Ex Hex - Erin Sterling - E-Book
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Ex Hex E-Book

Erin Sterling

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Beschreibung

Als Vivienne Jones von Rhys Penhallow verlassen wird, tut sie, was jede junge Hexe an ihrer Stelle getan hätte: Sie lässt sich ein Bad ein, mixt sich einen ordentlichen Drink und verflucht den Mistkerl, der ihr das Herz gebrochen hat. Neun Jahre später ist Vivi immer noch nicht über Rhys hinweg, und als dieser zum jährlichen Herbstfest nach Graves Glen zurückkehrt, beschließt sie, ihn zu ignorieren. Leichter gesagt als getan, denn Vivis alter Fluch entfaltet mit Rhys Besuch erst seine volle Wirkung, und plötzlich ist das ganze Städtchen in Gefahr. Um den Fluch zu brechen, müssen Rhys und Vivi – zunächst äußerst widerwillig – zusammenarbeiten. Doch schon bald merken die beiden, dass die Funken nicht mehr nur in den Leylinien unter der Stadt sprühen ...

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Seitenzahl: 374

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Erin Sterling

EX HEX

Verliebt, verwünscht, verbündet

Roman

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Antonia Zauner

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Titel der Originalausgabe:THE EX HEX

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Deutsche Erstausgabe 01/2023 

Redaktion: Michelle Stöger

Copyright © 2021 by Rachel Hawkins

Copyright © 2023 der deutschsprachigen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Guter Punkt GmbH & Co. KG unter Verwendung einer Illustration von Vi-An Nguyen

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN: 978-3-641-28440-4V001 

www.heyne.de

Für Sandra Brown, Jude Deveraux, Julie Garwood, Judith McNaught und Amanda Quick, die Autorinnen, die in mir den Wunsch geweckt haben, Liebesromanautorin zu werden, als ich zwölf war. Es hat dreißig Jahre gedauert, aber jetzt habe ich es endlich geschafft!

Prolog

Mische niemals Wodka und Hexerei.

Das wusste Vivi natürlich. Nicht nur hatte Tante Elaine ihr das tausendmal gepredigt, es war außerdem auf die Geschirrtücher, T-Shirts und, ironischerweise, Schnapsgläser gedruckt, die Tante Elaine in ihrem Laden Something Wicked in der Innenstadt von Graves Glen, Georgia verkaufte.

Es war der Satz, den man vielleicht am ehesten als das Familienmotto der Familie Jones hätte bezeichnen können.

Aber, überlegte Vivi, während sie sich tiefer in die Badewanne sinken ließ und an dem Wodka-Cranberry-Gebräu nippte, das ihre Cousine Gwyn für sie gemixt hatte, es musste doch sicher Ausnahmen für gebrochene Herzen geben.

Und ihres fühlte sich im Moment voll und ganz zerbrochen an. Vielleicht sogar zerschmettert. In winzig kleine Herzstückchen, die in ihrer Brust herumklapperten, und alles nur, weil sie der Anziehungskraft eines niedlichen Akzents und eines Paars äußerst blauer Augen nicht hatte widerstehen können.

Schniefend schnippte sie noch einmal mit den Fingern, und der Raum füllte sich mit dem Duft von Rhys’ Aftershave, etwas Zitroniges und Würziges, das sie nicht so recht bestimmen konnte, obwohl es sich offenbar hartnäckig genug in ihrem Kopf festgesetzt hatte, dass sie es jetzt einfach nur mit ihrer Magie herbeirufen konnte.

Selbst jetzt noch, tief in Gwyns Badewanne mit den Löwentatzen, erinnerte sie sich, wie sich bei diesem Geruch alles in ihrem Kopf drehte, wenn sie das Gesicht an seiner Brust vergrub, und wie warm seine Haut sich anfühlte.

»Vivi, nicht schon wieder!«, rief Gwyn aus dem Schlafzimmer. »Ich bekomme Kopfschmerzen davon!«

Vivi sank noch tiefer ins Wasser, ließ es über die Ränder der Wanne schwappen und löschte damit beinahe eine der Kerzen, die sie rundherum aufgestellt hatte.

Eine weitere Lektion von Tante Elaine – das beste Heilmittel für alles waren Kerzen und ein Bad, und obwohl Vivi jede Menge Rosmarin und mehrere Handvoll rosafarbenes Salz ins Wasser gegeben und außerdem fast jede Kerze, die Gwyn besaß, angezündet hatte, fühlte sie sich kein bisschen besser.

Allerdings, das musste sie zugeben, war der Wodka eine gewisse Hilfe, und sie lehnte sich zur Seite, um noch einen Schluck durch den leuchtend violetten, spiralförmig gewundenen Strohhalm zu nehmen.

»Gönn mir doch auch mal was!«, rief sie zurück, als das Glas leer war, und Gwyn, deren pinkfarbenes Haar über die Schultern fiel, streckte den Kopf durch die Tür.

»Mein Schatz, ich liebe dich, aber du bist gerade mal drei Monate mit dem Kerl ausgegangen.«

»Und wir sind erst seit neun Stunden getrennt«, erwiderte Vivi, ohne zu erwähnen, dass es eigentlich neun Stunden und sechsunddreißig, fast siebenunddreißig Minuten waren. »Mir stehen mindestens noch fünfzehn weitere Stunden zu, bevor ich aufhören muss zu schmollen. So steht es in den Regeln.«

Gwyn rollte mit den Augen. »Und deshalb geht man nicht mit Hexenjungs aus«, sagt sie. »Vor allem nicht mit Penhallow-Hexenjungs. Diese Arschlöcher haben vielleicht die Stadt gegründet, aber es sind immer noch verdammte Hexenjungs.«

»Verdammte Hexenjungs«, stimmte Vivi zu und blickte traurig auf ihr leeres Glas, während Gwyn wieder im Schlafzimmer verschwand.

Gwyn war wesentlich vertrauter mit der ganzen Hexensache als Vivi. Während ihre Cousine bei Tante Elaine aufgewachsen war, einer glücklich praktizierenden Hexe, hatte Vivis Mutter, Elaines Schwester, ihre magischen Fähigkeiten geheim gehalten. Erst nach ihrem Tod, als Vivi zu Elaine und Gwyn gezogen war, hatte sie diese Seite ihrer selbst zu erforschen begonnen.

Und das bedeutete, dass sie nicht Bescheid gewusst hatte über Hexenjungs und dass einen davon in einer lauen Sommernacht bei einer Sonnwendfeier zu treffen, gleichzeitig das Beste und Schlimmste sein konnte, was einem passieren konnte.

Vivi hob die Hand, wackelte mit den Fingern, und kurz darauf erschien ein verschwommenes, waberndes Bild über dem Wasser.

Schöne Gesichtszüge, dunkles Haar, funkelnde Augen und ein verwegenes Grinsen.

Vivi warf ihm einen finsteren Blick zu, bevor sie erneut schnipste und eine kleine Sturmflut aus dem Badewasser emporstieg und das Gesicht mit einem Platschen und einem Funkenregen verschwinden ließ.

