9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €
In dem Moment, in dem unsere Blicke sich treffen, setzt mein Herz ein, zwei Schläge aus, nur um dann doppelt so schnell weiterzuschlagen.
Die Studentin Luca Murphy erhält eine einmalige Chance: Sie wird eingeladen, an einem Auswahlverfahren für die Stelle als Social-Media-Managerin eines luxuriösen Skihotels teilzunehmen. Aber als sie in dem abgeschiedenen Ortiz Resort auf ihre Mitbewerber:innen trifft, befindet sich unter ihnen auch der attraktive Devan Sandoval, der sie auf einer College-Party angeflirtet und dann stehengelassen hat. Doch von dem Kribbeln, das Devans intensive Blicke in ihr auslösen, will Luca sich nicht ablenken lassen. Und auf einmal hat die Gruppe auch ganz andere Probleme, denn als ein Schneesturm und ein Stromausfall sie von der Außenwelt abschneiden, müssen sie sich fragen, ob da draußen jemand sein Unwesen treibt, der dort nicht hingehört ...
»Achtung, diese Geschichte hat es in sich! Ein aufregendes Setting, eine packende Liebesgeschichte und ständig die Frage: Wem kann man trauen? ONE OF SIX ist ein Leseerlebnis, das ihr so schnell nicht vergessen werdet.« LENA KIEFER
Erster Band der ONE OF SIX Reihe von SPIEGEL-Bestseller-Autorin Kim Nina Ocker
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 602
Titel
Zu diesem Buch
Leser:innenhinweis
Widmung
Prolog
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
Die Autorin
Die Romane von Kim Nina Ocker bei LYX
Impressum
KIM NINA OCKER
ONE OF SIX
VERRAT
Roman
Luca Murphy ist begeistert: Die Studentin bekommt die einmalige Chance, an einem Auswahlverfahren teilzunehmen, bei dem sie eine Anstellung als Social-Media-Managerin eines luxuriösen Skihotels ergattern kann. Natürlich zögert sie keine Sekunde. Aber als sie für das Assessment-Center in dem abgeschieden gelegenen Ortiz Resort auf ihre Mitbewerber:innen trifft, befindet sich unter ihnen auch der attraktive Devan Sandoval. Devan, der auf dem Campus als Frauenheld bekannt ist und der Luca auf einer College-Party bereits angeflirtet und dann stehengelassen hat. Doch gerade von ihm will sie sich nicht ablenken lassen – und von dem aufregenden Kribbeln, das sie bei jedem seiner intensiven Blicke spürt, schon gar nicht! Obwohl Luca zugeben muss, dass Devan so ganz anders ist, als sie dachte. Aber die beiden haben kaum Zeit, der Anziehung zwischen ihnen nachzugeben, denn auf einmal hat die Gruppe andere Probleme: Ein Schneesturm und ein Stromausfall schneiden sie von der Außenwelt ab, und dann ist da noch das bedrohliche Gefühl, beobachtet zu werden. Als immer mysteriösere Dinge geschehen, müssen sie sich fragen, ob sie wirklich so alleine sind, wie sie dachten …
Liebe Leser:innen,
wir möchten darauf hinweisen, dass dieses Buch folgende Themen enthält:
Mord und Schilderungen von Klaustrophobie und Höhe.
Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseerlebnis.
Eure Kim und euer LYX-Verlag
Für Sabrina
für dein Vertrauen
und deine Liebe für jedes noch so kleine Detail
Mein Finger zittert kaum merklich, als ich auf »Senden« klicke. Es erscheint ein kleiner Ladebalken und daneben eine Art Countdown, der gemächlich runterzählt: 1/5 versendet, 2/5 versendet … es ist nervtötend. Ich bin schnelles Internet gewöhnt, und die zwei Dutzend Umleitungen über verschiedene VPN-Provider zerren an meiner Geduld. Während der Sendevorgang noch läuft, öffne ich die E-Mail und lese sie mir erneut durch. Sie ist ein beschissenes Meisterwerk. Sollte sie auch sein, nachdem ich die letzten sieben Wochen meines armseligen Lebens in sie investiert habe. Jedes einzelne Wort ist Poesie, jede Silbe ein Vers und jeder Buchstabe ein Stillleben, bei dem der Künstler in jeden der Milliarden Pinselstriche die tiefsten Geheimnisse seiner Seele gelegt hat. Wie eine Komposition: ein Zusammenspiel aus Klängen, Tempo und Leidenschaft. Ohne das eine oder das andere ist das Ergebnis nicht perfekt. Und genauso bin ich überzeugt davon, dass jedes einzelne Wort dieser sorgsam formulierten E-Mail die Perfektion dieses Plans ausmacht und mein Leben in die eine oder in die andere Richtung lenken wird.
Ein leiser Signalton ertönt, kaum hörbar durch die Beschallung meiner Kopfhörer. Ich schiebe sie von meinen Ohren, und sofort verklingt die eindringliche Stimme des Leadsängers der Iron Maiden, die wie jeden Tag dazu bestimmt waren, die dröhnenden Gedanken in meinem Kopf zu übertönen. Meistens ohne Erfolg. Dafür dringt nun der Lärm des Highways durch das Fenster zu mir rein, vermischt sich mit dem Röhren der Klimaanlage und dem Rattern des losen Propellerblattes in meinem Ventilator, sodass die Realität sich über mich senkt wie eine Decke, die Flammen erstickt, indem sie ihnen den Sauerstoff nimmt.
Mein Blick wandert zu der Mitteilung, die in der unteren rechten Ecke meines Bildschirms aufgepoppt ist. Vor Jahren habe ich das Design meiner Pop-up-Fenster personalisiert, sodass sie in einer dreidimensionalen, neongrünen Sprechblase erscheinen. Nicht mehr wirklich mein Stil. Aber in den vergangenen Wochen war ich gezwungen, all meine Energie in die Details meiner Strategie zu stecken, und hatte keine Zeit, mich mit derlei Belanglosigkeiten zu beschäftigen. Also mustere ich die giftgrüne Sprechblase und lese die Mitteilung darin. Proband 1 und 2 haben die E-Mail erhalten, geöffnet und gelesen, wenn der Algorithmus die Dauer der geöffneten E-Mail und die anschließende Google-Suche der beiden Zielcomputer richtig interpretiert. Proband 3 und 4 haben die E-Mail erhalten, jedoch noch nicht geöffnet, die E-Mail von Proband 5 wird noch versendet. Ich befürchte, ich brauche eine akkuratere Bezeichnung für die Empfänger. Ein »Proband« bezeichnet eine Testperson, ein Versuchskaninchen. Auf eine verdrehte, abstrakte Weise trifft diese Beschreibung durchaus zu, aber eigentlich beschreibt sie das Schicksal dieser Menschen für mich nicht vollumfänglich. Hingegen klingt »Ziel« beinahe lächerlich pathetisch, und zu »Opfer« lasse ich mich nun wirklich nicht hinreißen. Ein Opfer impliziert gleichzeitig auch einen Täter – ein an seiner Zigarre paffendes Mastermind mit einer Katze auf dem Schoß und einer Narbe, die eine Augenbraue spaltet. Damit kann und werde ich mich sicher nicht identifizieren. Ich selbst würde mich als Künstlerseele bezeichnen und die fünf gesichtslosen Empfänger als meine Skizzen, deren Fertigstellung für alle Zeit mit einem Fragezeichen versehen sein wird.
Erneut ertönt das Signal, und die grüne Sprechblase ploppt auf.
5/5 zugestellte E-Mails. Es hat begonnen.
Mein Blick ruht auf der Zahl. Ich sollte sie »Member« nennen. Meine Member des Club of Six. Der List of Six.
Ich lehne mich zurück und verziehe kurz das Gesicht, als die Rückenlehne meines Stuhls bedenklich knackt. Die Pflege meines Equipments hat in letzter Zeit wirklich gelitten, aber das wird sich ändern. Sobald das hier vorbei ist. Vielleicht habe ich Glück, und meine kleinen Spielfiguren folgen gehorsam den für sie vorgesehenen Spielzügen. Dann bin ich bald wieder hier, auf diesem Stuhl, vor diesem PC. Oder aber sie fordern mich heraus und stellen ihre eigenen Regeln auf. Ein Teil von mir erhofft sich genau das. Dass sie es mir schwer machen. Mich überraschen.
Und dass sie mir keine andere Wahl lassen, als sie mit einem Schachmatt vom Feld zu fegen.
Sonntag, 01. Oktober 2023
Ein kurzer Blick auf die Uhr bestätigt meine Armseligkeit. Seit etwa zwanzig Minuten sitze ich im Schneidersitz auf meinem Bett und starre den fettgedruckten Absender der einzigen ungeöffneten E-Mail in meinem Posteingang an. Das ist nicht einmal eine passive Sache, alle drei Minuten muss ich den Mauszeiger bewegen, damit der Laptop nicht auf Stand-by umschaltet. Die Mail ist gestern schon angekommen, aber ich habe mich nicht getraut, sie zu öffnen. Als würde sie eine Bombe enthalten, die sofort hochgehen könnte. Auf diese E-Mail warte ich seit Wochen, und auch wenn ich mir geschworen habe, mir keine übersteigerten Hoffnungen zu machen, bin ich an diesem Vorhaben kläglich gescheitert. Wenn in diesem Schreiben eine Absage steht, bricht eine verdammte Welt für mich zusammen.
