Fairy Tale Camp 1: Das märchenhafte Internat - Corinna Wieja - E-Book

Fairy Tale Camp 1: Das märchenhafte Internat E-Book

Corinna Wieja

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Beschreibung

Platz 1 der hr2-Hörbuchbestenliste September: Fairy Tale Camp Ganz zauberhaftgesprochen von Dagmar Bittner, die unaufdringlich für jede Figur einen eigenen Ton findet. Traumhaft! Das gibt's nur im Märchen? Dachte Marie auch! Maries Leben fühlt sich reichlich unmagisch an – bis sie wegen ihrer ungewöhnlichen Fähigkeiten ins Fairy Tale Camp eingeladen wird. In dem märchenhaften Internat lernt sie Ro, Poppy, Ella, Will und Jake kennen, die allesamt behaupten, das Erbe ehrwürdiger Märchenfamilien fortzuführen. Aber was haben magische Brunnen, verhexte Wirbelstürme und verwunschene Bilder mit Maries Leben und dem Verschwinden ihrer Mutter zu tun? Eine dunkle Macht wirft längst ihre Schatten über die magische Welt der Fairys. Eine märchenhaft-magische Welt für Mädchen ab 10 - humorvoll erzählt und im angesagten Sketching-Stil illustriert Band 1 der zauberhaften Märchenreihe

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Corinna Wieja

Fairy Tale Camp – Das märchenhafte Internat

Mit Bildern von Frau Annika

Das gibts nur im Märchen? Dachte Marie auch!

Maries Leben fühlt sich reichlich unmagisch an – bis sie wegen ihrer ungewöhnlichen Fähigkeiten ins Fairy Tale Camp eingeladen wird. In dem märchenhaften Internat lernt sie Ro, Poppy, Ella, Will und Jake kennen, die allesamt behaupten, das Erbe ehrwürdiger Märchenfamilien fortzuführen. Aber was haben magische Brunnen, verhexte Wirbelstürme und verwunschene Bilder mit Maries Leben und dem Verschwinden ihrer Mutter zu tun? Eine dunkle Macht wirft längst ihre Schatten über die magische Welt der Fairys.

Wohin soll es gehen?

Buch lesen

Personenvorstellung

Anhang

Viten

Inhaltsverzeichnis

Über dieses Buch

Wohin soll es gehen?

Wer wir sind

1. Der Anfang oder die Sache mit der tief fliegenden Torte

2. Nachsitzen für Fortgeschrittene oder die seltsame Einladung

3. Apfelpfannkuchen und eine Prinzessin mit Frosch im Hals

4. Brötchen zum Frühstück und ein Prinz ohne Pferd

5. Schlimmer geht immer oder wer erzählt hier Märchen?

6. Reisbrei oder versumpft im Schlaraffenland

7. Glibberkraut und eine magische Feder

8. Vom Regen in die Dusche oder wieso müssen sich Zaubersprüche immer reimen?

9. Verirrt im Schloss oder getigerte Katze von rechts

10. Ein Schaf im Wolfspelz oder das Elend mit dem Ball

11. Wo geht’s hier zum Ball? Oder das Brunnen-Portal

12. Noch ein Ball oder wie Aschenputtels Schuh verloren ging

13. Ups! Oder Auftritt Prinz Ekelpaket

14. Ein zauberhaftes Frühstück oder Gildenname gesucht

15. Ein Bär im Anzug oder magischer Märchenunterricht

16. Die Märchenrallye oder aller Anfang ist schwer

17. Autsch, meine Ohren! Oder der jodelnde Baum

18. Das Bilderrätsel oder Ros Vision

19. Wo Vögel zu Hause sind oder das Ei des Raben

20. Ärger für Will oder wo ist Prinz Erbsenhirn?

21. Ein Plan muss her oder wie man in ein Bild einsteigt

22. Die Märchenrundreise oder Vorsicht: magische Nebenwirkungen!

23. Ein Bild ohne Bild oder wie ein Portal entsteht

24. Ein Wolf, eine Eule und ein Kater

25. Happy End oder Ende gut, alles gut?

26. Eine Siegerehrung und ein Plan

Viten

Impressum

Marie (12) zeichnet magisch gut und gerne. Als Nachfahrin von Frau Holle kann sie Wasser und das Wetter beeinflussen. Eigentlich. Tatsächlich hat sie ihre Gabe nicht immer im Griff und steht deswegen ziemlich oft im Regen.