Sie wünschte, sie könnte die Erinnerung an ihn auch so mühelos auslöschen, aber selbst traurig und benebelt vom Wodka, wie Vivi war, wusste sie es besser, als mit dieser Art von Magie herumzuspielen. Außerdem waren da ein paar dieser kleinen Stückchen ihres Herzens, die die letzten drei Monate gar nicht vergessen wollten, die festhalten wollten an der Erinnerung an jene Nacht, in der sie sich begegnet waren, an die melodische Art, wie er ihren Namen gesagt hatte, immer Vivienne, niemals Vivi, und wie er in dieser ersten Nacht gefragt hatte Darf ich dich küssen? und wie sie antwortete Jetzt? und wie er dann mit einem sanften Lächeln sagte Am liebsten jetzt, aber ich richte mich nach deinen Plänen, und wie sollte eine Frau so was widerstehen? Vor allem eine, die neunzehn und bei ihrem ersten Sonnwendfest war? Vor allem, wenn der Mann, der diese Worte sagt, groß und lächerlich attraktiv und dazu noch Waliser ist?

Es war illegal, genau das war es, und sie würde definitiv eine Beschwerde beim Hexenrat einreichen, sobald sie …

»Vivi!«, schrie Gwyn aus dem Schlafzimmer. »Du bringst die Lampen zum Flackern.«

Ups.

Vivi setzte sich auf, zog den Stöpsel aus Gwyns Wanne und hoffte, ein Teil ihres Elends würde einfach mit dem Wasser in den Abguss hinunterwirbeln.

Vorsichtig stieg sie über die Kerzen und zog den Bademantel, den Gwyn ihr geliehen hatte, von einem Haken an der Wand, und als sie den schwarzen Seidengürtel um ihre Taille band, fühlte sie sich schon ein klein wenig besser. Deshalb war sie hierher zu Elaines und Gwyns Hütte im Wald oben in den Bergen über Graves Glen gekommen, statt zurück in ihr Wohnheimzimmer am College zu gehen. Hier oben in der gemütlichen kleinen Behausung mit ihren Kerzen und Katzen roch jeder Raum nach Kaminrauch und Kräutern, und Vivi fühlte sich zu Hause.

Vielleicht konnten Gwyn und sie ja Gesichtsmasken auftragen oder so was. Sich noch einen Drink genehmigen, oder auch fünf. Taylor Swift hören.

Oder, berichtigte Vivi sich, als sie aus dem Badezimmer kam und sah, wie Gwyn einen Kreis aus Salz auf den Boden streute, sie konnten auch tun … was immer das da war.

»Was machst du da?«, fragte sie und wedelte mit der Hand in Richtung Badezimmer. Eine Sekunde später kam ihr Glas mit wippendem Strohhalm herausgeschwebt, und Vivi schloss die Finger darum, ehe sie an Gwyns Schreibtisch trat, um sich einen weiteren Drink einzugießen.

»Wir belegen das Arschgesicht mit einem Fluch«, antwortete Gwyn grinsend.

»Er ist kein Arschgesicht«, gab Vivi zurück und kaute am Ende ihres Strohhalms herum, während sie den Kreis beäugte. »Also zumindest war er das anfangs nicht. Und ehrlicherweise war ich diejenige, die Schluss gemacht hat, nicht er.«

Schnaubend fasste Gwyn ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. »Du hast Schluss gemacht, weil er ein Arschgesicht ist. Er ist nach Graves Glen gekommen und hat dich verführt, und das alles, während sein Dad in Wales seine Hochzeit mit irgendeiner schicken Hexe plante. Und er wusste davon! Und hat es nicht für nötig befunden, es dir zu sagen! Nein, er ist und bleibt ein Arschgesicht, da sind wir uns alle einig.«

»Und alle bedeutet du.«

»Ich und Sir Purrcival«, sagte Gwyn und zeigte auf das kleine schwarze Kätzchen, das sich auf ihrem Bett zusammengerollt hatte. Bei der Erwähnung seines Namens hob es den kleinen Kopf und sah Vivi blinzelnd mit seinen intensiven gelbgrünen Augen an, ehe es ein winziges Miau ausstieß, das sich tatsächlich irgendwie nach einer Zustimmung anhörte.

Und Rhys war ja wirklich verlobt gewesen. Na ja, fast verlobt. Er hatte eine andere Bezeichnung verwandt. Er hatte es »versprochen« genannt. Hatte sie heute Morgen damit überfallen, als sie noch zusammengekuschelt in der Wärme seines Bettes lagen und er ihre Schulter küsste und murmelte, dass er für eine Woche oder so zurück nach Hause müsse, um ein paar Dinge zu regeln.

Und »ein paar Dinge« bedeutete offenbar »meinem Dad sagen, dass er meine Hochzeit mit einer völlig Fremden absagen soll«, und dann besaß er auch noch die Frechheit, bestürzt darüber zu sein, dass sie bestürzt war, und jetzt, wo sie darüber nachdachte … ja, sie sollten dieses Arschgesicht wirklich verfluchen.

»Stimmt«, sagte Vivi und verschränkte die Arme vor der Brust. »Was müssen wir tun?«

»Öffne die Fenster«, sagte Gwyn, trat an ihren Schreibtisch und griff nach einer Kerze in einem Glashalter, die Vivi bei den Vorbereitungen zu ihrem Ritualbad irgendwie übersehen hatte.

Vivi tat wie geheißen, und die kühle Septemberluft strömte in den Raum und trug den Geruch nach Kiefern mit sich. Über dem Gipfel des nächsten Berges stand der Mond, voll und weiß, und Vivi schenkte ihm ein kleines betrunkenes Winken, ehe sie den Kopf aus dem Fenster steckte, um zu Elaines Berg hinaufzublicken.

Dort oben, irgendwo in der Dunkelheit, befand sich das Haus von Rhys’ Familie, in dem er bis zu diesem Sommer nie gewesen war. Es war nicht beleuchtet, weil Rhys jetzt weg war.

Weg.

Zurück in Wales und dem Leben, das er geführt hatte, bevor er hergekommen war, um Sommerkurse am Penhaven College zu besuchen.

Aber jetzt war alles zu Ende.

Vivi spürte erneut ein Brennen in den Augen und drehte sich zu ihrer Cousine um.

Gwyn saß außerhalb des Kreises, die Kerze stand jetzt mit flackernder Flamme in der Mitte, und nur für eine Sekunde zögerte Vivi. Okay, Rhys hatte ihr also das Herz gebrochen. Ja, er hatte ihr nicht gesagt, dass sein Vater dabei war, eine Ehefrau für ihn zu suchen. Keine Unterhaltung, keine Warnung, kein Interesse daran, wie sie sich bei der ganzen Angelegenheit fühlte. Absolute Arschlochaktion.

Aber jemanden verfluchen?

Jemanden unter dem Einfluss von Alkohol verfluchen?

Vielleicht war das etwas übertrieben.

Und dann schloss Gwyn die Augen, streckte die Hände aus und sagte: »Göttin, wir flehen dich an, möge dieser Mann niemals mehr Vivis Haus oder ihre Vagina behelligen.«

Vivi verschluckte sich beinahe an ihrem Drink und kicherte, während der Alkohol in ihren Nebenhöhlen brannte und sie sich Gwyn gegenüber auf die andere Seite des Kreises plumpsen ließ.

