Examenshilfe - Neuere deutsche Literaturwissenschaft - Josua Handerer - E-Book

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Josua Handerer

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Beschreibung

Skript aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Sprache: Deutsch, Abstract: Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um die überarbeitete Fassung eines Skripts, das im SS 2008 zur Vorbereitung auf das schriftliche Staatsexamen im Fach Germanistik (Neuere deutsche Literaturwissenschaft) erstellt wurde. Das Skript behandelt die Gattung der Dramen von Gottsched bis Brecht, wobei es sich zum einen an den Vorgaben der bayerischen Lehramtsprüfungsordnung (LPO I)1, zum anderen an alten Prüfungsfragen orientiert.

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VORWRT:

 

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um die überarbeitete Fassung eines Skripts, das im SS 2008 zur Vorbereitung auf das schriftliche Staatsexamen im Fach Germanistik (Neuere deutsche Literaturwissenschaft) erstellt wurde. Das Skript behandelt die Gattung der Dramen von Gottsched bis Brecht, wobei es sich zum einen an den Vorgaben der bayerischen Lehramtsprüfungsordnung (LPO I)[1], zum anderen an alten Prüfungsfragen orientiert.

 

Bei der Erstellung des Skripts wurde auf die folgende Fachliteratur zurückgegriffen:

 

Asmuth, Bernhard: Einführung in die Dramenanalyse. Stuttgart 2009.

 

Baasner, Rainer: Einführung in die Literatur der Aufklärung. Darmstadt 2006.

 

Berghahn, Klaus L.: "Das Pathetischerhabene" - Schillers Dramentheorie, in: K.L. Berghahn, Schiller: Ansichten eines Idealisten. Frankfurt 1986, 27-58.

 

Beutin, Wolfgang: Deutsche Literaturgeschichte: Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart 2008.

 

Bunzel, Wolfgang: Einführung in die Literatur des Naturalismus. Darmstadt 2011.

 

Buschmeier, Matthias & Kauffmann, Kai: Einführung in die Literatur des Sturm und Drang und der Weimarer Klassik. Darmstadt 2010.

 

Eke, Norbert Otto: Einführung in die Literatur des Vormärz. Darmstadt 2005.

 

Hinderer, Walter (Hrsg.): Interpretationen. Schillers Dramen. Stuttgart 1992.

 

Ders. (Hrsg.): Interpretationen. Goethes Dramen. 1992.

 

Ders. (Hrsg.): Interpretationen. Brechts Dramen. Stuttgart 1995.

 

Meyer, Theo: Theorie des Naturalismus. Stuttgart 1986.

 

Rochow, Christian: Das bürgerliche Trauerspiel. Stuttgart 1999.

 

Schmitz-Emans, Monica: Einführung in die Literatur der Romantik. Darmstadt 2004.

 

Steinweg, Reiner: Lehrstück und episches Theater: Brechts Theorie und theatertherapeutische Praxis. Frankfurt a.M. 1995.

 

Ralf Sudau: Johann Wolfgang Goethe, Faust I und Faust II. Interpretiert von Ralf Sudau. München 1998.

 

Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der deutschen Literatur. Stuttgart 2001.

 

Darüber hinaus wurden folgende Primärtexte verwendet:

 

Brecht, Berthold: Die Maßnahme: Zwei Fassungen. Anmerkungen. Berlin 1998.

 

Ders.: Mutter Courage und ihre Kinder: Ein Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg. Berlin 1964.

 

Ders.: Die Dreigroschenoper. Berlin 2001.

 

Ders.: Der gute Mensch von Sezuan: Parabelstück. Berlin 1964.

 

Ders.: Leben des Galilei: Schauspiel. Berlin 1998.

 

Büchner, Georg: Dantons Tod. Stuttgart 1986.

 

Ders.: Woyzeck. Studienausgabe. Stuttgart 1999.

 

Frisch, Max: Andorra: Stück in zwölf Bildern. Berlin 1975.

 

Goethe, Johann Wolfgang: Götz von Berlichingen. Stuttgart 1986.

 

Ders.: Faust. Der Tragödie erster Teil. Stuttgart 1986.

 

Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang: Soziales Drama. Berlin 1999.

 

Ders.: Die Weber: Vollständiger Text des Schauspiels. Dokumentation. Berlin 1998.

 

Hebbel, Friedrich: Maria Magdalena. Stuttgart 1986.

 

Holz, Arno und Schlaf, Johannes: Die Familie Selicke. Stuttgart 1986.