Rosalie, genannt Ro (12), ist eine Nachfahrin von Dornröschen. Sie hasst es, Prinzessin zu sein, und will lieber als Fairyhüterin Märchen retten. Wäre da nicht der fiese Schlaffluch …

Will (13) gehört zum Clan Der Wolf und die sieben Geißlein. Als Wolfswandler ist er blitzschnell, hört supergut und riecht Kuchen selbst noch aus 10 km Entfernung. Sein größter Wunsch: zu den „Guten“ gehören.

Jake (13) ist der Urururur-Enkel von Rapunzel. Seine Zauberwaffen sind sein Prinz-Herzensbrecher-Strahlelächeln, die unglaublich tollen Haare und seine große Klappe.

Penelope, genannt Poppy (12),ist mit Rotkäppchen verwandt. Ihr Spitzname bedeutet „Mohnblume“. Sie kennt ihre magische Gabe noch nicht, dafür ist sie sehr schlau und glänzt mit unfassbar großem Märchenwissen.

Ella (12) ist eine Nachfahrin von Aschenputtel und kann mit Tieren reden.

Ich bin keine Prinzessin. Weder im echten Leben noch im Märchen. Hätte mir jemand gesagt, dass ich mir mal mit einer Märchenprinzessin ein Zimmer teilen würde, hätte ich laut gelacht. Märchen und Magie gibts nicht. Dachte ich.

Dann aber kam dieser Freitag. Da spürte ich plötzlich ein Kribbeln im Bauch. Als hätte ich zu viele Brausebonbons gelutscht oder versehentlich einen Schwarm wild flatternder Schmetterlinge verschluckt. Kurz darauf fegte trotz geschlossener Fenster ein Windstoß durchs Klassenzimmer und blies meiner Lehrerin ein Stück Torte mitten ins Gesicht.

Ich bin übrigens Marie Brunner und magisch begabt. Behauptet meine Lehrerin. Also, die mit der Torte im Gesicht. Und die muss es wissen, denn sie hat dafür gesorgt, dass mein Leben zu einer verwirrenden Abenteuer-Achterbahn voller magischer Gefahren wurde. Wenn ich nicht aufpasse, werde ich womöglich noch in einen singenden Baum verwandelt oder in eine Kröte.

Dabei hatte dieser Freitag eigentlich ganz normal angefangen. Na ja, fast normal …

Mein Wecker hatte nicht geklingelt und ich war mal wieder zu spät dran. Daher spulte ich mein Morgenprogramm – duschen, anziehen, Schulrucksack packen – im Turbotempo ab. Das Frühstück ließ ich ausfallen, gab Omimi einen Kuss und war wenig später mit dem Rad auf dem Weg zur Schule. Wie wild trat ich in die Pedale. Als hätte eine fiese Fee Spaß daran, mich zu ärgern, regnete es auch noch.

Das war aber wirklich harmlos im Vergleich zu dem, was in der zweiten Stunde im Deutschunterricht passierte.

Unsere Vertretungslehrerin Frau Schneeberger rauschte ins Klassenzimmer und stellte auf jeden Platz einen Pappteller mit einem Stück Sahnetorte.

„Ich habe heute Geburtstag“, erklärte sie. „Den Kuchen könnt ihr später essen.“

Die gesamte Klasse tuschelte begeistert, denn die Schoko-Erdbeer-Torte sah voll lecker aus.

Nachdem wir ihr ein Geburtstagslied gesungen hatten, hielt Frau Schneeberger uns einen Vortrag über die Moral von Märchen. Draußen vor dem Fenster regnete es immer noch.

Gelangweilt kritzelte ich in mein Heft und malte mich, wie ich von einem Drachen verschlungen wurde. Dem Drachen gab ich das Gesicht von der Schneeberger. Ich war so vertieft darin, dass ich gar nicht merkte, wie still es plötzlich in der Klasse geworden war. Erst als mich meine Freundin Charly in die Seite stieß, sah ich auf.

Frau Schneeberger hatte sich vor meinem Tisch aufgebaut und musterte mich mit Eiswürfelblick. Sie sah auch aus wie ein Eiswürfel, denn sie war von Kopf bis Fuß in Weiß gekleidet. Selbst ihre Haare, die sie zu einem Dutt aufgesteckt hatte, waren weiß! Die einzigen Farbkleckse waren ihre blutrot lackierten Fingernägel, die tomatenroten Lippen und der rote Rahmen ihrer Brille, die fliegenpilzweiße Tupfen zierten. Zum ersten Mal fiel mir auf, wie klein sie eigentlich war. Kaum größer als ich.

„Wie siehst du das, Marie?“

„Äh, ja. Das ist richtig?“, stammelte ich völlig ahnungslos.

Die anderen kicherten.

