Everything I Didn't Say - Kim Nina Ocker - E-Book
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Everything I Didn't Say E-Book

Kim Nina Ocker

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Beschreibung

Meine Geschichte hat viele Happy Ends - viele Momente, in denen ich gerne auf Stopp gedrückt und den Augenblick für immer im Herzen eingeschlossen hätte. Und dann ging es weiter ...

Als Jamie und Carter sich zum ersten Mal gegenüberstehen, sprühen zwischen ihnen augenblicklich die Funken. Dabei wissen sie beide, dass sie unbedingt die Finger voneinander lassen müssen: Jamie hat gerade erst ihren Job als Dramaturgieassistentin angetreten, und Carter ist als Star der Show vertraglich dazu verpflichtet, sich nicht mit einer Frau an seiner Seite in der Öffentlichkeit zu zeigen. Doch mit jedem Tag, den sie miteinander verbringen, knistert es heftiger zwischen ihnen, bis sie der Anziehungskraft nachgeben - nicht ahnend, dass das ihre Leben gehörig durcheinanderbringen wird ...

Herzzerreißend, emotional und sexy: die neue New-Adult-Reihe von Kim Nina Ocker bei LYX!

Band 2 (EVERYTHING I EVER NEEDED) erscheint am 28.02.2020.

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Seitenzahl: 639

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

Zitat

Lilas Playlist

1

1.1

1.2

1.3

1.4

1.5

1.6

1.7

1.8

1.9

1.10

1.11

1.12

1.13

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2

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2.10

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2.16

2.17

2.18

2.19

2.20

2.21

Danksagung

Die Autorin

Die Romane von Kim Nina Ocker bei LYX

Impressum

KIM NINA OCKER

Everything I didn’t say

Roman

Zu diesem Buch

Jamie Evans ist überglücklich, als sie eine Praktikumsstelle bei der erfolgreichen TV-Serie Chicago Hearts ergattert. Endlich kann sie Berufserfahrung sammeln und ihrem Traum, nach dem Studium am Theater zu arbeiten, einen Schritt näherkommen. Das Herzklopfen, das sie vom ersten Moment an in der Nähe des jungen Schauspielers Carter Dillane spürt, kann sie allerdings ganz und gar nicht gebrauchen, zumal es dessen Lieblingsbeschäftigung zu sein scheint, ihr das Leben am Set so schwer wie möglich zu machen. Doch je mehr Zeit sie mit ihm verbringt, desto heftiger sprühen zwischen ihnen die Funken – auch wenn sie beide wissen, dass sie unbedingt die Finger voneinander lassen müssen. Nicht nur, weil Jamie auf keinen Fall ihren Job als Dramaturgieassistentin verlieren will, sondern auch, weil Carter als Star der Show vertraglich dazu verpflichtet ist, keine Beziehung zu führen. Als sie sich auf einer Party aber so nahe kommen wie nie zuvor, können sie dem Prickeln zwischen ihnen nicht länger widerstehen – nicht ahnend, dass diese gemeinsame Nacht Folgen haben wird, die sowohl Jamies als auch Carters Leben gehörig auf den Kopf stellen …

Für Tarik. Für alles.

»Bücher sind nur dickere Briefe an Freunde.«

Jean Paul

Lilas Playlist

Dynoro & Gigi D’agostino – In My Mind

»Vaiana«, Andreas Bourani – Voll Gerne

»Die Eiskönigin«, Willemijn Verkaik & Pia Allgaier – Zum Ersten Mal

»Die Schöne Und Das Biest«, Josh Gad – Gaston

One Voice Children’s Choir – Believer

Alcazar – Crying At The Discoteque

»Mulan«, Stefan Erz & Caroline Vasicek & Otto Waalkes & Thomas Piper & Sebastian Krumbiegel & Uwe Adams – Sei ein Mann

»Vaiana«, Tommy Morgenstern – Glänzend

Andrew Belle – In My Veins

Passenger – Let Her Go

1

Es gibt viele Arten von Geschichten und mindestens ebenso viele Gründe, sie zu erzählen. Am beliebtesten sind wohl diejenigen, die mit einem Happy End abschließen. Mit Pauken, Trompeten und Herzchen über den Worten. Doch eigentlich ist das vermeintliche Happy End lediglich eine Momentaufnahme. Ein kurzes Standbild einer idealen Vorstellung. Danach folgen oft Jahre, manchmal Jahrzehnte, in denen uns das Leben übel mitspielen kann. Wer weiß, ob Cinderella und ihr Prinz – hat man eigentlich je erfahren, wie der Typ heißt? – sich nach vierzig glücklichen Ehejahren nicht getrennt haben? Eine hässliche Scheidung mit einem blutigen Rosenkrieg um das Königreich und die gemeinsamen Kinder. Nein, Happy Ends sind nicht für die Ewigkeit. Lediglich kurze Einblicke, wie der verstohlene Blick durch die Fenster fremder Menschen, bevor man weitergeht. Deswegen lieben wir Geschichten. Weil wir am schönsten Punkt aufhören uns mit ihnen zu beschäftigen. Wir können uns einreden, dass diese Momentaufnahme ewig währt.

Meine eigene Geschichte hat viele Happy Ends – viele Momente, in denen ich gerne auf ›Stop‹ gedrückt und das Standbild für immer im Herzen eingeschlossen hätte. Und dann ging es weiter.

APRIL 2019

JAMIE

Sie können mich nicht sehen. Zumindest versuche ich mir das einzureden, während ich aus dem dunklen Wohnzimmer auf die schwach beleuchtete Straße hinausblicke. Wie ich mich hier hinter die Gardinen drücke, jederzeit bereit mich zu ducken oder mich auf den Bauch fallen zu lassen, komme ich mir vor wie eine schlechte Geheimagentin. Das ist doch lächerlich! Es ist lächerlich, dass ich mich in meinem eigenen Haus verstecke und es ist lächerlich, dass mein Herz jedes Mal schneller schlägt, wenn es an der Tür klingelt. Als würde ich auf ihn warten.

Vielleicht tue ich das ja wirklich, trotzdem ist das kein Grund für ein Gefühlschaos. Der Grund, warum ich allein bei dem Gedanken an ihn schwitzige Hände bekomme, ist ganz einfach: Ich bin so wütend, dass ich platzen könnte. Das hier ist seine Schuld. Ausnahmslos, von vorne bis hinten. Schließlich bin ich keine derart spannende oder interessante Person, dass es diese Reportermeute rechtfertigt. Nein, er ist derjenige, der sich durch Actionfilme oder Fernsehschnulzen schleimt und damit aus irgendeinem mir nicht ersichtlichen Grund haufenweise Fans um sich schart.

Olle Speichellecker.

Nicht, dass Carter kein Talent hat. Im Gegenteil. Allerdings ist er in den vergangenen Jahren von seinem Vater und seinem beschissenen Agenten offenbar derart ausgelaugt worden, dass es nur noch für mittelmäßige, anspruchslose Produktionen reicht. So eine Verschwendung.

»Was machst du da?«

Ich zucke zusammen und werfe mich tatsächlich beinahe bäuchlings auf den Wohnzimmerboden, als Dad ins Zimmer kommt. Im Gegensatz zu mir geht er nicht geduckt oder versucht sich im Schatten zu halten, um von der Straße aus nicht gesehen zu werden.

Ich drehe mich wieder um und beobachte einen der Kerle, der gerade seine Kamera überprüft. Mein Blick schweift durch die Nachbarschaft. Hier und da schwingt eine Gardine zurück an ihren Platz oder eine Haustür wird verstohlen geöffnet. Ich bin definitiv nicht die Einzige, die sich für das Chaos da draußen interessiert.

»Haben die denn alle kein Privatleben?«, frage ich, ohne meinen Vater anzusehen.

Er seufzt, halb belustigt, halb wütend. »Deines scheint im Moment interessanter zu sein.«

»Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich geschmeichelt fühlen soll.«

Eine Weile sagt keiner von uns beiden etwas, dann stellt er sich neben mich und sieht ebenfalls hinaus. »Hat er sich schon gemeldet?«

Scheinbar unbeeindruckt zucke ich lediglich mit den Schultern. Dass mein Herz in diesem Augenblick bei seinen Worten erneut schmerzhaft stolpert, muss er nicht unbedingt wissen. »Ganz ehrlich«, sage ich leise. »Ich hab keine Ahnung. Bei den ganzen unbekannten Anrufern könnte er durchaus dabei sein.«

»Ich bin mir sicher, dass wir den Kontakt herstellen könnten«, bemerkt mein Vater und deutet auf die Männer und Frauen, die auf unserem Gehweg ihr Lager aufgeschlagen haben, »bei allem was hier los ist.«

Ich beiße die Zähne zusammen. »Das ist nicht meine Aufgabe.«

»Denk an …«

»Ich weiß«, unterbreche ich ihn, weil ich es nicht ertragen kann, dass er den Satz zu Ende spricht. Ich weiß, woran er denkt – woran ich denken sollte. Er hat recht, auch das weiß ich, doch das ist ein Problem, mit dem ich mich heute Abend nicht mehr beschäftigen werde. Vielleicht morgen. Vielleicht auch nie, ich habe mich noch nicht entschieden.

»Was machen wir jetzt?«, fragt Dad.

»Keine Ahnung«, seufze ich, froh, dass er das Thema nicht vertieft. »Die Polizei sagt, dass sie nichts tun können, solange die Leute unser Grundstück nicht mehr betreten.«

Er brummt, was er ziemlich oft tut. Allerdings kenne ich meinen Vater gut genug, um seine verschiedenen Brummer unterscheiden zu können. Dieser hier zeigt eine Mischung aus Wut, Unzufriedenheit und einer Spur Ratlosigkeit.