Kurzentschlossen fahre ich mit dem Finger über das Mousepad und suche den Cursor auf meinem Bildschirm, dann klicke ich auf den Absender. Als die Mail sich öffnet, unterdrücke ich den Drang, die Augen zusammenzukneifen, um mich nicht selbst zu spoilern. Mir ist klar, dass ich mich lächerlich benehme. Selbst wenn das hier eine Zusage ist, bedeutet das noch gar nichts. Sie würde mich lediglich in die nächste Runde des Bewerbungsverfahrens bringen, aber noch lange nicht bedeuten, dass ich den Job tatsächlich bekomme. Einen Job, für den ich verdammt viel geben würde. Er ließe sich mit meinem Studium vereinbaren, würde beinahe unverschämt gut bezahlt werden und genau meinen Interessen entsprechen. Als Social-Media-Managerin eines glamourösen und anerkannten Skiresorts stünden mir nach meinem Studium deutlich mehr Türen offen als zum aktuellen Zeitpunkt. Dass ich seit Jahren die Redakteurin der Campuszeitung bin und einen eigenen, mittelgroßen Blog besitze, beeindruckt in New York oder Chicago niemanden. Oder in Europa, wo ich gerne nach meinem Collegeabschluss eine Zeit lang arbeiten würde.
Ich atme noch einmal tief durch, dann öffne ich entschlossen die Augen und ziehe meine Finger hastig wieder zurück, als hätte ich Angst, mich an meinem Laptop zu verbrennen. »Sehr geehrte Miss Murphy«, flüstere ich mit gerunzelter Stirn und schnappe heftig nach Luft, weil mein Blick zu den kommenden Worten vorgeschnellt ist. »Wir freuen uns auf die Möglichkeit, Sie und Ihre Mitbewerber*innen während der Teilnahme an unserem Assessment-Center persönlich kennenlernen zu können!« Den letzten Teil des Satzes schreie ich beinahe vor Aufregung, halte aber hastig inne, als ich auf dem Flur eine Tür ins Schloss fallen höre. Zwar ist meine Mitbewohnerin gerade nicht da, aber die Wände der Wohnheimzimmer in diesem Gebäude sind dünner als Papier.
Völlig überfordert scrolle ich weiter runter und lese mir den Rest durch. Sie laden mich ein! Sie laden mich tatsächlich ins Resort ein!
Als ich die Bewerbungsaufforderung vor Wochen erhalten habe, war ich direkt begeistert. Studierendenjobs, noch dazu gut bezahlte und inhaltlich interessante Studierendenjobs, sind eine verdammte Rarität. Diese Stellenausschreibung ist Teil eines Förderprogramms meiner Uni, das jedes Jahr eine Handvoll studienbegleitende Nebenjobs anbietet und bei der Vermittlung hilft. In den letzten Jahren habe ich mich nicht beworben, weil die Ausschreibungen mich nie wirklich interessiert und sich auch eher auf lokale Kleinunternehmen beschränkt haben. Aber das hier ist der Hammer: Als remote arbeitende Social-Media-Managerin für das Ortiz Grand Resort hätte ich sowohl genug Geld, um meine Studiengebühren und das Wohnheimzimmer bezahlen zu können, als auch die nötigen Praxiserfahrungen, um mich am Ende meines Studiums auf richtige Jobs zu bewerben. Abgesehen davon, dass wir für die nächste Bewerbungsrunde in diese riesige Hotelanlage in Colorado eingeladen werden.
Gerade als ich auf »Antworten« klicke, öffnet sich unsere Zimmertür, und meine Mitbewohnerin kommt vollbeladen mit Büchern herein. »Hilf mir«, ächzt Riley, ohne Zeit für eine Begrüßung zu verschwenden, kurz bevor ihr Stapel ins Wanken gerät und das erste Buch fällt. Ich bewege mich keinen Millimeter. Selbst wenn ich aufgesprungen wäre, hätte ich ihr nicht helfen können. Es rumpelt ein paarmal, dann sind ihre Hände frei, und ihr vorwurfsvoller Blick bohrt mir beinahe ein Loch in meine Stirn.
»Vielen Dank, Luca«, sagt sie trocken.
Lachend stehe ich auf und helfe ihr, die Bücher aufzusammeln. Es handelt sich um verdammt schwere Wälzer, allesamt Fachbücher aus der Bibliothek über den … Sino-Japanischen Krieg? »Was willst du damit?«, frage ich stirnrunzelnd und greife nach einem besonders schwer verdaulich aussehenden Schinken mit rotem Einband, schwarzem Prägetitel und Farbschnitt.
Riley schnaubt. »Geschichte«, antwortet sie knapp, lehnt sich zurück und lässt den Rücken knacken. »Wir müssen eine zehnseitige Fake-Dissertation über den Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg schreiben. Und sämtliche Quellen aus, Zitat: echten Büchern beziehen, Zitat Ende.«
Ich verziehe das Gesicht. »Klingt lustig.«
»Ja. Die meisten empfohlenen Bücher aus der Literaturliste dürfen nicht einmal ausgeliehen werden. Und da jetzt siebzig Studierende alle auf einmal nach diesen Büchern suchen, war keines mehr frei, und ich musste mich in eine beschissene Warteliste eintragen.«
Beinahe hätte ich wieder gelacht, aber Rileys entnervter Gesichtsausdruck hält mich davon ab. Stattdessen greife ich nach der Hälfte der Bücher, stehe auf und lege den Stapel auf ihrem Bett ab. Dann werfe ich ihr einen vorsichtigen Blick zu. »Ich will deine Probleme nicht ignorieren oder so, aber darf ich kurz das Thema wechseln?« Als sie eine auffordernde Handbewegung macht, breitet sich unwillkürlich ein Grinsen auf meinem Gesicht aus. »Ich habe eine Zusage für das Assessment-Center.«
Verwirrt schaut sie auf. »Was ist ein Assessment-Center?«
»Die letzte Bewerbungsrunde! Alle werden eingeladen, sie lassen uns in einer Arena aufeinander los, der letzte Überlebende kriegt den Job und so weiter«, erkläre ich ungeduldig.
»Für das Skiresort?«
Ich nicke aufgeregt. »Das ist die letzte Runde! Ich habe mit Pascal aus dem Literaturkurs gesprochen, der den Job letztes Jahr bekommen hat. Er meinte, in der finalen Runde wären nur sechs oder sieben Bewerber übrig gewesen.«
»Pascal aus Literatur wäre wohl kaum der letzte Überlebende in einem Arena-Kampf gewesen. Und der Job vorheriges Jahr war doch nur für Bewerber von den Unis in der Umgebung, oder? Schätze, dieses Hotel hat den Job landesweit ausgeschrieben.«
Ich gehe zurück zu meinem Bett und überfliege noch mal die Mail. »Sie schreiben nicht, wie viele in der Endrunde sind.«
»Vielleicht sind es auch noch weniger als letztes Jahr, weil sie euch ins Resort einladen?«, überlegt Riley. »Nur eben Bewerber von verschiedenen Colleges. Wann geht’s los?«
»Am Mittwoch. Ich muss also Dienstag anreisen.« In meinem Magen beginnt es zu kribbeln, und ich kann ehrlich nicht sagen, ob es ein angenehmes Gefühl ist oder nicht. Ja, ich freue mich über diese Möglichkeit, meine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Trotzdem macht mich die Aussicht, durchs halbe Land zu fliegen und mich gegen andere durchsetzen zu müssen, ein wenig nervös. »Ich habe keine Ahnung, was ich einpacken soll. Was zieht man zu so etwas an?«
»Gute Frage.« Nachdenklich legt sie den Kopf schief. »Für ein Bewerbungsgespräch, vor allem bei einem Unternehmen in dieser Preisklasse, würde ich etwas Elegantes oder zumindest Klassisches mitnehmen. Auf der anderen Seite bewirbst du dich als Social-Media-Managerin, also vielleicht doch lieber etwas … Hippes?«
Ich schnaube. »Ich denke, ›hipp‹ ist genau der Ausdruck, den man als Social-Media-Managerin nicht benutzen sollte.«
Riley verdreht die Augen, sieht aber nicht im Mindesten so aus, als hätte sie mein Kommentar irgendwie berührt. Manchmal bin ich verdammt neidisch auf ihr Selbstbewusstsein. Sie geht hinüber zu meiner kleinen Kommode und zieht die oberste der drei Schubladen auf, deren Inhalt sie kritisch mustert, bevor sie eine Bluse herauszieht, die ich vor ein paar Jahren für eine standesamtliche Hochzeit gekauft habe. Ursprünglich war sie weiß, aber nachdem ich sie einmal zusammen mit einem roten neuen Kleid gewaschen habe, besitzt sie jetzt eher eine Art verblichenen, rosafarbenen Batik-Look.
»Nein«, sage ich, bevor Riley einen Kommentar abgeben kann. »Die Siebziger sind vorbei.«
»Das ist schon lange wieder modern«, hält sie energisch dagegen. »Und vielleicht wäre das genau die richtige Mischung zwischen klassisch und … fetzig.«
Grinsend schüttle ich den Kopf, dann seufze ich. »Ich werde in meiner Zusage einfach nachfragen, ob es einen Dresscode gibt.«
Ihr ist deutlich anzusehen, dass sie mit meiner Abneigung gegenüber der hässlichen Bluse alles andere als einverstanden ist, aber schließlich gibt sie nach und geht stattdessen beinahe die Hälfte meiner Klamotten durch, wovon wir wiederum die Hälfte zur Seite legen, damit ich sie später in meinen Koffer packen kann. Meine Garderobe lässt tatsächlich zu wünschen übrig. Zwar besitze ich ein paar formelle Sachen – hauptsächlich von Hochzeiten, auf die wir eingeladen waren, oder das Outfit von meiner Abschlusszeremonie auf der Highschool. Allerdings liegt der Großteil dieser Sachen in meinem Kleiderschrank bei meinen Eltern in Belville, und dahin wäre es eine elfstündige Autofahrt. Entweder ich muss vor meiner kleinen Reise noch einmal einkaufen, oder aber ich vertraue darauf, dass meine Fähigkeiten von Jeans und Turnschuhen ablenken.
