Nachhaltigkeit – Paradigma und Pflicht der Völkergemeinschaft - Michael von Hauff - E-Book

Nachhaltigkeit – Paradigma und Pflicht der Völkergemeinschaft E-Book

Michael von Hauff

0,0
15,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Bundesregierung hat sich in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ein hohes Ziel gesetzt. Im Rahmen einer Selbsteinschätzung stellt sie jedoch fest, dass das bisherige Handeln bei weitem nicht ausreicht um einen politisch erwünschten nachhaltigen Entwicklungspfad konsequent zu gehen. Diese Erkenntnis gilt für alle Bereiche des Landes, auch wenn es in Wissenschaft, Forschung, Bildung, Wirtschaft und der Gesellschaft ermutigende Beispiele gibt. In den beiden ersten Kapiteln werden einige Grundlagen zur nachhaltigen Entwicklung vorgegeben, um den Anspruch des Paradigmas zu verdeutlichen. Begründung: Der Grundkonsens in der Fachwelt hat sich in Politik, Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft noch nicht in gewünschtem Maße durchgesetzt. Danach geht es primär darum das Spannungsfeld zwischen ermutigenden und unzureichenden Entwicklungen zur nachhaltigen Entwicklung deutlich zu machen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Michael von Hauff

Nachhaltigkeit – Selbstverpflichtung der Völkergemeinschaft

Umschlagabbildung: © adventtr iStockphoto

 

DOI: https://doi.org/10.24053/9783381112821

 

© UVK Verlag 2024‒ Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich.

 

Internet: www.narr.deeMail: [email protected]

 

ISBN 978-3-381-11281-4 (Print)

ISBN 978-3-381-11283-8 (ePub)

Inhalt

Vorwort1 Entstehung des Paradigmas Nachhaltigkeit1.1 Vorläufer nachhaltiger Entwicklung1.2 Der Brundtland-Bericht1.3 Der Rio-Prozess2 Anforderungen nachhaltiger Entwicklung2.1 Die Kontroverse: schwache versus starke Nachhaltigkeit2.2 Die Auflösung der Kontroverse2.3 Die drei Dimensionen nachhaltiger EntwicklungÖkologische NachhaltigkeitÖkonomische NachhaltigkeitSoziale Nachhaltigkeit2.4 Die Beziehungen der drei Dimensionen zueinander2.5 Die Relevanz von Innovationen3 Gerechtigkeit als konstitutives Element nachhaltiger Entwicklung3.1 Gerechtigkeit nach Amartya Sen3.2 Klimagerechtigkeit – Das unbewältigte Problem4 Die Bedeutung der Digitalisierung für die nachhaltige Entwicklung4.1 Digitalisierung: Einordnung in die nachhaltige Entwicklung4.2 Ökologische Chancen und Risiken der Digitalisierung für nachhaltige Entwicklung4.3 Perspektiven der Digitalisierung zur Stärkung nachhaltiger Entwicklung5 Die Entwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie5.1 Anforderungen an eine Nachhaltigkeitsstrategie5.2 Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 20025.3 Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie – Neuauflage 2016VorbemerkungAktualisierung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 20185.4 Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie – Weiterentwicklung 20216 Die Bewertung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie6.1 Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 20216.2 Hemmnisse der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie7 Nachhaltige Entwicklung – Eine vorläufige Bestandsaufnahme und Potenziale der Weiterentwicklung8 AusblickLiteraturIndex

Vorwort

Der Anspruch der Bundesregierung an die Gestaltung und Umsetzung nachhaltiger Entwicklung:

„Für uns ist die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung grundlegendes Ziel und Maßstab des Regierungshandelns. … Um die Ziele der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und der Agenda 2030Agenda 2030 zu erreichen, müssen wir den Weg einer wirklich anspruchsvollen Transformation gehen, der wichtige Bereiche wie Energie, Kreislaufwirtschaft, Wohnen, Verkehr, Ernährung und Landwirtschaft umfasst. In Deutschland wollen wir mit der Weiterentwicklung unserer Nachhaltigkeitsstrategie insbesondere mit Bildung, Forschung und Innovationen den TransformationsprozessTransformationsprozess voranbringen.“ (Die Bundesregierung 2021).