»Wie haben sie dich gefunden?«

Wieder zucke ich mit den Achseln. »Tut eigentlich nichts zur Sache, oder? Ehrlich gesagt bin ich überrascht, dass sie so lange gebraucht haben.«

»Immerhin kann man nicht behaupten, dass unser Leben langweilig ist.«

Mir entfährt ein trockenes Lachen. »Langweilig klingt im Moment gar nicht schlecht.«

Wieder ein Brummen, diesmal ein zustimmendes. Dann macht er einen Schritt vor, zieht ruckartig die Gardinen zu und versperrt mir damit die Sicht auf unsere Besucher. Als ich protestieren will, legt er mir einen Arm um die Schultern und schiebt mich energisch Richtung Treppenhaus. »Morgen wird sicher ein langer Tag«, meint er unheilvoll und zieht mich an sich. »Geh schlafen. Vielleicht sieht die Welt mit einem bisschen Tageslicht schon ganz anders aus.«

Das wage ich ernsthaft zu bezweifeln.

1.1

AUGUST 2015

JAMIE

Nervös strich ich über meine Bluse, als ich aus der Bahn stieg und dabei den Pfützen auswich, die den Asphalt säumten. Die letzten Tage hatte es durchgehend geregnet und bei meinem Glück würde ich als Erstes in eine von ihnen treten und mich komplett einsauen. Das würde zu mir passen. Gleich an meinem ersten Tag erklären zu müssen, warum ich aussah wie frisch aus der Gosse gekrochen.

Mein erster Tag.Wahnsinn!

Ich war anfangs nicht gerade begeistert von dieser Praktikumsstelle gewesen, weil Chicago Hearts, eine überdramatisierte Seifenoper, nicht wirklich zu meinen bevorzugten Genres gehörte. Doch je näher der heutige Tag gerückt war, desto aufgeregter war ich geworden. Nein, das kam nicht dem Chicago Theatre oder dem Oriental Theatre gleich – keine Produktion der großen Klassiker, wie ich es mir wünschte. Lediglich eine kleine Fernsehserie, die nicht einmal zur besten Sendezeit lief und mit Newcomern oder Nobodys besetzt war. Doch das war mir egal. Es war eine Produktion, ein professionelles Set mit professioneller Ausrüstung und einem Skript. Das allein reichte, um mein Herz vor Freude ein wenig höherschlagen zu lassen.

Das Studio von CLT Productions, meinem Arbeitgeber für die kommenden zwölf Monate, lag im Fulton River District, das überwiegend von alten Industriehallen geprägt war. In den letzten Jahren war das Viertel zu einer angesagten Adresse geworden – zahlreiche Läden und New-Age-Cafés hatten sich in den rauen Gebäuden niedergelassen und lockten immer mehr Menschen in die Gegend. Eine Mischung aus alternativer Szene und neureichen Anzugträgern drängte sich durch die Straßen, immer auf der Suche nach dem nächsten Trend. Mir persönlich gefiel der Industriecharme, ich hatte jedoch wenig für das Lebensgefühl übrig, dem die meisten dieser Hipstergeneration hier folgten. Ich aß Fleisch, ernährte mich meistens von Mikrowellengerichten, und mir fehlte schlicht und ergreifend die Zeit für Yoga oder dafür, Bäume zu umarmen. Neben dem Studium arbeitete ich in einer Bar und einer kleinen Bücherei und war schon begeistert, wenn ich es schaffte, den Müll zu recyceln.

Zwischen all den Lädchen und Cafés erhob sich das Gelände von CLT, das ich jetzt ansteuerte. Mit jedem Schritt schien mein Herz schneller zu klopfen, was mir allmählich ein wenig Sorgen bereitete. Es schien ernsthafte Ambitionen auf einen Marathon zu entwickeln, allerdings war ich mir sicher, dass der Rest meines Körpers dem nicht zustimmen würde. Eigentlich hatte ich erwartet, gelassener zu sein. Ich war vor zwei Wochen bereits einmal hier gewesen, um meinen Mitarbeiterausweis abzuholen und ein paar Formulare auszufüllen. Da war ich lediglich in ein unspektakuläres Büro geführt worden und hatte von dem eigentlichen Studio nichts zu sehen bekommen.

Ich atmete einmal tief durch, straffte die Schultern und trat entschlossenen Schrittes an das Häuschen neben dem Eingangstor. Der beleibte Wachmann sah von seiner Zeitung auf und musterte mich skeptisch.

»Ja?«

»Mein Name ist Jamie Evans«, sagte ich mit fester Stimme und zückte stolz meinen Ausweis. »Ich arbeite hier.«

Der Typ warf einen langen Blick auf den Mitarbeiterausweis, wendete ihn sogar ein paar Mal, als wolle er ihn auf seine Echtheit prüfen. Jetzt war es an mir, fragend die Augenbrauen hochzuziehen. Hielt er mich etwa für einen Fan?

Nachdem der Wachmann sich ausgiebig davon überzeugt hatte, dass ich berechtigt war, das Gelände zu betreten, winkte er mich durch und öffnete das riesige Tor. Und ja, möglicherweise hörte ich einen kurzen Moment einen Engelschor in meinem Kopf singen. Ich mochte der Serie skeptisch gegenüberstehen, das änderte jedoch nichts an meiner Begeisterung für die Arbeit, die damit in Verbindung stand.

Als ich durch das Tor schritt, klopfte ich mir innerlich auf die Schulter. An meinem Selbstbewusstsein musste ich grundsätzlich noch arbeiten. Ich war zielstrebig und ehrgeizig, allerdings zweifelte ich manchmal daran, wie ich auf fremde Menschen wirkte. Was vielleicht auch der Grund dafür war, dass ich mich in die Arbeit hinter den Kulissen verliebt und nie daran gedacht hatte, selbst auf der Bühne zu stehen.

Seit ich denken konnte, wollte ich ans Theater. Es hatte keinen speziellen Auslöser gegeben, kein Ereignis, das diesen Wunsch in mir geweckt hatte. Mein Dad war Hausmeister an einer Highschool und hatte oft bei der Vorbereitung der Schulaufführungen geholfen. Es gab Fotos von mir, auf denen ich zwischen den Pappkulissen herumkrabbelte oder viel zu große Kostüme der älteren Schüler trug. In den letzten Jahren hatte ich so ziemlich alles werden wollen, was auch nur annähernd mit dem Theater zu tun hatte: Bühnenbildnerin, Maskenbildnerin, Kostümiere – und war schließlich in der Dramaturgie gelandet. Es gefiel mir, wie viele Aufgabenbereiche diese Arbeit abdeckte. Man musste alles im Auge behalten – von der Entwicklung und Einhaltung der Spielpläne bis hin zur Authentizität des Stücks. Man war quasi ein Koordinator, und es reizte mich, bei sämtlichen Bereichen einer Produktion eingebunden zu sein. Mein Ziel war nach wie vor das Theater, doch dieses Praktikum brachte mir wichtige Berufserfahrung, die sich hoffentlich später bezahlt machen würde.

Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und öffnete die Mail, in der Pierce, der Dramaturg und mein zukünftiger Mentor, mir beschrieben hatte, wo ich mich melden sollte: durch das Tor, an der ersten Halle vorbei und zu dem Tor, auf dem die 2 steht.

Stirnrunzelnd sah ich auf und ließ den Blick über den Platz schweifen. Er war karg, aber ziemlich unübersichtlich, weil ständig Leute von A nach B hetzten. Meine Hände begannen aufgeregt zu kribbeln, als ich einen schmächtigen Mann dabei beobachtete, wie er einen gigantischen Kleiderständer über den nassen Asphalt schob. So richtig hatte ich immer noch nicht begriffen, dass ich jetzt beim Fernsehen arbeitete, auch wenn es sich lediglich um ein Praktikum handelte. Die letzten Wochen hatte ich mit Planung verbracht, mir Listen und Post-its geschrieben, um auf alles vorbereitet zu sein. Doch das war lediglich die Theorie gewesen. Wirklich hier zu sein versetzte mich derart in Aufregung, dass ich mich einen Moment sammeln musste. So mussten sich Kinder fühlen, die zum ersten Mal in ihrem Leben Disneyland betraten. Ein wenig orientierungslos sah ich wieder auf mein Handy, während ich vage in die Richtung ging, von der ich hoffte, dass sich dort Halle 2 befand. Ich würde mich definitiv nicht direkt an meinem ersten Arbeitstag verlaufen und zu spät kommen. Nein, das passte weder zu dem Eindruck, den ich hinterlassen wollte, noch zu meinem Wunscharbeitszeugnis.

»Hoppla!«

Ich stolperte und ruderte ein wenig mit den Armen, als ich jemanden mit der Schulter rammte. Jemanden, der ebenfalls zurückwich und spöttisch lachte, als ich überrascht die Luft einsog.

»Oh Gott, es tut mir leid!«, schrie ich beinahe. Ich leuchtete wahrscheinlich wie eine rote Ampel, als mein Blick dem des Kerls begegnete, den ich beinahe über den Haufen gerannt hätte. Ein ziemlich großer Kerl. Ich musste mich beinahe auf die Zehenspitzen stellen, um ihm ins Gesicht zu sehen, während er stirnrunzelnd auf mich herabblickte.

