihm - das sich so Festhalten im Glauben an den Unsichtbaren, als sähe man Ihn; Hebr. 11, 37. es ist das Kniebeugen zum Vater, daß Er uns Kraft gebe nach dem Reichthum Seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch Seinen Geist an dem inwendigen Menschen, daß Christus durch den Glauben wohne in unsern Herzen. Eph. 3. Es ist das kindliche Anhangen an dem Herrn, wie das Kind an der Mutter hangt, wodurch man Ein Geist mit Ihm wird. Es ist das Kriechen der Küchlein unter die Flügel der Henne. Es ist das folgsame Hören der Schäflein auf die Stimme des Hirten. Kinder können es, Küchlein können es, Schäflein können es; sollen es Jünger des Herrn, Kinder aus Gott geboren, Erlöste und Begnadigte nicht vermögen? O wie wohl ist den Seinigen bei Ihm und in Ihm! Darum, Kindlein, bleibet in Ihm, auf daß, wenn Er geoffenbaret wird, wir Freudigkeit haben und nicht zu Schanden werden vor Ihm in Seiner Zukunft. 1 Joh. 2,28. Denn ihr wisset ja gewiß, daß der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. Denn wenn sie werden sagen: Es ist Friede, es hat keine Gefahr, so wird sie das Verderben schnell überfallen, gleichwie der Schmerz die Schwangern, und werden nicht entfliehen. Ihr aber, lieben Brüder, seid nicht in der Finsternis, daß euch der Tag wie ein Dieb ergreife. Ihr seid allzumal Kinder des Lichts, Kinder des Tages - so lasset uns nun nicht schlafen, wie die andern, sondern lasset uns wachen und nüchtern sein - angethan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe, und mit dem Helm der Hoffnung zur Seligkeit; denn Gott hat uns nicht gesetzt zum Zorn (zur Verdammnis), sondern die Seligkeit zu ererben durch unsern Herrn Jesum Christum, der für uns gestorben ist, auf daß, wir wachen oder schlafen, wir zugleich mit Ihm leben sollen. 1 Thess. 5, 2 - 11. Amen.
Matth. 11, 2 - 10.
Da Johannes im Gefängnis die Werke Christi hörte.
Johannes und Christus - die Morgenröthe und die Sonne - erscheinen in diesem Evangelio. Die Morgenröthe, die Verkündigerin des Tages, hat ihr Licht von der kommenden Sonne - Christus beleuchtet und belebt Alles. Er zeugt von sich selbst hier durch Hinweisung auf Seine Werke; Er zeugt von Johannes.
Er zeugt von sich selbst, und beweist durch Seine Thaten, daß Er derjenige sei, der da kommen sollte, der verheißen und erwartet wurde nach dem Worte Gottes - daß wir also mit Recht Seinen Advent, Seine Ankunft feiern, und uns derselben freuen können, und keinen Andern erwarten dürfen, wie die Juden. Also wiederum ein gutgewähltes Advent-Evangelium. Wir haben Ihn. Er ist's und kein Anderer. Er ist's, der der alten Schlange den Kopf zertritt, indem sie Ihm in die Ferse sticht. Er ist's, der den, Abraham verheißen war, der Same, in dem alle Geschlechter gesegnet werden sollen. Er ist's - der Held, der kommen sollte, nachdem das Scepter von Juda genommen sein würde. Er ist's, von dem Moses weissagte: Einen Propheten wie mich wird euch Gott erwecken, dem sollt ihr gehorchen rc. 5 Mos. 18, 15. Er ist der Davids Sohn, Jer. 23., der Jungfrauen Sohn, das Kind, das Lamm, das Jesaias sah, das aller Welt Sünde trug, und um unserer Missethat willen verwundet wurde, auf das Gott all unsre Sünde und Strafe warf, auf daß wir Friede hätten. Er ist's, von dem alle Propheten zeugen, daß in Seinem Namen Vergebung der Sünden empfangen sollen, die an Ihn glauben.
„Bist du es?“ läßt der gefangne Johannes fragen. Jesus spricht nicht von sich selbst, sondern läßt Seine Thaten reden. „Saget dem Johannes,“ antwortete Er, „was ihr höret und sehet: Die Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein und die Tauben hören, die Todten stehen auf, und (was das Beste ist) den Armen wird das Evangelium gepredigt, und selig ist, der sich an mir nicht ärgert.“
Das ist ja doch genug; wir wollen keinen andern - einen solchen Heiland bedürfen wir, der genüget uns. - Und das hat vor Ihm und nach Ihm keiner geleistet. Damit hat auch Johannes sich im Gefängnis begnügt, und gab seinen Kopf dafür.