Irgendwann zieht Riley sich mit ihren Büchern an ihren Schreibtisch zurück, und ich setze mich an die Antwort an educationcare – die Agentur, die diesen Job vermittelt und den Studierenden zur Verfügung gestellt hat. In der Mail wurde um eine schnelle Rückmeldung gebeten, und ich will sicher nicht riskieren, meinen Platz an einen Nachrücker abzugeben, nur weil ich nicht innerhalb der Frist zugesagt habe. Außerdem muss ich mit Mrs Greenswill von der Studienberatung sprechen und mich für die Zeit, in der ich in Colorado sein werde, freistellen lassen. Das sollte kein Problem sein, immerhin hat meine Universität diesem Projekt zugestimmt.
Während ich nach einer passenden Formulierung suche, spüre ich, dass mein Magen erneut zu kribbeln beginnt. Das hier ist wahnsinnig aufregend. Seit der Junior High möchte ich Journalistin werden. Meine Vorstellungen bezüglich der genauen Fachrichtung haben sich im Laufe der Jahre mehrfach verändert, aber das Ziel ist immer gleich geblieben: Ich will recherchieren, schreiben und berichten. Dabei ist es mir ziemlich egal, ob meine Artikel online oder in Printmedien veröffentlicht werden, und Social Media ist dafür eine wahnsinnig gute Chance. Dazu noch der Name des Ortiz Resort und die Tatsache, dass ich mich landesweit unter Hunderten Bewerbern durchgesetzt habe … Mit dieser Stelle würde für mich ein Traum in Erfüllung gehen.
Nachdem ich die Anrede und meinen Dank für die Chance, mich vorzustellen, getippt habe, starre ich ein bisschen unschlüssig auf den blinkenden Cursor auf meinem Bildschirm. Einerseits will ich mich dankbar zeigen und deutlich machen, dass ich diese Möglichkeit zu schätzen weiß. Andererseits will ich auch nicht zu bedürftig klingen – so, als wäre ich überrascht, dass ich überhaupt in die engere Auswahl gekommen bin. Was stimmt, aber das müssen die Leute vom Ortiz ja nicht wissen. Ich klicke auf das kleine WhatsApp-Symbol und öffne den Chat mit meiner Mom, um ihr eine kurze Nachricht zu schicken, dass sie mich zurückrufen soll, sobald sie Zeit findet. Am liebsten würde ich sie direkt anrufen, aber meine Mutter arbeitet als Architektin und reist für Aufträge immer wieder durchs ganze Land. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wo sie gerade ist, geschweige denn in welcher Zeitzone.
Ich habe die Nachricht kaum abgeschickt, da vibriert mein Handy, und das Foto meiner Mutter erscheint auf dem Display. Als ich ihr von der Zusage erzähle, scheint sie sich tatsächlich für mich zu freuen und beginnt so aufgeregt und laut zu reden, dass ich mir einen Moment lang das Handy ein paar Zentimeter von meinem Ohr weghalte. Ich liebe meine Mom, aber manchmal überfordert mich ihre überschwängliche und vor allem meist gespielte Begeisterung ein wenig. Meine Mutter ist ein lauter, impulsiver, verdammt selbstbewusster Mensch. Und während ich sie hin und wieder ein wenig für diese Sorglosigkeit gegenüber anderen Menschen beneide, bin ich die meiste Zeit über froh, dass ich diese Charaktereigenschaft nicht von ihr geerbt habe. Hauptsächlich, weil ihr Optimismus teilweise ziemlich hart an toxische Positivität grenzt, was meistens damit endet, dass ich genervt bin und sie völlig verwirrt darüber, was sie eigentlich falsch gemacht hat. Was wohl auch ein Grund dafür war, dass ich nach der Highschool entschieden habe, nicht in der Nähe von Belville zu studieren, obwohl es in Santa Cruz oder Salinas ganz ordentliche Unis gibt. Die University of Portland Park war nicht gerade meine Traumuni, aber sie bot gute Kurse an und war weit genug von meinen Eltern entfernt, um mich zu überzeugen. Denn Tatsache ist, dass meine Eltern und ich uns deutlich weniger streiten, je weniger wir einander sehen.
Nach dem Telefonat mit meiner Mutter tippe ich schnell eine Antwort und versuche dabei, nicht jedes einzelne Wort zu zerdenken. Diese Leute – wer auch immer über die Auswahl der Bewerber und Bewerberinnen entschieden hat – haben mich aufgrund meiner Qualifikationen ausgesucht und hielten mich offensichtlich für eine gute Kandidatin. Sie werden es sich wohl kaum anders überlegen, nur weil meine Zusage nicht kreativ genug ist. Danach packe ich meinen Laptop weg, greife nach meinem Kulturbeutel und mache mich auf den Weg zu den Gemeinschaftsduschen, die zu meiner Erleichterung leer sind. Es gibt zwar separate und verhältnismäßig große Kabinen, aber wenn ich alleine bin, kann ich Musik hören. Nachdem ich mich ausgezogen habe, drehe ich das Wasser auf, damit es schon mal warm werden kann, und entsperre mein Handy, um meine Playlist auszuwählen. Ich brauche ein paar Sekunden, bis mir ein kleines Symbol am oberen Rand meines Displays auffällt. Neben dem kleinen Zeichen von WhatsApp, dem Instagram-Symbol und einer Mitteilung, dass ich mein Tages-Schrittziel noch nicht erreicht habe, habe ich das neue Zeichen erst überhaupt nicht bemerkt. Ich runzle die Stirn, während ich meine Mitteilungsleiste mit dem Daumen nach unten ziehe. Dieses Symbol habe ich noch nie zuvor gesehen. Es erinnert mich an eine Eistüte. Nein, ein kleines Mikrofon vielleicht.
»What the …«, murmele ich leise. Den Bruchteil einer Sekunde später verschwindet das Icon. Irritiert überfliege ich meine Mitteilungen nach irgendeiner App-Benachrichtigung, doch dort finde ich nichts, das dort nicht hingehört. Ein paar Herzschläge lang stehe ich da, öffne die Einstellungen und die kürzlich heruntergeladenen Apps. Aber nichts. Wahrscheinlich irgendein automatisches Update oder die dringend nötige Aufforderung, einige vernachlässigte Funktionen zu aktualisieren. Oder es handelt sich um diese komische App, die Riley mir vor ein paar Wochen aufgeschwatzt hat und mit der man sich gegenseitig kleine tägliche Podcasts aufnehmen kann. Die wir aber niemals wirklich genutzt haben und die seitdem mit unzähligen anderen App-Leichen auf meinem Handy verschimmelt.
Ich seufze ein wenig resigniert, suche nach der richtigen Playlist und schließe dann die Augen, um mein Gesicht unter das heiße Wasser zu halten. Zwei Tage noch. In zwei Tagen werde ich in einem Flieger nach Colorado sitzen, um die verdammte Chance meines Lebens zu erhalten.
Dienstag, 03. Oktober 2023
Ich habe mich schon immer gefragt, was manche Menschen eigentlich dagegen haben, wenn Passagiere nach der Landung ihres Flugzeuges für den Piloten und die Crew klatschen. Für mich persönlich ist das eine absolut nachvollziehbare Reaktion – immerhin war man stundenlang in einem vergleichsweise kleinen Raum gefangen, aus dem kein Ausgang und keine Feuertreppe herausführt, und der verdammte dreißig- bis vierzigtausend Fuß hoch in der Luft fliegt. Über Ozeanen, Bergen oder Großstädten! Falls etwas schiefgeht, der Pilot einen falschen Knopf drückt oder was auch immer in so einem Cockpit so alles schiefgehen kann, spielt es keine Rolle, wer man in seinem normalen Leben war oder ist. Was man erreicht hat, welche Zahl auf deinem Kontoauszug steht, ob man ein guter Mensch ist oder nicht. Wenn in dieser Höhe etwas passiert, sterben wir alle.
Alles in allem finde ich es also durchaus verständlich, dass man den Leuten, die die letzten Stunden über für unser aller Leben verantwortlich waren, mit einem kleinen Applaus dankt, sobald man wieder sicheren Boden unter den Füßen – oder Rädern – hat.
Trotzdem ernte ich wie erwartet einige irritierte Blicke, als ich nach dem leichten Ruck der Landung zu klatschen anfange. Ein paar wenige stimmen mit ein, die meisten allerdings sehen eher peinlich berührt aus. Das ist mir egal. Ich leide nicht unbedingt unter Flugangst, trotzdem gehört das Flugzeug definitiv nicht zu meinen Lieblingsfortbewegungsmitteln, und ich bin sehr froh, die knapp sieben Stunden von Boston in dieses eingeschneite Kaff überstanden zu haben. Während ich meine Sachen zusammenpacke, werfe ich einen Blick durch das kleine Fenster hinaus auf die Rollbahn. Hier liegt beeindruckend viel Schnee, was mich nicht überraschen sollte, wenn man bedenkt, dass ich auf dem Weg in ein Skiresort bin. Vom Eagle County Regional Airport sind es noch knapp vierzig Meilen bis nach Eagle Creek, wo, meinen Unterlagen zufolge, das Ortiz Grand Resort liegen muss. Vermutlich werden die Schneewehen dort noch höher sein, wenn ich den Bildern auf Google und Instagram Glauben schenken kann.
