Fair Trade - Michael von Hauff - E-Book

Fair Trade E-Book

Michael von Hauff

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  • Herausgeber: UVK
  • Kategorie: Fachliteratur
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2017
Beschreibung

Die Aufmerksamkeit für den Fairen Handel hat in den vergangenen Jahren weiter an Bedeutung gewonnen. Auch die Vielfalt der Güter hat stark zugenommen. Doch macht Fair Trade ökonomisch Sinn und ist er langfristig wirklich nachhaltig?In der 3., vollständig überarbeiteten Auflage geht es den Autoren vor allem darum, den Lesern die zentralen Argumentationslinien zu Fair Trade verständlich und übersichtlich zu vermitteln. Dafür stellen sie das Konzept aus der Perspektive nachhaltiger Entwicklung dar und zeigen die theoretische Begründung und die empirische Bedeutung des Fairen Handels auf. Sie werfen außerdem auch einen Blick auf die entwicklungspolitische Wirksamkeit des Fairen Handels und auf andere Konzepte, die eine ähnliche Zielsetzung haben. Zahlreiche Grafiken und Diagramme veranschaulichen die Inhalte.Das Buch richtet sich an Fach- und Führungskräfte aus dem Bereich Handel sowie an politisch Interessierte.

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Seitenzahl: 313

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Vorwort zur 3. Auflage

Das Thema des Fairen Handels hat in den vergangenen Jahren weiter an Bedeutung gewonnen. Das gilt sowohl für die Ausdifferenzierung der Begründung des Fairen Handels, als auch für das Wachstum fair gehandelter Güter. Auch die Vielfalt der Güter hat weiterhin zugenommen. Diese aktuellen Entwicklungen und Veränderungen wurden in der vorliegenden 3. Auflage entsprechend berücksichtigt. Es wurden aber auch zwei Kapitel geändert. So wurde zunächst das Kapitel drei, das sich dem Paradigma der nachhaltigen Entwicklung als konzeptioneller Grundlage von Fair Trade zuwendet, deutlich gekürzt. Dadurch wurde eine noch engere Fokussierung der Anforderungen nachhaltiger Entwicklung an Fair Trade angestrebt.

Auch das Kapitel fünf hat eine Änderung erfahren. Die Frage, wie sich Fair Trade als alternatives Handelskonzept in dem Mainstream der Außenhandelstheorie einordnen und bewerten lässt, wurde ebenfalls stark gekürzt. Um den Lesefluss für Nicht-Ökonomen deutlich zu erleichtern, wurden die graphischen und mathematischen Darstellungen und Erläuterungen für interessierte Leser in den Anhang verschoben.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die wissenschaftliche Zuwendung zu Fair Trade in den letzten Jahren sowohl international als auch national zugenommen hat. Das gilt beispielsweise für die Frage nach der Motivation Fair Trade-Produkte zu kaufen, die u.a. aus verhaltensökonomischer Perspektive analysiert wird. Eine sehr grundsätzliche Frage ist aber auch, ob Fair Trade tatsächlich seine Ziele erreichen kann. Eine Frage hierbei ist: macht Fair Trade ökonomisch Sinn und ist langfristig wirklich nachhaltig?

Es geht aber auch um die Frage, wie sich das Angebot von Fair Trade-Produkten in den großen Einzelhandelsketten auf die ursprüngliche Idee von Fair Trade, gerechtere Handelsbeziehungen zu schaffen, auswirkt. Verlieren dadurch – so die Frage – die Weltläden hinsichtlich ihrer Zielsetzung, sowohl die Produkte zu verkaufen, als auch die Idee des Fairen Handels zu kommunizieren, an Bedeutung? In diesem Zusammenhang kam es in den vergangenen etwa zehn Jahren zu der Kontroverse um einen möglichen Profilverlust. Somit kann festgestellt werden, dass der Faire Handel sich weiterhin in einem Wandel befindet, dessen Richtung noch nicht eindeutig zu bestimmen ist.

Auch in der 3. Auflage geht es primär um die größeren Argumentationslinien zu Fair Trade. Für die teilweise sehr spezifischen Informationen z.B. zu einzelnen Produkten bieten die nationalen und internationalen Organisationen zu Fair Trade vielfältige Informationen, die nicht alle berücksichtigt werden konnten. Bei der Aktualisierung besonders der Tabellen und Schaubilder wurden wir von Stefanie Klag, Viktor Schiller und Robin Wagner tatkräftig unterstützt. Dafür möchten wir uns bei ihnen ganz herzlich bedanken. Ein besonderer Dank gilt auch wieder Martin Schüller, der uns noch viele Anregungen und Hinweise zu neueren Entwicklungen gegeben hat.

Michael von Hauff

Katja Claus

Vorwort zur 2. Auflage

Wir freuen uns, dass die erste Auflage unseres Buches „Fair Trade“ großes Interesse gefunden hat und daher schon jetzt die zweite Auflage erscheint. Bei dieser Gelegenheit möchten wir uns für konstruktive Anregungen von Rezensenten bedanken. Wir erhielten aber auch bei vielen Diskussionen mit Expertinnen und Experten Anregungen, die wir bei der Überarbeitung der ersten Auflage mit bedacht haben. Besonderer Dank gilt Martin Schüller von Fair Trade/Köln, der uns viele Dokumente zugänglich gemacht hat, die für den „outsider“ nicht leicht zugänglich sind. Dadurch konnten wir in das nicht immer ganz übersichtliche und transparente „Informationsgestrüpp“ zu Fair Trade zusätzlichen Einblick gewinnen. Wir bitten bei dieser Gelegenheit um Nachsicht, wenn sich uns auch bei der zweiten Auflage nicht alle Dokumente erschlossen haben. Wir würden uns daher freuen, wenn wir auch in Zukunft auf unberücksichtigte Quellen aufmerksam gemacht werden. Wir haben uns aber auch bei dieser Auflage bewusst auf die größeren Argumentationslinien konzentriert und beschränkt.