»Göttin«, sagte Vivi und nahm einen weiteren Schluck, »wir flehen dich an, möge er niemals mehr seine Grübchen missbrauchen, um arglose Mädchen ins Unglück zu stürzen.«

»Nicht schlecht«, lobte Gwyn, ehe sie hinzufügte: »Göttin, wir flehen dich an, sorge dafür, dass sein Haar niemals mehr diese eine Sache macht. Du weißt schon, was wir meinen.«

»Garantiert weiß sie das«, nickte Vivi. »Göttin, wir flehen dich an, mach ihn zu der Sorte Mann, die für alle Zeiten glauben wird, dass sich die Klitoris etwa einen Zentimeter weit weg von der Stelle befindet, wo sie wirklich ist.«

»Teuflisch, Vivi. Schwärzeste Magie.«

Ihr Kopf drehte sich, aber ihr Herz fühlte sich wieder etwas ganzer an, und Vivi lächelte und lehnte sich über den Kreis in Richtung der Kerze. »Du hast mir das Herz gebrochen, Rhys Penhallow«, sagte sie. »Und wir verfluchen dich. Dich und deine ganze lächerlich attraktive Familie.«

Plötzlich schoss eine Stichflamme aus der Kerze empor und erschreckte Vivi so sehr, dass sie ihren Drink umstieß, als sie versuchte, von der Kerze wegzukommen. Sir Purrcival auf dem Bett fauchte und machte einen Buckel.

Gwyn sprang auf die Beine, um ihn hochzuheben, aber bevor sie bei ihm war, flogen beide Fenster plötzlich so heftig zu, dass die Vorhänge von der Druckwelle nach innen geblasen wurden.

Vivi sprang auf die Beine und verwischte mit dem Fuß den Salzkreis, und als sie den Blick wieder auf die Kerze richtete, schien ihre Flamme sich in unnatürliche Höhen zu recken, noch über Gwyn hinaus, ehe sie plötzlich von selbst verlosch.

Alles war ruhig, abgesehen von Sir Purrcival, der immer noch gegen Gwyns Kissen gepresst zischte und spuckte, und Vivi wusste nicht, ob sie je in ihrem Leben so schnell wieder nüchtern geworden war.

»Das war … komisch«, brachte sie schließlich hervor, und als Gwyn sich wieder Vivi zuwandte, kehrte langsam wieder Farbe in ihr Gesicht zurück.

»Wegen dir haben vorhin die Lichter geflackert, erinnerst du dich? Vermutlich so etwas wie ein Stromstoß. Ein magischer.«

»Kann so etwas passieren?«, fragte Vivi, und Gwyn nickte vielleicht etwas zu hastig.

»Klar. Ich meine … wir haben nur Unsinn gemacht. Nichts davon war echte Fluchmagie. Ich glaube, die Kerze stammt von Bath & Body Works.«

Vivi las das Label. »Ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass ›Ein Bett im Orchideenfeld‹ nicht mit dem Bösen im Bunde ist.«

»Genau«, sagte Gwyn. »Also, ja, nichts passiert, wir haben nur das arme Kätzchen hier erschreckt.« Es war ihr gelungen, Sir Purrcival in ihre Arme zu locken, und er kuschelte sich an sie, wobei er aber weiterhin in Vivis Richtung zu starren schien.

»Ich glaube, ich kann meine eigenen Kräfte noch nicht abschätzen«, sagte Vivi, und dann fügten sie und Gwyn im Chor hinzu: »Mische niemals Wodka und Hexerei.«

Mit einem verlegenen Lachen stellte Vivi die Kerze zurück auf Gwyns Schreibtisch.

»Fühlst du dich etwas besser?«, fragte Gwyn. »Hat der Fake-Fluch dir den Mann aus dem Gehirn gepustet?«

Sie würde mehr als ein Bad, mehrere Drinks und magisches Herumalbern brauchen, um Rhys zu vergessen, aber Vivi nickte. »Ich glaube schon. Und du hast recht, es waren nur drei Monate, und jetzt ist er zu Hause in Wales, also sehe ich ihn ohnehin nie wieder. Er kann zurück zu seinem Leben und ich zu meinem. Und jetzt lass uns das Salz entfernen, bevor Tante Elaine kommt und herausfindet, dass wir betrunken gezaubert haben.«

Vivi drehte sich um, und weder sie noch Gwyn sahen, wie die Kerze sich kurz erneut entzündete, die Flamme Funken schlug und der Rauch sich kräuselnd einen Weg durch das offene Fenster hinauf zum Vollmond bahnte.

1 Neun Jahre später

Natürlich musste es verdammt noch mal regnen.

Klar, das hier war Wales, der Regen war also geografisch vorprogrammiert, das sah Rhys ein, aber heute Morgen war er den ganzen Weg von London im strahlenden Sonnenschein mit lediglich vereinzelten Wölkchen gefahren. Ein atemberaubend blauer Himmel über grünen Hügellandschaften, genau die Art Tag, an dem man überlegt, es mal mit Malerei oder Poesie zu versuchen.

Erst als er die Ortgrenze von Dweniniaid, dem Städtchen, in dem seine Familie schon seit Jahrhunderten lebte, passiert hatte, hatte es zu pissen begonnen.

Und er war sich ziemlich sicher, dass er den Grund dafür kannte.

Rhys verzog das Gesicht und parkte seinen Mietwagen nahe der Hauptstraße. Natürlich hätte er nicht fahren müssen. Er hätte auch einen Reisestein verwenden und binnen eines Wimpernschlags da sein können, aber sein Beharren darauf, überallhin zu fahren, trieb seinen Vater in den Wahnsinn, und das genoss Rhys mehr als die Bequemlichkeit magischen Reisens.

Obwohl er sich heute des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass er sich ins eigene Fleisch schnitt, als er aus dem Wagen stieg und stirnrunzelnd in den Himmel blickte.

Aber er konnte es jetzt nicht mehr rückgängig machen, also zupfte Rhys den Kragen seines Mantels ein wenig nach oben und machte sich auf den Weg ins Ortsinnere.

Viel hatte die Hauptstraße nicht zu bieten – ein paar Läden, eine Kirche an einem Ende und ein Pub am anderen. Letzteres war die Richtung, die er jetzt einschlug. An diesem Nachmittag waren nur wenige Leute unterwegs, aber sie alle wechselten die Straßenseite, sobald sie ihn entdeckten.

Schön, zu sehen, dass seiner Familie ihr Ruf immer noch unverändert vorauseilte.

Am Ende der Straße tauchte die einladende Fassade des The Raven and Crown auf, die Fenster warme, von Licht erfüllte Rechtecke gegen den grauen Tag, und kaum hatte Rhys die Eingangstür aufgestoßen, hüllten ihn auch schon einige seiner liebsten Gerüche ein – das malzige, schwere Bieraroma, der scharfe Duft von Cider und die Wärme des gealterten Eichenholzes.

Gott, er hatte tatsächlich Heimweh gehabt.

