Extra Thriller Großband 3001-  3 Romane in einem Band - Pete Hackett - E-Book

Extra Thriller Großband 3001- 3 Romane in einem Band E-Book

Pete Hackett

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Romane von Pete Hackett: Dann wird Trevellian sterben Trevellian stand auf der Abschussliste Trevellian und die heißen Girls aus Mexiko Die 17-jährige Juanita wurde unter falschen Voraussetzungen nach Amerika gelockt. Statt Geld zu verdienen wurde sie süchtig gemacht und zur Prostitution gezwungen. Als ihr Vater das begreift macht er sich auf, die dafür Verantwortlichen zu suchen. Mädchenhandel ist ein Bundesvergehen, die FBI-Agents Trevellian und Tucker schalten sich ein, aber dann bekommt die Sache einen blutigen Anstrich.

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Pete Hackett

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Inhaltsverzeichnis

Extra Thriller Großband 3001- 3 Romane in einem Band

Copyright

Dann wird Trevellian sterben

Trevellian stand auf der Abschussliste

Trevellian und die heißen Girls aus Mexiko

Extra Thriller Großband 3001- 3 Romane in einem Band

Pete Hackett

Dieser Band enthält folgende Romane

von Pete Hackett:

Dann wird Trevellian sterben

Trevellian stand auf der Abschussliste

Trevellian und die heißen Girls aus Mexiko

Die 17-jährige Juanita wurde unter falschen Voraussetzungen nach Amerika gelockt. Statt Geld zu verdienen wurde sie süchtig gemacht und zur Prostitution gezwungen. Als ihr Vater das begreift macht er sich auf, die dafür Verantwortlichen zu suchen. Mädchenhandel ist ein Bundesvergehen, die FBI-Agents Trevellian und Tucker schalten sich ein, aber dann bekommt die Sache einen blutigen Anstrich.

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author /COVER TONY MASERO

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alles rund um Belletristik!

Dann wird Trevellian sterben

Krimi von Pete Hackett

Der Umfang dieses Buchs entspricht 113 Taschenbuchseiten.

Nachdem die FBI-Agents Trevellian und Tucker in New York einen Mädchenhändlerring hochnehmen konnten, wollen sie auch die Hintermänner schnappen. Dazu müssen sie nach Mexiko. Dort stellt man Trevellian eine Falle, und niemand weiß, wo er sich befindet. Milo Tucker kämpft um das Leben seines Kollegen und Freundes.

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Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Alles rund um Belletristik!

1

Carl Snyder hatte die drei mexikanischen Girls am Hals. Sie waren für Patrick Fletcher bestimmt. Sie sollten in dessen Club in der 124th Straße als Prostituierte arbeiten.

Es waren drei blutjunge Mädchen, die mit falschen Versprechungen in die Staaten gelockt worden waren. In Galveston gingen sie durch die Hände Allan Baldwins. Der Gangster hatte sie in die Drogensucht getrieben. Sie wurden geschlagen, vergewaltigt und eingesperrt wie Tiere. Jetzt waren sie „fertig“ für ihren Einsatz, dazu ausersehen, die perversesten Wünsche zahlungskräftiger, handverlesener Kunden im Club „66“ zu befriedigen.

Das Problem war, dass die Polizei den Club dicht gemacht hatte. Patrick Fletcher, der Clubchef, war von den FBI-Agenten Trevellian und Tucker hops genommen worden. Er würde nie mehr freie Luft atmen …

Carl Snyder sollte die Girls auf Weisung Pat Fletchers ins nächste Flugzeug setzen und nach Galveston zurückschicken. Aber die Mädchen weigerten sich. Ihre Körper verlangten nach Heroin. Außerdem hatten sie nicht einen Dime einstecken. Snyder wollte das Geld für die Tickets auch nicht locker machen. Weshalb auch? Niemand würde es ihm erstatten.

Er fuhr mit den Mädchen zum Club. Vorder- und Hintertür waren verschlossen und mit dem Siegel des Police Departement versehen.

Snyder chauffierte die Girls in die 119th Straße. Das abbruchreife Haus, in dem die mexikanischen Huren untergebracht waren und in dem sie mehr oder weniger vor sich hin vegetierten, war nur noch eine von der Gasexplosion zerstörte, ausgebrannte Ruine. Fletcher selbst hatte die Explosion ausgelöst, nachdem er drei illegale Prostituierte und zwei ihrer Bewacher erschossen hatte.

In dem Gebäude waren noch Polizei und Feuerwehr zugange. Snyder verabschiedete sich zusammen mit den Mädchen sehr schnell wieder aus der 119th Street, bevor die Cops auf ihn und seine heiße Fracht aufmerksam wurden.

Wohin mit den verdammten Weibern?, fragte er sich. Sie sind schon total unruhig. Sie brauchen einen Schuss. Aber woher einen nehmen?

Plötzlich hatte Carl Snyder eine Idee. Eine hervorragende Idee, wie er selbst fand.

Er lenkte seinen Wagen nach Little Italy. Sergio Moretti war einem guten Geschäft nie abgeneigt. Moretti fühlte sich als Boss in Little Italy. Er lebte von einigen Bars, die Strohmänner betrieben, vom Rauschgifthandel, von der Schutzgelderpressung und von der Hehlerei. Warum sollte er nicht auch in die illegale Prostitution einsteigen?

Offiziell war der Italoamerikaner Betreiber eines Spezialitätenladens. Italienische Spezialitäten!

In den Hof des Gebäudes in der Mulberry Street, dessen Erdgeschoss das Spezialitätengeschäft einnahm, steuerte Snyder seinen Chevy. Er stellte den Motor ab und schaute über die Schulter.

Zusammengepfercht saßen die drei hübschen Mädchen auf dem Rücksitz. Ihre dunklen Augen flackerten. Ihre Pupillen hatten nur noch die Größe von Stecknadelköpfen. In den rassigen Gesichtern zuckten die Nerven.

„Ihr bleibt sitzen. Rührt euch nicht aus dem Auto. Verstanden – comprende – klar?“

Eine der Mexikanerinnen nickte. Die Qualen, die ihr der momentan einsetzende Entzug bereitete, sprachen aus jedem Zug ihres unruhigen Gesichts.

Snyder stieg aus, schlug die Autotüre zu und verließ den Hof. Wenig später betrat er den Spezialitätenladen. Einige Kunden standen oder bewegten sich zwischen den Regalen. Andere warteten an der Kasse, die von einer Frau mittleren Alters bedient wurde. Eine andere Verkäuferin schlichtete Ware in ein Regal. An sie wandte sich Snyder.

„Ich möchte mit Mr. Moretti sprechen. Ist er da?“

„Oben, in seiner Wohnung. Haben Sie eine Beschwerde, Sir? Ich …“

„Nein.“ Snyder lachte gekünstelt auf. Er fühlte sich nicht so richtig wohl in seiner Haut. Er wollte die Mexikanerinnen loswerden, und er wollte Geld verdienen. Geld, das ihm Moretti für die Girls zahlen sollte. Moretti jedoch war ein mit allen schmutzigen Wassern gewaschener, skrupelloser Mafioso. Snyder hatte keine Ahnung, wie Moretti auf sein Ansinnen reagieren würde. Das sorgte für Beklemmung in seiner Brust.

„Soll ich ihn holen?“, fragte die Verkäuferin.

„Das wäre sehr liebenswürdig von Ihnen“, nickte Snyder und lächelte starr.

Die Angestellte verschwand. Snyder schaute sich desinteressiert die Waren an, die der Italiener in seinem Sortiment anbot.