 

Langemeyer, Peter (Hrsg.): Dramentheorie: Texte vom Barock bis zur Gegenwart. Stuttgart 2011.

 

Lenz, J.M.R.: Die Soldaten. Stuttgart 1986.

 

Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Ein dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen. Stuttgart 2000.

 

Ders.: Miß Sara Sampson: Ein bürgerliches Trauerspiel in fünf Auszügen: Text und Kommentar. Berlin 2005.

 

Ders.: Emilia Galotti. Stuttgart 1973.

 

Ders.: Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück: Ein Lustspiel in fünf Auszügen. Stuttgart 1973. Schiller, Friedrich: Die Räuber. Stuttgart 1986.

 

Ders.: Wilhelm Tell. Stuttgart 2000.

 

Ders.: Maria Stuart. Stuttgart 2001.

 

Ders.: Kabale und Liebe: Ein bürgerliches Trauerspiel. Text und Kommentar. Berlin 1999.

 

Ders.: Vom Pathetischen zum Erhabenen. Schriften zur Dramentheorie. Stuttgart 2009.

 

Tieck, Ludwig: Der gestiefelte Kater. Stuttgart 2001.

 

INHALT

 

AUFKLÄRUNG (ca. 1720 – 1785/89):

1. ALLGEMEINES ZUR EPOCHE DER AUFKLÄRUNG

1.1. Periodisierung und literarische Strömungen:

1.2. Der zeit- und geistesgeschichtliche Hintergrund:

1.3. Poetologisches:

2. DIE DRAMENTHEORIE VON GOTTSCHED BIS LESSING (FRÜH- UND HOCHAUFKLÄRUNG)

2.1. Johann Christoph Gottsched (1700-1766):

2.2. Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781)

3. DIE WICHTIGSTEN DRAMEN LESSINGS

3.1. Allgemeine Vorbemerkungen zum bürgerlichen Trauerspiel

3.2. Lessing, „Miss Sara Sampson. Ein Trauerspiel.“(1755)

3.3. Lessing, „Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück. Ein Lustspiel“ (1767)

3.4. Lessing, „Emilia Galotti. Ein Trauerspiel.“ (1772)

3.5. Lessing, „Nathan, der Weise. Ein dramatisches Gedicht“ (1779)

4. DIE DRAMENTHEORIE DES STURM UND DRANG (1767 – 1785) SPÄTAUFKLÄRUNG

4.1. Allgemeines zum Sturm und Drang:

4.2. Die wichtigsten poetologischen Schriften

5. WICHTIGE DRAMEN DES STURM UND DRANG

5.1. Goethe, „Götz von Berlichingen“ (1771/73):

5.2. Lenz, „Die Soldaten. Eine Komödie.“ (1776)

5.3. Schiller, „Die Räuber“ (1781)

5.4. Schiller; „Kabale und Liebe“ (1784)

„GOETHEZEIT“, „KUNSTEPOCHE“ (1785/89- 1830/32)

1. ALLGEMEINES ZUR EPOCHE

1.1. Periodisierung, lit. Strömungen und zeitgeschichtlicher Hintergrund:

Zwischen Restauration und Revolution

2. WEIMARER KLASSIK (1786-1805)

2.1. Allgemeines zur Weimarer Klassik:

3. DRAMENTHEORIE DER WEIMARER KLASSIK

3.1. Schillers Dramentheorie:

3.2. Goethes Dramentheorie:

4. KLASSISCHE DRAMEN:

4.1. Schiller, „Maria Stuart“ (1800)

4.2. Schiller, „Wilhelm Tell“ (1804)

5. ROMANTIK (1795/98 – 1830)

5.1. Allgemeines zur Epoche

5.2. Ludwig Tieck, „Der gestiefelte Kater“ (1797)

6. GOETHES „FAUST“ (1808)

6.1. Inhaltliches:

6.2. Formales:

VORMÄRZ / BIEDERMEIER (1815-1848):

1. ALLGEMEIN ES ZUR EPOCHE

1.1. Historischer Hintergrund:

1.2. Allgemeines zur Epoche:

2. GEORG BÜCHNER (1813-1837)

2.1. Allgemeines

2.2. „Dantons Tod“ (1835)

2.3. „Woyzeck“ (1878)

DER NATURALISMUS (1870/80-1900)