Vielleicht lag es nur daran, dass er schon so lange nicht mehr hier gewesen war. In der Regel versuchte er, alle paar Monate vorbeizuschauen, ein wenig öfter, wenn er vermutete, dass sein Vater nicht anwesend war. In Sachen Familientreue stand er damit genau zwischen seinen beiden älteren Brüdern.

Llewellyn, der älteste, betrieb dieses Pub und stand in engem Kontakt mit ihrem Vater. Bowen, der mittlere Sohn, hatte sich schon vor zwei Jahren in die Berge von Snowdonia verpisst und schickte von Zeit zu Zeit ein Lebenszeichen, das bei ihnen vor allem Sorge wegen seines unkontrolliert wuchernden Barts auslöste.

Rhys war also ausnahmsweise einmal nicht der enttäuschende Sohn, ein Zustand, den er gerne beibehielt, bis Bowen beschloss, mit was immer er dort oben trieb, aufzuhören.

Allerdings würde er nie der Liebling sein. Wells hatte diese Rolle schon vor sehr langer Zeit eingenommen, und Rhys überließ sie ihm gerne. Außerdem machte es auch irgendwie Spaß, das schwarze Schaf zu sein. Wenn er Mist baute, dann erwartete das schon gar niemand mehr anders, und wenn er es schaffte, keinen Mist zu bauen, waren alle positiv überrascht.

Eine Win-win-Situation.

Rhys schlüpfte aus seinem Mantel und hängte ihn an die Garderobe, die an der Tür gleich unter einer alten Werbung für Strongbow Cider angebracht war, und noch in der Bewegung entdeckte er aus dem Augenwinkel den Mann hinter der Bar, der ihn beobachtete.

Und als Rhys sich umdrehte, wurde ihm klar, dass der Mann hinter der Bar – sein großer Bruder Llewellyn – der Einzige im Pub war.

Llewellyn war ihr Vater in dreißig Jahre jünger: der gleiche strenge Gesichtsausdruck, die gleiche römische Nase – nun, um ehrlich zu sein, die hatten sie alle –, die gleichen dünnen Lippen. Nur weniger Arschloch. Aber genauso entschlossen, in diesem winzigen Städtchen zu bleiben, wo alle ihn fürchteten, und dieses Pub zu betreiben, in das sich außer den gelegentlichen Touristen – und einem lang verschollenen Bruder – nie jemand verirrte.

»Hey, Wells«, sagte Rhys, und Wells grunzte nur zur Antwort.

Typisch.

»Die Hütte brennt mal wieder, wie ich sehe.« Rhys schlenderte zur Bar und schnappte sich eine Handvoll Erdnüsse aus einer Glasschüssel.

Wells bedachte ihn über das polierte Mahagoni hinweg mit einem finsteren Blick, und Rhys grinste und warf sich eine Erdnuss in den Mund.

»Komm schon«, drängte er. »Gib doch zu, dass du dich freust, mich zu sehen.«

»Ich bin überrascht, dich zu sehen«, sagte Wells. »Ich dachte, du hättest uns dieses Mal für immer verlassen.«

»Und auf so viel brüderliche Wärme verzichtet? Niemals.«

Wells schenkte ihm ein widerstrebendes Lächeln. »Vater meinte, du seist in Neuseeland.«

Rhys nickte und nahm sich eine weitere Handvoll Erdnüsse. »Bis vor ein paar Tagen. Junggesellenabschied. Ein paar Engländer wollten das volle Herr der Ringe-Programm.«

Rhys’ Reiseunternehmen, Penhallow Tours, hatte sich von einem kleinen Einmannunternehmen, das er aus seiner Wohnung in London heraus betrieben hatte, zu einer Firma mit zehn Mitarbeitern entwickelt, die diverse Reisen in der ganzen Welt organisierte. Seine Kunden bezeichneten seine Reisen regelmäßig als die besten ihres Lebens, und in den Kundenbewertungen schwärmten die Leute, dass sie nie auch nur einen Tag schlechtes Wetter oder einen verspäteten Flug oder eine Lebensmittelvergiftung gehabt hätten.

Erstaunlich, wie viel schon die kleinste Dosis Magie bewirken konnte.

»Nun, ich bin froh, dass du wieder da bist«, sagte Wells und widmete sich wieder dem Putzen. »Jetzt kannst du wenigstens mit Vater reden, damit endlich Schluss mit seinen Launen ist.«

Er nickte zum Fenster, und Rhys drehte sich um und sah das abscheuliche Wetter mit einem Mal mit anderen Augen.

Scheiße.

Also hatte er recht gehabt. Das war kein gewöhnlicher Sturm, sondern einer, der auf das Konto seines Vaters ging, was nur bedeuten konnte, dass Rhys ihn definitiv verärgert hatte. Wegen seiner Brüder hatte Vater nie einen Sturm heraufbeschworen. Rhys dagegen war der Grund für … zwanzig? Zwei Dutzend? Unzählige, wenn man ehrlich war.

Rhys wandte sich wieder Wells zu und streckte erneut die Hand nach der Erdnussschale aus, doch dieses Mal traf ihn ein Schlag mit einem nassen Geschirrtuch.

»Hey!«, rief er, aber Wells zeigte bereits auf die Tür.

»Geh rauf und sprich mit ihm, bevor er die Hauptstraße überschwemmt und ich hier nie wieder Kunden sehe.«

»Bin ich etwa kein Kunde?«

»Du bist eine Nervensäge«, antwortete Wells, seufzte und fügte dann mit in die Hüften gestemmten Händen hinzu: »Ernsthaft, Rhys, geh und rede mit ihm, bring es hinter dich. Er hat dich vermisst.«

Rhys glitt schnaubend von dem Barhocker. »Nett gemeint, Wells, aber verarschen kann ich mich selbst, Kumpel.«

Eine Stunde später fragte Rhys sich, warum er nicht wenigstens lange genug im Pub geblieben war, um ein Bier zu trinken. Vielleicht auch drei.

Er hatte beschlossen, hinauf zum Haus zu laufen und seinen Vater nicht mit dem Wagen zu provozieren – seiner Meinung nach ein echtes Zeichen von Reife –, aber je näher er seinem Ziel kam, umso schlechter wurde das Wetter, und selbst der Schutzzauber, den er sich übergeworfen hatte, hielt nur mit Mühe stand.

Kurz überlegte er, ihn ganz fallen zu lassen und seinem Vater in einem jämmerlichen, tropfnassen Zustand entgegenzutreten, aber nein, so etwas würde nur bei einem Vater funktionieren, der ein Herz hatte, und Rhys war sich ziemlich sicher, dass Simon Penhallow ohne eines geboren worden war.

Vielleicht hatte er es auch irgendwann selbst entfernt, um herauszufinden, wie sehr ein Mann sich in einen Bastard verwandeln konnte.

Der Wind heulte von der Spitze des Hügels herunter, und die Bäume zu beiden Seiten der Straße ächzten und schwankten, und ganz ehrlich, Rhys wusste, dass sein Vater eine sehr mächtige Hexe war, aber ganz so sehr hätte er das Klischee nicht erfüllen brauchen.

