Linguistische Analyse eines literarischen Dialogs am Beispiel von Martin Walsers Roman "Angstblüte" - Josua Handerer - E-Book

Linguistische Analyse eines literarischen Dialogs am Beispiel von Martin Walsers Roman "Angstblüte" E-Book

Josua Handerer

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Beschreibung

Studienarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Germanistik - Linguistik, Note: 1, Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Analyse literarischer Dialoge ist in der Linguistik ein verhältnismäßig junger Forschungszweig. Bis heute besteht keineswegs Einigkeit darüber, ob literarische Dialoge überhaupt zum Gegenstand linguistischer Analysen gemacht werden sollten und wenn ja, nach welchen Methoden dabei vorzugehen ist. Wie ein forschungsgeschichtlicher Überblick von Anne Betten (1994) zeigt, gibt es statt eines einheitlichen und verbindlichen Analyseverfahrens eine Vielzahl unterschiedlicher Herangehensweisen. Dezidiert linguistische Analysen literarischer Gespräche beschränken sich dabei häufig auf eine sog. Codeanalyse, d.h. auf die Untersuchung mikrostruktureller Gesprächsmerkmale. Eine solche Beschränkung erscheint auf den ersten Blick durchaus sinnvoll, nicht zuletzt, um sich von den Ansätzen anderer Disziplinen, insbesondere der Literaturwissenschaft, abzugrenzen. Analysiert man literarische Dialoge allerdings einseitig nach linguistischen Fragestellungen und Methoden wird man deren Komplexität und dem Ziel, zum besseren Textverständnis beizutragen, nur bedingt gerecht. Betten (1994) plädiert daher für eine bewusste Methodenvielfalt. Die „ideale“ Analyse umfasst ihr zufolge, unabhängig davon, ob der Schwerpunkt ein sprach- oder literaturwissenschaftlicher ist, immer alle für die Interpretation relevanten Faktoren. Zurecht empfiehlt sie die Berücksichtigung mikro- und makrostruktureller Gesprächsmerkmale und damit eine Zusammenführung linguistischer und literaturwissenschaftlicher Ansätze. In diesem Sinne weiß sich auch die vorliegende Arbeit im Grenzbereich zwischen Linguistik und Literaturwissenschaft angesiedelt, wobei der Schwerpunkt nichtsdestotrotz auf linguistischen Analyseaspekten liegen wird. Als Textgrundlage dient ein Kundengespräch aus Martin Walsers Roman „Angstblüte“, in dem es nicht zuletzt um das Problem der deutschen Vergangenheitsbewältigung geht. Wie die vorliegende Analyse zeigt, stellt der betreffende Dialog damit eine literarische Ergänzung zu Walsers umstrittener Friedenspreisrede dar.

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Inhaltsverzeichnis
2. Auswahl des Beispiels und Zielsetzung der Analyse
3. Textgrundlage
4. Dialogtyp
6. Aspekte des Streitgesprächs.

Page 1

Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Institut für deutsche Sprachwissenschaft