Dann kam Sergio Moretti. Er war ein mittelgroßer, grauhaariger Mann von etwa 50 Jahren, sehr gepflegt, mit hellwachen Augen, die ein hohes Maß an Intelligenz verrieten, und einem scharf geschnittenen Gesicht. Das kantige Kinn verriet Energie und Durchsetzungsvermögen. Bekleidet war Moretti mit einer dunkelblauen Hose und einem weißen Hemd, das am Hals geöffnet war.

„Sie möchten mich sprechen, Mister?“, fragte Moretti und fixierte Snyder dabei eingehend, fast prüfend.

Snyder schaute in die Runde. In ihrer unmittelbaren Nähe war niemand. Er trat näher an den Italoamerikaner heran. Mit gesenkter Stimme gab er zu verstehen. „Es ist ein Geschäft, Moretti, das ich Ihnen vorschlagen will. Ein lukratives Geschäft. Sie können sehr viel Geld verdienen.“

Moretti kniff die Augen eng. Er trat einen halben Schritt zurück, um die alte Distanz wieder herzustellen. Sein Blick drückte Misstrauen aus. „Was ist das für ein Geschäft?“, fragte er gedehnt.

„Wir sollten nicht hier darüber reden“, raunte Snyder verschwörerisch. „Haben Sie keinen Raum, in dem wir ungestört sind, Moretti?“

„Natürlich“, murmelte der Mafioso. „Folgen Sie mir.“

Er verließ den Laden und führte Snyder in einen Raum, der eingerichtet war wie ein Büro. Erwartungsvoll starrte er Snyder an.

Carl Snyder fühlte sich aufgefordert, sein Anliegen zu äußern. „Ich habe meinen Wagen in Ihrem Hof abgestellt, Moretti“, begann er. „Auf dem Rücksitz befördere ich heiße Fracht. Den Mann, für den sie bestimmt war, hat heute das FBI hochgenommen.“

„Heiße Fracht?“

„Der Girls aus Mexiko. Alle unter zwanzig. Prostituierte …“

Die Brauen Morettis zuckten in die Höhe. „Wie kommen Sie darauf, dass ich mich für derartige Ware interessiere?“, fragte Moretti lauernd.

Snyder straffte seine Schultern. „Ich habe für Fletcher gearbeitet. Den hat heute das FBI aus dem Verkehr gezogen. Die Mexikanerinnen wurden ihm von Galveston geschickt. Erstklassige Girls, Moretti. Zahlen Sie mir für jede zweitausend Dollar. Das ist sozusagen geschenkt. Normalerweise kosten sie das Zehnfache. Das Geld haben die Ladys in einer halben Woche wieder hereingearbeitet.“

„Wofür halten Sie mich, Mister …“

„Snyder.“ Ein lahmes Grinsen spielte um Snyders Lippen. „In Insiderkreisen weiß man, Moretti, dass der Feinkostladen nur Alibifunktion hat. Sie sind Chef der Mafia, die Little Italy kontrolliert. Also stellen Sie sich nicht an.“

„Na schön“, murmelte Moretti und bedachte Snyder mit einem kalten Blick. „Kommen wir also ins Geschäft. Bringen Sie die drei Mädchen in die Lower Eastside, zweihunderteinunddreißig Clinton Street. Ich werde Sie telefonisch ankündigen. Dort wird man Ihnen die Girls abnehmen und Sie auszahlen.“

Carl Snyder atmete aus. „Ich wusste doch, dass Sie einem derart guten Deal nicht abgeneigt sind, Moretti. Also zweihunderteinunddreißig Clinton Street, Lower Eastside.“

Der Italiener nickte und deutete ein Grinsen an. Seine Augen nahmen daran nicht teil. Es war ein hintergründiges, nicht zu deutendes Grinsen.

Snyder rannte zurück zu seinem Chevy.

Die drei Mexikanerinnen auf dem Rücksitz verfielen immer mehr. Ihre Körper erbebten wie unter einem inneren Krampf. Ihre Augen blickten fiebrig, ihre Hände zuckten unkontrolliert.

Snyder dachte sich nichts dabei, dass Moretti die „Ware“ nicht einmal sehen wollte. Snyder dachte nur an die 6000 Dollar, die ihm die Mädchen bringen würden, und in seiner Habgier ließ er Dinge außer Acht, die in seinem Milieu überlebenswichtig waren.

2

Das Haus No. 231 in der Clinton Street war ein Brownstone-Bau aus dem 19. Jahrhundert. Eine Treppe mit sieben Stufen führte vom Gehsteig aus hinauf zur Haustür. Das eiserne Geländer war verrostet. Gehsteig und Straße waren ziemlich verschmutzt. Die Mülltonnen quollen über. Es gab viele Geschäft in der Clinton Street. Die Namen auf den Schildern verrieten, dass die Lower Eastside in früheren Jahren ein Auffangbecken für Emigranten aus aller Herren Länder war.

Snyder fand einen Parkplatz. Er rangierte rückwärts hinein. Die Girls auf dem Rücksitz waren fast schon nicht mehr ansprechbar. „Reißt euch zusammen, verdammt“, knurrte Snyder. „Wenn ihr euch so präsentiert, kriege ich keine zwanzig Cents für euch.“

Er öffnete das Handschuhfach und griff hinein. Seine Hand kam mit einem kleinen, braunen Glas wieder zum Vorschein. Er schraubte den Deckel auf und schüttete einige Tabletten in seine flache Linke. Er gab jedem der Girls zwei davon. „Beruhigungspillen“, brummte er. „Schluckt sie. Dann geht es euch gleich viel besser.“

Fast gierig warfen sie sich die Pillen ein und schluckten sie. Snyder schraubte das Glas wieder zu und verstaute es im Handschuhfach. Er stieg aus und ließ seinen Blick über die Fassade des Hauses gleiten. Dann stieg er die Treppe zur Haustür hinauf. Er befand sich im Treppenhaus. Hier war es ziemlich finster, obwohl es erst später Nachmittag war. Er machte Licht. Eine Holztreppe führte in die 1. Etage. Vier Stockwerke hatte das Gebäude.

„Verflucht, ich hätte den Spaghettifresser fragen sollen, an welcher Wohnung ich läuten muss“, brabbelte Snyder vor sich hin.

Er war ratlos und unschlüssig. Im Haus war es ruhig, als wäre es unbewohnt – wie in einem Leichenschauhaus. Langsam stieg Snyder die Treppe empor. Die Stufen ächzten unter seinem Gewicht. Er befand sich im 1. Stock. Es gab hier zwei Korridortüren. Eine davon wurde knarrend geöffnet. Jäh erfüllte Snyder angespannte Erwartung. Er hielt die Luft an.

Ein Mann in schwarzer Hose und weißem Hemd, mit schwarzen, streng zurückgekämmten Haaren, zeigte sich. Er grinste Snyder an und sagte leise: „Bringst du die Ware, von der Moretti sprach?“

Ein Schwall verbrauchter Atemluft brach über Snyders Lippen. „Yeah. Die Girls hocken unten im Auto. Sie sind ein wenig – hm, sagen wir – zappelig. Sie brauchen einen Schuss. Du verstehst, Mister? Man hat sie in Texas unten für den Job hier in New York zurechtgebogen. Wenn bei ihnen der Heroinpegel stimmt, dann sind das die willigsten und feurigsten Weiber, die ihr euch vorstellen könnt.“

„Du preist sie ja an wie saures Bier, Mister“, griente der Italiener. „Bring sie rauf. Einen Trip können wir ihnen verschaffen, um sie auf Hochtouren zu bringen. Vorwärts, hol die Huren herauf.“

Snyder schwang herum …

„Raus!“, fuhr Snyder unten die Girls an. Er hatte die Fondtür des Chevy auf der Gehsteigseite aufgerissen.

Die Mädchen zögerten. „Hier?“, fragte eines der Girls verständnislos.