Michael von Hauff

Katja Claus

Vorwort zur 1. Auflage

Der internationale Handel zeichnete sich in den vergangenen Jahrzehnten durch eine starke Dynamik aus. An den internationalen Handelsgewinnen partizipierten die verschiedenen Länder, aber auch die verschiedenen Bevölkerungsgruppen in den Ländern jedoch sehr unterschiedlich. Neben den Industrieländern sind es besonders einige wenige aufstrebende Entwicklungsländer, die hohe Wachstumsraten ihrer Exporte und damit auch hohe Handelsgewinne erzielten. Brasilien, China und Indien sind hierfür Beispiele, wobei gerade in diesen Ländern die Teilhabe der Bevölkerung an den Handelsgewinnen sehr unterschiedlich ist. Die ungleichgewichtige internationale Handelsstruktur, aber auch die unterschiedliche Entwicklung des internationalen Handels in verschiedenen Regionen bzw. Ländern wurde in jüngerer Vergangenheit aus unterschiedlichen Richtungen heftig kritisiert. Das Buch konzentriert sich auf die ökonomische Sicht. Auch hier gibt es engagierte Kritiker.1

Diese Kritik ist jedoch nicht neu. Bereits Ende der 1940er Jahre kam es, als Gegenbewegung zu dem konventionellen internationalen Handel, zu der Fair-Trade-Bewegung, die ab den 1970er Jahren auch in Deutschland zunehmend mehr Beachtung und Bedeutung fand. In diesem Buch wird das Fair-Trade-Konzept dargestellt und von dem konventionellen Handel abgegrenzt. Dabei geht es sowohl um eine theoretische Analyse bzw. Begründung des Fair-Trade-Konzepts im Rahmen der Außenhandelstheorien als auch um eine Analyse der Entwicklungslinien von Fair Trade und die Wirkungen dieses Konzeptes.

Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Fair-Trade-Konzept auf dem Paradigma der nachhaltigen Entwicklung basiert. Bei diesem Paradigma geht es um die Gleichrangigkeit der ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimension. Das Paradigma nachhaltiger Entwicklung fordert weiterhin die intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit. Die Einordnung des Fair-Trade-Konzepts in das Paradigma der nachhaltigen Entwicklung wurde in der Literatur bisher jedoch kaum thematisiert. Daher erfährt dieses Themenfeld eine besondere Aufmerksamkeit.

Das Konzept von Fair Trade, aber auch die Akteure, haben sich in den vergangenen Jahren stark diversifiziert bzw. differenziert. Die folgenden Kapitel konzentrieren sich jedoch nur auf wesentliche Entwicklungslinien und Begründungszusammenhänge. Weiterführende Literaturquellen ermöglichen jedoch eine Vertiefung einzelner Aspekte.

Eine kleine Vereinfachung sei uns noch gestattet: bei allen Erläuterungen der Akteure sind natürlich immer sowohl weibliche wie männliche Akteure gemeint. Wenn wir also über Produzenten schreiben, meinen wir immer Produzentinnen und Produzenten.

Last but not least wurden wir von einer Reihe von Personen sehr hilfreich unterstützt. Stellvertretend möchten wir uns bei Frau Gözet und Frau Huff sowohl für Recherchen neuester Quellen bzw. Daten als auch für die mühsame Formatierung des Manuskriptes bedanken. Bei Frau Homm möchten wir uns für ein letztes Korrekturlesen des Manuskripts bedanken. Frau Dipl.-Volkswirtin Seitz hat uns im Theoriekapitel auf die Notwendigkeit einiger ergänzender Erläuterungen hingewiesen. Frau Dr. Ahrens und ihrer Mitarbeiterin, Frau Albert / Brot für die Welt, danken wir für wichtige inhaltliche Anregungen. Danksagungen dienen jedoch nicht dazu, mögliche Unzulänglichkeiten auf andere Personen abzuwälzen: für mögliche Unzulänglichkeiten sind ausschließlich wir Autoren verantwortlich.

Michael von Hauff

Katja Claus

1 Vgl. u.a. Stiglitz, J., Charlton, A.: Fair Trade for all. How trade can promote development, New York 2005.

Inhaltsübersicht

Vorwort

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

Die Struktur des Welthandelssystems und Entwicklungstendenzen des internationalen Handels

Anforderungen des Paradigmas nachhaltiger Entwicklung an den internationalen Handel

Das Konzept und die Bedeutung des Fairen Handels

Theoretische Begründung des internationalen Handels

Die Wirkung des Fairen Handels in Entwicklungsländern

Fairer Handel im Kontext der Entwicklungspolitik

Zusammenfassung und Ausblick

Anhan

Literatur

Stichwortverzeichnis

Inhalt

Vorwort

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

1.1 Problemstellung

1.2 Aufbau des Buches

Die Struktur des Welthandelssystems und Entwicklungstendenzen des internationalen Handels

2.1 Die Entwicklung der Struktur des internationalen Handels von 1929 bis heute

2.2 Die aktuelle Position der Entwicklungsländer im Welthandel

Anforderungen des Paradigmas nachhaltiger Entwicklung an den internationalen Handel

3.1 Wichtige Etappen der Entstehung des Paradigmas nachhaltiger Entwicklung

3.2 Die Konkretisierung der Dreidimensionalität

3.3 Die Beziehung der drei Dimensionen zueinander

3.4 Anforderungen nachhaltiger Entwicklung an das Welthandelssystem und die Entwicklung des internationalen Handels

Das Konzept und die Bedeutung des Fairen Handels

4.1 Historische Entwicklung

4.2 Grundsätze und Ziele

4.3 Organisation des Fairen Handels

4.4 Produkte und Produzenten

4.5 Zusammensetzung des „fairen Preises“

4.6 Distribution der Produkte

4.7 Die Stellung des Fairen Handels innerhalb des Welthandelssystems

4.8 Politischer Einfluss des Fairen Handels

Theoretische Begründung des internationalen Handels

5.1 Begründung des internationalen Handels auf der Grundlage der Modelle von Ricardo und Heckscher/Ohlin

5.1.1 Das Modell von David Ricardo

5.1.2 Das Modell von Heckscher/Ohlin

5.2 Skalenerträge und unvollständiger Wettbewerb als Ausgangspunkt der neuen Handelstheorie

5.3 Fairer Handel im Kontext der Handelstheorie

5.3.1 Fairer Handel und der Ansatz von Heckscher/Ohlin

5.3.2 Der Faire Handel und die neue Handelstheorie

5.3.3 Der Faire Handel und externe Effekte

5.3.4 Auswirkungen des Fairen Handels auf die Überproduktion

Die Wirkung des Fairen Handels in Entwicklungsländern

6.1 Ökonomische Wirkung

6.2 Soziale Wirkung

6.3 Ökologische Wirkung

6.4 Schlussfolgerungen

Fairer Handel im Kontext der Entwicklungspolitik

7.1 Grundlagen der Entwicklungszusammenarbeit

7.2 Fairer Handel als Konzept der Entwicklungszusammenarbeit

7.3 Entwicklungspolitische Komplementär- und/oder Alternativkonzepte zu Fair Trade

7.3.1 Allgemeines Präferenzsystem (APS)

7.3.2 Eine Neuorientierung der Agrarpolitik der Industrieländer

7.3.3 Public Private Partnership (PPP)

7.3.4 Von Corporate Social Responsibility (CSR) zu Social Business

7.3.5 Entwicklungszusammenarbeit in den Bereichen Bildung und Forschung

7.4 Die entwicklungspolitische Bewertung der Alternativen

7.5 Aktuelle Entwicklungen im Fairen Handel

Zusammenfassung und Ausblick

Anhang

Detaillierte Ausführungen zu Kapitel 5 Theoretische Begründung des internationalen Handels