»Ich kenne dich nicht«, bemerkte er trocken und musterte mich eingehend, bevor sich ein wahnsinnig unechtes Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. »Suchst du vielleicht mich?«

Ich blinzelte verwirrt. Dieser Kerl war nicht Pierce, also warum hätte ich ihn suchen sollen? Pierce hatte lange blonde Haare, keine braunen wie dieser Typ. Und ja, Pierce sah auch nicht halb so gut aus, das musste ich zugeben.

»Ähm, nein«, sagte ich leise und versuchte mich krampfhaft an die Übungen zu erinnern, die meine Freundin Nell mir für den Fall gezeigt hatte, dass ich die Nerven verlor. »Nein, ich suche …«

Doch ich kam nicht einmal dazu, ihm zu sagen, was genau ich suchte. Stattdessen machte der Kerl einen Schritt auf mich zu, legte mir völlig selbstverständlich den Arm um die Schultern und zog mich an sich. »Keine Panik, Süße, ich sag es keinem. Es wundert mich ehrlich gesagt nicht, dass du an Greg vorbeigekommen bist. Er ist nicht gerade die hellste Kerze auf der Torte.«

Abgesehen davon, dass ich weder wusste, wer Greg war, noch, warum meine Anwesenheit irgendetwas über seine Helligkeit aussagte, brachte seine aufgesetzte Freundlichkeit mich völlig aus dem Konzept. Wer war der Kerl, und warum knuddelte er mich quasi?

»Sorry«, sagte ich leise, räusperte mich dann und machte mich energisch von ihm los. »Sorry, aber ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst oder wer du bist. Eigentlich suche ich nur Halle 2.«

Erneut runzelte er kurz die Stirn, ehe er sich wieder fing und mich anlächelte. »Soll ich irgendwo unterschreiben?«

»Was?!«

»Ein Autogramm«, sagte er langsam, als sei ich diejenige, die schwer von Begriff war. »Wir können auch ein Foto machen, aber wir sollten uns vielleicht ein bisschen beeilen, bevor dich jemand auf dem Gelände erwischt.«

Irritiert schüttelte ich den Kopf. »Hör mal«, sagte ich bemüht ruhig, »ich will weder ein Autogramm von dir noch ein Foto. Ich weiß nicht, wer du bist, und ich habe jedes Recht, hier zu sein. Jetzt lass mich bitte vorbei. Ich komme zu spät.«

Ich wartete gar nicht seine Antwort ab, sondern drängte mich einfach an ihm vorbei. Ich sah mich auch nicht mehr um, um mich zu vergewissern, dass der Kerl mir nicht folgte. Aus der Uni wusste ich, dass Schauspieler und Filmleute manchmal ein wenig merkwürdig waren. Nell befand sich lediglich in der Ausbildung und war bereits sonderbar.

Zu meiner Erleichterung fand ich Halle 2 recht schnell und hatte sogar noch ein paar Minuten, um mich zu sammeln, bevor ich die schwere Tür öffnete und das Set betrat. Den seltsamen Kerl verdrängte ich aus meinen Gedanken und konzentrierte mich auf das Hier und Jetzt. Mein neues Praktikum, der erste Tag vom Rest meines Lebens.

Ich kniff die Augen zusammen, bis sie sich an das schummrige Licht gewöhnt hatten. Das Erste, was mir auffiel, waren die vielen Menschen. Genau wie draußen auf dem Gelände wuselten überall Leute herum, mit ernsten und wahnsinnig professionellen Gesichtern. Einige von ihnen standen herum und beratschlagten sich, andere schleppten Requisiten durch die Gegend oder riefen einander Fachbegriffe zu, mit denen ich nur teilweise etwas anfangen konnte. Kameras ragten zwischen zahllosen Kabelsträngen auf, Scheinwerfer thronten auf Gerüsten oder hingen von der Decke, und dünne Wände unterteilten die eigentlich gigantische Halle in einzelne Separees, in denen verschiedene Räumlichkeiten nachgebaut waren.

Das hier war dermaßen cool, dass ein hysterisches Quieken in meiner Brust aufstieg.

»Hey, Jamie!«

Ich riss meinen Blick von dem geordneten Chaos los und sah mich nach der Person um, die meinen Namen gerufen hatte. Nach ein paar Sekunden entdeckte ich Pierce, der mit einem breiten Lächeln auf mich zukam.

Erleichtert atmete ich aus. Ich hatte Pierce erst zwei Mal getroffen – einmal zum Bewerbungsgespräch und ein zweites Mal, als ich wegen der Papiere hier gewesen war –, hatte ihn aber auf Anhieb gemocht. »Hey, Pierce«, sagte ich und ließ mich von ihm in eine flüchtige Umarmung ziehen. »Ich hab hergefunden!«

»Das sehe ich«, meinte er grinsend, stellte sich neben mich und deutete zum Set. »Willkommen in der Hölle, liebe Jamie.«

»Das klingt aufmunternd.«

Er zwinkerte. »Wenn man sich einmal an das Chaos und den Lärm gewöhnt hat, macht es Spaß, versprochen.«

»Wenn du das sagst«, murmelte ich und versuchte den Anflug von Angst niederzukämpfen, der in mir aufkam. Das hier war meine Chance, mein erster Schritt Richtung Zukunft. Ich würde das schaffen, und ich würde großartig sein. Mein Studium abschließen, eine Stelle als Dramaturgieassistentin bekommen. Mich hocharbeiten und irgendwann einmal den dramaturgischen Bereich einer großen Theaterproduktion übernehmen. Ich hatte einen genauen Plan, was meine berufliche Zukunft anging, und ich war fest entschlossen, ihn in die Tat umzusetzen. Fahrig glättete ich meine gepunktete Bluse, die ich mir extra für heute gekauft hatte, genau wie die dunkle Jeans und die schwarzen Ballerinas. Neue Kleidung war für mich eine Seltenheit – dafür reichte das Geld einfach nicht. Und auch wenn es für diese Stelle keinen Dresscode gab, hatte ich das Trinkgeld von einer Woche zusammengeklaubt und war mit Nell shoppen gegangen. »Passt das?«, fragte ich und ließ mich von Pierce mustern. »Ich wusste nicht genau, was ihr erwartet.« Ich hatte versucht, es herauszufinden, doch die Dame am Telefon war genauso ratlos gewesen wie ich.

Pierce winkte lächelnd ab. »Du bist super so. Es gibt hier Leute, die kommen in Jogginghose ans Set, also mach dir keine Gedanken.«

Ich nickte erleichtert, auch wenn ich jetzt schon wusste, dass ich mir morgen wieder über meine Garderobe den Kopf zerbrechen würde. So war ich einfach.

»Komm mit, ich zeige dir, wo du deine Sachen abladen kannst«, rief er und drehte sich bereits um. Hastig heftete ich mich an seine Fersen, während ich mich umsah und mich bemühte, so viel wie möglich von meiner Umgebung aufzunehmen. Was gar nicht so einfach war, weil ich nebenbei versuchen musste, weder über eines der Kabel zu stolpern, noch gegen irgendeinen Scheinwerfer zu rennen oder mit anderen Menschen zu kollidieren. Hier war eindeutig Multitasking gefragt.

Ich folgte Pierce an ein paar Sets vorbei, von denen ich einige sogar wiedererkannte. Natürlich hatte ich mir die Serie angeschaut, bevor ich meinen Praktikumsvertrag unterschrieben hatte. Ich erkannte das Wohnzimmer der Clarks – eine reiche Familie, die in den fünf Folgen, die ich mir angesehen hatte, so viele Dramen erlebt hatte, dass es vermutlich für ein ganzes Leben reichte – und einen großen Raum, der offensichtlich einen Ballsaal darstellen sollte, auch wenn sich die Kulissen noch im Aufbau befanden. Eine Wand bestand aus einem Greenscreen, und einige der Möbel waren noch an die Wand gerückt und warteten auf ihren Einsatz.

»Hier ist der Pausenraum für die Mitarbeiter«, erklärte Pierce und öffnete eine unscheinbare Tür zu einem Raum, in dem ein paar Tische und eine Kaffeemaschine standen. »Du kannst deine Sachen erst mal hierlassen, später bekommst du einen eigenen Spind.«

Ich nickte und legte mein Zeug auf einen der Stühle in der Ecke, dann strich ich über meine Bluse und salutierte vor Pierce. »Alles klar, ich bin bereit zum Dienst.«

Er lachte. »Gut zu wissen. Allerdings hatte ich gedacht, dass wir mit einer Führung anfangen. Es ist wichtig, dass du dich auskennst, damit ich dich alleine losschicken kann.«

Wir passierten die üblichen Stationen, während Pierce mir die verschiedenen Sets und Wege zeigte und mir Kolleginnen und Kollegen vorstellte, deren Namen ich meist nach einer halben Stunde schon wieder vergessen hatte. Mir brummte der Kopf, dennoch sog ich jeden Anblick, jede Information, jedes noch so unbedeutende Wort auf. Ich folgte Pierce und spürte mein Herz vor Aufregung wild in meiner Brust schlagen. Als könnte es genau wie ich einfach nicht fassen, dass wir tatsächlich hier waren.

Die einzelnen Sets waren um einiges kleiner, als es im Fernsehen wirkte, die gesamte Halle war allerdings gigantisch. Neben den Bühnenbildern verschiedener Räume gab es Sitzgruppen, in denen Menschen mit Klemmbrettern sich wichtig aussehend beratschlagten, Stationen für die Maske und den Ton sowie Büfetttische, auf denen Getränke und Snacks für die Mitarbeiter standen. Das hier war eine eigene kleine Stadt, nur ohne Tageslicht. Wobei die unzähligen Scheinwerfer diesen kleinen Makel locker ausglichen.