1. DER NATURALISMUS ALLGEMEIN

1.1. Basics

1.2. Vergleich zwischen klassischem und naturalistischem Drama

2. DER KONSEQUENTE NATURALISMUS

2.1. Arno Holz/Johannes Schlaf: „Familie Selicke“ (1890)

3. DIE DRAMEN GERHART HAUPTMANNS

3.1. Hauptmann: „Vor Sonnenaufgang“ (1789)

3.2. Hauptmann: „Die Weber“ (1892)

DAS EPISCHE THEATER

1. BRECHTS DRAMENTHEORIE

1.1. Das epische Theater:

2. WICHTIGE DRAMEN

2.1. Brecht: „Die Dreigroschenoper“ (1928)

2.2. Brecht: „Die Maßnahme“ (1930/1931)

2.3. Brecht: „Mutter Courage und ihre Kinder. Eine Chronik aus dem 30-jährigen Krieg“ (1939)

2.4. Brecht: „Der gute Mensch von Sezuan“ (1953)

2.5. Brecht: „Das Leben des Galilei. Schauspiel“ (Fassung: 1955/56)

2.6. Frisch: „Andorra“ (1961):

AUFKLÄRUNG (ca. 1720 – 1785/89):

 

1. ALLGEMEINES ZUR EPOCHE DER AUFKLÄRUNG

 

1.1. Periodisierung und literarische Strömungen:

 

 Bei der Aufklärung handelt es sich um eine gesamteuropäische Bewegung, die jedoch in Deutschland – verglichen mit England und Frankreich – verhältnismäßig spät einsetzt. Vordenker der deutschen Aufklärung – zu nennen ist hier v.a. LEIBNIZ (1646-1716) – finden sich zwar schon im Spätbarock, als nennenswerte Bewegung setzt sie sich jedoch erst ab 1720 durch. Die französische Revolution (1789) bildet gewissermaßen den Ziel- und Endpunkt der Aufklärung.

 

 Prinzipiell ist zu sagen, dass solche Datierungen immer problematisch sind. Sie können allenfalls Anhaltspunkte liefern, sollten aber nicht absolut verstanden werden.

 

 Periodisierungsprobleme:

 

 Früher war es üblich, die Literatur des 18. Jahrhunderts in Aufklärung und Sturm und Drang zu unterteilen, deren Gegensatz von Vernunft und Gefühl in der Klassik aufgehoben werde. Diese schematische Einteilung gilt heute als überholt. Stattdessen wird die Aufklärung als eine dialektische Bewegung verstanden, in der es um eine ganzheitliche Entwicklung geht: in der also nicht nur die Vernunft, sondern auch das Gefühl und die Subjektivität des Einzelnen zur Entfaltung kommen.

 

 Diese Dialektik spiegelt sich nicht zuletzt im Gegen- und Miteinander von Rationalismus und Empfindsamkeit wider.

 

 Vor diesem Hintergrund lässt sich die Aufklärung in 3 Phasen unterteilen:

 

1) Frühaufklärung (ca. 1720 bis 1759): v. a. von GOTTSCHED geprägt, weshalb Lessings 17. Literaturbrief von 1759 den endgültigen Bruch mit der Frühaufklärung darstellt.

2) Hochaufklärung (1759 - 1767): v. a. von LESSING und eine zunehmende Aufwertung des Gefühls geprägt

3) Spätaufklärung (1767 -1789): v. a. vom Sturm und Drang geprägt

 

 Literarische (und sonstige) Strömungen innerhalb der Epoche der Aufklärung sind:

 

Die klassische Aufklärungsliteratur, der Pietismus, die Empfindsamkeit, der Rokoko und der Sturm und Drang. Eine eindeutige Trennung zwischen diesen Strömungen ist nicht immer möglich; so enthält der Sturm und Drang Elemente der Empfindsamkeit usw. usw.

 

 Der Begriff „Aufklärung“, erstmals von WIELAND 1770 verwendet, setzte sich sowohl als historischer- wie auch als universaler Begriff durch: er dient einerseits zur Kennzeichnung der besagten Epoche, andererseits versteht man darunter einen epochenübergreifenden Prozess, der bis heute andauert und in dem es darum geht, falsche Vorstellungen zu klären und sich von überkommenen Autoritäten zu befreien.

 

 Kosselek bezeichnet die Epoche der Aufklärung zu Recht als „Sattelzeit“[2]

 

1.2. Der zeit- und geistesgeschichtliche Hintergrund:

 

1.2.1. Philosophisches:

 

 Die Aufklärung ist v. a. eine Emanzipationsbewegung. Ihr Ziel ist die autonome Selbstbestimmung des Individuums.