Literatur

Stichwortverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 2-1 Das Welthandelssystem

Abb. 2-2 Weltexporte in den Jahren 2002, 2008, 2011 und 2015 (Mrd. US-$ und Anteil in Prozenten)

Abb. 2-3 Prozentuale Anteile der Sektoren an den Weltexporten 2015

Abb. 2-4 Hauptströme des Welthandels innerhalb der Triade im Jahr 2014

Abb. 2-5 Prozentualer Anteil an den Weltexporten (Waren) 1953-2015 nach Regionen

Abb. 2-6 Prozentualer Anteil an den Weltexporten (Waren) 1953-2015 (Asien, Lateinamerika, Afrika)

Abb. 2-7 Verteilung der Exporte (Waren und Dienstleistungen) im Jahr 2015 in Prozenten

Abb. 2-8 Verteilung der Importe (Waren und Dienstleistungen im Jahr 2015 in Prozenten

Abb. 2-9 Verteilung der Warenexporte in den Jahren 1953 und 2015

Abb. 2-10 Verteilung der Warenimporte in den Jahren 1953 und 2015

Abb. 2-11 Absoluter und prozentualer Anstieg der Exporte des primären Sektors (in Mrd. US-$ und %) 2003–2014

Abb. 2-12 Wachstum der Exporte von Gütern des primären Sektors nach Regionen in Mrd. US-$ 2003–2014

Abb. 3-1 Das Integrierende Nachhaltigkeitsdreieck

Abb. 3-2 Handlungsregeln für eine nachhaltige Entwicklung

Abb. 4-1 Bestandteile des Konzeptes „Fairer Handel“

Abb. 4-2 Kooperative Struktur

Abb. 4-3 Hired Labour Structure.

Abb. 4-4 Organisation des Fairen Handels

Abb. 4-5 Produktgruppen und prozentualer Anteil am Gesamtumsatz fair gehandelter Produkte

Abb. 4-6 Weltproduktion Kaffee nach Ländern Kaffeejahr 2015/2016

Abb. 4-7 Preisbildung bei der Importorganisation El Puente

Abb. 4-8 Entwicklung der TransFair-Produkte 1992–2011 in Deutschland

Abb. 4-9 Absatz von Fair-Trade-Produkten auf den 18 bedeutendsten Absatzmärkten in Mio. € (Vergleich in absoluten und Pro-Kopf-Werten für 2011)

Abb. 4-10 Geographische Verteilung der zertifizierten Produzentenorganisationen und deren Mitglieder im Jahr 2009

Abb. 7-1 Prozentualer Anteil der Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit am BNE

Abb. 9-1 Produktion von Tuch (Gut x) und Wein (Gut y) (in Stunden berechnet)

Abb. 9-2 Außenhandel im Modell von Ricardo

Abb. 9-3 Zusammenhang zwischen Güterpreisen und Produktionsfaktoren

Abb. 9-4 Transformationskurve

Abb. 9-5 Preisverhältnis und optimale Produktion im In- und Ausland (Autarkie)

Abb. 9-6 Transformationskurve und Preisgerade im Außenhandel

Abb. 9-7 Produktion der Länder im Falle von Außenhandel

Abb. 9-8 Spezialisierung bei steigenden Skalenerträgen

Abb. 9-9 a, b Preiserhöhung durch Fairen Handel

Abb. 9-10 Gleichgewichtspreis bei Außenhandel

Abb. 9-11 Entwicklung der Preise bei Fairem Handel

Abkürzungsverzeichnis

4C

4C Association

ACPC

Association of Coffee Producing Countries

AGOA

African Growth and Opportunity Act

AHO

Alternative Handelsorganisation

APS

Allgemeines Präferenzsystem

ATO

Alternative Trade Organization

BMBU

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

BMZ

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

BNE

Bruttonationaleinkommen (bis 1999 BSP)

BSP

Bruttosozialprodukt

CGIAR

Consultative Group on International Agriculture Research

DAAD

Deutscher Akademischer Austauschdienst

DAC

Development Assistance Committee

DSB

Dispute Settlement Board

dwp

Dritte-Welt-Partner

EFT

European Fair Trade Association

ETI

Ethical Trade Initiative

EU

Europäische Union

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

FAO

Food and Agricultural Organization

FI

Fairtrade International

FI

Fair Trade Siegelling Organization (seit 2011 Fairtrade International)

FoB

Free on Board

FTA

Fair Trade Association

FTF

Fair Trade Federation

FTO

Fair Trade Organization

GATS

General Agreement on Trade in Services

GATT

General Agreement on Tariffs and Trade

GEPA

Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der 3. Welt

GIZ

Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit

ICO

International Coffee Organization

IFAT

International Federation of Alternative Trade

ITO

International Trade Organization

IWF

Internationaler Währungsfond

KfW

Kreditanstalt für Wiederaufbau

LDC

Least Developed Countries

MERCOSUR

Mercado Comun del Cono Sur

NAFTA

North American Free Trade Agreement

NEWS!

Network of European World Shops

NRO

Nicht-Regierungsorganisation

NWI

Nationaler Wohlfahrtsindex

ODA

Official Development Assistance

OECD

Organisation for Economic Co-Operation and Development

PPP

Public Private Partnership

TRIP’s

Trade-Related Aspects of Intellectual Rights

UNCTAD

United Nations Conference on Trade and Development

UNDP

United Nations Development Programme

WB

Weltbank

WFTO

World Fair Trade Organization (ehemals IFAT und NEWS!)

WHO

World Health Organization

WTO

World Trade Organization

1 Einleitung

Im Rahmen der Globalisierung kam es zu einer wachsenden Ungleichverteilung der Erlöse des Welthandels. Viele Länder der Dritten Welt sind bis heute im internationalen Handel marginalisiert bzw. ausgeschlossen. Das gilt für die Mehrzahl der afrikanischen, aber auch für einige asiatische und südamerikanische Länder. Hiervon sind bestimmte Bevölkerungsgruppen, wie z. B. kleinbäuerliche Erzeuger in besonderem Maße betroffen. Der internationale Handel findet bisher ganz wesentlich zwischen den Industrienationen statt. Einigen wenigen Schwellenländern, wie Brasilien, China, Indien und Südafrika, ist es in den vergangenen Jahren gelungen, sich stärker in den Welthandel zu integrieren, wovon jedoch nur eine Minderheit der Bevölkerung in diesen Ländern profitiert. So blieben in diesen Ländern besonders die Kleinbauern von den Erlösen des Außenhandels ausgeschlossen. In diesem Kontext wird vielfach kritisiert, dass der internationale Handel nicht den Anforderungen der nachhaltigen Entwicklung gerecht wird, zu denen sich 1992 auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro Vertreter aus 178 Ländern bekannt haben.