»Als Nächstes gehen wir in den Personalraum«, informierte Pierce mich und winkte mich zu einem Seitengang, in dem es etwas ruhiger zuging. »Da lernst du die Schauspieler kennen.«

»Gibt es keine silbernen Trailer im Hinterhof?«, fragte ich und lachte atemlos. Die Aussicht auf ein Treffen mit den Schauspielern machte mich plötzlich nervös. Sie mochten allesamt eher kleine Lichter in der Schauspielerwelt sein, doch ich wusste von Nell, wie schwierig es war, in dieser Branche eine Anstellung zu bekommen. Sie hatten hart für ihre Position gearbeitet und Erfolg mit dem, was sie taten – das flößte mir Ehrfurcht ein. Ich fühlte mich wie ein kleines Mädchen, das neu in die Klasse kam.

Trotz meiner Aufregung straffte ich die Schultern und machte mich innerlich größer, so wie Nell es mir gesagt hatte. Sicheres Auftreten war das A und O.

Pierce lachte. »Ich fürchte, dafür reicht die Gage nicht. Komm.«

Bevor ich mich noch weiter beruhigen konnte, öffnete er erneut eine schlichte Tür und trat zurück, damit ich vorangehen konnte. Ich wünschte, er hätte das nicht getan. Denn sobald wir eintraten, verstummten die Gespräche, und die Leute sahen uns erwartungsvoll entgegen.

»Was gibt’s?«, fragte eine große Frau mit zurückgebundenen Haaren. Sie trug breite Klammern links und rechts von ihrem Pony. Offensichtlich musste sie noch einmal in die Maske, bevor es vor die Kamera ging. Ich erkannte sie aus der Serie, konnte sie aber nicht auf Anhieb zuordnen.

»Ich wollte euch kurz Jamie vorstellen«, verkündete Pierce und zog mich neben sich. Alle Augen richteten sich prompt auf mich. »Sie ist die neue Praktikantin und wird mir in den nächsten Monaten ein paar Aufgaben abnehmen. Falls sie also auf einen von euch zukommt, wisst ihr, wo sie hingehört.«

Die Aufmerksamkeit machte mich noch nervöser, und ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss. Trotzdem zwang ich mich den Blick zu heben und meinen neuen Kollegen zu begegnen.

Es waren sechs, und jeder von ihnen schien in unterschiedlichen Stadien der Maske und des Kostüms zu stecken. Ein blonder Kerl, von dem ich wusste, dass er den fiesen Bruder des Protagonisten spielte, trug einen weißen Bademantel und hatte nasse Haare. Die zierliche Frau an seiner Seite hatte Lockenwickler in den Haaren, und einem weiteren braunhaarigen Mann fehlte das Hemd. Einen Moment lang klebte mein Blick förmlich an unrealistisch glänzenden Brustmuskeln, dann riss ich mich zusammen und zwang mich, dem Typen ins Gesicht zu sehen.

Und sog scharf die Luft ein. Das war der merkwürdige Kerl, den ich vorhin auf dem Hof beinahe über den Haufen gerannt hatte.

Na wunderbar.

Mein Selbstbewusstsein schrumpfte mit jeder Sekunde mehr in sich zusammen. Wahrscheinlich wirkte ich in diesem Moment tatsächlich wie der Fan, für den er mich vorhin fälschlicherweise gehalten hatte – mit eingezogenem Kopf, hochrotem Gesicht und verzweifelt nach Worten suchend.

Aber ich war kein Fan. Ich hatte verdammt noch mal genau das gleiche Recht, am Set zu sein, wie er. Zumindest hätte Nell das mit Sicherheit zu mir gesagt, wäre sie hier gewesen. Also hob ich ruckartig den Kopf und begegnete dem selbstsichersten Lächeln, das ich je gesehen hatte. Eine Reihe gerader weißer Zähne, volle Lippen und perfekt unperfekte Bartstoppeln. Der Kerl wirkte beinahe unecht, wie eine überdimensionale Ken-Puppe.

»Ich kenne dich«, sagte er, bevor ich den Mut finden konnte, den Mund aufzumachen.

Ich nickte. »Ich habe dir ja gesagt, dass ich nicht deinetwegen hier bin.«

Sein Lächeln wurde eine Spur breiter – und eine Spur arroganter. »Das bleibt abzuwarten, würde ich sagen.«

Ich hatte keine Ahnung, was er damit meinte. Trotzdem hielt ich seinem Blick stand und zog eine Augenbraue hoch. Mir war klar, dass die anderen uns wahrscheinlich ansahen und sich fragten, was genau wir da taten. Etwas sagte mir, dass dieser Kerl zu einem Problem werden könnte, wenn ich nicht aufpasste. Er war derart von sich überzeugt, dass eine linkische, leicht zu beeindruckende Praktikantin für ihn wahrscheinlich ein gefundenes Fressen war.

Ich starrte ihn förmlich an, definitiv nicht gewillt, dieses Blickduell zu verlieren. Dann streckte ich ihm die Hand entgegen. »Wie gesagt, ich bin Jamie.«

Er schlug ein, ohne mich aus den Augen zu lassen. »Freut mich, Jamie.«

Ein paar Sekunden vergingen, allerdings tat er nichts, als mich weiter anzusehen. Allmählich begann meine Hand in seinem festen Griff zu kribbeln, doch ich würde sie ihm nicht entziehen. »Und du bist …?«

Ich wusste wirklich nicht, wer er war. Entweder war er in den Folgen, die ich mir angesehen hatte, nicht vorgekommen, oder er war noch recht neu in der Serie.

Jetzt war es an ihm, eine Braue hochzuziehen. »Pierce, was hast du dem Mädchen überhaupt beigebracht?«

Pierce lachte hinter mir. »Nur das Wichtigste, Carter. Da gehörst du nicht dazu, tut mir leid, Mann.«

Carter schnaubte und umfasste meine Hand einen Sekundenbruchteil fester, bevor er mich losließ. Am liebsten hätte ich erleichtert aufgeatmet, doch das hätte meine gerade demonstrierte Coolness zunichtegemacht. »Man sieht sich, Jamie.«

»Lässt sich wohl nicht vermeiden.«

Er blinzelte, dann lachte er. Bevor er etwas erwidern konnte, wurde ich vom übrigen Team umringt. Sie alle stellten sich vor, erzählten mir teilweise von ihrer Rolle und wünschten mir für mein Praktikum alles Gute. Sie waren freundlich, und keiner von ihnen wirkte so verwirrend wie dieser Carter. Mein Eindruck von ihm änderte sich auch dadurch nicht, dass er die ganze Zeit in einer Ecke stand und mich beobachtete.

Entweder war er echt gruselig oder echt interessant. Ich hatte mich noch nicht entschieden.

1.2

CARTER

Dieser Tag war eindeutig anstrengender als gewöhnlich. Aus irgendeinem Grund kamen mir die Takes länger, die Dialoge komplizierter und das Licht der Scheinwerfer heißer vor. Wobei ich nicht ausschloss, dass die Temperatur in der Halle an der neuen Praktikantin lag. Vielleicht war es ein Klischee, doch Praktikantinnen waren heiß. Und diese hatte deutlich mehr zu bieten als die anderen Mädchen, die hier alle Jubeljahre hereinmarschierten und sich ein paar Wochen lang unglaublich wichtig fühlten.

Es war offensichtlich gewesen, dass diese Jamie hingegen keine Ahnung von der Serie hatte. Ansonsten hätte sie mich gekannt. Hätte mich erkannt, als sie auf dem Hof in mich hineingerannt war.

Hatte sie aber nicht. Sie war nicht beeindruckt gewesen. Und das reizte mich.

Für gewöhnlich betrachteten andere mich auf zwei Arten: Entweder sie kannten mich aus der Serie und behandelten mich wie den Star, der ich irgendwann einmal werden wollte. Sie baten um Autogramme oder Fotos und waren sicher nicht an mir persönlich interessiert, sondern an der Figur, die ich im Fernsehen verkörperte.

Die andere Art war irgendwie abschätzend. Als erwarteten sie etwas von mir, wovon ich einfach nicht wusste, was es war. Es gab nur wenige Menschen, bei denen ich mich entspannen konnte, ohne darüber nachzudenken, was ich sagte und tat. Vermutlich hatte das mit meiner verkorksten Kindheit zu tun, an der jeder Therapeut seine helle Freude gehabt hätte. Ein Dad, der mich niemals ernst genommen hatte und dem ich nichts hatte recht machen können, und eine Mom, der ihre Freundinnen wichtiger gewesen waren als ich.

»Da bist du ja«, riss mich jemand aus meinen Gedanken.

Ich sah auf. Murray saß in einem der Sessel im Personalraum. Die letzte Szene des Tages hatten nur ich und Prue gedreht, sodass ich den Raum heute Abend für mich allein hatte. Zumindest war ich davon ausgegangen.

»Waren wir verabredet?«, fragte ich meinen Agenten. Ich versuchte wirklich, den genervten Unterton aus meiner Stimme zu verbannen, doch ich schaffte es nicht. Wenn Murray unangekündigt auftauchte, bedeutete das selten etwas Gutes. Im Grunde mochte ich ihn, aber er war mir eine Spur zu ehrgeizig, was bedeutete, dass er enorm hohe Ansprüche an mich hatte. Die hatte ich auch, doch im Gegensatz zu seinen waren meine nicht von denen meines Vaters abhängig. Ich erwartete einiges von mir selbst, sowohl beruflich als auch privat. Ich verfolgte ein bestimmtes Ziel, um das Bild, das ich von mir hatte, zu perfektionieren. Beruflicher Erfolg, finanziell auf eigenen Füßen stehen und vor allem meinem Dad beweisen, dass ich auch außerhalb seiner strikten Vorstellungen etwas wert sein konnte. Murray hingegen verfolgte die Ziele meines Vaters, was vor allem daran lag, dass es dessen Unterschrift war, die die Gehaltsschecks zierte.