Die Bundesregierung Deutschlands hat sich mit der NachhaltigkeitsstrategieNachhaltigkeitsstrategie von 2016 und der Weiterentwicklung 2021 ein hohes Ziel gesetzt. Betrachtet man Reden von Politikerinnen und Politikern auf Bundes- als auch auf Landesebene aufmerksam, wird in „politischen Statements“ auf die nationale Nachhaltigkeitsstrategie im Sinne von „Ziel und Maßstab des Regierungshandelns“ kaum Bezug genommen. Dabei hat die Bundesregierung im Rahmen einer Selbsteinschätzung festgestellt, dass das bisherige Handeln bei weitem noch nicht ausreicht, um einen nachhaltigen Entwicklungspfad konsequent zu gehen.

Diese Erkenntnis gilt für alle Bereiche des Landes, auch wenn es auf Bundesebene und auch in einzelnen Bundesländern, in Wissenschaft, Forschung, Bildung, Wirtschaft und Gesellschaft ermutigende bzw. vorbildliche Beispiele hinsichtlich der Umsetzung schon gibt. So gibt es u. a. Hochschulen wie die Universität Lüneburg oder die Hochschule für Nachhaltigkeit Eberswalde in denen Nachhaltigkeit in Forschung und Lehre stattfindet oder Unternehmen und Verbände die bestrebt sind Nachhaltigkeit umzusetzen und gesellschaftliche Gruppen, die das Thema mit Nachdruck fördern. Dabei gilt jedoch zu berücksichtigen, dass nachhaltige Entwicklung ein dynamischer Prozess ist, da immer wieder neue Herausforderung hinzukommen oder Herausforderungen an Bedeutung bzw. Dringlichkeit zunehmen die zu bewältigen sind.

Betrachtet man sich die aktuelle Situation allgemein, so findet das Thema in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen immer mehr Beachtung. Dabei ist jedoch zu unterscheiden zwischen echtem Engagement und dem verbalen Missbrauch dieses Paradigmas u. a. in der Werbung, wo der Begriff oft ohne einen konkreten Bezug bzw. Sinn verwendet wird. Vielfach mangelt es noch an einem fundierten Wissen und an einer konsequenten und konsistenten Umsetzung. Besonders Bildungseinrichtungen wie Schulen, Hochschulen und sonstige Bildungseinrichtungen wie Akademien sind gefordert Kompetenzen für einen Transformationsprozess zu mehr Nachhaltigkeit zu fördern. Die mangelnde Umsetzung nachhaltiger Entwicklung z. B. im Bereich des KlimasKlima oder der BiodiversitätBiodiversität hat für zukünftige Generationen weitrechende negative Folgen. Für Fehlentwicklungen sind frühere GenerationenGenerationen, aber auch die heute lebende Generation verantwortlich.

Die Umsetzung nachhaltiger Entwicklung erfordert den vielfältigen und schwerwiegenden Problemen wie Klimawandel, Verlust an Artenvielfalt, dem umweltbelastenden Wirtschaften und Konsumieren aber auch der Ungleichheit bzw. dem Mangel an GerechtigkeitGerechtigkeit gezielt und konsequent entgegenzutreten. Das macht es notwendig gesicherte bzw. gewohnte Wege zu verlassen, was oft mit einer gewissen Unsicherheit verbunden ist, da die Folgewirkungen häufig nicht klar erkennbar sind oder die Trägheit bzw. PfadabhängigkeitPfadabhängigkeit einfach obsiegt. Die Stärkung des Transformationsprozesses zu nachhaltiger Entwicklung erfordert eine stärkere Kohärenz im politischen Handeln aber auch ein stärkeres Engagement von Akteuren der Wissenschaft, der Wirtschaft, der Verbände, der Civil Society und der Kirchen im Sinne eines Gemeinschaftswerkes Nachhaltigkeit. Das Buch möchte zu einem besseren Verständnis nachhaltiger Entwicklung beitragen und aufzeigen, was notwendig ist, von den gewohnten Pfaden zu einem intensiveren und umfassenden Transformationsprozess nachhaltiger Entwicklung zu gelangen. Dabei geht es auch um die Frage wer diesen Transformationsprozess bewusst behindert oder blockiert.

Die Ausführungen in dem ersten Kapitel geben einen komprimierten Überblick über die Entstehungsgeschichte des Paradigmas nachhaltiger Entwicklung. Dabei wird deutlich, dass es sich um ein relativ altes Paradigma handelt, das weiterentwickelt und diversifiziert wurde. In dem folgenden Kapitel werden dann die Grundlagen an eine nachhaltige Entwicklung aufgezeigt. Dabei steht das Novum des Paradigmas im Mittelpunkt: Es geht um die Dreidimensionalität nachhaltiger Entwicklung wonach die drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales zu einem stabilen Gleichgewicht zusammengeführt werden sollen. Dabei gilt zu berücksichtigen, dass ohne stabile Ökosysteme ein Überleben der Menschheit nicht möglich ist.