„Es gab den gestiefelten Kater also wirklich?“ Ihre Stimme klang unangenehm schrill. Wie das Quietschen von Kreide auf einer Tafel. „Wie kommst du darauf?“

„Na ja, den gestiefelten Kater gab es sicher nicht. Es wäre ja ziemlich albern, zu glauben, es gäbe die Märchenfiguren auch in echt“, sagte ich.

„Ich warte immer noch auf deine Erklärung.“ Frau Schneeberger durchbohrte mich mit ihrem eisblauen Blick. Meine Haut prickelte plötzlich.

Meine Freundin Charly schob mir unter dem Tisch einen Zettel zu. „Symbol“ stand darauf. In meinem Kopf herrschte gähnende Leere.

„Ja, also … der gestiefelte Kater … ist … ein Symbol?“

„Und wofür ist der Kater ein Symbol, Marie?“ Frau Schneeberger ließ nicht locker.

„Für einen guten Geist“, zischte Charly mir zu.

„Danke, Charlotte, aber Marie schafft das sicher auch ohne deine Hilfe.“ Frau Schneebergers Blick fiel auf meinen Block. „Was ist das?“

Rasch bedeckte ich den Schneeberger-Drachen mit einer Hand.

„Äh, ein Doodle“, sagte ich ausweichend. „Sie wissen schon, diese kleinen Kritzeleien, die man so macht, um im Unterricht nicht einzuschlafen.“

Verflixt. Am liebsten hätte ich mir den Satz wieder zurück in den Mund geschoben. Wie dusselig kann man sein, Marie?

Frau Schneebergers Miene erstarrte. „Nun, ich weiß, wie wir verhindern können, dass du im Unterricht einschläfst“, sagte sie. „Du bereitest in den Ferien ein Referat über die Symbolik der Märchen vor. Und am ersten Schultag nach den Ferien wirst du uns mit deinen neuen Erkenntnissen bereichern.“

Vielen Dank auch. Ich stöhnte auf. „Aber Frau Schneeberger, das ist total unfair. Außerdem habe ich aufgepasst.“

„Erzähl mir keine Märchen. Die Diskussion ist beendet. Und den hier nehme ich mit. Nach dem Unterricht bekommst du ihn wieder.“ Sie griff nach meinem Block und mein Verstand schaltete sich aus. Ich hatte nur noch einen Gedanken: Frau Schneeberger darf auf keinen Fall sehen, dass ich sie gezeichnet habe. Als Drachen, mit weit aufgerissenem Maul. Ich Dussel hatte auch noch ihren Namen druntergekritzelt.

Charly versuchte noch, mich auf meinen Stuhl zurückzuziehen, doch ich wetterte bereits los.

„Das dürfen Sie nicht! Der gehört mir!“ Meine Stimme schallte laut durch den Raum und auch der Regen draußen schien stärker zu werden. Gleichzeitig griffen wir nach dem Block.

Er flutschte mir aus den Fingern und segelte auf den Boden. Na, prima!

Ein Vulkan brach in mir aus und dann ging alles blitzschnell. Donner grollte, ein Ast peitschte ans Fenster, Frau Schneeberger wollte sich nach dem Block bücken und ich griff nach dem Stück Torte, um es auf das Bild zu schubsen.

Kaum hatte ich den Pappteller berührt, wurde die Schokotorte wie von einem Windstoß vom Tisch gefegt und landete direkt in Frau Schneebergers Gesicht! Als sie sich aufrichtete, platschte Schokosahneschaum von ihrer Nase auf die weiße Bluse. Die Klasse brach in brüllendes Gelächter aus.

Nur Charly blickte mich mit weit aufgerissenen Augen an.

„Entschuldigung!“, rief ich erschrocken und kramte nach einem Taschentuch, das ich Frau Schneeberger verlegen hinstreckte. Sie griff danach und wischte sich wortlos damit übers Gesicht. „Ich weiß auch nicht …“

Die Pausenglocke schellte und die anderen drängten sich mit ihren Papptellern immer noch kichernd aus dem Zimmer.

Charly blieb neben mir stehen und betrachtete mich besorgt. Ich schloss die Augen und wartete auf das Donnerwetter.

Frau Schneeberger schaute zum geschlossenen Fenster, dann zu mir. Mit hochgezogenen Augenbrauen schüttelte sie ungläubig den Kopf. Ihr Laserblick glitt über mich. „Komm nach der letzten Stunde zu mir“, sagte sie mit gefährlich leiser Stimme. „Wir müssen reden.“

Sie bückte sich, reichte mir den Block und wischte den Kuchenmatsch vom Boden auf.

Geknickt verließ ich das Klassenzimmer.