Auch ein Klischee: Penhaven Manor, der Familiensitz der Penhallows.

Manchmal fragte Rhys sich, wie es seiner Familie gelungen war, in den fünfhundert Jahren, die sie diesen riesigen Haufen Stein und offensichtlicher Hexenmagie ihr Zuhause nannten, ohne gelyncht zu werden. Sie hätten sich auch einfach Schilder mit der Aufschrift HIER WOHNEN DIE HEXEN in den verdammten Vorgarten stellen können.

Das Haus stand weniger auf dem Hügel, als es darauf kauerte. Es war lediglich zwei Stockwerke hoch, aber weitläufig, ein Irrgarten aus dunklen Fluren, tief hängenden Decken und schattigen Winkeln. Einer der ersten Zauber, die Rhys sich selbst beigebracht hatte, war ein simpler Illuminationszauber gewesen, damit er etwas sehen konnte, wenn er morgens versuchte, den Frühstückstisch zu finden.

Manchmal überlegte er auch, ob das Haus anders, ein wenig … heller gewesen wäre, hätte seine Mutter noch gelebt. Laut Wells hatte sie das Haus so sehr gehasst, wie Rhys es tat, und es fast geschafft, ihren Vater zu überzeugen, in ein kleineres Haus zu ziehen, eines, das moderner und heimeliger war.

Doch dann starb sie wenige Monate nach Rhys’ Geburt, und alle Überlegungen, dieses Monster von einem Haus zu verlassen, wurden im Keim erstickt. Penhaven war ihr Zuhause.

Ein furchterregendes, ungemütliches, mittelalterliches Wrack von einem Zuhause.

Wenn man darauf zuging, sah es immer ein wenig schief aus, die schweren Holztüren schienen in ihren Angeln zu hängen, und als Rhys die Stufen zur Haustür hinaufstieg, seufzte er und strich mit der Hand über die Luft vor sich.

Shirt, Jeans und Stiefel, die er getragen hatte, begannen zu leuchten und zu wabern, ehe sie sich in einen schwarzen Anzug mit dem eingestickten Wappen der Familie auf der Brusttasche verwandelten. Sein Vater hätte es bevorzugt, wenn sie zu Hause alle Roben getragen hätten, aber das war das beste Zugeständnis, das Rhys ihm in Sachen Familientradition machen konnte.

Er sparte es sich zu klopfen. Sein Vater wusste, dass er hier war, seit er den ersten Schritt auf den Hügel gesetzt, möglicherweise schon seit er das Pub betreten hatte. Auf allem hier oben lagen Schutzzauber, ein endloses Ärgernis für Rhys und seine Brüder, wann immer sie etwas später als vereinbart nach Hause gekommen waren.

Als Rhys mit der Hand die Tür berührte, schwang sie mit einem Unheil verkündenden Ächzen auf, und Wind und Regen legten sich noch einmal richtig ins Zeug, sodass für einen winzigen Moment Rhys’ Zauber verrutschte.

Eisiges Wasser traf ihn ins Gesicht, rann unter den Kragen seines Hemds und ließ sein Haar an seinem Kopf kleben.

»Toll«, murmelte er. »Einfach toll.«

Und dann trat er ein.

Ganz egal, wie das Wetter draußen war, im Inneren von Penhaven war es immer dämmrig.

Rhys’ Vater mochte es so. Schwere Samtvorhänge verdeckten die meisten der Fenster, und die wenigen, die nicht verhängt waren, bestanden aus dickem Buntglas in dunklen Grün- und Rottönen, wodurch das hindurchscheinende Licht verzogen wurde und seltsame Formen auf den schweren Steintisch gleich hinter der Haustür malte.

Einen Moment lang stand Rhys im Eingang und blickte die enorme Treppe hinauf zu dem lebensgroßen Ölporträt darüber, das ihn selbst, seinen Vater und seine beiden Brüder zeigte. Sie alle trugen Roben und blickten ernst zur Haustür herunter. Jedes Mal, wenn Rhys das Bild sah, erinnerte er sich an die Zeit, als er zwölf gewesen war und dafür hatte Modell stehen müssen, wie sehr er es gehasst hatte, sich nicht bewegen zu dürfen, wie heiß und unbequem die Robe gewesen war, wie lächerlich es war, dass sein Vater nicht einfach ein Foto schießen und den Künstler von dieser Vorlage malen ließ.

Aber nein, Vater liebte seine Traditionen, und sich die Eier abzuschwitzen, während man für ein riesiges Ölgemälde Modell saß, stand in Sachen »Dinge, die Penhallow-Männer nun einmal tun« offenbar auf einer Stufe mit »seinen Weihnachtsbaum selbst fällen« und »das Penhaven College besuchen«.

»Lass mich nicht warten.«

Die Stimme dröhnte von überall- und nirgendwoher, und Rhys seufzte erneut, strich sich mit der Hand übers Haar und erklomm dann im Laufschritt die Treppe.

Er würde Vater in der Bibliothek finden, seine bevorzugte Kulisse für beinahe alle Auseinandersetzungen zwischen ihm und seinen Söhnen über die Jahre, und als Rhys die schweren Doppeltüren zu ebenjenem Raum öffnete, hatte er augenblicklich das Gefühl, in der Zeit zurückversetzt zu werden.

Nicht nur in seinen Erinnerungen, obwohl er viele hatte, die sich in diesem Raum abspielten, sondern auch buchstäblich. Die Bibliothek seines Vaters hatte auf unmögliche Weise noch mehr Gothic-Charme als der Rest des Hauses. Es gab schwarzes Holz, noch mehr Samt, schwere silberne Armleuchter voller Wachs, das sich über die Jahre darauf verhärtet hatte. Ein aus Hirschgeweihen gefertigter Kronleuchter an der Decke tauchte den Parkettboden in schummriges Licht, und nie hatte Rhys sich mehr nach dem grellen Licht seiner Wohnung in London gesehnt. Die offenen Fenster, die weißen Bettbezüge, die gemütlichen Sofas, von denen nicht jedes Mal eine Staubwolke aufstieg, wenn jemand sich setzte.

In der ganzen Wohnung gab es keinen einzigen Gegenstand aus Samt – noch nicht mal ein verdammtes Kissen.

Kein Wunder, dass er nie hierherkam.

Simon Penhallow stand vor einem riesigen Spiegel, den er für Wahrsagerei und die Kommunikation mit anderen Hexen verwendete, die Hände hinter dem Rücken verschränkt und, wie Rhys vorhergesehen hatte, in seiner Robe. Einer schwarzen selbstverständlich. Sein Haar war ebenfalls schwarz, obwohl sich etwas Grau daruntermischte, und als er sich umdrehte, dachte Rhys bei sich, dass er jetzt etwas älter aussah. Ein paar weitere Falten um die Augen, mehr Weiß im Bart.

»Hast du eine Ahnung, wie lange es her ist, seit du das letzte Mal einen Fuß in dieses Haus gesetzt hast?«, fragte sein Vater, und Rhys verkniff sich eine sarkastische Antwort.