„Ja, hier!“, knirschte Snyder und packte das außen sitzende Mädchen am Handgelenk. Brutal zerrte er es aus dem Fahrzeug. Er stieß es zur Seite. „Braucht ihr ‘ne Extraeinladung?“, fauchte er in den Wagen.

Die Mädchen kämpften sich ins Freie. Mit flackernden Augen sahen sie sich um. Rastlosigkeit, die tief aus ihrem Innersten kam, zeichnete ihre Mienen. Die Beruhigungstabletten zeigten kaum Wirkung.

Snyder bugsierte die drei die Treppe hinauf und dann in die 1. Etage des Hauses. Der schwarzhaarige Bursche unter der Tür nahm sie in Empfang. Er wies, hämisches Grinsen um die Lippen, einladend in die Wohnung. Zu Snyder sagte er: „Komm rein, Mister. Wir wollen das Geschäft doch nicht wie fliegende Händler unter der Korridortür abwickeln.“

In einer der Türen, die von dem Flur abzweigten, erschien ein weiterer Mann. Er bedeutete den Mädchen, in den Raum zu gehen und trat zur Seite. Snyder maß er mit einem undefinierbaren Blick von oben bis unten. Der Gangster fühlte sich unbehaglich. Er kam sich vor wie in einer Falle.

Snyder schaute über die Schulter. „Gib mir die sechstausend Bucks“, sagte er zu dem Kerl, der ihn in die Wohnung gebeten hatte. „Dann sind wir auch schon fertig. Was ihr mit den Huren macht, ist mir …“

Er bekam einen brutalen Tritt, der ihn vorwärts taumeln ließ, genau in einen Schlag des zweiten Kerls hinein, der hinter den Mädchen die Tür geschlossen hatte. Es war eine kerzengerade Rechte, die ihm der Italiener ins Gesicht rammte. Snyder schaute in ein Meer von Flammen, in seinem Kopf schien eine Explosion stattzufinden, dann kam der Schmerz von seiner gebrochenen Nase und überwältigte ihn. Blut schoss aus den Nasenlöchern und rann über seinen Mund. Er schrie gequält auf. Die Erkenntnis, dass er einen riesigen Fehler machte, als er sich an Moretti wandte, traf ihn wie ein eisiger Guss.

Seine erste Reaktion war, sich herumzuwerfen und zu fliehen. Aber schon im Ansatz wurde seine Absicht gestoppt. Der Bursche hinter ihm donnerte ihm die Faust in den Rücken, dann krachte ein Schlag gegen Snyders Kinnwinkel. Sein Kopf wurde auf die Seite gedrückt. Ein hohler, jäh abreißender Laut platzte aus seinem Mund. Kalt und stürmisch kam die Angst, und mit ihr die Panik. Wieder wurde er getroffen. Die Faust donnerte auf sein Ohr. In seinem Kopf wurde alles durcheinander geschüttelt. Er schmeckte den süßlichen Geschmack seines Blutes, das aus seiner Nase floss.

Der Bursche hinter seinem Rücken packte sein Handgelenk und drehte ihm brutal den Arm auf den Rücken. Unwillkürlich machte Snyder das Kreuz hohl, um dem tobenden Schmerz in seinem Schultergelenk entgegenzuwirken. Das Feuer vor seinen Augen war niedergebrannt. Wie durch Nebelschleier sah er den Kerl vor sich.

„Aufhören“, keuchte Snyder, „bei Gott, hört auf. Ich verschwinde. Behaltet das scheiß Geld. Ich …“

Eine Faust bohrte sich in seinen Magen. Die Luft wurde ihm aus den Lungen gedrückt. Sein Mund klaffte auf, er japste wie ein Karpfen auf Landgang. Tränen füllten seine Augen – Tränen des Schmerzes und der Hilflosigkeit. Würgend stieg die Übelkeit in ihm auf.

Wieder und immer wieder wurde er brutal getroffen. Wenn sein Gehirn kurze Zeit noch Angst und Panik signalisierte, so blieben diese Signale mit zunehmender Benommenheit mehr und mehr aus. Sein Denken riss. Nichts mehr an seinem Körper schien zu funktionieren. Snyder war nach einiger Zeit sogar über den Schmerz hinaus. Und als ihn der Bursche, der ihn aufrecht hielt, endlich losließ, weil der andere keuchend zurücktrat, brach Snyder zusammen. Wimmernd lag er auf dem Fußboden. Sein Körper zuckte. Vor seinen Augen war nur noch undurchdringliche Dunkelheit. Die Schatten der einsetzenden Besinnungslosigkeit schlugen über ihm zusammen.

Er bekam noch einen Tritt in die Rippen von dem Mister, der ihn festgehalten hatte. Der rabiate Bursche sagte ohne jede Gemütsregung: „Wir setzen ihn, wenn es finster ist, in seinen Wagen und stellen ihn irgendwo ab. Zur Polizei zu gehen wird er sich hüten. Dazu hat er viel zu viel Dreck am Stecken.“

Der andere nickte. „Ich rufe Chu han Singh an. Er kann die drei Nutten abholen. Moretti wird zufrieden sein.“

3

Milo und ich hatten am Nachmittag Pat Fletcher auf seiner Yacht festgenommen. Er hatte sich, nachdem er in der 119th Street für blutige Furore sorgte, und wir ihm bei Reginald Perkins zuvorgekommen waren, der ihn erpressen und den er umbringen wollte, auf der „Seastar“, die bei den Greenpoint Piers festgemacht war, verkrochen.

Den Tipp hatten wir von Duncan McLeon erhalten, dem Killer Fletchers, den ein Mexikaner niedergestochen hatte, der in die Staaten gekommen war, um seine verschleppte Tochter zu suchen. Das Girl war in der 119th Straße umgekommen.

McLeon war der Mörder von Jack Grass, dem Rechtsanwalt, der zusammen mit Reginald Perkins, seines Zeichens Detektiv, Fletcher erpresste.

Fletcher hatte sich uns mit einer Waffe in der Faust entgegengestellt. Ich wäre um ein Haar in seine Kugel hineingesprungen, als ich vom Pier aus auf das Boot übersetzte. Nun, jetzt lag Fletcher mit durchschossener Schulter und einem Kugelloch im Oberschenkel im Gefängnishospital.

Uns hatte der Chef, Special Agent in Charge Jonathan D. McKee, für den Rest des Tages vom Dienst befreit, damit wir uns ausschlafen konnten. Und das taten wir ausgiebigst. Am Morgen holte ich in alter Frische meinen Freund und Partner Milo ab, und wir fuhren gemeinsam zur Federal Plaza ins Field Office.

Duncan McLeon hatte zwischenzeitlich ein umfassendes Geständnis abgelegt. Unsere Vernehmungsspezialisten hatten ihn in der Nacht noch im Mount Sinai Hospital in die Mangel genommen. Er war zwar noch nicht so richtig auf dem Damm, aber es galt, keine Zeit zu verlieren. Denn hinter Fletcher, McLeon und Konsorten stand ein Mädchenhändlerring, der noch zu zerschlagen war.

Der Bericht lag in doppelter Ausfertigung auf unseren Schreibtischen – neben einem Berg anderer Arbeit, die wir nur allzu gerne vor uns herschoben.