Sobald die Anschnallzeichen erlöschen, erhebe ich mich, greife nach meinem Handgepäck und reihe mich in die Schlange der Wartenden ein, die bereits im Gang stehen. Im Internet habe ich gelesen, dass es normalerweise einen stündlichen Shuttle zum Ortiz gibt, dieser aber momentan nur sporadisch fährt, weil das Resort offiziell nicht geöffnet hat, da irgendwelche Umbauten am Grundstück und dem Hauptgebäude vorgenommen werden. Was wiederum für mich bedeutet, dass ich eine kleine Weltreise mit insgesamt drei Bussen vor mir habe. Im Nachhinein ärgere ich mich wahnsinnig darüber, das Resort nicht darum gebeten zu haben, mir die Kontaktdaten der anderen Mitbewerber und -bewerberinnen zu geben. Der Eagle County Regional Airport ist der einzige Flughafen in der näheren Umgebung, und sollten wir alle ungefähr zeitgleich hier ankommen, hätten wir uns ein Taxi oder einen Bus mieten können.
Während ich das Flugzeug verlasse und durch die Ankunftshalle des Flughafens laufe, checke ich noch einmal meine Notizen auf meinem Handy. Ich bin deutlich zu früh, das Abendessen mit den Verantwortlichen des Ortiz soll erst heute Abend stattfinden. Aber ich habe im Vorfeld abgeklärt, ob ich früher anreisen kann, um mich vorzubereiten. Bislang habe ich mit unserem Kontakt zum Resort nur E-Mails hin- und hergeschrieben, und der erste Eindruck ist bekanntlich der wichtigste. Ich habe nicht vor, diese Chance zu verpassen, indem ich verschwitzt und mit Gepäck beladen die Leute begrüße, die über die Vergabe dieses Jobs entscheiden. Denn den habe ich verdammt nötig. Meine größte und vor allem profitabelste Kooperation läuft nächstes Jahr aus, und ich brauche dringend eine verlässliche Einkommensquelle, die sich ganz nebenbei auch noch gut in meinem Lebenslauf macht und mit meinem Job vereinbar ist.
Nachdem ich mein Gepäck geholt habe, mustere ich ein wenig unschlüssig die Wegweiser und entscheide mich schließlich für die Richtung, in der die Taxistände und hoffentlich auch die Bushaltestellen liegen. Sobald ich nach draußen trete, umfängt mich die eisige Luft, und ich erschaudere unwillkürlich. Der Wind hier in Colorado ist wirklich eisig. Er schneidet mir in meine Wangen und meine Stirn, und in diesem Moment bereue ich es wahnsinnig, dass ich Mütze und Schal irgendwo weit unten in meiner Reisetasche verstaut habe. Kurz studiere ich die Umgebung, allerdings gibt es hier nicht allzu viel zu entdecken. Der Flughafen ist nicht sehr groß und die Landschaft, die ich von hier aus sehen kann, auch wenig beeindruckend. Die Berge, die sich sicher irgendwo in der Ferne abzeichnen würden, werden von einer dichten Wolken- und Nebelschicht verborgen. Es regnet nicht, aber der Nebel hängt in der Luft und legt sich auf alles, was er zu fassen bekommt. Wieder werfe ich einen Blick auf mein Handy und öffne die Screenshots, die ich mir von meinen möglichen Busverbindungen gemacht habe, dann suche ich nach den richtigen Schildern. Schätzungsweise zehn Minuten lang laufe ich ziellos von einem Fahrplan zum anderen, bevor ich einen älteren Mann anspreche, der zusammen mit ein paar anderen Leuten an einer Ersatzhaltestelle steht und aussieht, als würde er wissen, was er tut. Nachdem er meinen Erklärungen geduldig zugehört hat, deutet er auf die andere Seite des Taxistands und erklärt mir, dass dort irgendwo der Shuttlebus fährt und ich Glück haben könnte, einen der insgesamt drei Busse zu erwischen, die hier täglich fahren.
Großartig.
Gerade als ich mich umdrehen und meine Mission fortsetzen will, tritt mir eine junge Frau in den Weg. Sie reicht mir kaum bis zur Schulter, ist dafür aber in eine beeindruckend dicke Daunenjacke gehüllt, die ihr eine beinahe quadratische Form verleiht.
»Du willst zum Ortiz?«, fragt sie und nickt mit dem Kopf in die gleiche Richtung, die mir auch der Mann gezeigt hat.
»Das ist der Plan«, erwidere ich. Ich ziehe die Schultern hoch, als mich erneut kalter Wind trifft. »Laut Google sollte hier irgendwo ein Bus fahren.«
Sie lässt ihren Blick kurz über mein Gesicht wandern, dann über mein Gepäck, als würde sie gerade überlegen, ob ich lüge oder nicht. »Ich kann dich mitnehmen, wenn du dich am Sprit beteiligst.«
Stirnrunzelnd schaue ich auf sie herab. Ich würde sie ungefähr auf mein Alter schätzen. »Klar, das wäre perfekt. Bist du auch wegen des Assessment-Centers hier?«
Jetzt lacht sie, dann schüttelt sie den Kopf. »Ich arbeite schon im Ortiz. Komm mit.«
Neugierig mustere ich sie von der Seite, während ich ihr zum Parkplatz folge. Sie trägt einen strengen Dutt und ist kaum geschminkt, unter ihrer viel zu dicken Jacke kann ich eine schwarze, elegant aussehende Hose erkennen. »Als was arbeitest du im Ortiz?«
»Hauptsächlich an der Rezeption und im Service«, antwortet sie, bevor sie kurz stehen bleibt, um in ihrer Handtasche zu kramen. Erst jetzt fällt mir auf, dass sie außer einer kleinen Sporttasche kein Gepäck bei sich hat. »Während der Renovierungen hatte ich frei, aber in den nächsten Wochen soll der Betrieb wieder aufgenommen werden.«
»Und da fangen sie jetzt damit an, sich nach einem neuen Social-Media-Manager umzugucken?«
Sie zuckt mit den Schultern, dann zieht sie triumphierend ein dickes Schlüsselband aus der Tasche und geht weiter. »Ich hab keine Ahnung. Von euch habe ich auch nur über eine Kollegin erfahren.«
Wir halten vor einem kleinen roten Pick-up, und sie bedeutet mir mit einer Handbewegung, einzusteigen. Einen Moment lang betrachte ich die Ladefläche, aber der Regen wird vermutlich noch stärker werden, und bis zum Resort wäre mein Gepäck sicher vollkommen durchgeweicht. Also steige ich ein, lege die Tasche auf den Sitz zwischen uns und ziehe mir meinen Rucksack auf den Schoß, während die Frau sich hinters Steuer setzt.
»Danke, dass du mich mitnimmst«, sage ich. »Wie heißt du?«
»Anastasia.« Sie streckt mir die Hand entgegen, bevor sie merkt, dass ich mehr oder weniger unter meinem Rucksack eingeklemmt bin, und sie wieder zurückzieht. »Aber nenn mich einfach Ana, das tun alle.«
»Devan«, antworte ich und lächle, als sie mir ein wenig verhalten zunickt. Dann dreht sie die Heizung voll auf und startet den Motor.
Ein lautes Klopfen ertönt, und ich fahre so heftig zusammen, dass ich mit dem Knie gegen das Handschuhfach knalle und schmerzhaft das Gesicht verziehe, bevor ich den Kopf drehe. Neben mir steht eine junge Frau im Sprühregen und späht mit einer Mischung aus Panik und Verlegenheit zu uns ins Auto, die Hand, mit der sie gegen das Fenster geklopft hat, immer noch erhoben. Verwirrt sehe ich Anastasia an, aber die zuckt nur mit den Schultern, bevor sie die Scheibe herunterlässt.
»Es tut mir so leid!«, sagt die Frau draußen und mustert mich kurz, bevor sie Ana ansieht. »Ich wollte euch nicht erschrecken.«
»Schon okay«, erwidert Ana stirnrunzelnd. »Können wir dir helfen?«
»Ich bin Luca«, erwidert das Mädchen so energisch, als würde ihr Name alles erklären. Dann verzieht sie das Gesicht und deutet mit der Hand über die Schulter Richtung Flughafen. »Eine Frau dahinten meinte, dass ihr zum Ortiz wollt. Der nächste Bus kommt erst in drei Stunden, und der Taxifahrer fährt nur bis ins Dorf, aber nicht bis hoch ins Resort. Ich bin echt verzweifelt.«
Sie sieht tatsächlich verzweifelt aus. Wassertropfen hängen in ihren Haaren und an ihren Wimpern, ihre Wangen sind gerötet – ob vor Aufregung oder wegen der Kälte kann ich nicht sagen –, und ihre Augen sind so groß, dass sie mich unwillkürlich an Puppenaugen erinnern … im besten Sinne. Dieses Mädchen, Luca, ist verdammt hübsch. Zumindest das von ihr, was ich von hier aus erkennen kann. Meine Augen verengen sich ein wenig, während ich ihr Gesicht mustere. Ich habe sie schon einmal gesehen. Der Name sagt mir nicht wirklich was, aber sie kommt mir irgendwie bekannt vor.