Und dies hat Er nicht nur gethan,
Da man Ihn sah auf Erden wallen;
Nein, Er ist immer einerlei,
Gerecht und fromm und ewig treu.
Wie Er war unter Schmach und Leiden,
So ist Er auf dem Thron der Freuden:
Den Sündern liebreich zugethan,
Mein Heiland nimmt die Sünder an.
Schon seit achtzehn hundert Jahren wurden, und noch heute werden, wo Sein Name verkündigt wird, die Blinden sehend, die Lahmen gehend, die Aussätzigen rein, und die Tauben hörend, die Todten stehen auf, und Sein Evangelium war immer und ist noch eine Kraft Gottes, selig zu machen Alle, die daran glauben, und sich nicht an Ihm ärgern. Nun, meine Lieben, davon sind wir alle überzeugt, denn ich rede nicht zu Ungläubigen, sondern zu Gläubigen. Aber nun müssen wir die Frage umkehren, und sie an uns stellen: Sind wir diejenigen, die denselben Jesus haben? oder: Ist der Jesus, den wir bekennen, derselbe Jesus, der diese Seine Thaten auch an uns wirket, sich auch an uns bewiesen hat, als den, der da kommen sollte? Ist Er auch zu uns gekommen? Haben wir Ihn so aufgenommen, so an Ihn geglaubt, daß unsre Blindheit und Finsternis in Licht verwandelt wurde, daß wir aus Lahmen Wandelnde in der Wahrheit wurden? daß wir vom Aussatz der Sünde durch Ihn gereinigt, unsere Ohren für Gottes Wort und Evangelium aufgethan, daß wir vom Tode zum Leben erweckt, und als arme Sünder die Kraft Gottes, des heiligen Evangeliums, durch Vergebung der Sünden, und das Zeugnis des heiligen Geistes in unsern Herzen erfahren haben, so daß uns das Wort vom Kreuz weder Ärgernis noch Thorheit ist, sondern Weisheit Gottes und Kraft Gottes ewig bleiben wird? Ist das an Andern geschehen, aber an uns nicht, so ist Er wohl ihr Jesus, ihr Christus, ist für sie da, sie können sagen: Wir haben den gefunden, von welchem Moses und die Propheten schreiben; oder wie Johannes sagt: Was wir erfahren, gesehen, mit Händen betastet haben, vom Worte des Lebens, das ewig war beim Vater, und das erschienen ist, das zeugen wir und verkündigen euch, auf daß auch ihr mit uns Gemeinschaft habet, und unsre Gemeinschaft sei mit dem Vater und Sohne. 1 Joh. 1. Aber die das nicht erfahren haben, die noch blind und lahm, aussätzig in Sünden, taub und todt und ohne Vergebung und Begnadigung dahinleben, bloß den Buchstaben der Geschichte Jesu - historisch - glauben und bekennen, können ja nicht sagen: Derselbe Jesus, der solche Thaten gethan hat und thut an Andern, ist auch mein Jesus, mein Heiland, ist auch für mich gekommen, hat sich auch mir erwiesen, daß Er derjenige ist, der da gekommen ist und mich erlöset hat. Das muß erst werden. Solche müssen erst kommen zu Jesus, wie die Jünger Johannis, und sehen und hören, was Jesus an Sündern, Blinden, Lahmen, Aussätzigen, Tauben und Todten für Wunder der Gnade wirket - müssen, wie die Kranken und Elenden in den Tagen des Menschensohnes, glauben, und im Glauben bitten zu den Füßen Jesu: Herr, wenn du willst, so kannst du mich heilen, sehend, hörend, gehend, rein und lebendig machen; müssen anhalten mit Flehen wie die Kananäerin, bis ihre Seele selig ist; bis ihnen die Sünden vergeben sind; bis sie erleuchtet, begnadigt sind, und das Leben aus Gott, den Geist der Gnade, offne Ohren und Augen und Friede mit Gott erlangt haben. O ihr Lieben! Möchte der, den ihr mit dem Munde bekennt, auch Euer aller Herzens-Gott und Heiland sein! Möchten Alle nicht nur dem Buchstaben der Schrift, sondern um der Werke willen, die Jesus an ihnen, an ihren eignen Herzen gethan hat, glauben und gewiß wissen, daß Er ihr Herr und Meister, ihr Heiland und Erlöser ist. Wo das Evangelium verkündigt wird, da ist Jesus mit all Seiner Gotteskraft, Blinde, Lahme, Aussätzige, kurz alle Krankheiten der Seele zu heilen und den ganzen Menschen selig zu machen; und zwar jeden, der da glaubt; wie im Hause des Cornelius, während Petrus noch redete, fiel der heilige Geist auf die zuhörenden Heiden herab, und machte sie alle selig, so daß Petrus und nachher alle Juden-Christen erklärten: So hat denn Gott auch den Heiden, die da glauben, gleiche Gaben wie auch uns - und die Buße zum Leben gegeben - und reinigte ihre Herzen durch den Glauben. Apg. 11, 17. 