 

 In diesem Sinn definiert KANT die Aufklärung als den „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“. Unter „Unmündigkeit“ versteht er dabei das „Unvermögen, sich seines eigenen Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“ Der Wahlspruch der Aufklärung ist daher: „Sape audere“ – „Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“ (In: „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung“ von 1784)[3]

 

 Gerichtet ist die Aufklärung vor allem gegen die staatlichen und kirchlichen Autoritäten, die das Leben des Einzelnen bis ins 18. Jahrhundert bestimmt haben.

 

Gesellschaftspolitish (s.u.) schlägt sie sich dementsprechend v. a. in zwei Tendenzen nieder: Zum einen in einer zunehmenden Säkularisierung, zum anderen in der allmählichen Auflösung des feudalen Herrschaftssystems.

 

 Ihren Höhepunkt erreicht diese Entwicklung in der französischen Revolution (1789).

 

 Die philosophischen Grundlagen der (Früh-)Aufklärung stammen vor allem aus dem französischen Rationalismus (DESCARTES) und dem englischem Empirismus (HOBBES, LOCKE, HUME). Während der Rationalismus davon ausgeht, dass nur das Wahrheit für sich beanspruchen kann, was der Vernunft zugänglich ist, legt der Empirismus den Schwerpunkt auf die Erfahrung (Sinnesdaten). Gemeinsam ist den beiden Strömungen, dass sie die Bedeutung der Wissenschaften hervorheben, während überkommene Autoritäten durch sie relativiert werden.

 

Zur bestimmenden Instanz wird der vernünftig denkende bzw. empirisch forschende Mensch => Vorher war es Gott, die Kirche und der Herrscher

 

 Sofern die Vernunft bzw. der menschliche Verstand zum universellen Mittel der Erkenntnis erklärt wird, kommt es dabei

 

a) zu einer Aufwertung des Individuums und

 b) zu einer Aufwertung der empirisch gegebenen, diesseitigen Umwelt.

 

 Als der Vater der deutschen Aufklärung gilt LEIBNIZ (1646-1716): Als besonders wirkmächtig erwiesen haben sich dabei u.a. die folgenden Gedanken:

 

 Satz vom zureichenden Grund: Alles, was passiert, hat einen zureichenden Grund.

 

Abwertung des Irrationalen und Wunderbaren; Eigenverantwortlichkeit

 

 Monadologie: Die Welt besteht aus unendlich vielen Monaden. Es handelt sich dabei um geistige Wesenheiten, die nicht teilbar sind und von Gott (der Urmonade) in einer prästabilierten (im Voraus bestimmten) Harmonie aufeinander abgestimmt wurden. Auch unsere Seelen sind solche Monaden. Wichtig: Alle Monaden sind verschieden: „Es gibt niemals in der Natur zwei Wesen, die einander vollkommen gleichen.“

 

 Prinzip der Individualität!

 

 Die Welt, wie sie Gott geschaffen hat, ist die „beste aller möglichen Welten“

 

 Aufwertung des Diesseits / Optimismus („Klärung“ der Theodizee-Frage)

 

 Leibniz bindet die Ethik an die Vernunft.

 

 Übersetzt und weitergeführt wurde Leibniz’ Philosophie von CHRISTIAN WOLF. Letzterem zufolge ist die Vernunft nicht nur das alles entscheidende Wahrheitskriterium, sondern auch der Maßstab für gut und böse. => Gut ist, was vernünftig ist.

 

 Als Vollender und Überwinder der Aufklärung gilt KANT (1724 – 1804): „Kritik der reinen Vernunft“ (1781): s. u.

 

Die wichtigsten Kennzeichen der Aufklärung in Kürze:

 

Berufung auf die Vernunft als Maßstab des persönlichen und gesellschaftlichen Handelns (Vgl. franz. Rationalismus, Leibniz, Wolff etc.).

 

Verstand und Wissenschaft statt Aberglaube und Vorurteil!

 

Hinwendung zum Diesseits:

 

Nicht auf ein Jenseits hoffen, sondern die eigenen Anlagen im Hier und Jetzt verwirklichen! Das Diesseits ist also nicht mehr das Jammertal, als das es noch im Mittelalter und Barock galt, sondern ermöglicht es dem Tugendhaften, dauerhaft glücklich zu werden.