»Ja, wir fahren zum Resort«, antwortet Ana und reißt mich damit ziemlich unsanft aus meiner Starre. »Aber wir sind ziemlich voll. Hast du Gepäck dabei?«
Luca hebt demonstrativ einen Arm und präsentiert einen silberfarbenen Hartschalenkoffer. Absolut offensichtlich, dass sie und der Koffer nicht auf den schmalen Mittelsitz passen werden.
»Tut mir leid.« Ana sieht sie entschuldigend an und zuckt mit den Schultern. »Das passt unmöglich.«
Diese Luca flucht und sieht sich um, während ihr Haar mehr und mehr durchweicht wird.
Ich werfe Ana einen kurzen Blick zu, aber ich habe nicht den Eindruck, dass sie ihr Bedauern nur vortäuscht. »Ist der Koffer wasserdicht?«, frage ich Luca.
Sie nickt abgehackt. »Selbst wenn nicht. Mir wäre alles lieber, als ihn eine halbe Stunde zu Fuß einen eingeschneiten Berg hochzuziehen.«
Anastasia lacht, dann seufzt sie und greift nach ihrem Gurt. »Okay, wir packen ihn hinten drauf. Aber das wird eine ungemütliche Fahrt für euch beide, und ich will Spritgeld.«
»Klar«, ruft Luca beinahe, deren Erleichterung deutlich hörbar in ihrer Stimme mitschwingt. »Alles, was du willst. Vielen, vielen Dank.«
Als Ana aussteigen will, schnalle ich mich hastig ab. »Bleib sitzen. Ich mach das.«
Sie grinst, scheint aber keine Einwände zu haben. Als ich aussteige, legt sich erneut sofort die Nässe auf mein Gesicht, und ich sehe mich fröstelnd um, bevor ich die Hand nach dem Koffer ausstrecke. Doch Luca geht bereits an mir vorbei, den Koffer vor sich in den Armen, als würde sie zum Weitwurf ansetzen. Ich folge ihr zur Ladefläche und entdecke zu meiner Erleichterung eine Rolle Spanngurte, wenn auch keine Plane oder sonst etwas, womit wir den Koffer abdecken könnten. Mag sein, dass die Schale den Regen tatsächlich eine Weile abhält, aber bei dem Wind wird es sicher nicht lange dauern, bis die Feuchtigkeit durch die Seiten und das Reißverschlussband dringt.
»Du bist eine der Bewerberinnen, oder?«, frage ich Luca, während sie den offensichtlich schweren Koffer auf die Ladefläche hievt.
»Jap.« Sie wirft mir einen kurzen Blick zu. »Und du auch.«
»Ich auch, ja.« Ich entrolle einen der Spanngurte und werfe ihr das eine Ende hin, damit sie es auf ihrer Seite befestigt. »Anastasia arbeitet im Ortiz.«
Sie hebt einen Arm und wischt sich die Feuchtigkeit von der Stirn, während sie an dem Gurt zieht. »Beruhigt mich, dass du scheinbar genauso unvorbereitet bist wie ich. Ich bin einfach davon ausgegangen, dass ich vom Flughafen schon einen Weg finden werde, um zum Resort zu kommen. Wie machen das die Gäste denn?«
Ich würde wirklich gerne protestieren – dass sie meint, ich hätte mich nicht vorbereitet, ist fast eine Beleidigung. »Normalerweise fährt ein stündlicher Shuttle. Aber das Resort ist im Moment für Gäste geschlossen.«
Sie lacht leise und murmelt irgendetwas, das ich nicht verstehen kann. Wortlos sichern wir ihren Koffer, der auf der Ladefläche ein wenig verloren aussieht. Ich erwische sie dabei, wie sie dem Ganzen einen besorgten Blick zuwirft, und bin mir relativ sicher, dass auch ihr inzwischen klar ist, dass ihre Kleidung es unmöglich trocken bis zum Ortiz Resort schaffen wird. Dann halte ich ihr die Tür auf und steige hinter ihr in die Fahrerkabine, die auf einmal deutlich geschrumpft zu sein scheint. Luca lädt meinen Rucksack auf ihren Schoß, ich meine Tasche auf meinen, und als ich die Beifahrertür zuziehe, hört es sich an, als würde man einen Vakuumverschluss schließen.
»Fahr lieber schnell los«, sage ich zu Ana, nachdem ich ziemlich erfolglos versucht habe, mich anzuschnallen. »Bevor wir noch in die Höhe stapeln müssen.«
»Entschuldigt«, murmelt Luca, lacht aber nervös. »Normalerweise lade ich mich nicht einfach bei fremden Menschen ein, ich schwöre es.«
Ana startet endlich den Wagen, der mit einem beunruhigend angestrengten Knattern anspringt und aus der Parklücke setzt. Ich versuche, meinen Arm in eine Position zu bringen, in der er nicht zwangsläufig absterben wird, aber wirklich besser wird es nicht. Es mag in diesem Auto drei Sitzplätze geben, aber die müssen für die Größe von Kindern ausgelegt sein. Ich bin nicht gerade schmal gebaut, dafür ist diese Luca allerdings ziemlich klein und sollte die Breite meiner Schultern locker ausgleichen können.
Während wir vom Flughafengelände fahren und Luca neben mir auf ihrem Handy herumtippt, schaue ich aus dem Fenster und sehe mir die Umgebung an. Obwohl es gerade einmal Vormittag ist, wirkt das Licht merkwürdig grau und erinnert beinahe an Morgendämmerung. Der Himmel ist von einer dicken Wolkendecke verhangen, und die Sonne schafft es nicht einmal, einen hellen Abdruck auf ihr zu hinterlassen. Ich habe im Vorfeld die Wetterprognosen für diese Gegend in Colorado überflogen. Auch wenn die eigentliche Schnee- und damit auch Skisaison erst Mitte Oktober oder teilweise sogar erst im November beginnt, neigt sich der Herbst in diesem Teil des Landes offensichtlich dem Ende zu. In den kommenden Wochen werden die Temperaturen bis in die zweistelligen Minusgrade abfallen, und ehrlich gesagt bin ich ein bisschen erleichtert, dass wir jetzt hier sind und nicht im Dezember oder Januar, wenn es deutlich kälter sein wird. Ich komme aus Kalifornien und bevorzuge definitiv die Sonne. Sollte ich diesen Job bekommen, werde ich alle paar Wochen herkommen müssen, aber bis dahin lege ich mir eine ordentliche Wintergarderobe zu.
Unauffällig sehe ich zu Luca hinüber, die immer noch auf ihr Handy schaut und so schnell tippt, dass ihre Finger beinahe vor meinen Augen verschwimmen. Sie wirkt so unaffektiert, beinahe introvertiert. Ich bin mir nicht sicher, was ich von meinen Konkurrenten und Konkurrentinnen eigentlich erwartet habe. Ein Teil von mir hat wohl eine Gruppe wandelnder Influencer-Klischees befürchtet, und in dieses Bild passt Luca nun wirklich nicht hinein. Ich selbst würde mich rein äußerlich als durchschnittlich bezeichnen, aber meine Kenntnisse und Erfahrungen waren sicher der ausschlaggebende Grund für diese Einladung zum Assessment-Center. Ich bin seit Jahren in der Gaming-Szene unterwegs, hatte in der Vergangenheit mehrere große Kooperationen und kenne mich damit aus, mich selbst als Marke auf Social Media zu vertreten. Ich leide nicht unter dem Imposter-Syndrom, und ich verstehe, warum das Ortiz Resort mich für einen geeigneten Kandidaten hält. Luca hingegen wirkt auf mich nicht wie die geborene Rampensau, und ich denke nicht, dass sie eine bekannte Influencerin oder etwas in der Art ist. Das ist ein Klischee und ein verdammtes Vorurteil, aber Luca wirkt zu normal für diese Branche. Sie ist bildhübsch, aber auf eine subtile, unaufdringliche Art und Weise.
»Warum bist du hier?«, frage ich sie schließlich, weil ich mit meinen Grübeleien nicht weiterkomme und wissen will, woher ich sie kennen könnte. Als sie aufsieht und mir einen fragenden Blick zuwirft, füge ich hinzu: »Warum hast du dich auf den Job beworben, meine ich.«
Sie lächelt verhalten. »Aus dem gleichen Grund wie du, nehme ich mal an. Die Bezahlung ist wahnsinnig gut, es lässt sich mit meinem Studium vereinbaren und macht sich gut in meinem Lebenslauf.«
Unwillkürlich runzle ich die Stirn. »Das ist alles?«
»Was meinst du?«
»Ich habe ein bisschen mehr … keine Ahnung, Leidenschaft erwartet«, versuche ich zu erklären. »Du musst Vorkenntnisse haben. Ich habe gehört, dass sich auf die Stelle beinahe fünfhundert Leute beworben haben. Es muss also einen Grund geben, dass sie dich ausgewählt haben.«
Luca legt das Handy zur Seite und mustert mich ein paar Sekunden lang. In ihren Augen liegt ein forschender, fast unfreundlicher Blick. »Ich studiere Journalismus, Schwerpunkt Digitalmedien. Social Media ist also im Grunde genommen mein Hauptfach.«
Der herausfordernde Unterton in ihrer Stimme ist unverkennbar. »Klingt spannend«, sage ich unbeirrt lächelnd. Falls das hier ein Schwanzvergleich werden soll, bin ich sehr gerne dabei. »Ich bin freiberuflicher Content Creator im Bereich Gaming, Technik und Adventure. Ich leite ein Netzwerk aus Creators und bin für die Vermittlung von Kooperationen und Partnerschaften zuständig.«
Eine ihrer Augenbrauen wandert in die Höhe. »Du bist also ein Influencer.«
»Nein«, erwidere ich reflexartig. Würde ich jedes Mal, wenn ich diese Art von Unterhaltung führe, einen Dollar bekommen, hätte ich diesen verdammten Job sicher nicht mehr nötig. »Nicht so, wie alle sich das vorstellen. Ich arbeite mit einigen Spieleherstellern zusammen, teste neue Spiele, stelle sie vor und so weiter. Und dafür werde ich bezahlt.«
»Wie ein Influencer.«
Seufzend lehne ich mich zurück. »Ich arbeite freiberuflich, aber ich habe feste Partner. Es ist nicht so, dass mir einfach jeder etwas zuschickt und ich dafür dann Werbung mache. Ich denke schon, dass es da einen Unterschied gibt.«
Ich merke ihr an, dass sie das anders sieht oder zumindest noch darüber nachdenkt. Was okay ist. Obwohl wir in einer verdammt technischen, medialen Welt leben, habe ich immer noch das Gefühl, dass die Grenzen zwischen diesen ganzen Creator- und Social-Media-Jobs immer wieder verwischen.