Die Globalisierung hat aber auch dazu beigetragen, dass Entwicklungsländer und ihre wirtschaftliche, ökologische und soziale Situation verstärkt von einzelnen Menschen aber besonders auch von Nichtregierungsorganisationen (NRO) in Industrieländern wahrgenommen werden. In diesem Zusammenhang soll beispielsweise das Fairtrade-Siegel den Konsumenten die Möglichkeit geben, aktiv zu einer gerechteren Verteilung der Handelsgewinne beizutragen. Der in der Regel über dem Weltmarktniveau liegende Preis für fair gehandelte Produkte zielt darauf ab, den Produzenten in Entwicklungsländern eine angemessene Entlohnung für ihre Arbeit zu gewährleisten und ihnen und ihren Familien damit einen entsprechenden Lebensstandard zu ermöglichen.

Fair Trade zielt somit besonders darauf ab, die wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen von Kleinbauern zu verbessern und einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Die Erhaltung von Lebensraum und Lebensgrundlage soll auch die Migration der Kleinbauern in Städte oder gar über Ländergrenzen hinaus verhindern. Weiterreichende Ziele sind die Bekämpfung von Armut und die Wahrung der Menschenrechte. Für die Konsumenten in den Industrieländern bietet der Faire Handel eine Möglichkeit der ethischen Verpflichtung nachzukommen und bewusst einen Beitrag zur Verbesserung der Situation vieler Menschen in Entwicklungsländern zu leisten. Dadurch kann aber auch Armuts- und Klimamigration verringert werden, die in den nächsten Jahren verstärkt auf Industrieländer zukommen wird. Die entwicklungspolitische Bedeutung des Fairen Handels wird in den nächsten Kapiteln primär aus nachhaltiger Perspektive dargestellt.

1.1 Problemstellung

Die „Fair-Trade“-Bewegung kam aus den USA und entwickelte sich in Deutschland in den 1970er Jahren. Sie basierte auf der Kritik an dem dominierenden Paradigma des internationalen Handels. Der globale Handel orientiert sich an den niedrigsten Preisen für Güter – so die Kritiker – ohne dabei ökologische und soziale Standards zu berücksichtigen. Das Handelssystem begünstigt die stärkeren und benachteiligt die schwächeren Handelspartner. Daraus leitet sich das Ziel ab, den als ungerecht empfundenen Handel zumindest partiell gerechter zu gestalten. Innerhalb der letzten 40 Jahre haben verschiedene Organisationen und Akteure das Konzept Fair Trade entwickelt. Die zahlreichen Organisationen, die im Fairen Handel aktiv sind, kritisieren besonders die Benachteiligung der Produzenten, die im Landwirtschaftssektor in Entwicklungsländern tätig sind. Sie haben aus verschiedenen Gründen kaum Chancen, ihre Produkte auf den internationalen Märkten und besonders auf den Märkten der Industrieländer ihre Produkte zu verkaufen. Es gibt aber auch neuere Entwicklungen wie z.B. Tourismus, Bergbau, Textilien oder Emissionszertifikat, in denen Fair Trade ebenfalls aktiv wird. Diese neueren Entwicklungen werden auch vorgestellt.

Die Kritik im Kontext des Landwirtschaftssektors bezieht sich vor allem auf die niedrigen Weltmarktpreise vieler landwirtschaftlicher Produkte aus Entwicklungsländern und die Instrumente der Außenhandelspolitik der Industrieländer. Es geht dabei u. a. um die Subventionen im Agrarsektor sowie die unzureichende Öffnung der Märkte der Industrieländer für die kleinbäuerlichen Produkte aus Ländern der Dritten Welt. Hierbei sollte jedoch beachtet werden, dass es zwei unterschiedliche Kritikebenen gibt: zum einen geht es um Kleinbauern, die grundsätzlich keinen Zugang zu den Weltmärkten haben, da sie in ihren eigenen Ländern nicht entsprechend gefördert werden, und zum anderen geht es um Bauern, die durch Handelsrestriktionen der Industrieländer von deren Märkten ausgeschlossen werden. Diese beiden Kritikebenen überschneiden sich vielfach, wobei die erste Kritikebene in diesem Zusammenhang oft vernachlässigt wird und besonders den eigenen Regierungen anzulasten ist.

Neben dem ruinösen Verdrängungswettbewerb durch die agroindustrielle Produktion mit deren umwelt- und sozialschädlichen Produktionsmethoden, lässt sich das zentrale Problem wie folgt charakterisieren: Für Kleinbauern in Entwicklungsländern gibt es neben den geringen bzw. schwankenden Weltmarktpreisen und den Handelsrestriktionen der Industrieländer auch interne Probleme. So haben viele Kleinbauern grundsätzlich nicht die Möglichkeit, am internationalen Handel direkt teilzunehmen (sie produzieren zu geringe Mengen, es gibt einen Mangel an Verkehrsinfrastruktur, sie haben unzureichende Kenntnisse über die Funktionsweise des internationalen Handels etc.) und verkaufen daher ihre Produkte an lokale bzw. regionale Zwischenhändler, was die Einnahmen der Kleinbauern stark verringert. Das erklärte Ziel des Fairen Handels ist somit die Verbesserung der Arbeits- und Lebenssituation, besonders von Kleinbauern in Entwicklungsländern. Die Förderung zielt auf die Vorgabe ökonomischer, ökologischer und sozialer Standards bei der Produktion und die Unterstützung der Produzenten bei dem Auf- und Ausbau ihrer Kapazitäten und ihres Absatzes ab. Heute wird der Faire Handel von seinen Befürwortern somit als eine Form der Entwicklungszusammenarbeit und insbesondere der Armutsbekämpfung eingeordnet. Der Faire Handel ist zudem ein praxistauglicher Ansatz zur Erreichung der SDGS, insbesondere hinsichtlich SDG 1 Armutsbekämpfung, SDG 2 Hunger und Stärkung nachhaltiger Landwirtschaft, SDG 4 Förderung von Bildung und Weiterbildung für nachhaltige Entwicklung, SDG 5 Geschlechtergerechtigkeit, SDG 8 Nachhaltiges Wirtschaftswachstum und menschenwürdige Arbeitsbedingungen, SDG 12 Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster und SDG 12 Maßnahmen zum Klimaschutz.