Ihm lagen mindestens drei davon auf der Zunge, aber sein Vater war nie ein großer Fan von Rhys’ Sinn für Humor gewesen, also betrat er einfach den Raum und ahmte dabei die Haltung seines Vaters nach, indem er die Hände hinter dem Rücken verschränkte. »Ich weiß nicht genau.«

»Sechs Monate«, antwortete sein Vater, denn warum sollte er es ausdrücken wie normale Leute und »ein halbes Jahr« sagen?

»Es ist sechs Monate her, seit du das letzte Mal deinen Vater und das Haus deiner Familie besucht hast.«

»Okay, aber damit sollte ich immer noch besser sein als Bowen, oder?«

Rhys schenkte seinem Vater ein Grinsen, aber wie seit jeher war Simon die einzige Person, die er nie mit seinem Charme einwickeln konnte. »Bowen beschäftigt sich mit etwas, das der Familie tatsächlich einen Nutzen bringt. Im Gegensatz zu dir und deinem Junggesellendasein in England.«

Rhys’ Vater sprach »England« gerne aus, als wollte er sagen dieses verkommene Drecksloch, und nicht zum ersten Mal überlegte Rhys, ob sein Leben in der Vorstellung seines Vaters sehr viel interessanter war, als es in Wirklichkeit der Fall war.

Ja, na gut, die ein oder andere Ausschweifung gab es schon, aber im Großen und Ganzen lebte Rhys das normale Leben der meisten Männer Ende zwanzig. Er führte sein Reiseunternehmen, sah sich mit seinen Kumpels Rugby im Pub an und traf sich mit Frauen.

Nichts Ungewöhnliches, abgesehen von der Rolle, die die Magie bei alldem spielte.

Die Reisen seiner Kunden verliefen immer angenehm und reibungslos. Sein Lieblingsteam gewann immer. Und obwohl er die Frauen, mit denen er sich traf, nie mit Magie beeinflusste, hatte ihm möglicherweise hin und wieder ein kleiner Zauber zu einer Reservierung im gewünschten Restaurant verholfen oder dafür gesorgt, dass er ohne Probleme durch den Verkehr kam.

Er missbrauchte seine Kräfte nicht, aber zweifellos vereinfachte Magie seinen Alltag, und Rhys war stets dankbar dafür gewesen.

»Du beschäftigst dich mit all diese Frivolitäten«, fuhr Simon fort, »und verschenkst dein Potenzial als Hexer.«

»Es gibt keine Hexer mehr, Vater, wir sind jetzt alle Hexen. Und das schon seit Jahrzehnten.«

Simon ignorierte ihn und fuhr fort: »Es ist an der Zeit, dass auch du deine Pflicht für diese Familie erfüllst, Rhys. Und deshalb schicke ich dich zurück nach Glynn Bedd.«

Glynn Bedd.

Graves Glen.

Vivienne.

Er dachte nicht oft an sie. Es war Jahre her. Ihre Affäre war leidenschaftlich, aber kurz gewesen, und er hatte seitdem andere, ernstere Beziehungen geführt.

Aber von Zeit zu Zeit musste er an sie denken. An ihr schönes Lächeln. Ihre braungrünen Augen. Wie sie an den Spitzen ihres honigblonden Haars zupfte, wenn sie nervös war.

Wie sie schmeckte.

Eine Erinnerung, die ihm jetzt ganz und gar nicht weiterhalf.

Es war besser, sich an ihre wütenden Tränen zu erinnern, wie sie die Hände vor der Brust verschränkt und ihm eine Jeans an den Kopf geworfen hatte.

Meine Güte, was war er nur für ein Wichser gewesen.

Er schüttelte sich leicht, machte einen Schritt auf seinen Vater zu und fragte: »Graves Glen? Warum?«

Simon sah ihn finster an, und die Schatten unter seinen Wangenknochen wurden noch tiefer.

»Es ist das Gründungsjubiläum der Stadt und des College«, sagte Simon. »Ein Penhallow muss anwesend sein. Deine Brüder haben anderweitige Verpflichtungen, genau wie ich, also wirst du es sein. Du solltest so bald wie möglich los, und ich sorge dafür, dass das Haus bereit für dich ist.«

Ein Wink mit einer eleganten, langgliedrigen Hand. »Du kannst gehen.«

»Das werde ich verdammt noch mal nicht tun«, gab Rhys zurück, und Simon richtete sich auf. Rhys war über eins achtzig, aber sein Vater überragte ihn genau wie Wells um wenige Zentimeter, eine Tatsache, die Rhys in diesem Moment besonders bewusst wurde. Aber er ließ sich nicht einschüchtern.

»Dad«, sagte er, im vollen Bewusstsein, dass er ihn schon seit seiner Kindheit nicht mehr so genannt hatte. »Dir ist schon klar, dass diese ganze Gründungsjubiläums-Sache nichts mit uns zu tun hat, ja? Es ist praktisch eine Halloween-Party. Die verkaufen da verdammt noch mal Kürbisse, Dad. Kleine, bemalte. Und irgendwo gibt es auch Plüschfledermäuse. Dafür brauchen die uns nicht.«

»Und doch wird man sich unserer bewusst sein, weil du dort sein wirst«, sagte sein Vater. »Alle fünfundzwanzig Jahre muss ein Penhallow dorthin zurück, um die Kraftlinien zu stärken, und dieses Jahr wirst du dieser Penhallow sein.«

Scheiße.

Er hatte das mit den Kraftlinien vergessen.

Vor einhundert Jahren hatte sein Vorfahre Gryffud Penhallow an einem Ort in den Bergen von North Georgia, wo der Schleier dünn und die Magie besonders stark war, die Stadt Glynn Bedd gegründet. Natürlich hatte der Ort über die Jahre Hexen angezogen, und am dortigen College, das nach dem Stammhaus der Penhallows benannt war, bot man sowohl normale Vorlesungen für Menschen als auch Lehrstunden in den arkanen Künsten für Hexen an. Die Menschen, die das College besuchten, wussten das natürlich nicht. Sie nahmen einfach an, dass es verdammt schwer war, einen Platz im Studiengang »Praktische historische Folklore« zu bekommen, der darüber hinaus auch noch besonders viele Gaststudenten zuließ.

Rhys war vor neun Jahren einer dieser Gaststudenten gewesen, nur für die Sommervorlesungen, und es gab eine Reihe von Punkten – nun, vor allem einen –, warum er auf keinen Fall zurückwollte.

»Woher weißt du das eigentlich?«, fragte sein Vater und kniff misstrauisch die Augen zusammen. »All diese Dinge über den Gründertag? Du warst das letzte Mal nicht lange genug dort, um ihn mitzuerleben.«

Weil ich hin und wieder zu tief ins Whiskeyglas schaue und nachsehe, was sie so treibt und ob sie immer noch dort lebt, was auch der Grund ist, warum ich definitiv nicht dorthin zurückwill, war die Wahrheit, aber Rhys vermutete, dass das keine Erfolg versprechende Antwort war.