»Ich wollte mal sehen, wie es so läuft«, sagte Murray, erhob sich von seinem Sessel und zog mich in eine Umarmung, die allerdings eher geschäftsmäßig als herzlich ausfiel. Murray war kein herzlicher Kerl, grundsätzlich aber kein schlechter Mensch. Er war einer dieser Leute, die es schafften, Schnee in der Arktis zu verkaufen. Ein erstklassiger Agent, manchmal allerdings derart erfolgsfokussiert, dass ich das Gefühl bekam, eine Ware in seinem Sortiment zu sein. Was vermutlich auch stimmte.

»Alles bestens«, antwortete ich und zog mir das T-Shirt über den Kopf, das nach einer Mischung aus Zigarettenrauch und Lufterfrischer roch. Ich brauchte dringend eine Dusche. »Hat Larry dir die Quoten geschickt?«

»Hat er«, meinte Murray und nickte, während er mich eingehend musterte. »Du kommst bei den Zuschauern gut an, wenn man sich in den sozialen Medien und den Foren so umschaut.«

»Hast du etwas anderes erwartet?«, fragte ich mit einem schiefen Grinsen, das er jedoch nur halbherzig erwiderte.

»Wir sollten mehr Sendezeit verlangen.«

Ich stöhnte, jetzt wirklich genervt. »Nein, können wir nicht. Ich bin kaum ein halbes Jahr dabei, Murray.«

»Eben«, sagte er energisch. »Ein halbes Jahr, und du hast bereits Fans, die dich öfter sehen wollen. Das ist eine Verhandlungsbasis.«

»Und was wollen wir bitte verhandeln?«, fragte ich, während ich meine Klamotten aus dem Spind kramte. Ich würde zu Hause duschen. Es war Murray zuzutrauen, dass er mir unter die Dusche folgte, um diese Diskussion fortzuführen.

Murray ließ sich nicht beirren. »Du könntest eine der Hauptrollen übernehmen.«

Ich schnaubte. »Dafür ist meine Figur nicht wichtig genug, das weißt du. Das wussten wir beide von Anfang an.«

»Dann sollen sie das Drehbuch umschreiben«, entgegnete er ungerührt.

Seufzend ließ ich die Klamotten fallen und wandte mich ihm zu. »Woher kommt das?«, fragte ich ihn geradeheraus.

»Was meinst du?«

»Ist das deine Idee oder die meines Dads?«

Er machte sich nicht einmal die Mühe, verlegen auszusehen. »Dass dein Vater der gleichen Meinung ist, bedeutet nicht, dass ich nicht dahinterstehe, Carter.«

»Nein, im Gegenteil.«

»Carter«, seufzte Murray und klang dabei wie ein nachsichtiger Großvater. Wie gesagt, ich mochte ihn, doch ein Teil von mir wollte ihn ständig schlagen. »Dein Vater will das Beste für dich.«

»Das ist eine Floskel.«

»Weil es stimmt. Zumindest in deinem Fall.«

»Mein Vater«, sagte ich langsam, »würde sich freuen, wenn ich das hier in den Sand setze. Weil er mir dann sagen könnte, dass er mich gewarnt hat.«

»Und?«, fragte Murray herausfordernd. »Ein Grund mehr, dich ins Zeug zu legen.«

»Das tue ich auch«, sagte ich trotzig, schulterte meine Tasche und atmete tief durch. »Aber im Gegensatz zu meinem Vater will ich mir etwas Langfristiges aufbauen. Das geht nur, wenn ich mich mit den Produzenten gut stelle und ihnen nicht gleich mit Forderungen auf den Sack gehe.«

»Erfolg führt zu mehr Erfolg«, predigte Murray und sah mich derart eindringlich an, als wollte er mich mit bloßer Willenskraft überzeugen. »Du hast Erfolg mit deiner Rolle, da ist es nur logisch, wenn man ihr mehr Sendezeit einräumt, Carter. Das hier ist ein Geschäft wie jedes andere.«

»Das weiß ich.«

»Dann benimm dich nicht wie ein trotziges Kind, das aus Prinzip gegen seine Eltern rebelliert. Das steht dir nicht und bringt dich mit Sicherheit nicht weiter.«

Am liebsten hätte ich ihm meine ehrliche Meinung über meinen Vater gesagt. Denn in Wahrheit interessierte mein persönlicher Erfolg meinen Dad einen Scheißdreck, solange er ihm selbst nichts brachte. Und Schauspielerei war definitiv nichts, womit man sich bei meinem Dad Respekt verdiente. Für ihn war alles, was auch nur annähernd in die künstlerische Richtung ging, reine Zeitverschwendung. Alles Hippies und Rumtreiber, die nur auf schnelles Geld aus waren und nichts mit ihrem Leben anzufangen wussten. Ohne ein eigenes Büro oder zumindest einen Schreibtisch war man in den Augen meines Vaters ein Niemand. Da brachte es auch nichts, ihm zu erklären, dass diese Welt nicht nur von Menschen hinter Schreibtischen am Laufen gehalten werden konnte.

In dem Moment, in dem ich ihm und Mom eröffnet hatte, dass ich, anstatt wie geplant Medizin zu studieren, eine kleine Rolle in einer Fernsehserie annehmen würde, war beinahe die Welt untergegangen. Das Drama, das die beiden veranstaltet hatten, war einer Apokalypse wirklich lächerlich nahe gekommen.

Sie hatten lediglich eingelenkt, weil ich ihnen versprochen hatte, brav Medizin zu studieren, sollte ich nach zwei Jahren mit der Schauspielerei keinen Erfolg haben. Dabei wurde Erfolg einzig und allein durch die Anzahl der Nullen auf meinem Gehaltsscheck definiert.

Anfangs war es vermutlich sogar mein Dad gewesen, der mich auf die Schauspielerei gebracht hatte. Tatsächlich hatte ich früher einiges getan, einzig und allein, weil es meinen Vater ärgerte. Jedes Mal, wenn ich gegen seine Regeln verstieß, hatte ich das Gefühl, ein wenig aus seinem viel zu engen Käfig auszubrechen.

Doch bereits bei der ersten Probe war meine Liebe zur Schauspielerei entfacht worden. In andere Rollen zu schlüpfen, dem Druck meiner Eltern zu entkommen, eine kurze Zeit lang eine Art Urlaub von meinem Leben zu nehmen. Und so war es noch heute.

Ich wusste nicht recht, was ich von dieser Gier nach der Hauptrolle halten sollte. Entweder mein Dad spekulierte darauf, dass ich zu schnell zu viel wollte und deshalb den Karren gegen die Wand fuhr. Oder er war der Meinung, die Schande, einen Schauspieler großgezogen zu haben, nur kompensieren zu können, indem besagter Schauspieler erfolgreich war.

Was auch immer es war, ich konnte auf seine Sicht der Dinge verzichten. Auch wenn Murray nicht ganz unrecht hatte. Die Hauptrolle sollte mein Ziel sein. Darauf sollte ich hinarbeiten. Und wäre ich nicht sicher gewesen, dass Murray mit diesem Plan den unergründlichen Wünschen meines Vaters folgte, hätte ich ihm auch interessierter zugehört.

»Lass uns morgen darüber reden, einverstanden?«, seufzte ich schließlich und schenkte meinem Agenten ein hoffentlich versöhnliches Lächeln. »Der Tag war die Hölle, und ich will eigentlich nur noch ins Bett.«

»Denk drüber nach«, rief er mir hinterher.

Ich winkte ihm halbherzig zu und floh dann förmlich aus dem Personalraum. Mochte ja sein, dass ich mich ein wenig kindisch benahm, doch ich musste meinem Vater unbedingt deutlich machen, dass ich kein Kind mehr war, das er bevormunden konnte. Ich war erwachsen, hatte endlich die Macht, eigene Entscheidungen zu treffen.

Oder ich wollte Dad einfach nur ärgern.

»Vorsicht, Scheinwerfer.«

Ich drehte mich nach der Stimme um und entdeckte die Praktikantin auf einem der Sofas des Bühnenbildes. Ihre langen blonden Haare wirkten zerzauster als noch heute Morgen, und ihre Augen waren etwas glasig, als müsste sie dringend mal blinzeln. »Was hast du gesagt?«

Mit dem Stift, den sie in der Hand hielt, deutete sie auf einen wuchtigen Scheinwerfer, der etwa einen Meter vor mir stand. »Nicht, dass du ihn über den Haufen rennst und dann erwartest, dass er ein Foto mit dir machen will.«

Ich verzog das Gesicht, musste aber lachen. »Autsch.«

»Das hast du verdient.«

Unschlüssig warf ich einen Blick auf die Uhr. Auf einmal hatte ich nicht mehr das Bedürfnis, die Halle so schnell wie möglich zu verlassen. Stattdessen machte ich ein paar Schritte auf das Mädchen zu. Sie saß in der Kulisse des Wohnzimmers meiner Rollenfamilie, und irgendwie war es merkwürdig, sie hier zu sehen. Klar, das alles war lediglich Fassade, doch auf eine skurrile Weise waren diese Bühnenbilder tatsächlich eine Art Zuhause für mich geworden.