„Da taucht noch ein Name auf“, knurrte Milo und fuhr sich mit den gespreizten Fingern durch die blonden Haare. „Carl Snyder. Er war so etwas wie der Kurierdienst für Fletcher. McLeon hat zu Protokoll gegeben, dass gestern wieder drei Girls auf dem La Guardia Airport eintreffen sollten. Empfangskomitee sollte Snyder sein.“

„Ja“, sagte ich grimmig, „den Burschen werden wir uns auch noch schnappen.“ Ich hatte meine Augen auf den Bericht geheftet. Über die Stelle, die Milo soeben kommentierte, war ich schon weg. „Die Girls kommen von Galveston herauf. Ein gewisser Allan Baldwin übernimmt sie, nachdem sie per Schiff von Mexiko heraufgebracht worden sind, zwingt sie in die Drogensucht, und wenn sie bereit sind, für einen Schuss Heroin ihre Seele dem Satan zu verkaufen, verschickt er sie an die Endabnehmer.“

„Da ist auch die Rede von einem Beamten aus dem Harlemer Polizeirevier, der Fletcher jedes Mal warnte, wenn im Club Sixty-Six eine Razzia durchgeführt werden sollte. Leider kennt McLeon den Namen dieses Nestbeschmutzers nicht.“

„Diese Ratte herauszufinden überlassen wir dem Police Departement“, murmelte ich.

„Wo mag Snyder mit den Girls gelandet sein, die gestern ankamen?“, sinnierte Milo. „Der Club Sixty-Six ist geschlossen, das Versteck in der Hundertneunzehnten ist nur noch ein Schutthaufen.“

„Zunächst sollten wir mal die Kollegen in Galveston auf Allan Baldwin ansetzen, Milo“, murmelte ich. „Der Bursche muss aus dem Verkehr gezogen werden, ehe er noch mehr Unheil anrichtet. Außerdem müssen wir die Polizei in Mexiko City einschalten, damit sie diese dubiose Vermittlungsagentur hochnimmt.“

Milo schaute skeptisch. „Ich hab schon ‘ne Menge von der Polizeiarbeit in Mexiko gehört, Partner. Ob sie mit der erforderlichen Härte und Konsequenz durchgreift, erscheint mir fraglich. Gegen ein gutes Trinkgeld soll der eine oder andere Kollege dort unten sehr schnell beide Augen zudrücken.“

Ich musste Milo zustimmen. Wenn ich es auch nicht zum Ausdruck brachte. Doch es war so. In den meisten Ländern Mittel- und Südamerikas war so mancher Ordnungshüter gegen die Verlockungen des Geldes nicht gefeit.

„Trotzdem müssen wir sie einschalten“, beharrte ich auf meinem Standpunkt. „Eine andere Chance haben wir nicht.“

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich nicht die geringste Ahnung, dass wir schon sehr bald im Flugzeug nach Süden sitzen würden. Milos Schwarzmalerei sollte sich schneller bewahrheiten, als uns lieb war.

Ich rief im Police Departement an und erkundigte mich, ob die Fahndung nach Carl Snyder schon angelaufen wäre.

„Ja“, erklärte der Kollege. „Wir wurden in der Nacht noch von eurer Dienststelle informiert. Wir haben sofort reagiert. Wenn sich Snyder noch in New York aufhält, haben wir ihn sicher bald. Jeder Streifenpolizist ist instruiert.“

Ich bedankte mich. Dann wandte ich mich wieder an Milo. „Fahren wir mal ins Polizeigefängnis. Vielleicht ist Fletcher zwischenzeitlich ansprechbar. Er kann uns vielleicht einige nützliche Hinweise in Bezug auf diesen Allan Baldwin in Galveston liefern.“

„Wollen wir nicht erst mit dem Chef sprechen?“, murrte Milo.

Ich begriff. „Aaah, du bist scharf auf eine Tasse von Mandys weltmeisterlichem Kaffee“, stellte ich fest. Ich stemmte mich am Schreibtisch in die Höhe. „Ich glaube, da sag ich auch nicht nein. Also, berichten wir dem Chef, was er selbst längst weiß und erschleichen wir uns einige Schlucke.“

„Das grenzt ja schon an kriminelle Energie“, grinste Milo. „Und das alles wegen des schwarzen Gebräus. Na schön, gönnen wir unserem Gaumen eine Freude und ergötzen wir unser Auge an der sexy Mandy. Und dann langweilen wir den Chef. – Deine Krawatte sitzt übrigens schief.“

Ich rückte sie zurecht.

„Solltest mehr Wert auf dein Äußeres legen“, flachste Milo und drückte sich hoch.

„Kann eine schiefe Krawatte einen schönen Mann entstellen?“, fragte ich spöttisch. „Bei dir muss sie natürlich gerade sitzen, damit …“

Da dudelte mein Telefon. Ich schnappte mir den Hörer. Es war der Kollege vom Police Departement, mit dem ich eben schon gesprochen hatte. Er sagte: „Sie werden es nicht glauben, Trevellian. Wir haben Snyder. Aber er befindet sich in einem recht jämmerlichen Zustand. Der Mister lag übel zusammengeschlagen auf dem Rücksitz seines Chevy, und der war auf einem Fußgängerweg im Tompkins Square Park abgestellt.“

„Hat Snyder was erzählt?“, entfuhr es mir. „Was ist mit den Girls, die er am Flughafen in Empfang nehmen sollte? Wer hat ihn so übel zugerichtet?“

„Er ist nicht ansprechbar.“

„Wo ist er?“

„Die Kollegen haben ihn ins Veteranen Hospital gebracht. Wer immer es auch war, der es ihm gegeben hat: Der oder die haben ganze Arbeit geleistet.“

„Well“, stieß ich hervor. „Wir fahren sofort hin. Thanks.“

Milo verzog säuerlich das Gesicht. „Ich hör die Nachricht wohl …“, murmelte er ergeben.

„… allein mir fehlt die Lust ohne Mandys Kaffee im Magen“, vollendete ich den Spruch in stark abgewandelter Form. „Nun denn, Milo, wir werden nicht fürs Kaffeetrinken bezahlt. Fahren wir also zum Veteranen Hospital und machen wir unseren Job. Tun wir was für unser Geld.“

Ich sagte Mandy telefonisch Bescheid und sie versprach, den SAC zu informieren. Wenig später trug uns der Wagen aus der Tiefgarage des Federal Building.

*

Auf dem Flur vor dem Zimmer Carl Snyders waren zwei Cops postiert. Wir wiesen uns aus und konnten das Zimmer betreten.

Carl Snyder lag im Bett wie eine Mumie. Unter den Bandagen sah er sicher aus wie ein Mann, über den eine Herde Bisons hinweggedonnert war. Nur die unterlaufenen Augen und der Mund mit den aufgeplatzten Lippen waren von seinem Gesicht zu sehen. Man hatte ihm ein Beruhigungsmittel gegeben. Völlig apathisch lag er da.

Wir stellten uns am Fußende auf. „Hallo, Snyder“, grüßte ich. „Wie geht‘s?“

Er starrte mich nur mit erloschenem Blick an. In seinen Augen war kein Leben.

„Heh, sind Sie ansprechbar?“, kam es von Milo in seiner direkten Art.

Snyder bejahte mit einem Senken seiner Lider. Seine Lippen formten tonlose Worte. Er verzog das Gesicht.

„Wer hat Sie so hergerichtet?“, fragte ich.

„Morettis Schläger“, nuschelte er, und ich musste mich anstrengen, um die Worte zu verstehen. Ich nahm an, dass hinter seinen zerschlagenen Lippen so gut wie keine Zähne mehr saßen.

Milo und ich wechselten einen vielsagenden Blick. „Moretti – Sergio Moretti!“, brach es dann aus mir heraus. „Reden Sie von dem italienischen Paten aus Little Italy?“

Wider senkte er zum Zeichen dafür, dass ich richtig lag mit meiner Vermutung, die Lider.

„Wie sind Sie denn an Moretti geraten?“, kam es von Milo.

Sergio Moretti war uns alles andere als ein Unbekannter. Wir wussten, dass er ein skrupelloser Gangster war, der sich mit seinem Spezialitätenladen tarnte. Nicht nur skrupellos, sondern auch höllisch clever. Es war uns noch nicht gelungen, ihm die Maske vom Gesicht zu reißen. Moretti war ein Wolf im Schafspelz, ein Hecht im Karpfenteich.