 

 Positives Menschenbild

 

Der Mensch ist von Natur aus gut => deshalb ist seine Bildung von entscheidender Bedeutung (Vgl. Herder „Briefe zur Beförderung der Humanität“)

 

 Aufwertung des Einzelnen

 

Individualismus, Empfindsamkeit etc.; Kant: der Mensch ist niemals Mittel, sondern immer Zweck

 

 Gleichheit aller Menschen

 

Nicht umsonst kommt im Rahmen der Aufklärung erstmals die Idee allgemeiner Menschenrechte auf (Hobbes, Rousseau, Kant u.a.).

 

 Religionskritik („Kritik“ ist überhaupt ein „Schlüsselwort“ der Aufklärung)

 

s.u.: REIMARIUS (der die Auferstehung Christi leugnete); LESSING

 

 Propagierung einer „Vernunftreligion“

 

Deismus, der sich auf eine „natürliche Theologie“ stützt!

 

 Fortschrittsglaube und ein genereller Optimismus

 

 Die zentrale Metapher der Aufklärung ist die des Lichts; zu den charakteristischen Emblemen der Zeit gehört die Sonne, die durch die Wolken bricht; im Englischen spricht man von „enlightenment“, in Frankreich vom „siècle de lumières“; drückt den enormen Optimismus dieser Epoche aus.

 

1.2.2. Sozialhistorisches:

 

 Kleinstaaterei: Das heilige römische Reich deutscher Nation war seit dem 30- jährigen Krieg (1618-1648) in eine Vielzahl von Kleinstaaten zersplittert; der Kaiser hatte nur noch eine symbolische Bedeutung, die wichtigsten Entscheidungen (Gesetze, Zensur etc.) lagen bei den Landesfürsten.

 

Diese „Kleinstaaterei“ (über die man sich in der Literatur immer wieder lustig gemacht hat) ging v. a. auf Kosten der unteren Bevölkerungsschichten, sofern die aufwendige Hofhaltung nur durch die rücksichtslose Ausbeutung der Untertanen aufrechterhalten werden konnte.

 

Auflösung der mittelalterlichen Ständegesellschaft: Der Handel gewinnt an Bedeutung und die Modernisierung des staatlichen Verwaltungsapparates führt zu einem Berufsbeamtentum. Auf diese Weise entsteht eine neue soziale Schicht: das Bürgertum (Beamten, Professoren, Juristen, Ärzte, Unternehmer etc.). Letztere grenzte sich sowohl vom Adel als auch von den unteren Bevölkerungsschichten („Volk“) ab.

 

 Der Begriff „Volk“ wird im 18. Jahrhundert rein soziologisch verstanden: gemeint ist damit also nicht die Nation, sondern die Unterschichten.

 

 Zunehmende Emanzipation des Bürgertums: Das Bürgertum gerät in Konflikt mit dem Adel, sofern es dessen kulturelle und politische Vorherrschaft in Frage stellt und nach mehr Einfluss verlangt. Das Selbstbewusstsein des Bürgertums stützt sich dabei v. a. auf seinen zunehmenden Wohlstand, seine politischen Funktionen im Rahmen des Beamtentums und die Philosophie der Aufklärung.

 

 Deutscher Sonderweg: In Deutschland äußerte sich der Widerstand des Bürgertums gegen das absolutistische System jedoch weniger im politischen, als im kulturellen Leben. Man kompensierte die eigene politische Ohnmacht, indem man eine bürgerliche Ethik als allgemeinmenschliches Ideal propagierte und sie gegen die Lebenspraxis des Feudalismus stellte; vor politischen Aktionen schreckte man jedoch weitgehend zurück (Vgl. bürgerliches Trauerspiel). Im Gegensatz zu England, Frankreich und Amerika, wo die Aufklärung in eine politische Revolution mündete, wurde der Absolutismus daher in Deutschland nicht aufgehoben, sondern im Zuge des Wiener Kongresses (1815) neu restituiert.

 

1.2.3. Literatursoziologisches:

 

 Adressaten- und Funktionswandel der Literatur: Die kulturellen Zentren sind im18. Jahrhundert nicht mehr die Höfe, sondern die aufblühenden Handelsstädte (Hamburg, Leipzig, Zürich etc.); an die Stelle der höfischen Dichtung tritt eine bürgerliche Dichtung, deren Ziel nicht mehr das Lob des Fürsten und die Unterhaltung der höfischen Gesellschaft ist (Repräsentationskunst), sondern die Unterhaltung und v. a.: Erziehung des Bürgertums.