Obwohl in den vergangenen Jahren zu dem Thema Fair Trade eine Vielzahl von Publikationen erschienen sind, die sich aber überwiegend mit den Fragen des nachhaltigen Konsums beschäftigen, sollten die theoretischen und empirischen Erkenntnisse, die belegen, ob und in welchem Maße der Faire Handel diesen Ansprüchen gerecht wird, weiter vertieft werden. Es gibt auch nur unzureichende Erkenntnisse darüber, ob das Konzept für die Produzenten in den Entwicklungsländern vorteilhafter ist als andere Handelskonzepte bzw. entwicklungspolitische Konzepte. Hinzu kommt, dass es in zunehmendem Maße auch große Einzelhandelskonzerne gibt, die Fair-Trade-Produkte anbieten. Dies führt bezüglich Produktion und Absatz zu veränderten Bedingungen, deren Auswirkungen noch kontrovers diskutiert werden.

Es stellt sich zunächst die grundsätzliche Frage, ob der Faire Handel dem freien Handel, welcher ohne Eingriffe und Beschränkungen abläuft, im Prinzip entsprechen würde. Wäre dies der Fall, müssten „nur“ alle Handelshemmnisse für benachteiligte Produzenten beseitigt werden. Das ist natürlich eine theoretische Fragestellung, da der freie Handel nur ein Idealzustand ist, der in der Realität kaum zu erreichen ist. Dennoch wird im Zusammenhang mit dem Freihandelsprinzip das Konzept des Fairen Handels oft kritisiert. Im Zentrum der Kritik steht die Einflussnahme auf die Produktpreise. Ein weiterer Kritikpunkt am Konzept Fairer Handel ist die unzureichende Zusammenarbeit der Fair-Handels-Organisationen mit Regierungen (sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern) und internationalen Organisationen (z.B. WTO, NRO).

Betrachtet man die Relevanz des Konzeptes, so belegen verschiedene Studien zum Fairen Handel, dass fair gehandelte Produkte trotz positiver Wachstumsraten noch einen Nischenmarkt bedienen. Die Ausdehnung des Umsatzvolumens fair gehandelter Produkte ist u.a. durch das begrenzte Produktsortiment und die Präferenzen der Konsumenten beschränkt. Daher wird oft die Frage gestellt, in welchem Maße eine Erhöhung der Nachfrage für fair gehandelte Produkte zum Beispiel in Deutschland, aber auch in anderen Ländern Europas überhaupt realisierbar ist bzw. wo hier die Grenzen des Konzeptes liegen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass in einigen europäischen Ländern wie der Schweiz und Großbritannien die Anteile schon heute deutlich höher liegen als in Deutschland. Daher ist auch nach den Gründen dieser unterschiedlichen Entwicklung in den verschiedenen Ländern zu fragen. Weiterhin ist zu analysieren, inwieweit es möglich ist, die von den Organisationen festgelegten Ziele umzusetzen und welchen Beitrag der Faire Handel bei der Erfüllung entwicklungspolitischer Aufgaben leisten kann. Der Bezugsrahmen für die Bewertung ist seit einigen Jahren das Paradigma der nachhaltigen Entwicklung. Die exemplarische Präsentation der Problemstellung zeigt, dass es zu dem Konzept Fair Trade eine kontroverse Diskussion gibt, die in den folgenden Kapiteln berücksichtigt wird.

1.2 Aufbau des Buches

Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit dem Konzept des Fairen Handels und den daraus entstehenden entwicklungspolitischen Konsequenzen für die beteiligten Produzenten und Produzentenländer. In Kapitel 2 werden zunächst die Struktur des Welthandelssystems und die Entwicklung des internationalen Handels erläutert. Dabei geht es um die Frage, ob und in welchem Maße Ungleichgewichte zu ungunsten der Entwicklungsländer bzw. bestimmter Gruppen festzustellen sind.

Das Konzept des fairen Handels ist auf das Leitbild nachhaltiger Entwicklung ausgerichtet. Daher werden im folgenden Kapitel 3 die Anforderungen des Paradigmas nachhaltiger Entwicklung an Fair Trade erläutert. Daraus wird auch deutlich, welchen konkreten Anforderungen das Konzept Fair Trade genügen muss. Aus diesem Paradigma leiten sich schließlich für den internationalen Handel Anforderungen ab, die in der Außenhandelsliteratur und in den internationalen Verhandlungen bisher noch weitgehend vernachlässigt beziehungsweise nicht akzeptiert wurden.

In Kapitel 4 wird das Konzept des Fairen Handels vorgestellt. Dabei geht es sowohl um die Entstehung als auch um die Entwicklung und um aktuelle Entwicklungstrends des Konzepts. Hierbei wird auch auf die Grundprinzipien und die in den Fairen Handel involvierten Akteure eingegangen. Weiterhin werden der politische Einfluss und der Stellenwert der Produkte innerhalb des Welthandels analysiert.

In Kapitel 5 werden ausgewählte außenhandelstheoretische Ansätze vorgestellt und diskutiert. Dabei geht es um die Frage, welcher der außenhandelstheoretischen Ansätze auf das Konzept des Fair Trade angewandt werden kann. Die Begründung des internationalen Handels erfolgt zunächst anhand des Ansatzes von Ricardo und anschließend durch den Ansatz von Heckscher und Ohlin. In dem folgenden Schritt wird der Ansatz der steigenden Skalenerträge, der der neuen Handelstheorie zuzuordnen ist, erläutert. Aufbauend auf der theoretischen Analyse erfolgt die Beurteilung des Fairen Handels aus handelstheoretischer Sicht. Dabei geht es auch um mögliche externe Effekte. Dabei wird deutlich, ob bzw. in welchem Maße Fair Trade ein alternatives Handelskonzept ist. Die Darstellung der verschiedenen außenhandelstheoretischen Ansätze erfolgt in dem Kapitel jedoch ganz allgemeinverständlich. Im Anhang wird für interessierte Leser noch die Darstellung der formalen, d.h. mathematisch und grafisch dargestellten theoretischen Ansätze bzw. Modelle, vorgestellt.

Die Auswirkungen des Fairen Handels primär auf die Produzenten werden in Kapitel 6 aufgezeigt. Dabei wird sowohl auf positive als auch auf noch nicht befriedigende Effekte eingegangen. Das Ziel ist, die ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen des Fairen Handels im Vergleich zu dem durch den konventionellen Handel benachteiligten Produzenten in den Ländern der Dritten Welt aufzuzeigen. Unter Einbeziehung empirischer Untersuchungen und Fallstudien werden die Auswirkungen näher beleuchtet. Das Konzept Fair Trade wird in Kapitel 7 in den Kontext von Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit gestellt. Dabei werden auch entwicklungspolitische Alternativen vorgestellt und bewertet. In Kapitel 8 erfolgt eine Zusammenfassung des Buches und ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungstendenzen.