18. und 15, 9. Jesus Christus ist gestern und heute und in Ewigkeit derselbe - und wirkt und thut immer noch dasselbe, was Er einst gethan hat - Er läßt sich an keinem Herzen unbezeugt, das da glaubt. Wo Er hinkommt und einkehrt, da weicht alle Blindheit, alle Sünde, der Aussatz und der Tod; und Leben, Licht und Seligkeit kommt mit Ihm, und sind Zeugen Seiner Ankunft, Seiner Einkehr, Seines Daseins, Seines Heils und Seiner Erlösung, Beweise, daß Er der ist, der da kommen sollte. Kein Blinder macht sich selber sehend, kein Aussätziger sich selber rein, kein Todter sich selbst lebendig; es kann auch kein Mensch den andern erlösen noch Gott Jemand versöhnen, er muß es anstehen lassen ewiglich. Wer daher Licht, Leben, Gerechtigkeit und Heil, Vergebung, Entsündigung und Friede mit Gott gefunden hat, der hat Christum, das Reich Gottes, der ist ein lebendiger Beweis, daß da gekommen ist, der da kommen sollte, daß Gott seinen Sohn gesandt hat zum Heil der Welt, und Jesus der wahrhaftige Christ und Heiland aller Menschen, besonders aber der Gläubigen ist. Mit geheilten Blinden, Lahmen, Aussätzigen und Tauben, mit erweckten Todten und armen, durch das Evangelium seligen Gläubigen beweist Christus Seine göttliche Sendung, Seine Messiaswürde, das Amt und den Beruf Seiner Erscheinung auf Erden. Lassen wir also den Herrn Jesum Sein Amt an uns verrichten, und wenn Er uns mit Licht und Leben, mit Kraft und Gnade, mit Heil und Friede erfüllt hat, dann können wir sagen: Er ist wahrhaftig der Prophet, der in die Welt kommen sollte. Er hat Alles wohl gemacht. Er hat uns Blinde sehend, uns Lahme gehend, uns Aussätzige rein, uns Taube hörend, uns Todte lebendig gemacht, Er hat uns Armen durch Sein Evangelium Gnade und Vergebung der Sünden und Alles, was zum göttlichen Leben und Wandel nöthig ist, geschenkt. Wie könnten wir uns an Ihm, an Seiner Knechts- und Kreuzgestalt ärgern! Gelobt sei Sein herrlicher Name ewiglich! Wir wollen keine Boten zu Ihm senden, wie der gefangne Johannes; wir wollen selbst zu Ihm uns nahen; täglich Ihn suchen; uns stets von Ihm heilen, segnen, kräftigen und gründen lassen. So haben wir nicht nur an uns selbst den Beweis, sondern sind auch, wie die geheilten Kranken in Seinen Menschensohns - Tagen, für Andre ein lebendiges Zeugnis, daß Er es ist, der gekommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen. Er ist uns täglich zugänglich, ist alle Tage bei uns, bleibet ewiglich, hat ein unvergängliches Priesterthum, daher Er auch selig machen kann bis ans Ende (vollkommentlich) die durch Ihn zu Gott kommen, als der da lebet immerdar, und bittet für sie. Da die Gesandten des Johannes weggingen, fing Jesus an, zu reden zu dem Volke von Johannes: „Was seid ihr hinausgegangen in die Wüste? Wolltet ihr ein Rohr sehen, das der Wind hin und her wehet?“ Johannes ist kein Moosrohr, das sich nach dem Winde richtet, kein Prediger, der den Leuten zu Gefallen redet, sondern ein Felsenmann, der bei der Wahrheit bleibt, und Wahrheit spricht, sie gefalle oder nicht - kein Schmeichler, der jedem sagt, was und wie er es gerne hört, sondern ein unbestechlicher Zeuge, der Priester und Volk, Pharisäer und Sadducäer, Schriftgelehrte und Oberste des Volkes, Vornehme und Geringe, Heilige und Sünder ohne Ansehn der Person straft und zurechtweiset und Allen zuruft: „Bringet rechtschaffne Früchte der Buße.“ „Wer hat euch gewiesen, dem zukünftigen Zorne zu entfliehen?“ „Die Axt ist schon dem Baume an die Wurzel gelegt; welcher Baum nicht gute Früchte bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.“ Er hielt Allen die Wurfschaufel vor, mit welcher der Herr Seine Tenne fegen und den Weizen in Seine Scheune sammeln, aber die Spreu mit unauslöschlichem Feuer verbrennen wird. Matth. 3, 8 ff.
Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Menschen in weichen Kleidern sehen? Siehe, die weiche Kleider tragen, sind in der Könige Häusern, jetzt überall. Er war kein Hofprediger, der nach der Mode, in Kleidung und Gebärden, sich den Hohen und Großen gefällig machen wollte, sondern ein Bußprediger, der in eine Kamelhaut gekleidet, mit einem ledernen Gürtel um die Lenden, Heuschrecken und Waldhonig aß; doch war er auch ein Hofprediger, der aber den Kopf verlor, weil er die Laster des Königs und des Hofes ungescheut strafte, und dem ehebrecherischen Könige, wie der gemeinen Hure und dem Zöllner sagte: Es ist dir nicht erlaubt. Er war so frei von Menschenfurcht, als von Weichlichkeit und Hofsitte oder Höflichkeit, weswegen er auch ins Gefängnis befördert wurde, bis eine schickliche Gelegenheit kam, den lästigen, rauhen Prediger der Wahrheit ganz aus dem Wege zu räumen und zu tödten.
Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Propheten sehen? Ich sage euch, er ist wohl mehr, als ein Prophet. Denn er ist der Freund des Bräutigams, der nächste Vorläufer, der mit Fingern auf das Lamm weiset, das der Welt Sünde trägt. Die Propheten sahen das Lamm nur von weiter Ferne, er steht vor Ihm und bereitet Ihm zunächst den Weg in die Herzen der Menschen, wie der Heiland selbst zum Beweise hinzusetzt: Denn dieser ist es, Von dem geschrieben steht: Siehe, ich sende meinen Engel vor dir her, der den Weg vor dir bereiten soll. Er war Sein Vetter, der im Mutterleibe Seine Nähe im Fleisch schon spürte und bezeugte. Er taufte Ihn und sah den heiligen Geist wie eine Taube auf Ihn herabkommen, und hörte des Vaters Stimme über Ihm am Jordan: Dieser ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
Der Herr Christus will mit diesen drei Fragen an das Volk: Warum seid ihr zum Johannes hinausgegangen in die Wüste? Wolltet ihr etwa ein Moosrohr, oder einen weichlichen Hof- und Modeprediger, oder einen Propheten sehen? - die Leute zur Selbstprüfung fuhren, und ihnen zu bedeuten geben, aus welcher Absicht sie zu dem Johannes in die Predigt liefen? was sie denn bei ihm suchten? Er wollte nicht eigentlich dem Johannes eine Lobrede, sondern Seinen Zuhörern eine Straf- und Prüfungspredigt halten. Darum soll jeder, der in die Predigt läuft, wenn ein beliebter Prediger Aussehen macht, diese drei Fragen auch an sich stellen; denn da treibt viele Zuhörer mehr die Neugierde, als die Heilsbegierde; und wenn die Neugierde befriedigt ist, dann bleiben sie weg. Man sieht mehr auf den Prediger, auf seinen Vortrag, und auf Nebendinge, als auf die Hauptsache, die Predigt selbst. Man lauert auf die Worte, auf die Eintheilung und Ausführung der Rede; man beobachtet alle Mienen und Gebärden, und kommt nur bis zum Prediger und zu seinem Äußern, nicht zur Wahrheit der Worte, nicht zum eigentlichen Hören und Glauben, nicht zur Bekehrung und Besserung, nicht zum Gepredigten, nicht zu Christus selbst. Viele bleiben ganz bei dem Beurtheilen der Predigt und des Predigers stehen, loben oder tadeln - kommen aber nicht zum Urtheil und Richten über sich selbst, lernen den Prediger kennen, aber sich selbst nicht.