»Was machst du da?«

Sie deutete auf das Klemmbrett auf ihrem Schoß. »Ich sehe mir den Drehplan an.«

Ich runzelte die Stirn. »Wozu?«

»Um zu wissen, wann ich wo sein muss«, erklärte sie achselzuckend. »Ich will die nächsten Tage nicht dauernd mit dem Plan vor dem Gesicht rumrennen.«

Bei der Erinnerung, wie sie tatsächlich planlos über den Hof marschiert war, musste ich grinsen. »Klingt einleuchtend.«

Ein winziges, kaum wahrnehmbares Lächeln huschte über ihr Gesicht. Und es hatte eine erstaunliche Wirkung. Auch grimmig und genervt war diese Jamie wirklich hübsch. Wenn sie lächelte, war sie beinahe umwerfend. Doch kaum hatte ich das entdeckt, war der freundliche Ausdruck schon wieder verschwunden.

»Und du?«, fragte sie, nachdem sie einen weiteren langen Blick auf das Klemmbrett geworfen hatte. »Warum bist du noch hier? Die meisten sind schon heim.«

Ich zuckte mit den Schultern. Die ehrliche Antwort war, dass ich es selten eilig hatte, nach Hause zu kommen. Für die meisten Menschen war das Zuhause ein Zufluchtsort, für mich allerdings nicht. Das Haus meiner Eltern in Old Town war groß und herrschaftlich und genauso unpersönlich wie mein Verhältnis zu ihnen. Trotz allem liebte ich meine Mutter und auch meinen Vater irgendwie, doch ich konnte nicht behaupten, dass ich bei ihnen eine Schulter zum Anlehnen gehabt hätte. Dafür war vor allem mein Dad zu erfolgsorientiert und zu unzufrieden mit mir. Ich hatte seinen Stolz verletzt, indem ich mich gegen ein Studium und für eine Schauspielkarriere entschieden hatte. Und der Stolz meines Vaters verzieh nicht so leicht. Meine Mutter war ein herzensguter Mensch, jedoch sehr auf den Familienfrieden bedacht. Da ich derjenige gewesen war, der ihn gestört hatte, stand ich auch bei ihr nicht mehr besonders hoch im Kurs.

Natürlich hätte ich mir eine eigene Wohnung nehmen können. Ich war dreiundzwanzig. Doch die traurige Realität war, dass ich vom Geld meiner Eltern verwöhnt war. Das Einkommen aus meinen verhältnismäßig kleinen Rollen reichte nicht einmal annähernd für das, was ich mir unter einer angemessenen Wohnung vorstellte.

»Ich hatte länger Dreh«, antwortete ich ein wenig verspätet, als mir auffiel, dass Jamie mich immer noch erwartungsvoll ansah. »Was ist mit dir? Niemand, der zu Hause auf dich wartet?«

Wieder dieses Lächeln, und wieder hatte ich keine Ahnung, was es bedeutete. »Ich wohne im Studentenwohnheim. Ich kann nicht behaupten, dass ich den Lärm vermisse.«

Ich lachte leise. »Weil es an so einem Filmset so entspannt zugeht, meinst du?«

Sie sah sich demonstrativ um. »Im Moment ist es hier beinahe friedlich. Ich überlege ernsthaft, einfach hierzubleiben.«

»Betten wären auf jeden Fall genug vorhanden«, sagte ich grinsend und deutete auf ein Bühnenbild, das das Schlafzimmer meines Charakters in der Serie darstellte.

Jamie folgte meinem Blick, sah jedoch hastig weg und wurde rot. Sie senkte den Kopf und ließ sich die Haare vors Gesicht fallen, als hoffte sie, dass ich ihre Verlegenheit nicht bemerkte.

»Was ist?«, fragte ich ehrlich neugierig und lachte, als sie den Kopf schüttelte. »Spuck’s aus, Evans.«

Es dauerte ein paar Sekunden, dann sah sie mich erneut an, immer noch knallrot. »Ich finde es irgendwie merkwürdig, mich so mit dir zu unterhalten.«

»Wie meinst du das?«

Sie schüttelte den Kopf. »Wir haben uns vorhin einige Folgen angeschaut und sind den Plot durchgegangen. Für mich bist du irgendwie James, weißt du?«

James war der Name meiner Figur. Ich sah noch einmal zu der Kulisse, die sie so aus der Fassung gebracht hatte, und prustete los, als der Groschen fiel. »Du meinst die Sexszenen?«, fragte ich und grinste breit, als sich erneut die Röte auf ihren Wangen ausbreitete. »Du hast dir mich nackt vorgestellt, was? Tu dir keinen Zwang an, Süße, das bin ich gewohnt.«

»Lass den Quatsch«, murmelte sie, doch ich erkannte deutlich, dass sie meinem Blick auswich.

Ich grinste sie an. »Was denn? Bist du etwa schüchtern?«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich will einfach nicht mit dir über dein Sexleben sprechen, okay?«, meinte sie. »Ob nun real oder fiktiv spielt keine Rolle.«

»Wir können uns auch gerne über mein reales Sexleben unterhalten, Süße«, fügte ich augenzwinkernd hinzu.

Sie sprang auf und drückte sich das Klemmbrett vor die Brust, während ich wirklich versuchte, mich zusammenzureißen. »Du bist ziemlich überzeugt von dir, oder?«, fragte sie schnippisch, griff nach ihrer Jacke und drängte sich an mir vorbei Richtung Ausgang. »Bis morgen, Dillane!«

»Ach, komm schon!«, rief ich ihr hinterher und rannte neben sie. Sie sah mich nicht an, hielt den Blick starr geradeaus gerichtet, was mich schon wieder glucksen ließ. »Das war nur Spaß! Schon mal davon gehört?«

»Du bringst mich absichtlich in Verlegenheit«, zischte sie. »Ich kenne Leute wie dich und habe da wirklich keine Lust drauf.«

»Leute wie mich?«, fragte ich stirnrunzelnd. Sie beschleunigte ihre Schritte, doch ich blieb mühelos an ihrer Seite. »Zu welcher Art von Leuten zähle ich denn, hm?«

Sobald wir das Eingangstor erreichten, kramte sie nach ihrem Mitarbeiterausweis und hielt ihn hoch. Als würde man sie ansonsten auf dem Gelände festhalten. »Leute, die die Schwächen anderer ausnutzen, um sich über sie zu stellen. Um sie kleinzuhalten, damit sie sich selbst besser fühlen.«

Ich schnaubte verächtlich und auch ein wenig getroffen. »Autsch. Das war wirklich viel Oberflächlichkeit auf einmal, Evans.«

»Ich heiße Jamie!«

»Gut, das war wirklich viel Oberflächlichkeit auf einmal, Jamie!«

Sie stoppte so abrupt, dass ich einen Schritt an ihr vorbeilief, ehe ich ebenfalls stehen blieb und mich zu ihr umdrehte. Sie hielt sich immer noch das Klemmbrett an die Brust gedrückt, als wäre es ein Kuscheltier. »Ich bin nicht oberflächlich.«

Nachdenklich legte ich den Kopf schief. »Ich habe einen Witz gemacht. Aus einem Witz zu schließen, dass ich andere ausnutze und sie runtermache, ist ziemlich frei interpretiert, findest du nicht?«

Ihr Mund klappte auf, doch sie schloss ihn rasch wieder und runzelte irritiert die Stirn. »Du bist arrogant.«

Meine Augenbrauen schossen in die Höhe. »Wow. Das wird ja immer schmeichelhafter.«

»Ich will dir nicht schmeicheln«, sagte Jamie und hob herausfordernd das Kinn. »Genau das ist das Problem.«

»Meins oder deins?«

»Deins«, stellte sie klar. »Ich habe dir heute Morgen auf dem Hof keinen Honig ums Maul geschmiert und werde es auch jetzt nicht tun. Ich habe den Eindruck, dass du das nicht gewohnt bist.«

Ich hätte sie einfach meinen Eltern vorstellen können, dann hätte sie ihre Meinung ganz schnell geändert. Doch eigentlich konnte es mir völlig egal sein, was diese Praktikantin von mir hielt. Sie war hübsch, keine Frage, und irgendwie unterhaltsam. Doch sie wäre nur ein Zeitvertreib.

Ich zuckte mit den Schultern. »Du kannst von mir halten was du willst, Evans, aber im Moment bist du diejenige, die vorschnell urteilt.«

Ihre Augenbrauen hoben sich skeptisch, offensichtlich hatte sie diesmal keine schlagfertige Antwort parat. Also drehte ich mich um, winkte noch einmal in ihre Richtung und machte mich aus dem Staub, bevor ihr etwas Passendes einfallen konnte.

Ich hatte die vage Vermutung, dass wir zwei noch Spaß miteinander haben würden.

JAMIE

»Sorry, aber ich finde, du übertreibst.«

Ich blinzelte ein paar Mal und sah Nell über meinen Teller mit Pancakes hinweg an. Diese Worte aus ihrem Mund kamen quasi Blasphemie gleich. Immerhin war sie hier die Diva und sich dessen auch voll bewusst. Sie liebte Aufmerksamkeit und Drama, aber in einem Maße, das für andere noch erträglich war. Ansonsten wären wir sicher keine Freundinnen geworden.

»Das finde ich überhaupt nicht«, grummelte ich, spießte ein Stück Pfannkuchen auf und steckte es mir in den Mund.