2 Die Struktur des Welthandelssystems und Entwicklungstendenzen des internationalen Handels

Die Kritik am konventionellen Handel führte zur Entstehung des Konzeptes Fairer Handel. Im folgenden Kapitel wird die Entwicklung des Welthandelssystems mit besonderer Berücksichtigung der Entwicklungsländer dargestellt. Einige Fragen hierzu sind: In welchem Maße sind Enwicklungsländer in den internationalen Handel eingebunden? Unter welchen Bedingungen haben sie die Möglichkeit daran teilzunehmen? In diesem Kontext sind die verschiedenen Formen von Handelshemmnissen von Bedeutung? Ein grundlegendes Problem des gegenwärtigen internationalen Handelssystems ist das Nichtvorhandensein einer neutralen „Weltregierung“ im Sinne einer Global Governance, die für eine Abstimmung der nationalen Außenhandelspolitiken zuständig ist, diese koordiniert und eine demokratische Aufsichtsfunktion einnimmt.2 Dieses Defizit führt zu Interessenkonflikten, und es kommt in der globalen Wirtschaft zu großen Ungleichgewichten.3

Während in der Außenhandelstheorie aufgezeigt wurde, dass der Freihandel grundsätzlich für alle Länder von Vorteil ist, kommt es in der Realität zu vielfältigen Formen von Handelshemmnissen. Sie beeinflussen den internationalen Handel in hohem Maße. Es wird allgemein unterschieden zwischen tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen. Die tarifären Handelshemmnisse (hauptsächlich Zölle) werden primär durch die Quantität der importierten Güter bestimmt. Die nicht tarifären Handelshemmnisse werden verstärkt angewandt, wenn tarifäre Handelshemmnisse durch internationale Bestimmungen und Abkommen limitiert oder gar untersagt sind. Blickt man in die Vergangenheit, so stellt man fest, dass nicht tarifäre Handelshemmnisse verstärkt zum Einsatz kamen, nachdem in den 1970er Jahren die Zölle in den einzelnen GATT Runden immer mehr abgebaut wurden.

Zu den nicht-tarifären Handelshemmnissen gehören beispielsweise Subventionen, Anti-Dumping-Zölle, sowie ökologische oder soziale Standards. Die Erfüllung dieser Standards muss von den jeweiligen Produzenten nachgewiesen werden. Die Anwendung der genannten Beschränkungen sollen Unternehmen und Branchen im eigenen Land schützen. Oftmals stehen diese Instrumente zur Beschränkung der Einfuhr von Produkten aus anderen Ländern mit der wirtschaftlichen Lage im Importland in engem Zusammenhang. Der Schutz eines Unternehmens, einer Branche oder eines Sektors durch außenpolitische Maßnahmen wird als Protektionismus bezeichnet. Die protektionistischen Maßnahmen der Industrieländer können Produzenten in Enwicklungsländern die Teilnahme am internationalen Handel erschweren.

Das Konzept des Fairen Handels soll dazu beitragen, dass Produzenten in Enwicklungsländern am internationalen Handel teilnehmen und von ihm profitieren können. Es geht aber auch um die Stärkung des „empowerments“ der Produzenten. In dem folgenden Abschnitt wird zunächst die Entwicklung des Welthandelssystems in den letzten Jahrzehnten dargestellt.

2.1 Die Entwicklung der Struktur des internationalen Handels von 1929 bis heute

Die ersten Tendenzen einer Intensivierung des internationalen Handels und damit einer zunehmenden Verflechtung der Märkte kann man seit Ende des ausgehenden 19. Jahrhunderts feststellen. Die Entwicklung war vor allem durch die Liberalisierung der Märkte geprägt. Diese Entwicklung wurde jedoch durch die Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 in starkem Maße eingeschränkt. Die wachsenden nationalen Wirtschaftsprobleme führten dazu, dass die Aktivitäten auf den internationalen Märkten sehr stark abnahmen. Schutzmaßnahmen der eigenen Binnenmärkte waren die Konsequenz. Es wurden besonders tarifäre Handelshemmnisse, wie Zölle, eingesetzt. Neben dem Ziel, den Binnenmarkt vor ausländischen Produzenten zu schützen, waren Zölle zu diesem Zeitpunkt auch eine wichtige Einnahmequelle des Staates. Der Schutz der eigenen Märkte führte zu einem Rückgang des Welthandels auf ein Sechstel des Standes vor 1929.4 Diese Phase des verstärkten Protektionismus hielt bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges an.

Noch während des Zweiten Weltkrieges kam es zwischen den Alliierten zu den berühmten Verhandlungen in Bretton Woods. Die Gestaltung und Förderung der internationalen Handelsbeziehungen stand auf der Tagesordnung. Der Schwerpunkt lag auf der Konzipierung eines stabilen internationalen Währungssystems als wichtige Voraussetzung der Ausweitung des weltweiten Handels. Als Ergebnis dieser Verhandlungen wurden die internationalen Finanzinstitutionen, d. h. der Internationale Währungsfond (IWF) und die Weltbank (WB) als verantwortliche Institutionen zur Stabilisierung der internationalen Währungs- und Finanzpolitik gegründet.

Im Jahr 1946 folgte die internationale Konferenz für Handel und Beschäftigung. Das Ziel dieser Konferenz war die Gründung einer Welthandelsorganisation welche die bereits bestehenden internationalen Finanzinstitutionen ergänzen sollte. Dieses Vorhaben konnte jedoch nicht realisiert werden. Einige Staaten – besonders die USA – befürchteten einen zu großen Einfluss der geplanten Welthandelsorganisation auf die Souveränität der nationalen (Handels-) Politik. Als Minimallösung kam es im Jahr 1947 zur Gründung des „General Agreement on Tariffs and Trade (GATT)“. GATT wurde zunächst von 23 Ländern unterzeichnet und trat 1948 in Kraft. Im Mittelpunkt von GATT standen Vereinbarungen über Zollsenkungen.5 GATT war ursprünglich als eine Unterorganisation bzw. als ein Politikbereich der internationalen Handelsorganisation, d. h. der International Trade Organization (ITO), geplant. Die Bildung der internationalen Handelsorganisation zur Förderung des internationalen Handels scheiterte schließlich 1948 auf der Havanna-Konferenz.