»Diese Stadt ist das Erbe unserer Familie, Dad«, sagte er stattdessen. »Ich halte mich auf dem Laufenden.«

Rhys war sich sicher, dass der Ausdruck auf Simons Gesicht kein Stolz war, weil er sich ebenso sicher war, dass sich ein Riss im Gefüge von Raum und Zeit auftun würde, sollte Simon jemals stolz auf etwas sein, das Rhys sagte oder tat, aber wenigstens wirkte sein Vater nicht mehr komplett angepisst, und das war schon einmal etwas.

Und er hasste es, dass das immer noch wichtig für ihn war. Das letzte Mal, als er versucht hatte, die Anerkennung seines Vaters zu gewinnen, hatte er am Ende Vivienne verloren.

Okay, zum Teil hatte er das auch seiner eigenen Dummheit zu verdanken, weil er es nicht für nötig befunden hatte zu erwähnen, dass er zugestimmt hatte, seinen Vater die perfekte Braut für ihn suchen zu lassen, aber zu der Zeit war ihm das alles so weit weg erschienen, und Vivien war bei ihm, in Fleisch und Blut, und kein abstraktes Konzept einer Frau, und es war so einfach gewesen, das Geständnis aufzuschieben.

Bis es das nicht mehr war und sie ihm – völlig zu Recht – jeden erdenklichen Schimpfnamen an den Kopf geworfen hatte, einschließlich einiger, von denen er nie zuvor gehört hatte, bevor sie aus dem Raum gestürmt war.

Und jetzt verlangte sein Vater von ihm zurückzukehren.

»Tu es für deine Familie. Tu es für mich«, sagte Simon und kam zu ihm, um ihm die Hände auf die Schultern zu legen. »Geh nach Glynn Bedd.«

Er war fast dreißig Jahre alt. Er führte ein erfolgreiches Unternehmen, das er ganz allein auf die Beine gestellt hatte, er liebte sein Leben, er war verdammt noch mal erwachsen und brauchte die Anerkennung seines Vaters nicht.

Und doch hörte Rhys sich sagen: »Na gut, ich mache es.«

»Ich hab dir gesagt, dass du nicht zu einem Sonnwendfeuer gehen sollst, und ich hab dir gesagt, dass das nichts als Ärger gibt.«

Rhys machte sich nicht die Mühe, den Kopf von der Bar zu heben, sondern salutierte seinem Bruder einfach nur mit zwei erhobenen Fingern.

Er hörte Llewellyn schniefen. »Nun, das habe ich wirklich getan.«

»Ja, und ich habe deinen brüderlichen Rat auf eigene Gefahr ignoriert, danke, Wells, sehr hilfreich.«

Nach dem Gespräch mit Simon war er ins Pub zurückgekehrt, und dieses Mal hatte er sich das Bier nicht entgehen lassen.

Was vermutlich der einzige Grund war, warum er Wells alles gestanden hatte. Nicht nur, dass Dad ihn nach Graves Glen schickte, sondern auch das mit dem Sommer vor neun Jahren.

Die Sache mit Vivienne, und wie er es gründlich vermasselt hatte.

Rhys hob den Kopf und sah, dass Llewellyn zu den Zapfhähnen gegangen war, um ein weiteres Bier einzugießen, von dem Rhys hoffte, dass es für ihn war. Das hier war definitiv die Art Unterhaltung, die nach zwei Bier verlangte.

»Hast du sie geliebt?«, fragte Wells.

Rhys bemühte sich sehr, nicht verlegen auf dem Barhocker hin- und herzurutschen. Seine Familie machte so was normalerweise nicht, über Gefühle reden und solche Dinge. Soweit Rhys sagen konnte, hatte Wells nicht mal welche, und jedwede Emotion, die Bowen empfinden könnte, galt, was auch immer er dort in den Bergen trieb.

»Ich war zwanzig«, sagte er schließlich und leerte sein Lager. »Und es war Sommer, und sie war schön.«

So schön. Und so verdammt niedlich. Als er sie dort auf dem Sonnwendfest unter dem violetten Himmel gesehen hatte, eine Blumenkrone schief auf dem Kopf, hatte es sich angefühlt, als hätte ihm jemand in die Brust geboxt. Sie hatte ihn angelächelt, und es war …

Augenblicklich. Unwiderruflich.

Ein verdammtes Desaster.

»Es … hat sich angefühlt …«, sagte er jetzt und erinnerte sich, »als hätte ich vielleicht romantische Gefühle gehabt.«

Bei Sankt Bugis Eiern, das war ihm schwergefallen. Wie machten das die Leute, die ständig über so was redeten?

Wells verschränkte die Arme auf der Bar und lehnte sich vor.

Er hatte die strengen Züge ihres Vaters und einen starrenden Ausdruck im Gesicht, den Rhys immer beunruhigend gefunden hatte, aber seine Augen wiesen das gleiche klare Blau auf wie seine eigenen. »Vielleicht begegnest du ihr ja gar nicht«, schlug Wells vor. »Du bist ja nur für wie lange da? Einen Tag, vielleicht zwei?« Sein Lächeln wurde schief. »Länger hältst du es doch gar nicht an einem Ort aus, oder?«

Rhys ignorierte den Seitenhieb und nickte. »Morgen breche ich auf. Das Gründerfest ist am Tag danach. Rein, die Kraftlinien aufladen, raus.«

»Easy-peasy also«, sagte Wells und breitete die Hände aus, und Rhys nickte, während ein weiteres Bild von Viviennes tränenüberströmtem Gesicht vor ihm zu schweben schien.

»So was von peasy.«

Auf Viviens Schreibtisch lag ein schreiender Stapel Papier.

Wobei, eigentlich war es eher ein Heulen, so eine Art schrilles Kreischen.

Stirnrunzelnd wandte sie sich von ihrem Computer und der E-Mail an ihre Fachbereichsleitung ab, um sich das heulende Papier auf dem Tresen genauer anzusehen.

Mit zusammengekniffenen Augen griff Vivi nach den Essays und warf einen nach dem anderen auf ihren Schreibtisch, bis sie den fand, nach dem sie suchte. Nicht nur schien er zu kreischen, die getippten Buchstaben verfärbten sich auch langsam rot.

»Lug und Trug«, murmelte sie und suchte nach dem Namen oben in der Ecke.

Hainsley Barnes.

Ah, genau, Mr. Lacrosse. Keine besondere Überraschung. Er hatte bei ihren letzten Vorlesungen gefehlt, und offenbar hatte ihm niemand aus dem letzten Semester verraten, dass Ms. Jones verdammt gut darin war, Betrügern auf die Schliche zu kommen.

Eine Hexe zu sein, hatte so viele unerwartete Vorzüge.

Vivi strich über das Papier, um den Zauber zu entfernen, und sah zu, wie die Worte wieder schwarz wurden, während das durchdringende Heulen langsam verklang, dann markierte sie es mit einem roten Post-it und warf es in die Schublade.

»Was zum Teufel war das für ein Heulen?«

Vivis Lieblingskollegin am Institut für Geschichte, Ezichi, stand in der Tür und zog die Nase kraus, und als der Aufsatz weiter in Vivis Schreibtisch wimmerte, verpasste sie der Schublade einen unauffälligen Stoß.