Übrigens haben wir Prediger und ihr Zuhörer uns ernstlich zu fragen, ob wir nicht Moosrohre sind, die sich von jedem Wind der Lehre hin und her bewegen lassen; ob wir auf dem rechten „Grund und Felsen“ befestigt sind, der ewig unbeweglich steht, wenn Erd' und Himmel untergeht; ob wir stark sind in dem Herrn und in der Macht Seiner Stärke; ob unser Glaube der Sieg ist, der die Welt überwunden und Christum und das ewige Leben ergriffen hat, oder nur ein schwankendes Rohr, das von jedem Stoß des Zweifels, der Anfechtung und der Trübsal erschüttert wird; ob wir bei den heilsamen Worten Jesu Christi, bei dem Einen, das noth thut, und bei der Hauptsumme des Gebotes, der Liebe von reinem Herzen, und gutem Gewissen und ungefärbtem Glauben so fest bleiben, daß uns keine Nebenlehre, Streitfrage über Worte und Buchstaben, über Formen und Sekten irre machen oder das Ziel verrücken kann.
Zweitens soll sich ein Jeder fragen: Bist du kein weichlicher Mode-Christ? Ist es denn mit deinem Christenthum wahrer Ernst? Ist es ein rechtschaffnes Wesen in Christo? Ist dein äußeres und inneres Leben nicht ein bequemes, weichliches, fein oder grob sinnliches, so daß du dich in Kleidung, Gebärden, Essen und Trinken, Schlafen und Wachen, in Vergnügungen und Zerstreuungen, in Handel und Wandel mehr oder weniger der Welt gleichstellst, und dich von ihr in allen oder doch einigen dieser Dinge wenig oder gar nicht unterscheidest, und wenn du es nicht sagst, man nicht erkennt aus deinem Wesen, daß du ein Christ bist, ein Jünger oder eine Jüngerin Jesu, der zu den Seinigen sagte: Ihr seid nicht von der Welt, darum hasset euch die Welt. Wehe euch, wenn euch die Menschen loben.
Drittens dürfen und sollen wir uns selbst fragen: Bin ich nicht mehr als ein Prophet? wie Johannes? Stehe ich Christo nicht näher, als die Propheten des alten Testaments, die Jesum nur von ferne sahen und verkündigten? Darin besteht ja die Herrlichkeit des neuen Testaments, daß wir uns Christum nicht als zukünftig, nicht fern denken und weissagen, sondern als gekommen und nahe glauben und haben. „Die Alten hatten nur den Schatten der zukünftigen Güter, wir haben die Sache selber, und die ist Christus,“ sagt Paulus. „Bleibet in mir,“ sagt Er selbst, „so bleibe ich in euch“ - Er der Weinstock, wir die Reben. „Ich lasse Euch nicht Waisen, ich komme zu euch - mit meinem Vater komme ich zu euch und mache Wohnung in euch. Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm.“ Ist das nicht mehr, als alle Propheten und Patriarchen, als Alle vor Christo hatten? Darum dürfen wir nicht nur, wir müssen, wenn wir in das neue Testament gehören wollen, uns fragen: Haben wir das, was der neue Bund, der Glaube an Christum verheißt, daß Er durch den Glauben in unsern Herzen wohnet, und wir in Ihm gewurzelt und gegründet - ja mit aller Fülle Gottes erfüllet sind? Stehen wir nicht mehr im alten Wesen des Buchstabens und Gesetzes, sondern im neuen Wesen des Geistes - des Geistes, der da lebendig macht in Christo Jesu und uns frei gemacht hat vom Gesetze der Sünde und des Todes? Röm. 8, 2. Können wir sagen, was Paulus von der Klarheit des neuen Bundes, im Gegensatz gegen die des alten schrieb 2 Kor. 3, 18.: Nun aber spiegelt sich in uns Allen mit aufgedecktem Angesicht des Herrn Klarheit; und wir werden verwandelt in dasselbe Bild, von einer Klarheit zur andern, als vom Herrn, der der Geist ist?