Nach der Gründung von GATT wurden in den folgenden Jahrzehnten zahlreiche Handelsbarrieren abgeschafft. Dabei ging es besonders um ein Absenken des Zollniveaus. Diese Phase der zunehmenden Liberalisierung der Märkte hielt bis zu dem ersten Ölpreisschock im Jahr 1973 an. Im Rahmen der Verteuerung der Energiepreise verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Öl importierenden Länder in starkem Maße. Die Reaktion der Regierungen dieser Länder war das Ergreifen von Schutzmaßnahmen, d. h. die verstärkte Einführung von Handelsbarrieren.

Da die Einführung neuer tarifärer Handelshemmnisse durch GATT untersagt war, wurden nun verstärkt nicht tarifäre Handelshemmnisse eingeführt. Hierzu gehörten zum Beispiel auch die Anti-Dumping-Zölle (Ausgleich von Nachteilen, die durch Dumping ausländischer Anbieter entstehen). Während alle GATT-Mitglieder in den 1960er Jahren circa 12 Anti-Dumping-Maßnahmen pro Jahr einführten, waren es in den 1970er Jahren allein in den USA schon 35 Maßnahmen pro Jahr. Der Anteil der begründeten Anti-Dumping-Zölle ist dabei als gering einzuschätzen.6

Bis Anfang der 1980er Jahre hielt die Phase des Protektionismus an. Während der Uruguay-Runde (1986-1994) wurden die Verhandlungen über einen erneuten Zollabbau wieder aufgenommen. Neben der Forderung nach dem weiteren Abbau aller tarifären Handelshemmnisse wurde auch die Umwandlung der nicht tarifären in tarifäre Handelshemmnisse diskutiert, welche anschließend schrittweise abgebaut werden sollten. Diese Verhandlungen führten nur teilweise zum Erfolg. Zwar sanken nach der Uruguay-Runde die durchschnittlichen Zölle um 40% auf 3,9%. Aber es gibt bis heute noch einige hohe Zölle.7

Beispielsweise wurden die von den USA und der EU umgewandelten nicht tarifären Handelshemmnisse als tarifäre Handelshemmnisse höher angesetzt.8 Als wichtigstes Ergebnis dieser Verhandlungsrunde wurde jedoch am 15.4.1994 die Gründung der World Trade Organization (WTO) initiiert. Sie trat am 1.1.1995 in Kraft. Dabei konnten auch die ehemaligen Kritiker wie die USA mit eingebunden werden. Das Ziel ist der Abbau von Handelshemmnissen, d. h. die Liberalisierung des internationalen Handels. Dabei geht sie weit über die Möglichkeiten von GATT hinaus, wie im Folgenden noch gezeigt wird. Als eigenständige Institution kann die WTO nationale Handelspolitiken und die Umsetzung von vereinbarten Maßnahmen überwachen und hat eine Vollmacht zur Durchsetzung ihrer Grundprinzipien. In der Präambel ist folgende Vereinbarung zu finden, die im Zusammenhang mit Fair Trade von hoher Relevanz ist:

The Parties to this Agreement,

“Recognizing that their relations in the field of trade and economic endeavour should be conducted with a view to raising standards of living, ensuring full employment and a large and steadily growing volume of real income and effective demand, and expanding the production of and trade in goods and services, while allowing for the optimal use of the world’s resources in accordance with the objective of sustainable development, seeking both to protect and preserve the environment and to enhance the means for doing so in a manner consistent with their respective needs and concerns at different levels of economic development.”

Die WTO untergliedert sich in vier eigenständige Aufgabenbereiche. Wie in Abbildung 2-1 aufgezeigt wird, geht es dabei um folgende Aufgabenbereiche:

General Agreement on Tariffs and Trade (GATT),

General Agreement on Trade in Services (GATS),

Dispute Settlement Board (DSB) und

Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIP’s).

Während das GATT bereits kurz erläutert wurde, handelt es sich bei dem General Agreement on Trade in Services (GATS) um ein Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen. Das Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIP’s) legt die minimalen Anforderungen hinsichtlich handelsbezogener Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum fest. Folgende Gebiete werden dabei u.a. einbezogen: Patente, Urheberrechte und Markenzeichen, Dienstleistungsmarken und Industriell Design. Die Absicht der Vereinbarungen ist es, die Unterschiede der einzelnen Nationen in der Behandlung der Eigentumsrechte zu reduzieren und gemeinsame internationale Regeln festzulegen (Minimum Schutz Level). Das Dispute Settlement Board (DSB) ist die Streitschlichtungsinstanz der WTO zur Beilegung strittiger handelsrechtlicher Fragen. Bei einem Verstoß gegen die Handelsregeln können die beteiligten Mitglieder Beschwerde beim DSB einreichen, woraufhin unabhängige Expertengremien die vorgelegten Fälle untersuchen und zu einer Schlichtung führen.9

Abb. 2-1: Das Welthandelssystem10

Durch die Abkommen, die während der Uruguay-Runde getroffen wurden, kam es nach 1994 zu einer Reihe von weiteren Handelsliberalisierungen, die hier jedoch nicht aufgeführt werden sollen. Der WTO gehören gegenwärtig 164 Länder an (Stand 29.07.2016), die 97% des Welthandels auf sich vereinen. Weitere Staaten befinden sich in Beitrittsverhandlungen.11 Der Anteil der Entwicklungsländer als Mitglieder der WTO liegt bei etwa zwei Drittel. Von den insgesamt 48 Least Developed Countries (LDC) sind 35 Länder Mitglied der WTO. Die aktuelle Verhandlungsrunde der WTO wird nach dem Ort ihres Verhandlungsbeginns „Doha-Runde“ genannt. Ihr liegt die Doha Development Agenda (DDA) zu Grunde. Diese Runde wurde im Jahr 2001 begonnen. Sie konnte jedoch nicht wie geplant im Dezember 2004 abgeschlossen werden. WTO Verhandlungen unterliegen dem Prinzip des “Single Undertaking” – Beschlüsse zu einzelnen Punkten werden erst verbindlich, wenn zu allen Verhandlungsgegenständen Konsens besteht. Die Doha-Runde wird im Folgenden ausführlicher vorgestellt, da sie die Konflikte zwischen Entwicklungs- und Industrieländern verdeutlicht.

Das Ziel der Doha-Runde ist die weitere Öffnung der internationalen Märkte und die bessere Integration der Entwicklungsländer in das Welthandelssystem. Die klare Ausrichtung einer Verhandlungsrunde auf die Verbesserung der Position der Entwicklungsländer im Welthandel ist hier besonders hervorzuheben. Im Vordergrund steht der Agrarsektor. Die Entwicklungsländer fordern einen besseren Marktzugang für ihre landwirtschaftlichen Produkte in Industrieländern. Dies soll durch einen Abbau von Importquoten und Zöllen, aber auch durch die Reduzierung der Subventionen im Agrarsektor der Industrieländer erreicht werden.