 

Problem: So etwas wie eine literarische Öffentlichkeit musste erst geschaffen werden. Ein Großteil der Bevölkerung bestand aus Analphabeten – und selbst die, die lesen konnten, waren nur zum Teil an anspruchsvoller Literatur interessiert.

 

 Bei der Herausbildung einer literarischen Öffentlichkeit (und der Verbreitung der aufklärerischen Ideen) spielten folgende Faktoren eine wichtige Rolle:

 

 Nach englischem Vorbild („Spectator“, „Guardian“ etc.) etablierten sich ab 1713 die sog. „moralischen Wochenschriften“. Unter dem Namen eines fiktiven Verfassers (dem „Vernünftler“, dem „Biedermann“ etc.) enthielten diese Schriften v. a. populärwissenschaftliche Abhandlungen und moralphilosophische Erörterungen. Ihr erklärtes Ziel war es, aufklärerisches Gedankengut zu verbreiten, um auf diese Weise erzieherisch auf die Bevölkerung einzuwirken.

 

Darüber hinaus wurden sog. „Lesegesellschaften“ gegründet, denen jedoch vorwiegend wohlhabende Bürger und Adlige angehörten (Frauen und Studenten waren ausgeschlossen): Lektüre als gesellschaftliches Ereignis.

 

Ab Ende des 18. Jahrhunderts gab es eine nennenswerte Zahl von Leihbibliotheken (die im Gegensatz zu den Lesegesellschaften zu einer Reprivatisierung des Lesens führten)

 

 HABERMAS („Strukturwandel der Öffentlichkeit“, 1962) zeigt, dass die Abkehr von der höfisch verankerten Dichtung und die damit einhergehende Erschließung größerer Leserkreise zu einem „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ geführt haben. Erst die zunehmende Verbreitung von Literatur (durch die besagten Wochenschriften, Lesegesellschaften, Theater etc.) ermöglichte nämlich das Entstehen einer politischen Öffentlichkeit. Der Prozess der Aufklärung ist in diesem Sinn nicht zuletzt der Aufbruch des Bürgertums aus dem Privatbereich in die öffentliche Sphäre.

 

 Habermas (1962): literarische Öffentlichkeit  politische Öffentlichkeit! Die bleibende Bedeutung der Wochenschriften usw. liegt vor diesem Hintergrund v. a. in ihrem Beitrag zur Herausbildung einer bürgerlichen Öffentlichkeit.

 

 Darüber hinaus führte die Abkehr von der höfischen Dichtung zum Entstehen eines literarischen Marktes: Die Fürsten fielen als Mäzenen größtenteils weg, die Buchproduktion nahm v. a. in der 2. Hälfte des Jahrhunderts drastisch zu. Diese Entwicklungen machten es notwendig, den Buchhandel unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu organisieren (Entstehung des modernen Verlagswesens).

 

 Letzteres hatte weitreichende Konsequenzen für das Selbstverständnis der Dichter:

 

 An die Stelle des Hofdichters trat das Konzept des freien Schriftstellers. Ausschließlich vom Schreiben zu leben war jedoch nur den wenigsten möglich; die meisten Dichter mussten daher neben ihrem Schreiben andere Berufe annehmen (journalistische Tätigkeit, Beamtentum etc.).

 

 Die Autoren waren zwar nicht mehr vom Fürsten abhängig, dafür aber zunehmend vom Geschmack des Publikums. Darüber hinaus wurde ihre geistige Freiheit durch die Zensur zum Teil massiv eingeschränkt.

 

 Die Steigerung der Buchproduktion führte zu Konkurrenzdruck unter den Schriftstellern; ein Urheberrecht gab es bis ins 19. Jahrhundert hinein nicht.

 

 Nicht zuletzt diese Situation führt zur Entstehung des Geniekultes (s.u.).

 

1.3. Poetologisches:

 

 Das Ziel der Aufklärungsliteratur ist vor allem ein pädagogisches: Es geht darum, das Bürgertum zu erziehen und zu bilden – und zwar im Sinne der Aufklärung: also zu Humanität und Selbständigkeit.

 

 Kunst ist aus Sicht der Aufklärer demnach kein Selbstzweck, sondern dient der Vermittlung von Inhalten bzw. der Förderung einer „aufgeklärten“ Haltung; sie hat zwei Funktionen: sie soll einerseits nützen, andererseits erfreuen („prodesse et delectare“); dieser auf Horaz zurückgehende Topos der antiken Poetologie wird in der Aufklärung von nahezu allen Literaten aufgegriffen - um die Gewichtung der betreffenden Pole wird jedoch immer wieder gestritten.