Hauptseminar: Gespräche in der erzählenden Literatur

WS 2006/07

Linguistische Analyse eines literarischen Dialogs am

Beispiel von Martin WalsersRoman „Angstblüte“

Josua Handerer

Page 3

1. Einleitung:

Die Analyse literarischer Dialoge ist in der Linguistik ein verhältnismäßig junger Forschungszweig1. Bis heute besteht keineswegs Einigkeit darüber, ob literarische Dialoge überhaupt zum Gegenstand linguistischer Analysen gemacht werden sollten und wenn ja, nach welchen Methoden dabei vorzugehen ist. Wie ein forschungsgeschichtlicher Überblick von Anne Betten (1994) zeigt, gibt es statt eines einheitlichen und verbindlichen Analyseverfahrens eine Vielzahl unterschiedlicher Herangehensweisen. Dezidiert linguistische Analysen literarischer Gespräche beschränken sich häufig auf eine sog. Codeanalyse, d.h. auf die Untersuchung mikrostruktureller Gesprächsmerkmale. Eine solche Beschränkung erscheint auf den ersten Blick durchaus sinnvoll, nicht zuletzt, um sich von den Ansätzen anderer Disziplinen, insbesondere der Literaturwissenschaft, abzugrenzen. Analysiert man literarische Dialoge allerdings einseitig nach linguistischen Fragestellungen und Methoden wird man deren Komplexität und dem Ziel, zum besseren Textverständnis beizutragen, nur bedingt gerecht. Betten plädiert daher für eine bewusste Methodenvielfalt. Die„ideale“ Analyseumfasst ihr zufolge, unabhängig davon, ob der Schwerpunkt ein sprach-oder literaturwissenschaftlicher ist, immerallefür die Interpretation relevanten Faktoren. Zurecht empfiehlt siedie Berücksichtigung „mikro-“und„makrostruktureller Gesprächsmerkmale“und damit eine„Zusammenführung linguistischer undliteraturwissenschaftlicherAnsätze“2. In diesem Sinne weiß sich auch die vorliegende Arbeit im Grenzbereich zwischen Linguistik und Literaturwissenschaft angesiedelt, wobei der Schwerpunkt nichtsdestotrotz auf linguistischen Analyseaspekten liegen wird. Als Textgrundlage dient ein Kundengespräch aus Martin WalsersRoman „Angstblüte“.Hauptfigur dieses im letzten Jahr erschienen Romans ist Karl von Kahn, ein 71jähriger Anlageberater. Der normalerweise äußerst erfolgreiche Geschäftsmann lässt sich im Verlauf des Romans zwei Mal von ihm nahe stehenden Personen täuschen. Sein langjähriger Freund und Geschäftspartner Diego, seines Zeichens Kunsthändler und in akuter Geldnot, betrügt Karl beim Verkauf der gemeinsam gegründeten Firma. Joni Jetter, eine rund 40 Jahre jüngere Schauspielerin, nutzt ihre Affäre mit ihm, um ihn zur Finanzierung eines mehr oder minder dubiosen Filmprojekts zu bewegen, in dem ihr die Hauptrolle zugedacht ist. Kaum ist letzteres in trockenen Tüchern, beendet Joni die Affäre mit Karl, die für diesen zur sexuellen Obsession geworden ist. Als wäre das noch nicht genug, verlässt ihn seine Frau, die von dem

1Hess-Lüttich (2001): Nach Hess-Lüttich umfasst die Auseinandersetzung mit diesem Thema, zumindest was

die Linguistik betrifft, „einen Zeitraum von gerade einmal dreißig Jahren“ (S. 1647).

2Betten (1994): S.521

Page 4

Ehebruch erfahren hat, und Karl muss beim Lesen des Drehbuches feststellen, dass der von ihm mitfinanzierte Film eine schonungslose Persiflage auf ihn selbst ist. Die Ironie des Romans besteht nun darin, dass Karl, obwohl er zwei Mal in finanziellen Angelegenheiten betrogen wird, letztlich keine finanziellen Verluste erleidet. Das ihm zustehende Geld aus dem Firmenverkauf wird ihm am Ende des Romans von Diego zurückgezahlt und selbst der Film, eine an sich unvernünftige Investition, erweist sich überraschenderweise als kommerzieller Erfolg. Was bleibt, sind die menschlichen Verluste Karls und die Frage danach, was ihm in seinem Leben noch Halt und Sinn geben kann. Der zweifach Betrogene, dessen oberstes Ziel immer Unabhängigkeit gewesen ist, erscheint dabei am Ende des Romans als der zweifach Geläuterte: Er erkennt und akzeptiert nicht nur seine Abhängigkeit von anderen, insbesondere seiner Frau, sondern auch sein hohes Alter, das er bis dahin verzweifelt zu verdrängen versucht hat. Der Roman endet mit einem Brief, in dem Karl Bilanz zieht und seine Frau bittet, zu ihm zurückzukehren. Neben dem zentralen Thema des Älterwerdens werden in dem Roman verschiedene andere Motive immer wieder aufgegriffen, beispielsweise das Verhältnis von Kunst und Leben, die Frage nach Wahrheit und Lüge, die Sprache der Ökonomie und das Problem der deutschen Vergangenheitsbewältigung.