Nun, meine Lieben, so lasset uns denn den Advent des Gekommenen, nicht des Zukünftigen oder Kommenden feiern! Er muß schon da sein, bei dir und in dir sein; du sollst Ihn nicht erst erwarten; du sollst Ihn haben, und es an Seinen Werken an dir und den Wirkungen Seines Geistes in dir erkennen und gewiß wissen, daß Er es ist, und du auch keines andern bedarfst. Dein muß Er sein, dir nahe, in dir muß Er sein mit all Seinem Leben, Leiden und Sterben, mit Seinem ganzen Verdienste, mit Seiner Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung - Seine Krippe und Sein Kreuz, Sein Wandel und Sein Tod, Sein Auferstehen und Himmelfahren, Sein Sitzen zur Rechten der Kraft Gottes, Sein Geist und Sinn, göttliche Kraft und alles, was zum Leben und göttlichen Wandel dient, ist dir geschenkt - die theuersten und köstlichsten Verheißungen, daß du selbst Seiner göttlichen Natur theilhaftig werden sollst, wenn du fliehst die vergängliche Lust der Welt. 2 Petri 1, 3. 4. Laßt uns diesen herrlichen Vorzug des neuen Testaments, diesen Reichthum des Advents des Herrn an uns reißen mit aller Gewalt des Glaubens und der Liebe! Laßt uns beten und ringen, unablässig und brünstig, daß wir Christi theilhaftig werden und in Ihm bleiben bis an's Ende, bis wir Ihn sehen werden wie er ist, und Ihm gleich seien! Amen.
Liebster Jesu, in den Tagen
Deiner Niedrigkeit allhier,
Hörte man zum Volk Dich sagen:
Es geht eine Kraft von mir.
Laß auf mich auch Kraft ausfließen,
Und sich Deinen Geist ergießen,
Da Du in der Herrlichkeit
Nun regierst mit Freundlichkeit.
Ja, Du kannst noch Allen lachen,
Deine Kraft ist nie zu klein,
Es bezeugen's Deine Thaten,
Die uns aufgezeichnet sein.
Ja, Du bist dazu gekommen,
Nur der Sünder, nicht der Frommen,
Aller Kranken Heil zu sein,
Und zu retten Groß und Klein.
Hier, mein Arzt, bin auch ich Armer,
Krank am Geiste, blind und bloß;
Rette mich, o mein Erbarmer,
Mache mich von Sünden los;
Von der Eigenliebe Tücken,
Die mein armes Hetz bestricken;
Ach, laß Deinen süßen Mund
Zu mir sprechen: Sei gesund!
Siehe, meine Seele rühret
Deinen Saum im Glauben an,
Wartet, bis sie endlich spüret,
Daß Du ihr auch wohlgethan.
Amen, Du wirst mich erhören
Und zu mir Dein Antlitz kehren,
Sprechen: Ja, ich will, sei mein!
Ich werd' ewig selig sein.
Evang. Johannes 1, 19 - 28.
Und dies ist das Zeugnis Johannis rc.
Abermal ein Advent-Evangelium, wo Johannes beweiset, daß er nicht der Erwartete und Gekommene, sondern daß Jesus der Christ sei; abermal eine Adventfrage: „Wer bist du?“ Vor acht Tagen schickte Johannes seine Jünger zu Jesus mit der Frage: „Bist du es, der da kommen soll?“ Heute schicken die Juden zu Johannes mit der Frage: „Wer bist du? Bist du Christus, der kommen soll?“ Die Frage ist dieselbe - aber die Absicht der Fragenden ist verschieden. Johannes fragte, um die Wahrheit zu erfahren, um von Christo sich und seine fragenden Jünger zu überzeugen. Die Juden aber fragten gewiß nicht, um die Wahrheit zu erforschen und Christum kennen zu lernen, sondern lieber den Johannes, der es nicht war, dafür anzuerkennen - gegen Christum, den wahrhaftigen, aufzutreten. Wer Wahrheit sucht, wird Wahrheit finden; wer aber Lüge sucht, wird Lüge finden.