 

 Zwei der beliebtesten Gattungen der Aufklärung sind das Drama und die Fabel, sofern sie am ehesten geeignet sind, pädagogisch wirksam zu werden; aber auch der Roman erfährt im 18. Jahrhundert eine Blütezeit. Nicht verwunderlich ist außerdem, dass im 18. Jahrhundert die Kinder- und Jugendliteratur entsteht – schließlich äußert sich auch darin der pädagogische Impetus der damaligen Zeit. Die Lyrik spielt dagegen, zumindest in der Anfangszeit der Aufklärung, lediglich eine untergeordnete Rolle (nicht „rational“ genug).

 

 Zum Drama: Das Theater entwickelt sich im 18. Jahrhundert zur Bildungsstätte schlechthin. Insbesondere die jungen Intellektuellen zieht es zur Bühne, sofern es ihnen hier möglich ist, den Einfluss, der ihnen auf der politischen „Bühne“ verwehrt ist, auszuleben.

 

Zum Roman: Der Roman gilt erst seit dem 18. Jahrhundert als anerkannte Gattung. Davor galt lediglich das Heldengedicht (Epos) als eine literarische Form. Als die Geburtstunde des modernen Romans kann in Deutschland Goethes „Werther“ (1774) gelten.

 

 Häufige Topoi der frühen Aufklärungsliteratur:

 

 Verzicht auf „Wunderbares“ => Prinzip der poetischen Wahrscheinlichkeit!

 

 Abwehr von Zufälligkeit und Schicksal zugunsten von Kausalität und Selbstverantwortlichkeit

 

 Alles in der Natur hat seine Ordnung und Gesetzmäßigkeit – und sollte es daher auch in der Kunst haben

 

 Herausstreichen der Beispielhaftigkeit des Geschehens (didaktischer Impetus)

 

 Harmonisierung von autonomen Vernunftgebrauch einerseits und Unterordnung unter die sozialen Institutionen, Werte und Normen andererseits

 

 Zentrale Homologie der Aufklärungsliteratur: Gott : Mensch :: Herrscher : Untertan :: Vater : Familie

 

2. DIE DRAMENTHEORIE VON GOTTSCHED BIS LESSING (FRÜH- UND HOCHAUFKLÄRUNG)

 

2.1. Johann Christoph Gottsched (1700-1766):

 

2.1.1. Zur Person und Situation Gottscheds

 

 GOTTSCHED, Professor in Leipzig, war insbesondere zwischen 1730 und 1740 in allen Bereichen des literarischen Lebens die tonangebende Figur in Deutschland. Zu Recht gilt er als der „Literaturpapst“ der Frühaufklärung; er selbst bezeichnete sich als „praeceptor germaniae“ (Lehrmeister der Deutschen)

 

 Seine wichtigsten Veröffentlichungen:

 

Gottsched war Herausgeber zweier Wochenschriften – „die vernünftigen Tandlerinnen“ (1725/26); „der Biedermann“ (1727/29) – Übersetzer einer Vielzahl französischer Stücke ins Deutsche sowie führendes Mitglied der „deutschen Gesellschaft“, deren vorrangiges Ziel die Pflege der deutschen Sprache war und die sich daher dafür einsetzte, deutsch als Wissenschaftssprache zu etablieren.

 

Gottscheds Bedeutung gründet sich jedoch v. a. auf sein poetologisches Hauptwerk „Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen“ (1730) und das darauf folgende, damals äußerst erfolgreiche Musterstück „Der sterbende Cato“ (1731/32)

 

 Darüber hinaus hatte Gottscheds „Grundlegung einer deutschen Sprachkunst“ (1748) großen Einfluss auf die endgültige Festlegung der deutschen Schriftsprache.

 

 Eine Theaterkultur wie in Frankreich oder England gab es in Deutschland zu Beginn des 18. Jahrhunderts nicht („Nullpunktsituation“). Was es gab, waren niveaulose Wanderbühnen, die auf Jahrmärkten auftraten („Pöbeltheater“), und das feudale Hoftheater, das zur Unterhaltung der privilegierten Hofgesellschaft diente (Repräsentationsth.). Beide Theaterformen hatten mit den Idealen der Aufklärung nichts zu tun. Eines der Hauptziele Gottscheds war es daher, das deutsche Theater zu reformieren bzw. so etwas wie ein deutsches Theater überhaupt erst ins Leben zu rufen.