„Lower Eastside“, kam es kaum verständlich von Snyder. „Zweihunderteinunddreißig Clinton Street. Erste Etage links. Zwei Kerle – Italoamerikaner …“

„Haben sie die Girls übernommen?“, stieg es aus Milos Kehle.

Carl Snyder klappte wieder die Augendeckel nach unten.

Sergio Moretti! Der Name hallte in mir nach. Rauschgifthandel, Schutzgelderpressung, Hehlerei. Wir wussten es, aber es war uns nicht gelungen, Moretti auffliegen zu lassen. Mit illegaler Prostitution hatte er nach unserer Erkenntnis bisher nichts am Hut. Er zockte lieber die Besitzer der zwielichtigen Bordelle ab, und sie zahlten, nachdem einige von ihnen schlechte Erfahrung machten, weil sie eben nicht löhnen wollten.

Ich empfand es plötzlich wie eine Fügung des Schicksals, dass Snyder sich an Moretti wandte und der ihn uns sozusagen auf dem Tablett präsentierte.

„Erzählen Sie uns etwas über Baldwin“, forderte ich Snyder auf, nachdem sich seine Eröffnungen bei mir gesetzt hatten. „Allan Baldwin aus Galveston. Wer versorgt ihn mit den Girls, die er für Leute wie Fletcher sozusagen einbricht?“

„Keine Ahnung“, röchelte Snyder. „Ich war bei Fletcher derjenige, der die Girls lediglich transportierte, wenn sie in New York angekommen waren.“

Ich hatte es bereits geahnt, dass er nur als Statist in der tragischen – für die Mädchen tragischen – Inszenierung auftrat.

„Und gestern wollten Sie das Geschäft in eigener Regie abwickeln und haben dabei Federn gelassen, wie?“, verlieh Milo seiner Vermutung Ausdruck.

Die Lider Snyders zuckten nach unten.

Wir verließen den Gangster. Eigentlich konnte er einem leid tun.

„Lower Eastside, zweihunderteinunddreißig Clinton Street“, knurrte Milo. „Wollen doch mal seh‘n, was in dem Bau so kreucht und fleucht.“

„Im Geiste könnten wir Brüder sein“, sagte ich. „Du hast mir die Worte aus dem Mund genommen. Also, Partner, wetzen wir die Messer.“

Ich schaukelte uns durch den vormittäglichen Verkehr. Chaos pur, aber mit stählernen Nerven und einem hohen Maß an Gottvertrauen kamen wir in die Lower Eastside. Ich fand in einer schmalen Seitenstraße einen Parkplatz und manövrierte den Sportwagen hinein.

Entschlossen verließen Milo und ich das Fahrzeug. Wir marschierten in die Clinton Street und standen schon bald vor dem Gebäude mit der Nummer 231. Wir betraten es. Die Korridortür in der 1. Etage, links, wies kein Namensschild auf. Milo legte seinen Daumen auf den Klingelknopf. Im Wohnungsflur waren gedämpfte Schritte zu hören. Die Tür schwang eine Handbreit auf – ich sah ein Gesicht, über dessen Stirn die schwarzen Haare glatt zurückgekämmt waren – und stellte keine Fragen.

Mit meiner Schulter rammte ich die Tür auf. Ein Bersten war zu hören, als die Sicherungskette aus der Verankerung gefetzt wurde. Der Bursche bekam das Türblatt auf die Nase, stolperte und setzte sich auf den Hosenboden.

Als er zum Denken kam, standen wir im Flur und er blickte in das hohle Auge meiner SIG.

Milo sprang schon über ihn hinweg, ebenfalls die Waffe in der Faust und ließ sie über die Türen pendeln, die in verschiedene Räume führten.

„Wo ist dein Kumpel?“, knirschte ich.

Aus seiner Nase sickerte Blut. Verstört, verunsichert, ziemlich perplex und mit Tränen in den Augen starrte er in mein Gesicht. Plötzlich wischte er sich mit dem Handrücken über die Oberlippe, er sah sein Blut, und keuchte: „Seid ihr verrückt geworden? Ihr könnt doch hier nicht einfach wie Elefanten im Porzellanladen …“

„Ach“, unterbrach ich ihn, „ich vergaß zu sagen, dass wir vom FBI sind. Special Agents Tucker und Trevellian. Jetzt wirst du auch begreifen, dass wir sehr wohl können.“

Ein Keuchen, das ihm der Schreck entrang, brach aus seiner Kehle.

Milo hatte eine der Türen erreicht, öffnete sie aus dem Schutz der Wand und stieß sie auf.

„Bist du alleine?“, fragte ich den Knaben am Boden.

Einer Antwort wurde der Bursche enthoben. Eine Tür am Ende des Flurs wurde aufgerissen. Ich kniete sofort ab und hob die Faust mit der SIG.

Milo glitt in den Raum, dessen Tür er soeben aufgestoßen hatte.

Ein Schuss krachte. Die Detonation rüttelte an den Türen im Flur und hörte sich an wie Kanonendonner. Die Kugel strich über meinen Kopf hinweg und durchschlug die Korridortür auf der anderen Seite der 1. Etage.

Die Faust mit der Waffe, die der Schütze um den Türstock herumgeschoben hatte, verschwand wieder.

Ich schnellte hoch und war mit einem Satz bei der nächsten Türe rechter Hand, riss sie auf und verschwand in dem Zimmer. Ich hörte Milo brüllen: „Komm mit erhobenen Händen heraus, Mann. Wenn wir zu dir reinkommen, wird‘s brenzlig.“

Der Knabe mit der blutenden Nase am Boden des Korridors rührte sich nicht. Er wusste, dass er in der Schussbahn seines Kumpans hockte, und das verursachte bei ihm wahrscheinlich die unüberwindbare Lähmung.

„Was seid ihr für welche?“, fragte der Mister, der geschossen hatte. „Ihr kommt mit viel Getöse in unsere Wohnung und …“

„FBI“, erklärte ich kurz und prägnant. „Deinem Kumpel haben wir uns vorgestellt. Solltest du es tatsächlich überhört haben, obwohl du an der Tür gelauscht hast?“

Einige Sekunden verstrichen, in denen er hart mit sich zu kämpfen schien. „Ich hab auf der Couch gelegen und vor mich hin gedöst“, rief er dann. „All right, ich komme jetzt in den Flur.“

„Lass nur deine Kanone zurück“, warnte Milo. „Wir könnten es falsch auffassen …“

Er trat mit erhobenen Händen und unbewaffnet in den Flur.

„Steh auf!“, gebot ich dem Knaben am Boden.

Er rappelte sich auf die Beine. Wir trieben ihn und seinen Kumpan in den Raum, in dem sich Milo verschanzt hatte. Da stand eine Polstermöbelgruppe, und die ganze übrige Einrichtung ließ vermuten, dass es sich um den Livingroom der Kerle handelte. Auch ein Fernseher war da. Die beiden mussten sich setzen.

Milo und ich holsterten unsere Waffen. Ich ließ meine Stimme erklingen: „Wo sind die drei Girls?“ Ich sprach abgehackt, jedes Wort betonend.

„Welche Girls?“, kam es von einem der Burschen wie aus der Pistole geschossen. „Wir beide sind …“

„… schwul“, fiel ihm Milo in die Rede. „Das habe ich schon herausgefunden. Die Rede ist von den drei drogenabhängigen Mexikanerinnen, die ihr Carl Snyder abgejagt habt, den ihr halb tot geschlagen in sein Auto gelegt und im Tompkins Square Park abgestellt habt.“

„Sie sprechen in Rätseln, G-man“, maulte der mit der blutenden Nase. Er hatte zwischenzeitlich ein Taschentuch hervorgeholt und presste es unter seine Nasenlöcher.

„Wie heißt du?“, fragte Milo.