»Handyalarm«, sagte sie, als das Geräusch abrupt verstummte. »Der mich daran erinnert hat, dass ich eigentlich schon weg sein sollte, und zwar seit …«

Sie sah auf dem Bildschirm nach der Uhrzeit.

Mist.

»Seit dreißig Minuten.«

Das war schon das dritte Mal diese Woche, dass sie zu spät zu dem Familienessen kommen würde, auf das Elaine so unglaublich viel Wert legte, aber so war das nun mal, wenn die Zwischenprüfungen vor der Tür standen.

Vivi sprang auf, schnappte sich ihre Jacke von der Stuhllehne und griff nach ihrer Tasche, während Ezi mit dem Finger auf sie zeigte.

»Süße, enttäusch mir nicht die Frau, die mein Lieblingsbadesalz macht«, sagte sie, und Vivi griff in ihre Tasche und brachte ein kleines Stoffsäckchen zum Vorschein.

»Apropos, sie hat mich gebeten, dir das hier zu geben, danke für die Erinnerung.«

Ezi nahm den Beutel von Vivi entgegen, als befänden sich wertvolle Juwelen darin, presste ihn an ihre Brust und atmete tief durch. »Nimm es mir nicht übel, Vivi, aber ich mag deine Tante lieber als dich.«

»Kein Problem. Ihre Fähigkeiten sind geradezu magisch.«

Und zwar buchstäblich, aber das wusste Ezi nicht. Nach dem Grundstudium am Penhaven College hatte Vivi sich für einen Master in Geschichtswissenschaften entschieden. Ganz normale Menschengeschichte, in der sie ganz normale Menschenkinder unterrichten wollte, ganz anders als die Hexen, die Penhavens andere, ein wenig geheimere Kurse besuchten.

Bis jetzt hatte sie diese Entscheidung nicht bereut, obwohl sie den Verdacht hegte, dass sie für ihre »Einführung in die Weltgeschichte« sehr viel härter arbeiten musste, als es für »Rituelles Kerzenziehen« nötig gewesen wäre.

Während Vivi die Treppen aus dem Keller hinaufeilte, in dem die Juniordozenten der Fakultät untergebracht waren, schlüpfte sie in ihre Jacke und versuchte gleichzeitig, Gwyn eine Nachricht zu schreiben.

Bin spä drn.

Gerade als sie die Türen erreichte, pingte ihr Handy.

Da ich fließend Vivi spreche, weiß ich, dass das heißen soll, dass du spät dran bist. Kein Handy am Steuer. Auch kein Handy, während du läufst.

Grinsend trat Vivi hinaus auf den Hof. Es war noch nicht dunkel, und es war ein ziemlich milder Oktoberabend, selbst hier oben in den Bergen.

Das Penhaven College, das sich ins Tal schmiegte, war ein kleines Juwel aus roten Backsteingebäuden, grünem Gras, riesigen Eichen und säuberlich getrimmten Hecken, und Vivi liebte es mehr, als irgendjemand sonst wohl seinen Arbeitsplatz liebte.

Aber sie liebte es wirklich. Vor allem jetzt, da der Herbst sich ankündigte, die Blätter sich orange und der Himmel sich violett verfärbten. Im Herbst war Penhaven in Bestform.

Genau wie der Rest von Graves Glen. Vivi fiel auf, dass die Dekorationen für den morgigen Gründertag, der den Beginn der Halloween-Saison markierte, bereits angebracht worden waren. Im Schaufenster von The Written Wyrd, dem Buchladen der Stadt, waren elektrische Kerzen aufgestellt, und die Tür des Coffee Cauldron zierten aufgeklebte Plastikkürbisse. Natürlich war auch Elaines und Gwyns Laden Something Wicked aufwendig geschmückt, und Vivi war sich ziemlich sicher, selbst vor dem Büro ihres Steuerberaters eine Fledermaus baumeln zu sehen.

Sie war nicht an diesem kleinen Fleckchen Perfektion in den Bergen von North Georgia aufgewachsen. Ihre Eltern hatten in Atlanta gewohnt, und obwohl Vivi sie beide sehr vermisste, war sie immer dankbar gewesen, hier an diesem Ort gelandet zu sein, der sich anfühlte, als wäre er genau für sie gemacht. Diese perfekte Kleinstadt, wo sie beides, eine Hexe und eine normale Frau, zur gleichen Zeit sein konnte. Das Beste beider Welten.

Elaines Haus stand hoch oben auf einem Berg, am Ende einer sich windenden Straße, und als Vivi unter die strahlend orangen und roten Blätter eintauchte und spürte, wie die Räder des Wagens über die unbefestigte Straße holperten, fühlte sie, wie ihre Schultern sich zu entspannen begannen, und als die Hütte vor ihr auftauchte, stieß sie tatsächlich ein glückliches Seufzen aus.

Zu Hause.

Nachdem Vivi Elaines uralten Volvo geparkt hatte, lief sie die Stufen zur Haustür hinauf, an den grinsenden Kürbissen und baumelnden Fledermäusen und der Lichterkette mit den kleinen violetten Hexen vorbei.

An Halloween legte sich Tante Elaine immer so richtig ins Zeug.

Im Haus blieb Vivi kurz stehen, um Sir Purrcival in seinem Körbchen zu streicheln. Er war jetzt riesig, eine enorme Masse aus schwarzem Fell und grünen Augen, die Gwyn vergötterte und Elaine und Vivi gerade so tolerierte, und sie schätzte sich glücklich, als er nur kurz träge nach ihrer Hand schlug, ehe er wieder wegdöste.

»Ich weiß, ich bin schon wieder spät dran!«, rief Vivi und streichelte ihn noch ein letztes Mal.

Elaine kam in einem schwarzen Rock, der über den Boden schleifte, in den Flur, das aschblonde Haar unordentlich auf dem Kopf zusammengefasst.

Als ob Stevie Nicks Kunstunterricht in der Unterstufe geben würde. So beschrieb Gwyn den Look ihrer Mutter, und ganz falsch lag sie damit nicht. Aber es funktionierte für Tante Elaine auf eine Weise, die für Vivi niemals funktioniert hätte. Sie würde weiterhin Blümchen- und Pünktchenmuster tragen.

»Weißt du«, sagte Tante Elaine und stemmte eine mit Ringen bestückte Hand in die Hüfte, »wenn du einfach für mich arbeiten würdest, dann wärst du immer hier und müsstest dir keine Gedanken ums Zuspätkommen machen.«

Es war die alte Diskussion, und wie immer winkte Vivi ab. »Ihr beide kommt sehr gut ohne mich klar.«

Something Wicked verkaufte diversen Hexenkram, angefangen bei Kerzen über Schals und Seife bis hin zu selbst gemachter Marmelade. Dank dem Gründerfest lief das Geschäft zu dieser Zeit des Jahres besser, aber es kam schon einmal vor, dass sie einen ganzen Tag lang nichts verkauften, was bedeutete, dass Elaine und Gwyn den Laden sehr gut allein betreiben konnten.

»Aber vielleicht würden wir noch besser zurechtkommen, wenn du da wärst«, sagte Elaine, während Vivi aus dem Flur in die Küche ging.