Gerechtigkeit als konstitutives Element nachhaltiger Entwicklung wird in Kapitel drei erläutert. Es wurde in der Nachhaltigkeitsdiskussion bisher vernachlässigt und sollte daher in Zukunft mehr Beachtung finden. Kapitel vier wendet sich der Digitalisierung zu, die für die Weiterentwicklung nachhaltiger Entwicklung noch vielfältige Möglichkeiten bietet. Nach dem Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen lautet die Maxime: die Digitalisierung muss so gestaltet werden, dass sie als Hebel und Unterstützung für die große Transformation zur Nachhaltigkeit dient.

Die beiden folgenden Kapitel wenden sich dann der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie ausführlich zu. Zunächst wird die Zielrichtung aufgezeigt, um anschließend den Stand der Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie zu bewerten. In Kapitel sieben wird eine vorläufige Bestandsaufnahme nachhaltiger Entwicklung vorgenommen und die Potenziale der Weiterentwicklung in Deutschland diskutiert. Das sehr umfangreiche Thema der nachhaltigen Entwicklung kann in diesem Buch nur kursorisch vorgestellt werden. Eine Vielzahl von Literaturquellen, die aufgeführt werden, ermöglicht es dem Leser einzelne Aspekte zu vertiefen.

 

Stuttgart 2024    Michael von Hauff

1Entstehung des Paradigmas Nachhaltigkeit

Nachhaltige Entwicklung hat eine Reihe von Vorläufern, die teilweise mehrere Jahrhunderte zurück reichen. Der Begriff fand seinen Ursprung in der Wald- und ForstwirtschaftForstwirtschaft. Das Gleichgewicht zwischen Abholzung und Aufforstung sollte durch die Erhaltung der Waldbestände angestrebt werden, um dadurch Holzknappheit und damit weitreichende wirtschaftliche und soziale Folgen zu vermeiden. Eine wichtige Etappe nachhaltiger Entwicklung begann dann zu Beginn der 1970er Jahre. Das lange dominierende Paradigma „wie erhalten bzw. fördern wir wirtschaftliches WachstumWachstum“ wurde durch den ersten Bericht an den Club of Rome „Grenzen des Wachstums“ kritisch hinterfragt. Dieser Bericht führte zu einer Kontroverse um wirtschaftliches Wachstum, die sich bis heute fortsetzt. Dabei geht es um die Frage, welchen Stellenwert Wachstum im Kontext nachhaltiger Entwicklung hat und wie ein nachhaltiges Wachstum zu gestalten ist.

Seit der Veröffentlichung des Brundtland-Berichts im Jahr 1987 durch die „Brundtland-Kommission“ gilt nachhaltige Entwicklung global als neues Paradigma bzw. Leitbild der Weltgemeinschaft (WCED 1987; deutsche Version: Hauff 1987). Die in dem Brundtland-BerichtBrundtland-Bericht geforderte internationale Konferenz fand 1992 in Rio de Janeiro statt, auf der sich die Völkergemeinschaft (178 Nationen) zu dem neuen Leitbild bekannt hat. Damit begann der Rio-Prozess, der im Rahmen einer Reihe von Folgekonferenzen fortgesetzt wurde. Die Zielvorgaben und Maßnahmen zur Umsetzung wurden in der Agenda 21Agenda 21, die als Agenda des 21. Jahrhunderts bekannt wurde, aufgeführt. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf einige zentrale Meilensteine der Entstehung und Etablierung nachhaltiger Entwicklung.

1.1Vorläufer nachhaltiger Entwicklung

Ein bedeutender Vorläufer der Idee nachhaltiger Entwicklung, der auch den Begriff nachhaltig prägte, war der Freiberger Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz. Er führe ihn in seiner Abhandlung „Sylvicultura Oeconomica“ aus dem Jahr 1713 ein. Er forderte in seiner Abhandlung eine „continuierliche und beständig nachhaltige Nutzung“ von Holz und stellte fest:

„Denn je mehr Jahr vergehen, in welchem nichts gepflanzet und gesaet wird, je lang­samer hat man den Nutzen zugewarten, und um so viel tausend leidet man von Zeit zu Zeit Schaden, ja um so viel mehr geschickt weitere Verwüstung, daß endlich die annoch vorhandenen Gehöltze angegriffen, vollends consumiret und sich je mehr und mehr vermindern müssen. … Wo Schaden aus unterbliebener Arbeit kommt, da wächst der Menschen Armuth und Dürfftigkeit. Es lässet sich auch der Anbau des Holtzes nicht so schleunig wie der Acker=Bau tractiren.“ (von Carlowitz 1713, S. 105).