„Luigi DaLoca.“

„Fein. Und du?“

„Adriano …“

„Okay, Adriano, du hast ein gewaltiges Problem am Hals. Du hast auf zwei Special Agents des FBI geschossen. Hast du ‘ne Ahnung, wie viele Jahre dir das bringt?“

„Himmel, ich hatte doch keine Ahnung, dass ihr vom FBI seid“, rechtfertigte sich der Bursche hastig. „Ich hielt euch für …“

„Na“, stieß ich hervor, als er fast erschrocken abbrach.

„… für Einbrecher“, vollendete er. „Si, für Einbrecher. Ihr habt die Tür eingedrückt und mein Freund lag am Boden.“

„Und ich dachte schon, du hieltest uns für Killer der Konkurrenz“, grinste ich ironisch. „Aber jetzt Spaß beiseite, Luigi und Adriano. Wo sind die drei Mexikanerinnen?“

„Wie ich schon sagte, wir …“

„Ihr steht nicht auf Girls, klar“, schnitt ihm Milo das Wort ab. „Na schön, ihr seid beide verhaftet. Wir nehmen euch mit ins Field Office und halten euch dort so lange fest, bis euch einfällt, an welche Adresse ihr die Ladys weitergeschleust habt.“

Bei Adriano schien es sich um einen Choleriker zu handeln. Er schoss kerzengerade aus seinem Sessel in die Höhe, sein Gesicht hatte sich verzerrt, mit einem Aufschrei warf er sich auf Milo. Der war natürlich auf diese Aktion nicht vorbereitet. Adriano prallte gegen ihn, er wurde regelrecht zur Seite katapultiert. Der Italiener stürzte zur Tür.

Auch Luigi sprang auf. Er ging mich an. Allerdings hatte ich mich nach Adrianos Attacke drauf einstellen können. Ich drehte mich in den Burschen hinein, griff hinter mich und erwischte ihn am Hemdkragen. Ein Ruck, und er flog über meine Schulter. Wie ein Brett krachte er der Länge nach auf den Fußboden. Krachend schlugen seine Füße auf. Er kämpfte mit einem Erstickungsanfall.

Milo setzte hinter Adriano her. Er holte ihn an der Korridortür ein. Der Italoamerikaner warf sich herum und schlug nach Milo. Es war ein Schwinger, der ihm wahrscheinlich das Genick gebrochen hätte – würde er am Ziel angekommen sein.

Um derartigen Wechselfällen im Alltag eines Special Agents gegenübertreten zu können, waren wir jedoch hinreichend geschult worden. Also, Milo wich dem Schlag aus, dann bekam Adriano seine Faust knochenhart in den Magen und beugte sich nach vorn. Mit einem Ton, der sich anhörte wie das Röhren eines sterbenden Elchs, quittierte er den Treffer. Ein Uppercut Milos stellte den Knaben wieder gerade, und dann packte Milo ihn mit beiden Fäusten am Hemd und riss ihn dicht an sich heran.

Milo knirschte: „Und jetzt schön artig, mein Junge, sonst spuckst du Backenzähne.“ Mit dem letzten Wort versetzte Milo ihm einen Stoß, der ihn gegen die Tür warf. Der Krach ging wahrscheinlich durch das gesamte Treppenhaus.

Adriano war friedlich. Seine Schultern sanken nach vorn, seine Arme hingen schlaff nach unten. Der Widerstandswille, der bis vor wenigen Sekunden noch aus jedem Zug seines Gesichtes gesprochen hatte, war erloschen.

Handschellen knackten. Adriano war kaltgestellt.

Ich hatte Luigi am Kragen gepackt und aufgesetzt. Erstickend schnappte er nach Luft. Ich versetzte ihm einen harten Schlag mit der flachen Hand auf den Rücken, und der befreiende Atemzug kam. Nach und nach nahm sein Gesicht wieder die normale Färbung an; und es wurde fast einen Ton zu bleich, als sich auch um seine Handgelenke die plastikummantelten Stahlachten schlossen.

Milo rief die Kollegen von der City Police.

Als die beiden Burschen abgeführt wurden, rief ich hinter ihnen her: „Wir kommen bald vorbei im City Prison und unterhalten uns mit euch. Ihr solltet euch als kooperativ erweisen. Das erspart oftmals viele Jahre hinter Gittern.“

Sie schauten verbissen vor sich hin.

Wir schauten uns in der Wohnung um. Und wir fanden einige winzige Portionen eines weißen Pulvers – genannt Heroin. Einen Hinweis auf die Girls fanden wir jedoch nicht.

Ich zitierte die Kollegen der SRD herbei. Sie sollten die Wohnung auf den Kopf stellen.

4

Milo und ich trafen wieder im Field Office ein. Es ging auf Mittag zu. Wir meldeten uns bei Mr. McKee an.

Endlich bekamen wir den heißersehnten Kaffee, ließen ihn über unsere Zungen laufen und genossen ihn. Abwechselnd erstatteten wir dem Chef Bericht. Milo endete mit dem Hinweis:

„Wenn wir den beiden Galgenvögeln die Würmer aus der Nase ziehen können, was die dunklen Machenschaften des ehrenwerten Mr. Sergio Moretti anbetrifft, dann haben wir gewonnen.“

Der Chef nickte. Hoffnungsvoll antwortete er: „Gebe Gott, dass es uns endlich gelingt, Moretti das schmutzige Handwerk zu legen.“ Er stellte die Ellenbogen vor sich auf den Schreibtisch, verschränkte die Finger ineinander und legte dass Kinn drauf. Dann schaute er von einem zum anderen, und schließlich sagte er: „Ich habe mit dem Police Departement in Galveston Verbindung wegen dieses Allan Baldwin aufgenommen. Vor fünf Minuten erhielt ich einen Rückruf. Baldwin ist spurlos verschwunden. Wahrscheinlich wurde er von Snyder informiert, dass die Sache in New York aufgeflogen ist und wir Patrick Fletcher am Kanthaken haben. Schätzungsweise ist ihm nach Snyders Hiobsbotschaft der Boden in Galveston unter den Füßen ziemlich heiß geworden.“

Milo und ich wechselten einen schnellen Blick. Also war uns der Chef wieder einmal voraus gewesen. Wir hatten zwar davon gesprochen, die Polizei in Galveston einzuschalten, aber auf den Weg gebracht hatten wir unsere Absicht noch nicht. Uns war die Sache mit Snyder und den beiden Italoamerikanern dazwischen gekommen.

Der Chef sprach weiter: „Allerdings konnten die Kollegen in Galveston einen Mexikaner verhaften. Sein Name ist Juan Montamerre. Er wollte zu Baldwin, als dessen Haus die Polizei umstellt hatte. Der Bursche leugnet zwar, etwas von Baldwins dubiosen Geschäften gewusst zu haben, aber er ist seit zwei Stunden im Verhör und beginnt, sich in Widersprüche zu verwickeln. Man wird mich auf dem Laufenden halten.“

„Die Kollegen in Galveston haben, wie es aussieht, unverzüglich reagiert“, kam es anerkennend von Milo.

„Ja. Als ich sie heute morgen, nachdem ich die Aussagen McLeons gelesen hatte, telefonisch in Kenntnis setzte, sind sie sofort tätig geworden.“

„Lobenswert“, murmelte ich flapsig.