»Was hat er denn gemacht?«, fragte sie stirnrunzelnd, warf sich die weiß gefärbten Rastalocken über die Schulter und sah mich an. »Er ist davon ausgegangen, dass du ein Fan bist, richtig? Folglich war er einfach nur nett.«

»Er war irgendwie überheblich. Ein richtiges Klischee«, versuchte ich zu erklären, auch wenn ich selbst merkte, dass ich ein wenig bockig klang. »Als könne er sich keinen anderen Grund als sich selbst vorstellen, warum ich auf dem Gelände sein sollte.«

Sie zuckte mit den Schultern. »Er ist ja auch süß. Du wärst mit Sicherheit nicht das erste Mädchen gewesen, das seinetwegen gekommen ist.« Sie wackelte mit den Augenbrauen, um die Zweideutigkeit ihrer Worte zu unterstreichen.

Ich verdrehte die Augen. »Immerhin arbeiten wir heute nicht zusammen. Ich hab das Gefühl, er hat es auf mich abgesehen.«

»Du bist paranoid«, sagte sie und zählte ihre Punkte an den Fingern ab. »Und du übertreibst. Und du bildest dir etwas ein.«

Schnaubend lehnte ich mich auf meinem Stuhl zurück. »Irgendwie hast du den Job einer besten Freundin nicht so richtig verstanden.«

»Mein Job ist es, dich auf dem Boden der Tatsachen zu halten, solltest du abheben.«

»Ich hebe nicht ab«, erwiderte ich hitzig. »Ich habe nur das Gefühl, dass der Kerl Ärger macht, und ich bin so was von gar nicht auf Ärger aus.«

Sie lächelte mich verheißungsvoll an. »Was, wenn er die gute Art von Ärger macht?«

»Es gibt eine gute Art von Ärger?«, fragte ich skeptisch.

Sie seufzte theatralisch und legte mir einen Arm um die Schultern. »Ein gewisses Maß an Ärger sollte das Leben beinhalten, findest du nicht? Ansonsten wird es langweilig.«

Nein, das sah ich überhaupt nicht so. Ich war der Meinung, mein Soll an Ärger in den vergangenen Jahren zur Genüge erfüllt zu haben. Mein Studium, das Praktikum und zwei Nebenjobs waren für mich mehr als genug Aufregung. Es mochte ja sein, dass andere Menschen mein Leben als langweilig bezeichnet hätten, doch das war mir ganz recht. Stellte ich mir die Art von Drama vor, die Nell mit Sicherheit im Sinn hatte, hatte ich Bilder à la Chicago Hearts vor Augen. Das brauchte ich wirklich nicht.

Was mich daran erinnerte, dass ich mit Pierce dringend noch einmal den Plot durchgehen musste. Denn ehrlich gesagt war ich bei den Familienverhältnissen und Beziehungskisten immer noch nicht durchgestiegen. Was ich wusste, war, dass Carters Charakter definitiv kein Kind von Traurigkeit war. Soweit ich bislang mitbekommen hatte, hatte er aktuell ein Verhältnis mit einem reichen It-Girl namens Grace, die ihn aber bald mit ihrer Cousine Helena im Bett erwischen würde. Das Tüpfelchen auf dem i war, dass die Produktion wirklich nicht vor Nahaufnahmen und nackter Haut zurückschreckte. Für mich war es immer noch ein Wunder, dass ich Carter überhaupt hatte ins Gesicht sehen können und erst rot geworden war, als er mich auf sein Bett hingewiesen hatte.

»Ist er eigentlich groß?«, fragte Nell. Als ich sie verständnislos ansah – meine Gedanken waren in die unanständige Richtung abgedriftet, doch ich war mir relativ sicher, dass Nell ihre Frage anders gemeint hatte –, präzisierte sie: »Dieser Carter. Ist er groß? Ich habe mal gehört, dass die Leute im Fernsehen immer größer wirken. Immerhin ist Tom Cruise winzig, und es fällt keinem auf.«

»Er ist groß«, sagte ich energisch und erinnerte mich daran, wie ich den Kopf in den Nacken legen musste, um ihm ins Gesicht zu sehen.

Nell grinste verschwörerisch. »Erzähl mir, was du willst. Ich bin mir sicher, dass ich von dem Kerl noch hören werde.«

»Ja. Weil ich ihn umgebracht habe«, murmelte ich, während ich mir eine weitere Ladung Pancakes in den Mund schob. Dafür, dass sie aus der Mensa stammten, waren sie überraschend gut.

Nell beugte sich vor und klaute sich ein Stück von meinem Teller, ohne auf meine Proteste zu achten. »Wann musst du heute hin?«

»Nach dem Kurs.« Ich schluckte mühsam. »Und heute Abend bleibe ich länger in der Bücherei, die haben Märchenstunde. Pizza wird also nichts.«

Sie sah so bestürzt drein, als hätte ich ihr gerade gestanden, dass ich ihren Welpen überfahren hatte. »Aber es ist Dienstag! Dienstag ist Pizzatag!«

Ich zuckte mit den Schultern. »Ich habe keine Ahnung, ob ich zusammen mit dem Praktikum meine Schichten schaffe. Da nehme ich jede Stunde, die ich kriegen kann.«

Nell murrte, gab aber nach.

Ich glaubte nicht, dass sie meine Situation tatsächlich nachvollziehen konnte. Ihre Eltern waren zwar nicht reich, aber Nell brauchte sich keinen Kopf um Studiengebühren zu machen oder darum, wo die nächste Mahlzeit herkam. Ich schon. Auch wenn mein Dad mich nach Kräften unterstützte, reichte das Geld hinten und vorne nicht. Der einzige Grund, warum ich studieren und gleichzeitig leben konnte, waren meine Jobs. Ohne das Geld wäre ich aufgeschmissen gewesen, und ich riskierte einiges, indem ich meine gesamte Freizeit in ein unbezahltes Praktikum steckte. Doch ich vertraute darauf, dass es sich früher oder später auszahlen würde. Die Film- und Theaterbranche waren hart umkämpft, da waren ein wenig Praxiserfahrung und ein ordentliches Studium das Mindeste, was ich würde vorweisen müssen.

»Bleibt es dann wenigstens bei Freitag?«, fragte sie, nachdem sie den Rest meiner Pancakes verdrückt und ihren Stundenplan gecheckt hatte.

Für Freitag hatten wir uns mit ein paar Leuten aus dem Schauspielkurs verabredet. Nell mochte meine beste Freundin sein, doch ich konnte nicht behaupten, dass die anderen zu meinen Lieblingsmenschen gehörten. Trotzdem nickte ich ergeben und erntete dafür ein übertriebenes Jubeln. »Aber ich bleibe nicht lange«, warnte ich sie und hob drohend den Zeigefinger. »Es wird sicher spät, und ich muss am Samstag arbeiten. Ich will nicht das ganze Wochenende in den Seilen hängen.«

Sie verdrehte nur die Augen, warf mir aber eine Kusshand zu, während sie herumwirbelte und ihren Rucksack schulterte. Einen Moment lang sah ich ihren fröhlich wippenden weißen Rastalocken nach, dann packte ich ebenfalls meine Sachen und machte mich zu meinem eigenen Kurs auf.

1.3

JAMIE

Beinahe wäre ich zu spät gekommen. Die EL, die ach so zuverlässige Hochbahn von Chicago, hatte fast zehn Minuten vor einer Haltestelle warten müssen, weil Kinder auf den Gleisen gespielt hatten. Den Eltern hätte ich gerne etwas erzählt, weil diese zehn Minuten mir jetzt beinahe den Tag versauten.

Ich hastete an dem Wachmann vorbei, der heute lediglich einen kurzen Blick auf meinen Mitarbeiterausweis warf und sich dann wieder in seine Zeitschrift vertiefte. Zum Glück hatte ich mir gestern Abend noch einmal das Gelände angesehen und mir zu Hause einen Plan erstellt, sodass ich heute nicht mehr durch die Gegend irrte. Vor der Hallentür nahm ich mir ein paar Sekunden, um meinen hämmernden Herzschlag zu beruhigen, dann strich ich über meinen zartrosa Blazer und betrat das Set.

Obwohl ich gestern den ganzen Tag hier verbracht hatte, war die Wirkung beinahe genauso überwältigend wie gestern. Die Geräusche, das Licht und der Geruch schlugen mir entgegen und ließen meine Haut aufs Neue kribbeln. Gott, ich liebte das hier. Es machte mir beinahe nichts mehr aus, dass ich für eine Soap arbeitete.

Vorsichtig bahnte ich mir meinen Weg an den verschiedenen Bühnenbildern vorbei zum Personalraum, um meine Sachen loszuwerden und mich mit Pierce zu treffen. Heute würden wir den ganzen Vormittag beim Dreh zusehen. Die Szene spielte in einem englischen Herrenhaus, und Pierce’ Aufgabe war es, sicherzustellen, dass die Etikette eingehalten wurde und die Situation authentisch blieb. Meine Aufgabe war es, nicht im Weg herumzustehen und alles aufzunehmen, was Pierce sagte oder tat. Und darauf zu achten, dass das Drehbuch korrekt umgesetzt wurde.

Mein Herzschlag beschleunigte sich noch einmal, als die Tür des Personalraums in Sicht kam. Seit gestern Abend war ich stolze Besitzerin eines eigenen Spindes, was ziemlich praktisch war. Ein wenig Sorgen bereitete mir allerdings, dass die Spinde der Schauspieler sich im selben Raum befanden. Nach meinen bislang eher schwierigen Zusammentreffen mit Carter fürchtete ich mich ein wenig vor diesen Leuten. Deren Räumlichkeiten fühlten sich für mich an wie die Höhle des Löwen.