Sie winkt ab. »Ich weiß, was du machst. Ich war nur neugierig, wie du es vorstellst.«
Kurz bin ich verwirrt, dann beiße ich mir auf die Lippen, um ein Grinsen zu unterdrücken. Sie muss mich gegoogelt haben. Ich ärgere mich ein bisschen über mich, weil ich nicht selbst auf die Idee gekommen bin, die Typen vom Resort nach den Namen meiner Konkurrenten zu fragen. Das wäre eine gute Vorbereitung gewesen. Oder aber sie kennt mich von meiner Arbeit und will es nicht zugeben.
»Wie passt du hier rein?«, fragt sie ehrlich neugierig, als ich nicht antworte. »Wenn du eigentlich im Gaming-Bereich zu Hause bist?«
»Du hast es selbst gesagt: Es ist ein verdammt gutes Angebot.« Als sie lacht, stimme ich unwillkürlich mit ein. »Ich habe ein paar Jahre lang mit einem Anbieter für verschiedene Erlebnis-Events zusammengearbeitet, neben dem Gaming-Content. Hauptsächlich Outdoor, Extremsport und solche Sachen. Hat sich herausgestellt, dass diese beiden Zielgruppen ganz gut zusammenpassen. Ich denke, das war der Grund, warum sie mich angefragt haben.«
Luca legt den Kopf schief. »Wie meinst du das, sie haben dich angefragt?«
»Ich habe mich nicht auf die Ausschreibung beworben.« Ich zucke mit den Schultern und versuche, irgendwie beiläufig zu klingen, aber ich merke selbst, dass es mir nicht so richtig gelingt. Ich weiß, wie viel Interesse dieses Jobangebot ausgelöst hat, und ich kann den Anflug von Stolz nicht ganz aus meiner Stimme verbannen. »Ich habe das ehrlich gesagt gar nicht mitbekommen, weil ich den Großteil des Studiums als Fernstudium mache. Irgendjemand vom Ortiz hat mir ein paar Tage nach Bewerbungsschluss geschrieben und mich gefragt, ob ich Interesse hätte.«
»Wow«, murmelt sie. »Du Streber.«
»Abwarten, würde ich sagen.«
Ihr leises Seufzen ist eine Mischung aus Belustigung und kaum verhohlener Verzweiflung. »Vielleicht bin ich der Sozialfall, den sie für die Quote mit reingenommen haben.«
Ich grinse, aber sie erwidert es nicht. Stattdessen senkt sie erneut den Kopf und scheint ihre ineinander verschränkten Hände anzustarren. Kurz überlege ich, ob ich sie irgendwie beleidigt habe, dann lehne ich mich ein Stück nach vorn, um sie besser ansehen zu können. Sie ist blasser als noch vor ein paar Minuten, das Blut ist beinahe komplett aus ihren Wangen verschwunden.
»Alles okay bei dir?«, frage ich zögernd.
Sie nickt und schaut dann wieder auf. Ich bemerke, dass auch Ana den Blick von der Straße abgewendet hat und Luca stirnrunzelnd ansieht. »Ich bin kein Fan von engen Räumen.«
Bevor ich etwas sagen kann, lacht Ana, versucht es aber etwas umständlich mit einem Husten zu überspielen. »Sag bitte Bescheid, wenn es zu schlimm wird. Ich will nicht unhöflich sein, aber ich würde es zu schätzen wissen, wenn du nicht in mein Auto kotzt.«
»Keine Sorge, so wild ist es nicht.« Luca richtet sich ein wenig auf und rollt mit den Schultern. Oder versucht es zumindest, was nicht so einfach ist, weil wir immer noch aneinandergequetscht werden wie Sardinen in einer Dose. Ich rücke ein Stück von ihr ab und drücke mich gegen die Beifahrertür, um ihr ein bisschen Luft zu geben, habe aber nicht den Eindruck, dass es sonderlich viel bringt.
»Wir sind in zwanzig Minuten da, plus, minus«, murmelt Ana.
Ich spüre, dass der Wagen beschleunigt, als hätte sie das Gas voll durchgedrückt. Luca greift wieder nach ihrem Handy, und ich sehe aus dem Fenster. Bleibt zu hoffen, dass Anastasia mit ihrer Einschätzung recht behält und das Wetter, vereiste Straßen oder eine verirrte Schneewehe uns keinen Strich durch die Rechnung machen. Denn das Letzte, was ich für den Start in dieses Assessment-Center gebrauchen kann, ist eine Mitbewerberin, die mir auf dem Weg auf die Hose kotzt.
Eine halbe Stunde später erreichen wir den Parkplatz des Ortiz, und ein Teil von mir hätte gerne vor Erleichterung losgeheult … oder den Boden geküsst. Denn Tatsache ist, dass ich bei meiner energischen Versicherung dieser Ana gegenüber nicht ganz ehrlich war: Wenn die Platzangst zu schlimm wird, übergebe ich mich tatsächlich. Und ich glaube nicht, dass ich den Aufenthalt im Resort noch durchgezogen hätte, wenn ich einem meiner Konkurrenten oder einer Servicekraft direkt bei der ersten Begegnung auf den Schoß gekotzt hätte. Normalerweise sind Autos für mich kein Problem, noch nicht einmal vollbesetzte Busse. Aber der Stress der letzten beiden Tage und meine Aufregung haben mir auf den Magen geschlagen.
Devan öffnet die Tür, hält aber noch einmal inne, um nach seiner Tasche zu greifen. Am liebsten würde ich ihn aus dem verdammten Wagen schubsen, weil er mir den rettenden Fluchtweg an die frische Luft versperrt. Aber ich reiße mich zusammen, beiße mir auf die Lippen und halte die Luft an, bis er endlich Platz macht. Ich bemühe mich um ein normales Tempo, bin mir aber ziemlich sicher, dass es aussieht, als wäre ich ein Fohlen, das zum ersten Mal auf den eigenen Beinen zu stehen versucht. Meine Knie sind weich und mein rechter Fuß von der ungemütlichen Sitzposition der letzten halben Stunde eingeschlafen. Mein Magen fühlt sich noch immer flau an, und als ich den ersten Zug kalte Luft einatme, wird mir ein bisschen schwindelig. Aber ich habe es geschafft. Ich bin angekommen und habe sogar noch ein bisschen Zeit, mich zu sammeln und mich hoffentlich irgendwo alleine und in Ruhe auf den Abend und das gemeinsame Essen vorzubereiten.
Devan wirft mir einen kurzen, aber eindringlichen Blick zu, dann geht er an mir vorbei zur Ladefläche und beginnt damit, den Gurt zu lösen. Ich hätte ihm gerne geholfen, aber auch ohne meine Hände anzusehen, weiß ich, dass meine Finger zittern. Es ging mir gegen den Strich, ihm und Ana von meiner Abneigung gegen enge Räume zu erzählen, und ich will mir ganz bestimmt nicht die Blöße geben, ihm den Beweis dafür offen zu präsentieren – selbst wenn das bedeutet, dass ich ihn meinen Koffer abladen lasse. Zwar macht Devan einen freundlichen Eindruck, aber ich weiß, dass er sich explizit darum bemüht. Ich kenne Devan. Nicht gut, aber wir sind uns ein paarmal auf dem Campus begegnet. Auf einer Party vor etwa einem Jahr hat er mich angegraben, und als ich seinen Drink abgelehnt habe, hat er sich direkt eine Neue gesucht. Als ich Riley vorhin im Auto geschrieben und nach ihm gefragt habe, hat sie mir erzählt, dass Devan seit einem Jahr nur noch vereinzelt Kurse am Campus besucht, weil er weggezogen ist und seitdem überwiegend Onlinekurse belegt. Trotzdem hat er immer noch einen Ruf weg: Frauenheld, Charmeur, bindungsunfähig. Er scheint sich nicht an mich zu erinnern – wie schmeichelhaft –, aber ich für meinen Teil bin überzeugt davon, dass er hier eine Rolle spielt, die sich gewaltig von der Version seiner selbst unterscheidet, die ich kennengelernt habe. Es ist durchaus möglich, dass er meine Schwächen gegen mich einzusetzen versucht. Ich werde es ihm sicher nicht noch einfacher machen, indem ich eingestehe, wie schlecht es mir geht. Es gibt genügend Menschen auf dieser Welt, die für diesen Job ihre Ellbogen ausfahren würden, so viel steht fest.