Durch den Bergbau und die Verhüttung kam es zu der Zeit zu einer großen Nachfrage nach Holz, die in der Umgebung der Bergbaustädte zu einer Entwaldung führte. Als weitere Ursachen zunehmender Holzknappheit nannte von Carlowitz schon zu seiner Zeit Sturmschäden, die bei ihm an erster Stelle standen, gefolgt von Schäden durch Schnee, Frost und Trockenheit und schließlich Schäden durch blattfressende Raupen und anderes Vieh (v. Carlowitz 2012, S. 25). Daher entwickelte er neue Grundsätze, mit denen Holzknappheit überwunden werden sollten.

Es wäre jedoch unzureichend von Carlowitz nur auf eine Managementregel zur Überwindung von Holzknappheit einzugrenzen. Es ging ihm eher um eine Geisteshaltung, die auch heute noch hoch relevant ist. In seiner Abhandlung nimmt er immer wieder Bezug auf Gott, was häufig übersehen wird. Die Naturvorstellung von Carlowitz war stark durch den jüdischen Religionsphilosophen Spinoza geprägt, der Gott und die „natura naturans“ als Einheit verstand. Somit begründet sich seine Geisteshaltung aus der Ehrfurcht vor der Schöpfung, der Teilhabe an deren kreativ-schöpferischer Macht und als vorausschauende Zukunftsverantwortung (Vogt 2014).

Die Bewirtschaftung von Wäldern hat sich weiterentwickelt und hat sich national und international aufgrund der vielfältigen Herausforderungen stark diversifiziert. In jüngerer Vergangenheit orientiert sich die europäische Forstwirtschaft zunehmend an den negativen Auswirkungen des Klimawandels, die in den letzten Jahren stark zugenommen haben. Daraus begründet sich die Notwendigkeit, dass ein Umdenken des traditionellen Waldbaus in Richtung besser angepasster und diverserer Waldökosysteme vonnöten ist. Nur so ist eine Gefährdung der Funktionalität und Fähigkeit zur Selbstregulation von Wäldern zu erreichen (Thom et al. 2022, S. 38). Bei dem Ziel einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung ist somit auf die Gesundheit der Wälder zu achten und ihre Anpassungsfähigkeit an die sich verändernden Klimabedingungen zu erhöhen. Dies wirkt sich auch positiv auf die Biodiversität aus.

Eine herausragende Bedeutung von Wäldern ist, dass sie zur Abschwächung des Klimawandels beitragen. Die europäischen Wälder absorbieren pro Jahr das Äquivalent von 8,9 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen. Daher sind sie für die Verwirklichung des Ziels der Klimaneutralität auch für die EU von großer Bedeutung. Daraus begründet sich das Engagement der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments für die Förderung einer nachhaltigen Forstwirtschaft. Die Initiativen beschränken sich jedoch nicht nur auf Europa und die europäischen Mitgliedsstaaten. Besondere Beachtung findet das aktuelle Programm der EU-Verordnung zur Bekämpfung der weltweiten Entwaldung und Waldschädigung. Sie zielt darauf ab, dass nur jene Rohstoffe und Erzeugnisse in den Unionsmarkt eingeführt werden dürfen, wenn sie nicht mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen (v. Hauff 2023, S. 67).

Wichtige Impulse für die Stärkung der Ökologie gingen in den 1960er- und 1970er-Jahren u. a. von Ökonomen wie Kenneth Boulding und Edward Mishan aus. In seinem Buch „The Costs of Economic Growth“ kritisierte Mishan das Sozialprodukt als Indikator für „human welfare“ was im Rahmen der Diskussion zur nachhaltigen Entwicklung von großer Relevanz ist. Besondere Aufmerksamkeit erfuhr dann der erste Bericht an den Club of Rome „Grenzen des Wachstums“, der primär von Dennis und Donella Meadows verfasst wurde. Mit diesem Bericht wurde das uneingeschränkt dominierende Paradigma des wirtschaftlichen Wachstums kritisch hinterfragt. Das führte zu einer intensiven Kontroverse pro und contra Wachstum, die bis heute noch besteht. Der Bericht basiert auf der Prognose, wonach sich die Menschheit auf einem „Boom-and-Burst“ Pfad befindet. Der eigentliche Durchbruch zu dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung erfolgte schließlich durch den Brundtland-Bericht.