Ich richtete mich auf und versuchte so professionell wie möglich auszusehen, als ich die Hand nach der Türklinke ausstreckte und sie herunterdrückte. Vorsichtig lugte ich durch den Spalt und atmete erleichtert aus, als ich niemanden entdeckte. Vielleicht lag es daran, dass ich später dran war als gestern, als sich alle offensichtlich noch in den Vorbereitungen befunden hatten. Vermutlich waren sie inzwischen bereits beim Dreh oder in der Maske.

Deutlich entspannter umrundete ich die erste Reihe Spinde und machte mich auf den Weg nach ganz hinten, wo sich mein kleiner Schrank befand. Die Unterschiede zwischen den Schauspielern und mir waren deutlich. An den Schranktüren der anderen klebten Bilder, Postkarten oder Namensschilder; ihre Spinde waren etwa doppelt so groß wie meiner, manche Leute besaßen sogar mehrere nebeneinander. Ich fragte mich, ob es hier so etwas wie eine Hierarchie gab. Klar, das war kein Hollywoodstreifen, dennoch konnte ich mir vorstellen, dass die Hauptrollen am Set eine andere Stellung hatten als die Nebendarsteller. Ich musste Pierce bei Gelegenheit einmal danach fragen.

Vielleicht war Carter deswegen so mürrisch drauf. Er schien sehr viel von sich zu halten, doch soweit ich mitbekommen hatte, spielte er lediglich eine kleine Rolle. Möglicherweise tat das seinem Ego nicht gut.

»Du siehst entspannter aus als gestern.«

Ich zuckte zusammen und unterdrückte einen Aufschrei, als die fremde Stimme mich aus meinen Grübeleien riss. An einem der hinteren Spinde lehnte ein halb nackter Kerl. Wie hatte ich ihn übersehen können? Immerhin trug er lediglich eine offenstehende Jeans und war mindestens zwanzig Zentimeter größer als ich.

Allerdings kam mir sein Gesicht nicht bekannt vor. »’tschuldige«, sagte ich, immer noch ein wenig außer Atem, und presste mir die Handfläche auf mein hämmerndes Herz. »Ich habe dich überhaupt nicht bemerkt.«

»Kein Problem«, erwiderte er, lachte freundlich und machte einen Schritt auf mich zu, während er mir die Hand entgegenstreckte. Dass seine Hose immer noch nicht zu war und mir eine hellblaue Boxershorts entgegenblitzte, schien ihn offensichtlich nicht zu stören. »Ich bin Christopher, aber nenn mich ruhig Chris. Ich habe dich gestern am Set gesehen.«

Ich schlug ein, wenn auch ein bisschen irritiert. Bei dem Namen klingelte es ebenfalls nicht. »Jamie«, stellte ich mich vor und erwiderte sein Lächeln unsicher. »Entschuldige, aber ich kann dich gerade wirklich nicht einordnen. Gestern war mein erster Tag, und ich habe so viele Gesichter gesehen, dass ich …«

Er winkte ab und ging zurück zu dem Spind, vor dem er gerade so lässig posiert hatte. »Wir wurden einander nicht vorgestellt. Ich bin nur zeitweise hier und springe als Komparse ein. Ich war bei einer Szene im Hintergrund, aber du hast sehr beschäftigt ausgesehen.«

Chris lachte leise, was mich ein wenig erröten ließ. Ich neigte dazu, mich in meiner Arbeit zu verlieren. Nell machte sich beim Lernen oft über mich lustig, weil ich auf der Lippe kaute und anscheinend Grimassen zog, wenn ich mich konzentrierte.

Hastig versuchte ich das Thema zu wechseln, während ich mich gleichzeitig zu meinem Spind umdrehte und mein nagelneues Zahlenschloss aus der Tasche kramte. »Dann bist du also Schauspieler?«

Wieder lachte Chris. Entweder war er ein sehr freundlicher Typ, oder er amüsierte sich immer noch über etwas, was ich nicht mitbekommen hatte. »Ich würde mich gern so bezeichnen, aber eigentlich stehe ich nur als Teil einer Menge im Hintergrund. Ich habe noch keinen einzigen Satz gesprochen.«

»Ist doch nicht schlimm«, sagte ich und nickte ermutigend. »Jeder fängt mal klein an, oder? Ich stelle mir das ganz lustig vor.«

»Du willst schauspielern?«

Energisch schüttelte ich den Kopf. »Nein, das ist nicht mein Ding. Sobald ich etwas sagen müsste, würde ich vor Nervosität wahrscheinlich in Ohnmacht fallen. Aber als Komparse hat man das Problem ja nicht und man ist trotzdem dabei.«

Chris, der ebenfalls in seinem Spind herumgewühlt hatte, drehte sich zu mir um, doch ich wandte mich hastig ab. Seine blonden Haare waren nass und standen in alle Himmelsrichtungen ab, und seine durchaus beeindruckenden Brustmuskeln glänzten, als hätte er sie eingeölt. Er konnte sich zeigen, dennoch wäre ich ihm dankbar gewesen, hätte er sich endlich etwas angezogen.

»Was machst du heute Abend?«

Ich schielte zu ihm hinüber, angestrengt darauf bedacht, ausschließlich in sein Gesicht zu sehen. »Ich arbeite. Warum?«

Er zuckte mit den Schultern. »Ein paar von uns gehen nach Drehschluss etwas trinken«, sagte er. »Du bist neu. Das wäre die passende Gelegenheit, ein wenig Anschluss zu finden.«

Das war nett, doch leider hatte ich dafür keine Zeit. Ich warf ihm einen entschuldigenden Blick zu und wollte gerade antworten, als sich hinter uns die Tür öffnete.

»Jamie?«

Das war Pierce. Hastig sammelte ich meine Sachen ein. »Ich komme!«, rief ich über die Schulter, schloss meinen Spind und winkte Chris noch einmal zu, bevor ich mich in meinen zweiten Arbeitstag stürzte.

CARTER

Ich hob den Kopf, um mir von Lydia, der Stylistin, die Krawatte richten zu lassen und las noch einmal meinen Text. Wir arbeiteten in Blöcken, was im Grunde bedeutete, dass wir innerhalb einer Woche eine Woche Serienzeit abdrehten. Innerhalb dieser Serienwoche blieben wir aber selten chronologisch. Die Szenen wurden teilweise in willkürlicher Reihenfolge abgedreht, und ich kam total durcheinander. Heute spielten wir eine große Gala in England. Ich hatte eigentlich nicht viel zu tun außer zu tanzen und meine Serien-Freundin zu ignorieren. Der Haupttext lag bei ihr, trotzdem hatte ich heute Schwierigkeiten, mir die drei Sätze zu merken, die in meinem Skript standen.

»Alle fertig?«, rief Penny, die Regisseurin, und wedelte mit dem Drehbuch. »Hat jetzt jeder seinen Tanzpartner, oder gibt es immer noch Probleme?«

Innerlich verdrehte ich die Augen, zwinkerte dem blonden Mädchen aber zu, das nervös an meiner Seite zappelte. Sie war zum ersten Mal Komparsin, weshalb ich mich fragte, warum ausgerechnet sie meine Partnerin sein sollte. Vielleicht, weil sie beinahe lächerlich hübsch war. Als hätte man ihr Gesicht aus einer Modezeitschrift ausgeschnitten. Ich hatte vergessen, wie sie hieß, ihren Blicken nach zu urteilen, war es ihr wohl auch nicht so wichtig. Ich erkannte Groupies, wenn ich sie sah. Und ich war mir relativ sicher, dass ich sie nach Drehschluss zufällig auf dem Gelände treffen würde.

»Okay, alle auf Position!«, dröhnte Pennys Stimme durch das Set. Ich nahm Blondie bei der Hand und führte sie in die Mitte der Tanzfläche, während sich die anderen Paare um uns herum positionierten. Amelia alias Grace – meine On-off-Freundin in der Serie – brachte sich ebenfalls in Stellung und ging ein wenig in die Knie, als Lydia zu ihr herüberflitzen, um eine Haarsträhne am Hinterkopf zu fixieren, die sich irgendwie befreit hatte. Im Gegensatz zu Lydia war Amelia hochgewachsen und hatte die Statur eines Supermodels. Ich war wahrlich kein Zwerg, aber mit Absätzen schaffte sie es durchaus, mit mir auf einer Höhe zu sein. Im Licht der Scheinwerfer glänzten ihre dunkelbraunen Haare mit ihrem schwarzen Kleid um die Wette. Sie war einer dieser Menschen, die alle Blicke auf sich zogen, wenn sie einen Raum betraten. Genau wie ich. Ich hatte mehr als einmal versucht, bei ihr zu landen, doch sie hatte nie auch nur das geringste Interesse gezeigt. Zu schade, meiner Meinung nach passten wir perfekt zusammen, auch wenn dieser Gedanke hinfällig war. Laut Vertrag war es mir nicht gestattet, während meiner Zeit bei CLT öffentliche Beziehungen zu haben – das würde meinem Image als Mädchenschwarm schaden. Beziehungen innerhalb des Kollegiums wurden grundsätzlich nicht gerne gesehen.

Die Kameraleute bellten Befehle zu den Beleuchtungsleuten, Penny ermahnte noch einmal alle zur Ordnung und rief dann »Action!«, woraufhin sich sämtliche Tänzer in Bewegung setzten. Auch ich legte die Arme um die Blonde, zog sie zu mir und wiegte mich im Takt der Hintergrundmusik.