Nach ein paar tiefen Atemzügen sehe ich auf und versuche, mich zu orientieren. In den letzten Tagen habe ich mir den Lageplan des Resorts mindestens ein Dutzend Mal angeschaut, trotzdem brauche ich einen Moment, um zu erkennen, wo wir uns befinden. Der Parkplatz des Ortiz befindet sich ein wenig unterhalb des Hauptgebäudes, das auf einer Anhöhe hinter ein paar dicken Stech-Fichten steht. Von unserer Position aus kann ich nichts erkennen außer einem entfernten Glasdach, in dem sich verschwommen die grauen Wolken spiegeln. Die hintere Seite des Parkplatzes wird von einer kleinen Steinmauer umrandet, und eine schmale Steintreppe führt nach oben und endet wahrscheinlich am Haupteingang des Resorts.
»Für gewöhnlich gibt es einen Parkservice, damit die Gäste ihr Gepäck und sich selbst nicht da hochschleppen müssen«, sagt Ana hinter mir, die mir meine Gedanken von der Stirn abgelesen zu haben scheint.
»Dieses Angebot gilt vermutlich nicht für uns«, sage ich lachend.
»Du müsstest mal den Personalparkplatz sehen«, kommentiert sie trocken und deutet vage in eine Richtung den Berg hinab. »Das sind einhundertzwanzig Stufen bis zum Personaleingang. Einhundertzwanzig. Das klingt vielleicht nicht nach viel, aber glaub mir, wenn ich dir sage, dass das jeden Tag wieder zu einer kurzen Überlegung führt, diesen Job zu kündigen.«
Devan taucht neben mir auf und stellt meinen Koffer ab. »Ist aber ein gutes Work-out«, sagt er zu Ana, dann sieht er mich an. »Ich befürchte, der Regen hat deine Sachen ganz schön durchweicht.«
»Danke.« Genervt stoße ich meinen Atem aus und betrachte erneut den Himmel. Natürlich hört es jetzt, da wir angekommen sind, auf zu regnen, und nur noch die dunklen Wolken erinnern an den Sprühregen, der in der vergangenen Stunde meinen armen Koffer benetzt hat. Dann wende ich mich wieder Ana zu. »Warum parken wir hier und nicht auf dem Mitarbeiterparkplatz?«
»Einhundertzwanzig Stufen«, erinnert sie mich. »Dieser Parkplatz ist gerade für Besucher geschlossen, und ich habe euch hergebracht. Ich schätze, das lassen sie mir durchgehen.«
Ein nervöses Kribbeln fährt wie ein Blitz durch meine Brust bis hinunter in meinen Magen, als Ana auf die schmale Steintreppe zusteuert. Zwar arbeitet sie im Ortiz, aber wenn ich das richtig verstanden habe, hat sie weder Einfluss auf die Auswahl der Teilnehmenden für das Assessment-Center noch auf die Vergabe des endgültigen Jobs. Ihre Anwesenheit hat mich daher nicht nervös gemacht, aber jetzt werden wir ziemlich sicher gleich jemandem begegnen, der hier etwas zu sagen hat. Und ich fühle mich nicht annähernd so selbstsicher und gut, wie ich es mir gewünscht hätte. In meinem Magen rumort es ein bisschen, mein Gesicht glüht trotz der kalten Luft, ich spüre die kalten Schweißflecken unter meiner Jacke, und meine Haare stehen mit Sicherheit in alle Himmelsrichtungen ab. Nicht gerade der perfekte Start, um einen seriösen Auftritt hinzulegen.
Ich atme einmal tief durch und schultere meine Handtasche. Auf meinem Handy habe ich den Lageplan des Anwesens abgespeichert, und ich würde ihn gerne herausholen, um mich zu orientieren. Aber ich will die anderen nicht aufhalten, also greife ich nach meinem Koffer und folge Ana dann die Steintreppe hinauf.
Das Gelände des Resorts ist wirklich schön, auch wenn die Vegetation aufgrund der Jahreszeit eher eintönig grün und braun erscheint. Die Beete und das komplette Arial sind offensichtlich akribisch geplant worden, trotzdem hat alles einen natürlichen Charme. Links und rechts der Treppe wachsen einige temperaturresistente Blumen und Grünpflanzen in einem schieferfarbenen Steingarten, und am oberen Rand der kleinen Anhöhe steht eine Reihe aus verschiedenen Tannen und Fichten, die eine Art Grenze zum eigentlichen Resortgelände zu bilden scheinen. Von den Fotos auf der Website weiß ich, dass die Umgebung deutlich mehr gewinnt, sobald die Steine und Bäume komplett eingeschneit sind, was spätestens in ein paar Wochen der Fall sein wird. Der Schnee, der hier oben bereits gelegen haben muss, hat sich durch den Regen der vergangenen Stunden in eine grau-weiße Matschlandschaft verwandelt.
Oben angekommen überqueren wir eine kleine Straße, die während der Skisaison wahrscheinlich der Hauptzugangsweg ist. Ein paar Meter rechts von uns endet er in einem Wendehammer, in dessen Mitte ein rundes Blumenbeet um eine silberfarbene Säule angelegt wurde, die das Vordach des Hauptgebäudes trägt. Mir klappt der Mund auf. Das Glasdach, das ich schon vom unteren Parkplatz aus sehen konnte, hat mich an einen kleinen Pavillon oder eine Art Informations-Bungalow denken lassen. Auf den Fotos hat das Gebäude kleiner gewirkt, irgendwie altmodischer. In Wahrheit jedoch ragt in all der natürlichen Idylle ein verdammter Palast vor mir auf. Eine wahnsinnig beeindruckende Mischung aus Holz – ich tippe ganz mutig auf Fichte oder Kiefer – und Naturstein in verschiedenen Grautönen. Und wie eine Krone auf dem Haupt eines Königs thront obenauf die Glaskuppel, in der sich der bewölkte Himmel spiegelt. Die der Straße zugewandte Front des Hauptgebäudes besteht aus grauem Stein, es gibt silberfarbene Säulen und große bodentiefe Milchglasfenster, die in schwarzen Rahmen eingefasst sind. An der linken Seite kann ich einen Balkon erkennen, doch er verschwindet aus meinem Sichtfeld, ohne dass ich genau erkennen kann, wie groß er tatsächlich ist. Als wir über den schmalen Fußweg Richtung Eingang gehen, taucht ein weiteres Gebäude hinter den Fichten auf. Es ist nicht weniger groß als das Haupthaus und schlichter, aber wirkt irgendwie gemütlich. Wie eine überdimensionale Almhütte. Das Spa-Hotel, wie ich vermute, auch wenn es auf den Bildern weniger modern ausgesehen hat. Wahrscheinlich wurde es im vergangenen Sommer renoviert, wie der Rest des Resorts. Im Hauptgebäude gibt es überhaupt keine Gästezimmer, dort sind lediglich der Empfang, das Restaurant und der Festsaal untergebracht.
»Das ist wunderschön«, sage ich zu Ana, während ich mich auf die Zehenspitzen stelle, um die Dachkuppel besser sehen zu können.
»Stimmt. Es war ein bisschen in die Jahre gekommen, aber nach den Sanierungen werden sie die Preise sicher anziehen. Und die waren vorher schon nicht erschwinglich.«
Ich grinse. Ich habe mir im Vorfeld die Preisliste für die Zimmer durchgelesen und konnte beinahe nicht glauben, wie viel Geld hier für eine Nacht verlangt wird.
Devan tritt neben mich und wirft mir einen kurzen Blick zu, bevor er auf sein Handy schaut. »Wir sollen uns bei der Rezeption melden«, sagt er zu Ana, dann deutet er auf den Haupteingang. »Ich tippe mal ganz mutig, dass wir dorthin müssen.«
Sie streckt den Daumen in die Höhe. »Gut kombiniert. Ich muss erst mal in die andere Richtung. Bis später.«
Ich bedanke mich noch einmal bei Ana, dann folge ich Devan. Mein Blick fällt auf seinen Rücken, von dem ich nach unserer Fahrt auf dieser wirklich engen Sitzbank bereits sehr gut weiß, wie breit er ist. Aber erst jetzt, da er vor mir herläuft, fällt mir wieder auf, wie groß dieser Typ ist. Wenn ich nicht wüsste, was er beruflich macht, würde ich auf Sportler oder sonst einen Job tippen, bei dem man sich körperlich anstrengen muss. Devan sieht objektiv betrachtet verdammt gut aus, trotzdem weiß ich noch nicht so richtig, was ich von ihm halten soll.
Der Eingang des Ortiz Grand Resort besteht aus einer gigantischen Flügeltür aus Glas mit einem silberfarbenen Rahmen. Auf beiden Flügeln prangt eine Gravur des Hotellogos, und links und rechts neben der Tür stehen schwere Blumenkästen aus Schiefer. Devan greift nach dem Türgriff und zieht sie für mich auf. Während ich hineingehe, frage ich mich, ob hier normalerweise Pagen stehen, die den gut betuchten Gästen die Türen öffnen. Es fällt mir schwer, zu glauben, dass dieser Klientel ein solches Maß an Selbstständigkeit zugetraut wird.