Johannes war ein unbestechlicher Zeuge der Wahrheit; er bekannte und läugnete nicht, und er bekannte: Ich bin nicht Christus. Sie wollten es ihm in den Mund legen, mehr aus sich selbst zu machen, als er war, sich selbst für Christus auszugeben - sie wollten ihn gern dafür anerkennen, um nur an Christum selbst nicht glauben zu dürfen. Eine starke Versuchung für einen Menschen, der immer gerne höher von sich selbst hält und mehr sein möchte, als er ist. Aber Johannes hatte schon in Mutterleibe den heiligen Geist empfangen und Jesum erkannt, hat sich immer in der Wüste in der Erkenntnis seines Nichts und des, der Alles in Allem ist, geübt, und so fest daran zu halten, daß es ihm nicht schwer wurde, bei der Wahrheit zu bleiben, und sie allzeit und überall frei zu bekennen; sich selbst immer in Schatten zu stellen, und Den hervorzuheben, dessen Zeuge, Vorläufer und Wegebreiter er sein sollte.
Die Gefahr, die Versuchung ist größer und liegt naher, als man glaubt; es gibt Christen genug, die sich selbst für Christus halten, die ihr eigner Heiland und Erlöser sein wollen, die durch ihre eigne Vernunft und Kraft sich selbst selig machen wollen. Es gehört große Gnade und Licht vom heiligen Geiste dazu, Christum als Christum, als das gelten zu lassen, und in der That anzuerkennen und zu ergreifen, wozu Er uns von Gott gemacht ist - als unsere Weisheit und Gerechtigkeit und Heiligung und Erlösung - alles Vertrauen auf Ihn zu setzen, und nichts, gar nichts sich selbst zuzutrauen - sagen zu können: Solch Vertrauen haben wir durch Christum zu Gott. Nicht daß wir tüchtig sind von uns selber; sondern unsre Tüchtigkeit ist von Gott. 2. Kor. 3, 4. 5. Das Selbstvertrauen, das Selbst Christus-sein sitzt oft tief verborgen im Herzen, wenn auch die Zunge den rechten Christus bekennt und sagt wie Johannes: „Ich bin nicht Christus.“
Was bist du denn? fragten die Abgesandten weiter. Bist du Elias? Er sprach: Ich bin es nicht. Bist du der Prophet? Und er antwortete: Nein. Da sprachen sie zu ihm: Wer bist du denn? daß wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst? Sie wollten mit Gewalt etwas aus Johannes machen, um Christum zu nichts zu machen. Johannes sollte mehr sein, sollte doch etwas sein und nicht nichts sein. So hängen sich Zuhörer, Schüler, Freunde, denen Christus nicht Alles in Allem ist, an Prediger, Lehrer, Schriftsteller, oder an einen berühmten Mann, und machen etwas aus ihm, rühmen sich desselben, um dadurch auch etwas zu scheinen. Wer sich aber dünken läßt, er sei etwas, da er doch nichts ist, der betrügt sich selbst. Wer ist Paulus? wer ist Apollo? Diener Christi, weiter nichts - so ist nun, weder der pflanzet, noch der da begießet, etwas, sondern Gott, der das Gedeihen gibt. 1 Kor. 3, 5 - 7. Was hast du, das du nicht empfangen hast? - Laßt uns also nichts aus Menschen machen, denn sie sind alle nichts, als Werkzeuge Gottes, der jeglichem gibt, was Er will, und Ihm allein gebührt alle Ehre.
Was sagte denn also Johannes von sich selbst? Was wollte er sein? Er sprach: „Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Richtet den Weg des Herrn, wie der Prophet Jesaias gesagt hat.“ Um diese Stelle eines Predigers in der Wüste wird ihn kein Hoherpriester, kein berühmter Prediger, kein angesehener Schriftgelehrter, Pharisäer oder Sadducäer beneidet haben. Er stellt sich nicht höher, als ihn Gott gestellt hat, und will selbst nicht Prediger, sondern nur die Stimme eines Wüste-Predigers sein, als der Gott nur seine Stimme leiht. „Die Wahrheit, das Wort, das ich predige, ist Gottes, nicht mein, dachte er; das muß Christo den Weg bereiten, nicht ich.“ So leer von sich und eigner Ehre, so voll von Gott, Gottes Ehre und Wahrheit, stand der Vorläufer dessen da, der da sagte: „Ich ehre meinen Vater - ich suche nicht meine Ehre, sondern die Ehre des, der mich gesandt hat;“ als ein Gesandter dessen, der da sagte: „Ich der Herr - will meine Ehre keinem Andern geben, noch meinen Ruhm den Götzen.“ Jes. 42, 8. So, nur so bereitet man den Weg des Herrn in sein und Anderer Herz. Nur dem Demüthigen gibt Gott Gnade, dem Hochmüthigen widersteht Er.