Es ist jedoch zu erwähnen, dass wichtige Impulse auch von dem Dag Hammarskjöld Report aus dem Jahr 1975 ausgingen, in dem nicht nur der Missstand der Unterentwicklung, sondern auch der Überentwicklung aufgezeigt wurde. Die Entwicklungskrise wurde einerseits auf die Armut der Menschen in Entwicklungsländern, die ihre grundlegenden Bedürfnisse nicht befriedigen können, zurückgeführt. Andererseits wird der wachsende WohlstandWohlstand in vielen Industrieländern, der teilweise zu verschwenderischen Lebensstilen mit den Folgen der zunehmenden UmweltschädenUmwelt führt, angeprangert. Dadurch wurde deutlich, dass dieser Lebensstil nicht geeignet ist, Armut zu überwinden. Aus diesem Grund wurde den Industrieländern die Verantwortung für die Lösung zur Überwindung vieler ökologischer und sozioökonomischer Probleme zugewiesen (Grunwald, Kopfmüller 2022, S. 27). Weiterhin finden der Brand- und der Palme-Report, die sich beide aus der Nord-Süd Kommission der Vereinten NationenVereinte Nationen begründen, auch heute noch Beachtung, da sie die Entwicklungsproblematik auf die internationale Ebene brachten (Harborth 1991). Die Entwicklungskrise, mit der die Welt heute noch konfrontiert ist, liegt weiterhin in der Armut der Massen der Dritten Welt wie auch der Menschen, die in Industrieländern in Armut leben. Sie können selbst die grundlegendsten Bedürfnisse wie Nahrung, Lebensraum, Gesundheit und Bildung nicht ausreichend befriedigen.

1.2Der Brundtland-Bericht

Die World Commission on Environment and Development (WCED), die 1980 von der UN einberufen wurde, setzte 1983 die Brundtland-Kommission unter dem Vorsitz der norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland ein. Die Kommission hatte den Auftrag Handlungsempfehlungen zur Überwindung der wachsenden ökologischen, ökonomischen und der sozialen Krisen zu formulieren. Die Kommission hat den Begriff „nachhaltige Entwicklung“ in ihrem Bericht mit dem Titel „Our Common Future“ als globales Leitbild erstmals einer breiten Öffentlichkeit nahegebracht (Hauff 1987). Im Mittelpunkt stehen die drei Grundprinzipien: die globale Perspektive, die untrennbare Verknüpfung zwischen UmweltUmwelt und Entwicklung und die Realisierung von Gerechtigkeit. Die globale Perspektive zielt auf eine Entwicklungsperspektive für die Weltgemeinschaft als Ganzes ab. Das führte dazu, dass die Brundtland-Kommission eine internationale Konferenz anregte, auf der sich die Völkergemeinschaft zu dem Paradigma der nachhaltigen Entwicklung bekennt und dieses inhaltlich konkretisiert.

Der Brundtland-BerichtBrundtland-Bericht erschien in einer Zeit, als viele Krisensymptome wie die wachsende Armut, der Hunger, die Trockenheit in vielen afrikanischen Ländern, die zunehmende Vernichtung tropischer Regenwälder, die Verringerung der Ozonschicht, erste nationale Finanzkrisen in Entwicklungsländern, die Verschuldung bzw. Überschuldung vieler Länder des globalen Südens und die mangelnde wirtschaftliche Entwicklung sich verschärften. Sie führten zu einer ernsthaften Herausforderung für die Politik auf allen Ebenen. In diesem Zusammenhang geht es auch um negative externe Effekte mit denen Industrieländer in besonderem Maße Entwicklungsländer belasten.

Beispiele hierfür sind die Verlagerung umweltbelastender Produktion in Länder mit geringen Umweltstandards oder der Export von umweltbelastenden Abfällen wie Plastik in Entwicklungsländer. Dadurch entstehen Industrieländern Nachhaltigkeitsgewinne, die zu Nachhaltigkeitsverlusten besonders in Entwicklungsländern führen. Es wurde erkannt, dass diese Herausforderungen nicht durch gängige Strategien bzw. Maßnahmen, sondern nur im Rahmen des neuen Paradigmas der nachhaltigen Entwicklung und in globaler Verantwortung überwunden werden können.