»Soll ich fragen, wo wir erwartet werden?«, fragt Devan mich über die Schulter, und ich nicke nur.
Ehrlich gesagt bin ich ein wenig überwältigt von dem Anblick, der sich mir bietet. Es ist nicht das erste Mal, dass ich mich in einem schicken Hotel oder etwas vergleichbar Luxuriösem befinde. Meine Eltern sind Mitglieder im Country Club und gerne mal auf exklusiven Veranstaltungen unterwegs, für die man eine Einladung braucht, um überhaupt auf den Parkplatz der Location zu gelangen. Und ich habe Fotos von alledem hier gesehen. Aber Bilder konnten nicht einmal ansatzweise einfangen, wie diese Empfangshalle auf mich wirkt. Hier treffen Luxus und Alpin-Charme ungebremst aufeinander, verschmelzen zu einem erstaunlich stilvollen Ambiente. Rechts von mir erstreckt sich der Rezeptionstresen. Er ist gut und gerne sieben Meter lang und sieht aus, als wäre er in einem einzigen Stück aus einem der Berge in der Gegend herausgeschlagen worden. Der Raum davor ist weit und offen – ein Eindruck, der vor allem durch die riesige Glaskuppel und die Fensterfront, die einen Blick auf die bergige Landschaft zulässt, entsteht. Auch wenn das Licht draußen grau und irgendwie trostlos ist, lassen die überall verteilten kleinen Lampen es hier drinnen warm und gemütlich erscheinen. Im hinteren Bereich der Halle gibt es ein paar Sitzgelegenheiten und einen Kamin, in dem aktuell allerdings kein Feuer brennt. Hinter der Glasfront erkenne ich eine Terrasse und ein paar Tische, die jedoch mit Planen abgedeckt sind. Der polierte Boden unter meinen Füßen besteht aus beigefarbenem Marmor. Vor der Rezeption und unter den kleinen Sesselchen und Sofas der Sitzecke liegen Teppiche. Auch sie sind beige, aber deutlich heller als der Boden, und ich frage mich unwillkürlich, wie oft die wohl gewaschen werden müssen, um diese strahlende Farbe zu behalten. Von der hohen Decke hängen glitzernde Kristallkronleuchter, an den stuckverzierten Wänden wurden verschiedene Ölgemälde von Berglandschaften strategisch günstig platziert, und über allem liegt ein irritierend unnatürlicher Duft nach Tannennadeln und Laub. Es gibt eine Menge Krimskrams und mit Samt bespannte Wandelemente. Das hier ist die Verkörperung einer luxuriösen Berghütte im XXL-Format.
Ich reiße mich von dem Anblick los und versuche, das Gefühl der Unsicherheit zu unterdrücken, das sich in meiner Brust ausbreitet. Diese Umgebung schüchtert mich verdammt ein, aber das will ich mir nicht anmerken lassen. Ich kenne mich mit Social Media aus, ich bin kreativ und weiß, was ich tue. Deswegen bin ich hier, und darauf muss ich mich konzentrieren. Also gehe ich hinüber zu Devan, der sich an der Rezeption mit einer Frau mittleren Alters unterhält. Sie entspricht genau dem Bild, das ich von den Angestellten dieses Resorts hatte: adrett zurückgekämmte Haare in einem strengen Dutt, dezentes Make-up und eine Uniform in einem dunklen Tannengrün, das perfekt in dieses Ambiente passt. Sie lächelt mich an, als ich auf sie zukomme.
»Miss Murphy, nehme ich an«, sagt sie und greift dann nach einer Schlüsselkarte, die sie vor mich auf die polierte Glasplatte des Tresens legt. »Die Chalets sind mit einem elektronischen Zutrittssystem ausgestattet. Bitte führen Sie Ihre Keycard immer mit sich, damit Sie sich nicht versehentlich aussperren. Ich habe Mr Sandoval bereits den Weg erklärt. Möchten Sie, dass ich Sie ebenfalls über alles aufkläre?«
»Ich mach das schon«, wirft Devan ein, bevor er mich fragend anschaut. »Um neunzehn Uhr wieder hier, richtig?«
Die Frau nickt uns beiden zu, nach wie vor mit diesem strahlenden Lächeln. »Genau. Mr Gullingham ist der Neffe des Inhabers und erwartet Sie alle am Abend zu einem gemeinsamen Essen. Falls Sie sich verspäten sollten, sagen Sie gerne einfach bei mir am Empfang Bescheid, dann werde ich Sie bei Mr Gullingham entschuldigen. In Ihrem Chalet finden Sie einen Festnetzanschluss, darüber erreichen Sie das Servicepersonal am einfachsten. Der Handyempfang ist hier unter Umständen ein wenig eingeschränkt, vor allem weiter oben in den Bergen.«
Ein wenig irritiert schaue ich Devan an, der im Gegensatz zu mir absolut zu verstehen scheint, was die Frau da redet. Ich war davon ausgegangen, dass wir im benachbarten Spa-Hotel untergebracht sind.
»Wir werden pünktlich sein«, versichert Devan, dann deutet er auf unser Gepäck. »Und wir können die Sachen wirklich einfach hier stehen lassen?«
Sie nickt bestätigend. Mir entgeht die leichte Röte nicht, die sich auf ihren Wangen ausbreitet, als Devan sie anlächelt. Flirtet er etwa mit der Empfangsmitarbeiterin? Ich verenge die Augen und mustere ihn kurz, aber er erwidert meinen Blick nicht.
»Wirklich«, bekräftigt sie. »Es wird Ihnen in wenigen Minuten nach oben gebracht.«
Devan und ich bedanken uns beide, trotzdem ruht der Blick der Frau beinahe ausschließlich auf Devan. Ich greife nach meiner Keycard, stelle meinen Koffer neben die Tasche von Devan und folge ihm Richtung Ausgang.
»Wow«, murmele ich so leise, dass mich die Mitarbeiterin nicht verstehen kann. »Du gehst aber wirklich auf Nummer sicher, was?«
Er zuckt mit den Schultern, ein ziemlich klares Zeichen dafür, dass er sehr genau weiß, wovon ich rede. »Regel Nummer eins bei Vorstellungsgesprächen: Sei nett zu jedem. Du weißt nie, wer vielleicht etwas zu sagen hat.«
Ich würde mich gerne über ihn ärgern, aber als sich sein Mund zu einem Grinsen verzieht, muss ich unwillkürlich mitlachen. Er ist ehrgeizig, das bin ich auch. Daraus kann ich ihm keinen Vorwurf machen.
Als wir wieder vor dem Gebäude stehen und ich eilig den Reißverschluss meiner Jacke schließe, sehe ich mich suchend um. Gegenüber von uns führt ein kleiner, gepflasterter Weg zum Spa-Hotel – einem gigantischen Gebäude im Stil des Haupthauses. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen, kann aber nichts entdecken, das ansatzweise an ein Chalet erinnert.
»Also, wo müssen wir hin?«, frage ich und vergrabe meine Hände in den Taschen meiner Jacke.
Devan sieht sich ebenfalls um, dann zeigt er auf einen kleinen Wegweiser. »Wir sind in den Chalets untergebracht«, meint er und deutet vage nach links. Leider bringt mich das nicht weiter, weil ich dort nichts erkennen kann außer steilen Anhöhen, vielen Bäumen und entfernten Bergen. Zwar führt ein Weg in diese Richtung, der aber eher wirkt, als wäre er für Wanderungen gedacht. »Das sind kleine Hütten weiter oben auf dem Gelände. Zehn, maximal fünfzehn Minuten von hier entfernt, hat Jane gesagt.«
Ich blinzle ein paarmal, dann zeige ich auf den unebenen Weg. »Da hoch?«
Sein Blick landet auf mir, und auf einmal liegt ein beinahe herausfordernder Ausdruck darin. »Zehn Minuten mit dem Quad.« Wie um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, hebt er die Hand und lässt einen einzelnen Schlüssel mit Schlüsselband vor meinem Gesicht baumeln. »Zu Fuß ist es wahrscheinlich mehr als das Doppelte.«
»Du verarschst mich«, sage ich, obwohl ich weiß, dass er es verdammt ernst meint. Die Lady an der Anmeldung – Verzeihung, Jane – sprach immerhin davon, dass unser Gepäck chauffiert wird, nicht wir. Ich greife in meine Tasche und hole das Handy heraus, um den gespeicherten Lageplan zu öffnen. Die Chalets sind dort noch nicht eingezeichnet, aber ich bin mir relativ sicher, von ihnen gelesen zu haben. Ich suche nach dem kleinen Parkplatz, auf den das Schild verweist, dann nach dem Weg, den Devan offensichtlich mit dem Quad fahren will. Wobei »Weg« eine verdammt wohlwollende Beschreibung dafür ist. Laut Plan geht er in eine Art Trampelpfad über, der irgendwann komplett im Wald verschwindet. Ich zoome heraus, dann halte ich Devan das Handy hin. »Die Straße da«, sage ich und deute auf den Plan, »die führt doch auch auf die Anhöhe, oder nicht?«
Er grinst. Der Scheißkerl grinst auf eine Art und Weise, als würde er den leicht verzweifelten Unterton in meiner Stimme lustig finden. »Es gibt eine Straße. Aber durch den Wald geht es schneller, und vor allem macht es mehr Spaß.«
Ich schaue ihn wütend an. »Warum hast nur du einen Schlüssel?«
»Weil wir zu früh sind und beide auf ein Quad passen«, antwortet er völlig ernst. »Wir wollen doch keine Umstände machen, oder?«