Die Ministererklärung, welche am 14.11.2001 in Doha verabschiedet wurde, beschreibt dies wie folgt:

“2. International trade can play a major role in the promotion of economic development and the alleviation of poverty. […] The majority of WTO Members are developing countries. We seek to place their needs and interests at the heart of the Work Programme adopted in this Declaration. Recalling the Preamble to the Marrakesh Agreement, we shall continue to make positive efforts designed to ensure that developing countries, and especially the least-developed among them, secure a share in the growth of world trade commensurate with the needs of their economic development”.12

Die Industrieländer fordern eine Senkung der Industriegüterzölle der Schwellenländer. Während der Verhandlung festgelegte Liberalisierungsvereinbarungen sollen für Entwicklungsländer nur bedingt gelten. Die Konferenz scheiterte jedoch im September 2003 im mexikanischen Cancún. Grund hierfür waren die für die Entwicklungsländer nicht zufriedenstellenden Verhandlungen zum Subventionsabbau in der Landwirtschaft der EU und der USA. Im Mai 2004 wurden die Verhandlungen auf Initiative der EU wieder aufgenommen. Doch auch dieser Versuch scheiterte. Dennoch wurde von den damaligen 148 Mitgliedsländern eine Rahmenvereinbarung für die Fortsetzung der Runde verabschiedet. Zu den Inhalten dieser Vereinbarung zählen unter anderem die weitere Begrenzung der landwirtschaftlichen Beihilfen und das Auslaufen aller Exportsubventionen für landwirtschaftliche Produkte.

Auf der Ministerkonferenz der WTO in Hongkong im Dezember 2005 wurde festgelegt, dass bis zum Jahr 2013 alle landwirtschaftlichen Agrar-Exportsubventionen in Industrieländern (insbesondere EU, USA und Kanada) abgeschafft werden sollen. Ein zusätzliches Maßnahmenpaket zielt darauf ab, dass den LDC’s ein quotenfreier Zugang zu allen Industrieländern und ausgewählten Schwellenländern gewährt wird. Die Ministerkonferenz in Hongkong wurde mit dem Beschluss, die aktuelle Entwicklungsrunde bis 2006 erfolgreich abzuschließen, beendet. Dieser Beschluss konnte jedoch nicht in die Realität umgesetzt werden, da es im Jahr 2006 weitere Uneinigkeiten bezüglich der Zollkürzungen bei Agrar- und Industriegütern und des Abbaus der Agrarbeihilfen gab.13

Im Februar 2007 folgte eine erneute Aufnahme der Verhandlungen. Es wurden Gespräche zwischen verschiedenen Ländern geführt. Die Handelsminister der G8-Staaten hatten sich den Abschluss der Doha-Runde bis Ende 2007 zum Ziel gesetzt. Der Vorsitzende der Agrarverhandlungen legte ein Diskussionspapier mit konkreten Zielvorgaben vor. Im Juni 2007 gab es ein weiteres Treffen der G4-Staaten (EU, USA, Brasilien und Indien). Auch diese Gespräche wurden aufgrund von Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Agrarsubventionen vorzeitig und ohne Ergebnis abgebrochen. Der EU-Handelskommissar Peter Mandelson forderte im Gegenzug eine Marktöffnung der Schwellenländer für Industriegüter. Ein wesentlicher Grund für einen erneuten Abbruch der Verhandlungsrunde war die Weigerung von Indien und China, ihre Agrarmärkte zu öffnen. Es ging ihnen darum, ihre Kleinbauern vor der subventionierten Konkurrenz aus Industrieländern zu schützen. Hier spiegelt sich einer der zentralen Konflikte wider, der im Kontext von Fair Trade eine große Bedeutung hat.

Für Juli 2008 wurde daher ein weiteres Treffen in Genf vereinbart. Hauptziel dieser Verhandlungsrunde war eine Senkung der Zölle und der Agrarsubventionen. Eine weitere Ministerkonferenz fand im Dezember 2009 statt. Hier wurde von allen Mitgliedern deutlich hervorgehoben, dass es das Ziel sein muss, die Doha-Runde erfolgreich abzuschließen. Im November 2010 sagten die Mitglieder der G20 ihre Bereitschaft zu, die Verhandlungen zu beschleunigen und 2011 abzuschließen. Die USA erhoben aber Einspruch gegen die bereits 2008 erzielten Verhandlungsergebnisse und forderten einen verbesserten Zugang zu Agrar- und Industriegütermärkten in Brasilien, China und Indien.

Die Mitglieder der Doha-Runde fühlen sich im Prinzip zum abschließenden Erfolg der Verhandlungen verpflichtet. Gegensätzliche Positionen blockieren die Verhandlungen aber immer wieder. Im Mai 2012 berichtete P. Lamy dem allgemeinen Rat der WTO, dass die Doha-Verhandlungen fortgesetzt werden sollen. Auf der Agenda stand der Abschluss weniger strittiger Themen (z. B. zoll- und quotenfreier Marktzugang für LDC Länder in allen Industrie- und Schwellenländern).14 Am 19.12.2015 kam es auf der 10. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation in Nairobi nach langem Ringen, die eine Reihe von Einigungen brachte, zu einem historischen Wendepunkt der Doha-Runde. Vertreter einiger Staaten haben sich erstmals offiziell für den Abbruch der 14 Jahre dauernden Doha Verhandlungen ausgesprochen. Während die Entwicklungsländer weiter verhandeln wollten, haben sich Vertreter einiger Industrieländer, besonders der USA, für einen Abbruch ausgesprochen. Obwohl es also nicht zu dem erhofften großen Durchbruch kam, konnten dennoch einige Meilensteine realisiert werden. Zu nennen ist besonders die Einigung, wonach Exportsubventionen für landwirtschaftliche Produkte rund um den Globus abgeschafft werden. Dies war bisher einer der wesentlichen Streitpunkte woran ein Doha-Durchbruch scheiterte. So kann festgestellt werden, dass multilaterale Verhandlungen durchaus zu Erfolgen führen können, auch wenn ein Maximum nicht realisiert wird.

Bewertet man zum Beispiel die Wirkungen von Agrarsubventionen, die von Entwicklungsländern besonders heftig kritisiert wurden, so kann man zu unterschiedlichen Erkenntnissen kommen. Sie sind aus der Perspektive von Fair Trade hoch relevant. Das am häufigsten genannte Beispiel in diesem Zusammenhang sind Baumwollsubventionen der USA, die die