„Baldwin wird auch diesem Montamerre nicht verraten haben, wohin er sich verdrückt hat“, gab Milo zu verstehen. „Er hat schätzungsweise seine Komplizen überhaupt nicht gewarnt, als er von Fletchers Schicksal hörte, und ist Hals über Kopf aus Galveston geflohen.“

Der Chef nickte. „Es ist anzunehmen, dass er sich nach Mexiko abgesetzt hat.“

„Wahrscheinlich Mexiko City“, grenzte ich ein. „Dort sitzt diese Vermittlungsagentur, die die Girls in den ländlichen Gebieten anwirbt.“

„Das Polizeipräsidium in Mexiko City ist zwischenzeitlich ebenfalls von mir verständigt worden. Ich habe die Protokolle von den Vernehmungen Duncan McLeons und Fernando Carcias ins Polizei-Hauptquartier in Mexiko City faxen lassen.“

Fernando Carcia war der Vater der 17-jährigen Juanita, die von zwei Männern in einer Discothek in Mexiko für gut bezahlte Arbeit in den Staaten begeistert wurde und die in den Fängen Allan Baldwins landete. Sie arbeitete, nachdem er sie gefügig gemacht hatte, im Club „Sixty-Six“ in Harlem. Fernando Carcia hatte die Kanzlei Jefferson & Partner eingeschaltet, damit sie für ihn in New York den Aufenthalt seiner Tochter erforschte. Mit Hilfe des Privatdetektivs Reginald Perkins aus der Detektei Smith & Perkins hatte Rechtsanwalt Jack Grass, einer der Partner Jeffersons, die Machenschaften Pat Jenkins‘ ergründet. Allerdings gaben die beiden ihr Wissen nicht weiter, sondern starteten einen Erpressungsversuch. Jack Grass wurde auf offener Straße von Fletchers Killer Duncan McLeon erschossen. Reginald Perkins saß in Untersuchungshaft.

Eines Nachts erhielt Carcia einen Anruf von seiner Tochter. Juanita bat ihn, die Nachforschungen nach ihr einzustellen. Plötzlich war ein Mann am Apparat, der ihn mit dem Tod bedrohte, wenn er nicht aufhörte, nach Juanita zu suchen. Da wusste Fernando Carcia, dass sich Juanita in der Hand skrupelloser Mädchenhändler befand. Er nahm das nächste Flugzeug nach New York.

Vor dem Club stach Fernando Carcia Duncan McLeon nieder, als dieser sich anbot, ihn zu Juanita zu bringen. Tatsächlich wollte er Carcia aus dem Weg räumen.

Juanita starb zusammen mit zwei anderen Girls in der 119th Straße. Fletcher erschoss sie und ihre beiden Aufpasser, dann drehte er den Gashahn auf und das Haus flog in die Luft.

Zeugen- und Beweismittelbeseitigung …

Es war ihm nicht so recht gelungen. Die Körper waren zwar von der Explosion und vom Feuer stark in Mitleidenschaft gezogen worden, aber Carcia hatte seine Tochter trotzdem identifizieren können. Und die Kugeln, die in den Körpern der Toten steckten, waren, wie auch die Waffe Fletchers, in den Händen der Ballistiker.

Ich brauchte aber kein Gutachten, um zu wissen, dass die Geschosse aus den Leichen aus Fletchers Glock stammten.

Fernando Carcia hatte zwei Namen genannt: Pablo Santez und Carlos Mendoza. Diese beiden Kerle hatte seine Tochter mit den schillerndsten Versprechungen für eine Arbeit in den Staaten angeworben.

Um diese beiden Kerle und die Vermittlungsagentur sollten sich die mexikanischen Ordnungshüter kümmern.

Wenn sie es denn taten …

Ich trank meine Tasse leer, stellte sie ab und sagte: „Dann warten wir mal ab, was die Kollegen in Galveston herausfinden und was die Polizei in Mexiko City unternimmt. Milo und ich knöpfen uns Luigi DaLoca und den aufbrausenden Adriano vor.“

„Die beiden sind schwul“, sagte Milo mit schief gezogenem Mund. „Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, welcher von beiden die Tunte ist. Der feminine Teil der beiden wird sicher weniger Härte im Verhör aufweisen als der maskuline.“

Mr. McKee grinste belustigt.

Milo und ich erhoben uns.

Mr. McKee sagte. „Wenn es Ihnen gelingt, Sergio Moretti zu demaskieren, würde das einen immensen Schlag gegen das organisierte Verbrechen in New York bedeuten.“

„Wir werden unser Bestes geben, Sir“, versprach ich entschieden.

„Noch mehr als unser Bestes“, setzte Milo noch eins drauf, aber es klang nicht spaßig. Mein Freund und Partner meinte es verteufelt ernst. „Dieser grauhaarige Mafioso und seine Familie sind mir schon lange ein Dorn im Auge.“

Mit der „Familie“ meinte Milo nicht die Angehörigen des Paten, sondern die Mafia, deren Boss er war.

„Dass Sie beide am obersten Level arbeiten, weiß ich“, sagte der Chef. „Dieses Mal wird sich Moretti wahrscheinlich warm anziehen müssen.“

Wir verabschiedeten uns von Mr. McKee.

5

Zuerst knöpften wir uns Adriano Giotti vor. Das Vernehmungszimmer im City Prison war ziemlich kahl. Es gab einen Tisch und einige Stühle sowie einen Computer, um die Vernehmungsniederschrift zu fertigen.

Giotti saß lässig auf einem der Stühle, hatte die Beine weit von sich gestreckt und die Arme vor der Brust verschränkt. Er hatte sogar auf einen Anwalt verzichtet. Ich saß ihm gegenüber, zwischen uns war der Tisch. Milo stand an dessen Stirnende und hatte beide Arme drauf gestemmt. Eine Schreibkraft saß am PC. Sie sollte tippen, was wir ihr diktierten.

Aber noch hatten wir nichts, was wir ihr diktieren konnten. Denn Adriano schwieg wie ein Grab. Er wusste nichts von Carl Snyder, nichts von den drei Girls aus Mexiko, nichts von dem abgewogenen Rauschgift, dass wir in seiner Wohnung fanden.

Er war cool, gab sich überheblich und selbstsicher, und ließ uns mit unseren Fragen ein um das andere mal abblitzen.

Dieser Knabe brachte unser Blut zum Sieden.

„Du hast doch nur Schiss vor der Rache der Familie, wenn du redest“, grollte Milos Organ wütend. „He, welche Rolle spielst du in deiner Beziehung mit Luigi DaLoca? Das Männlein oder das Weiblein? Von deinem ganzen Verhalten her rechne ich dir den größeren Anteil an Testosteron zu. Also, mein Freund, bist du …“

„Diese Frage berührt meine Intimsphäre, G-man“, maulte Giotti, „und ich muss sie dir nicht beantworten.“

„Dann lass es. Wir werden Luigi danach fragen. Sicher zeigt Luigi sich zugänglicher als du, mein Freund. Er scheint mir intelligenter zu sein als du. Deinen IQ stufe ich nicht höher ein als die Zimmertemperatur. Und die ist im April noch nicht besonders hoch. Luigi wird auf unser Angebot abfahren wie eine zwölfhunderter Suzuki.“

„Welches Angebot?“, zeigte sich Adriano Giotti interessiert.

„Nun, wir können mit dem Bezirksankläger reden“, griff ich den Köder auf, den Milo geworfen hatte. „Es gibt da einige Möglichkeiten. Kronzeugenregelung, Zeugenschutzprogramm, Strafmilderung, Hafterleichterung und, und, und …“

Er kämpfte mit sich. Das war deutlich von seiner Stirn abzulesen. Adriano Giotti hatte die Beine angezogen und die Arme aus der Verschränkung gelöst. Er wirkte angespannt und unschlüssig. Er kaute auf seiner Unterlippe herum. Schließlich überwand er sich und fragte lauernd: „Kann ich das für mich auch in Anspruch nehmen?“

„Natürlich“, erklärte ich im Brustton der Überzeugung. „Schließlich hilft du der Polizei, eine Mafia-Familie zu zerschlagen und einige Verbrecher hinter Schloss und Riegel zu bringen. Da lässt jeder Staatsanwalt mit sich reden.“

„Okay“, nickte er nach einigem Zögern, das deutlich werden ließ, dass er nach wie vor einen heftigen, innerlichen Kampf ausfocht. „Aber ich will in ein anderes Gefängnis verlegt werden. Unter einem anderen Namen. Ich will weder hier noch in Rikers Island mit einem Schraubenzieher erstochen oder erhängt in meiner Zelle aufgefunden werden.“

„Wir werden sehen, was sich machen lässt“, versprach Milo, und ich merkte ihm deutlich an, dass sich sein Blutdruck wieder normalisierte.