 

 Gottsched orientierte sich dabei vor allem am Theater der Antike (ARISTOTELES, HORAZ) und den Stücken des französischen Klassizismus (CORNEILLE, RACINE, MOLIÈRE); die philosophische Grundlage seiner Poetologie bildet der Rationalismus (LEIBNIZ, WOLFF).

 

Wie Leibniz und Wolff geht auch Gottsched davon aus, dass das Universum geordnet ist und klaren Regeln folgt. Wahr und gut kann daher nur das sein, was vernünftig ist und nachvollziehbaren Regeln folgt. In seiner „Critischen Dichtkunst“ überträgt Gottsched diese Postulate auf die Kunst.

 

2.1.2. Gottscheds normative Regelpoetik in der „Critischen Dichtkunst“ von 1730:

 

 In seiner „Critischen Dichtkunst“ (1730) stellt Gottsched eine normative Regelpoetik auf, deren Ziel es ist, den Weg zu einer deutschen Nationalliteratur zu weisen (s.o.); einen besonderen Schwerpunkt legt er dabei auf das Theater, das er zu einer öffentlichen Bildungsinstitution umgestalten will.

 

 Getragen wird seine Poetologie vor allem von zwei Leitmotiven:

 

1) Die Literatur bzw. das Theater muss klaren und vernünftigen Regeln folgen.

2) Hauptziel muss es sein, den Menschen zu einem vernünftigen und sittlichen Leben zu erziehen.

 

Beide Regeln sind typisch für das Denken der Frühaufklärung! Gottsched wendet sich mit ihnen nicht zuletzt gegen die Tradition des Barock.

 

 Mimesis und poetische Wahrscheinlichkeit: Im Zentrum der „Critischen Dichtkunst“ steht ARISTOTELES’ Mimesis-Konzept, demzufolge Poesie nichts anderes ist als die „Nachahmung der Natur“ – bzw., auf das Drama bezogen, die „Nachahmung handelnder Menschen“. Gottsched nimmt diesen Gedanken auf und leitet daraus das Prinzip der poetischen Wahrscheinlichkeit ab: Dargestellt werden darf nur das, was wahrscheinlich bzw. glaubwürdig und in diesem Sinn vernünftig ist. Irrationales und Wunderbares dagegen muss unter allen Umständen vermieden werden.

 

Wenn Gottsched die Kunst als „Nachahmung der Natur“ versteht, meint er demnach also nicht, dass sie mit dieser identisch ist, sondern lediglich, dass sie ihr „ähnlich“ sein sollte.

 

 Regelmäßigkeit: Sofern sich die Kunst an der Natur zu orientieren hat, die aus Sicht des Rationalismus v. a. durch ihre Gesetzmäßigkeit gekennzeichnet ist, ist Literatur nach Gottsched nur dann gut bzw. schön, sofern auch sie nachvollziehbaren Gesetzmäßigkeiten folgt. Die betreffenden Gesetzmäßigkeiten bzw. Regeln aufzuzeigen, ist das Anliegen seiner Poetologie. Prinzipiell gilt dabei, dass sich in der Kunst die Ordnung der Schöpfung widerzuspiegeln hat.

 

 Geschmack ist vor diesem Hintergrund nichts Subjektives, sondern etwas Objektives: Was bestimmten Regeln folgt, ist vernünftig und per se schön; Unregelmäßiges dagegen ist unvernünftig und löst daher bei demjenigen, der Geschmack hat, missfallen aus. In diesem Sinn gilt: „die Regeln sind nichts anderes als Vorschriften, wie man es machen muss, wenn man gefallen will.“

 

 Mechanistischer Schaffensprozess: Dass auch die Entstehung eines literarischen Werks nach Gottsched klaren Regeln zu folgen hat, kann vor diesem Hintergrund nicht verwundern. Ausgangspunkt ist ihm zufolge immer ein „moralischer Lehrsatz“. Diesen Lehrsatz gilt es in einem zweiten Schritt in eine Fabel zu kleiden, die dazu geeignet ist, den betreffenden Satz möglichst anschaulich zu vermitteln (Der Begriff Fabel bezieht sich dabei nicht auf die gleichnamige Gattung, sondern ist im Sinne eines Handlungsverlaufs bzw. „Plots“ zu verstehen). Abschließend gilt es, die erdachte „Fabel“ ins Historische zu projizieren, um die Handlung „umso wahrscheinlicher“ erscheinen zu lassen, wie Gottsched sagt.