„Das reicht mir nicht“, brach es über Giottis Lippen. „Entweder ich kriege eine feste Zusage, oder ihr könnt mich mal.“

„Ich rufe einen Staatsanwalt her“, sagte Milo und der Grimm, der sich nach Giottis letzten Worten bei ihm wieder einstellte, belegte seine Stimmbänder und ließ seine Stimme etwas rau klingen. „Du weißt doch hoffentlich, dass du uns eine Menge Zeit stiehlst“, fuhr er Giotti an.

„Bei mir geht es um mehr als um eine halbe oder ganze Stunde“, schnappte Giotti.

Milo verschwand nach draußen.

Giotti fing an, mit den Fingerkuppen auf der Tischplatte zu trommeln. Die Schreibkraft saß regungslos vor ihrer Tastatur und beobachtete durch dicke Brillengläser abwechselnd mich und den Gangster.

Fünf Minuten später kehrte Milo zurück, eine halbe Stunde danach kreuzte ein Staatsanwalt auf. Er hörte sich an, was Giotti forderte, hörte sich an, was wir dazu an Stellungnahmen abgaben, und nickte schließlich. „Sie kriegen Straffreiheit und eine neue Identität, Giotti“, sagte er. „Vorausgesetzt, Sie legen ein umfangreiches Geständnis ab und haben sich keines Kapitalverbrechens wie des Mordes schuldig gemacht.“

„Mord ist nicht mein Ding, Mister“, erklärte Giotti. „Dafür beschäftigt Moretti seine Hitmänner.“

„Dann legen Sie mal los, Giotti“, forderte der Staatsanwalt.

Nun bekam das alternde Girl vor dem PC Arbeit.

Als Giotti fertig, seine Aussage in vierfacher Ausfertigung ausgedruckt und unterschrieben war, wussten wir, dass die drei Mexikanerinnen nach Chinatown zu Chu han Singh verschoben worden waren und der Chinese für jedes der Girls 10000 Dollar auf den Tisch geblättert hatte.

Von dem Kanton-Chinesen hatten wir schon gehört. Es wurde gemunkelt, dass er Boss einer Triade war, die in Chinatown das Geschäft mit dem Rauschgift in Händen hielt.

Chu han Singh betrieb ein Speiselokal in der Mott Street. Von Giotti hatten wir erfahren, dass er auch einige Nachtclubs sein Eigen nannte, die allerdings von Strohmännern geführt wurden. Und in diesen Nachtclubs wurde nicht nur Rauschgift umgesetzt, in ihnen wurde auch der Prostitution nachgegangen – der legalen und der illegalen.

Uns hatte sich ein Abgrund des Verbrechens aufgetan, ein Sumpf von Niedertracht, Verworfenheit und Skrupellosigkeit.

Adriano Giotti wurde abgeführt. Er hatte das Versprechen des Staatsanwalts, noch heute in ein anderes Gefängnis verlegt zu werden.

Ehe er den Vernehmungsraum verließ, wandte er sich noch einmal um und rief: „Heh, Tucker, ich bin im Übrigen die Tunte. Zufrieden?“

„Kaum zu glauben“, versetzte Milo trocken. „Scheinbar fehlt mit dafür der richtige Blick.“

Milo und ich verließen das Gefängnis mit drei Ausfertigungen des Protokolls über die Aussagen Giottis. Grenzenloser Triumph erfüllte mich, eine Genugtuung, die mich bis in die letzte Faser meines Körpers erfasste. Ich glaube, mein Gesicht glänzte vor Zufriedenheit.

Milo erging es nicht anders. „An welcher Aktion beteiligen wir uns?“, fragte er mich euphorisch. „In Little Italy oder in Chinatown? Am liebsten wäre ich bei beiden dabei – aber ich kann mich leider nicht zweiteilen.“

„Geh du mit nach Little Italy, Partner“, erwiderte ich, „ich gehe mit den Kollegen nach Chinatown. Und hinterher tauschen wir uns aus. Bei ‘nem Bier und ‘ner Pizza. Was meinst du?“

Natürlich war uns klar, dass wir die beiden Gangs nur mit Hilfe der Kollegen vom FBI und dem Police Departement hochnehmen konnten. Es als Duo Tucker & Trevellian durchzuziehen wäre selbstmörderisch gewesen. Vermessen waren Milo und ich jedoch nicht. Wir kannten unsere Grenzen.

Milo wiegte den Kopf. „Lassen wir es den Chef entscheiden, Partner“, meinte er dann. „Ich schätze mal, er wird uns mit dem, was wir ihm heute kredenzen, für einen Verdienstorden vorschlagen.“

Milo grinste mich an.

„Wärst du tatsächlich scharf auf so ein Ding?“, fragte ich ungläubig.

„Nein“, sagte Milo, und es klang überzeugend.

Hätte mich auch gewundert!

6

Der Chef überließ es uns, welcher Gruppe wir uns anschließen wollten. Milo und ich warfen eine Münze. Ich bekam Chinatown. Im Endeffekt aber war es egal, wer an welchem Einsatz beteiligt war.

Wir warteten bis 10 Uhr.

Das war die Zeit, in der sich Chinatown in einen Hexenkessel verwandelte und auch in Little Italy das sündige Leben begann. Das Police Departement war instruiert. Die Kollegen bezogen um die einschlägigen Clubs, die uns Giotti genannt hatte, Stellung.

In meiner Gruppe befanden sich Annie Francesco, Blacky, Leslie Morell und George Maxwell. Dazu natürlich noch eine Reihe weiterer G-men.

Milo war mit Jennifer Johnson, Jay Kronburg und Fred LaRocca sowie ebenfalls einer Handvoll anderer Agenten aus dem Field Office auf dem Posten.

Natürlich hatten wir auch die Kollegen von der Sitte und vom Narcotic Squad im Schlepptau.

Viele der Cops waren mit Maschinenpistolen ausgestattet, um genau zu sein mit der MP 5 von Heckler & Koch. Jeder von uns trug eine Kevlarweste unter der Jacke, einen Helm mit Headset, also Mikrofon und Lautsprecher, womit wir untereinander in Verbindung standen.

Der Club, den wir „umzingelt“ hatten, trug den Namen „Wild Dragon“. Die Neonschrift an der Fassade des Gebäudes, in dem der Club untergebracht war, warf blutrote Lichtreflexe auf den Gehsteig und die Straße.

Die Gehsteige waren voll. Auf der Straße bewegte sich ein nicht abreißender Strom von Fahrzeugen.

Um 22 Uhr 20 sagte ich in das Mikrophon meines Headsets: „Wir können, Leute. Hals- und Beinbruch.“

Annie Francesco, ich und drei weitere Kollegen vom Police Departement kamen durch den Vordereingang.

Blacky und einige Kollegen kamen durch die Hintertür. Einige der Männer, die unter seinem Kommando standen, stürmten sofort ins Obergeschoss und besetzten es. Die Ausgänge wurden abgeriegelt.

„Polizei!“, rief ich. „Das ist eine Razzia! Jeder bleibt, wo er ist.“ Es gelang mir kaum, den verworrenen Lärm zu übertönen.

Bei der Hintertür hörte ich Blacky ähnliche Worte rufen. Aber auch sie gingen unten in dieser Geräuschkulisse.