Charly legte mir einen Arm um die Schulter. „Schade um den leckeren Kuchen“, tröstete sie mich. „Wenn du willst, gebe ich dir ein Stück von meinem ab. Schoki ist die Superpower gegen Frust. Das ist sogar wissenschaftlich erwiesen.“

Ich nickte, aber mir war der Appetit vergangen. Und dabei hatte ich noch keine Ahnung, dass der Torten-Zwischenfall nur der Anfang einer ganzen Reihe von merkwürdigen Erlebnissen war, die mir bevorstanden.

Den restlichen Vormittag über war ich so hibbelig, als hätte ich einen Schwarm Bienen verschluckt. Die letzte Stunde – Mathe – schien sich wie Kaugummi hinzuziehen, die Glocke schlug für mich trotzdem viel zu früh. Ich hatte ordentlich Bammel vor dem Gespräch mit Frau Schneeberger.

„Soll ich mitkommen?“, fragte Charly mitfühlend, als wir im Schneckentempo über den Flur zum Lehrerzimmer ­zuckelten.

„Nein, schon gut.“ Ich setzte ein tapferes Lächeln auf. „Sie wird mich ja nicht gleich auffressen.“ Dennoch lief mir ein Grummeln durch den Bauch.

Charly grinste. „Nee, du würdest ihr sowieso nur monsterschwer im Magen liegen.“

„He!“ Ich stieß sie in die Seite.

„Das war ganz schön seltsam.“ Charly runzelte die Stirn.

„Was war seltsam?“ Ich wusste genau, was sie meinte, aber wenn ich es abstritt, dann war es vielleicht nicht wahr.

„Na, die Sache mit der Torte. Ich hab gar nicht gesehen, wie du sie geworfen hast. Das ging so schnell. Fast so, als hättest du gezaubert.“

„Quatsch. Die ist einfach nur über die Tischkante gerutscht“, wiegelte ich ab. Das Bauchgrummeln verstärkte sich. Auch ich hatte nämlich das Gefühl, dass die Torte schon geflogen war, bevor ich den Teller angefasst hatte.

„Hm“, brummte Charly. „Trotzdem. In letzter Zeit passiert dir so was ziemlich oft. Ständig fällt dir was aus der Hand, weht dir was weg oder du kleckerst mit dem Essen. Und denk nur an die Sache gestern mit dem geplatzten Wasserhahn im Schul-WC, wo du pitschnass geworden bist. Das ist fast so, als seist du verwünscht.“ Sie legte mir eine Hand auf den Arm. „Du solltest dir eine Knoblauchkette basteln, um den Fluch zu vertreiben.“

Ich lachte, doch ich fasste mir dabei unwillkürlich an mein Glücks-Armband. „Nicht dein Ernst! Ich hab einfach nur eine Pechsträhne.“

„Also, ich weiß nicht“, sagte Charly zweifelnd. „In letzter Zeit passieren schon echt komische Dinge. Diese seltsamen Einbrüche zum Beispiel … Gestern Nacht sind bei Friseur Hairlich sämtliche Spiegel zersprungen. Das sind siebzig Jahre Pech, hat meine Oma behauptet. Und das Wetter spielt auch immer öfter verrückt. Weißt du noch letztes Wochenende, als wir ins Schwimmbad wollten? Es hat wie aus Eimern geschüttet. Dann hast du dir zum Spaß Sonne gewünscht und von jetzt auf gleich wurde es sommerwarm.“

„Für die Spiegel und das Wetter kann ich wirklich nichts“, sagte ich. „Der Klimawandel ist eben auch in Rosenstein angekommen. Und du bist viel zu abergläubisch.“

Trotzdem hatte Charly recht. Die Häufung dieser seltsamen Vorkommnisse war echt auffällig. Und das Wetter schien in letzter Zeit ziemlich oft meiner Stimmung zu entsprechen. Hatte ich gute Laune, schien die Sonne. War ich traurig, regnete es. Wenn ich mich über etwas ärgerte, grollte Donner. Am Tag zuvor war mir eine Wasserflasche explodiert. Die hatte sich beim Öffnen über mein Handy ergossen und es geschrottet. Paps war richtig böse geworden, aber mal ehrlich, was konnte ich dafür, wenn in der Flasche so viel Kohlensäure drin war? Ich war so sauer, dass er mir die Schuld daran gab, und plötzlich zog ein Gewitter auf. So wie im Film. Du kennst das vielleicht: Eben strahlt noch die Sonne und plötzlich wird es dunkel, schaurige Musik setzt ein – dam-dam-dam-dam-dam-dam –, Regen prasselt an die Scheibe und Blitze zucken über den Himmel. Und man weiß: Oh-oh, jetzt droht der Heldin Ärger. Genauso war das bei dem Streit mit Paps. Es gab sogar schaurige Musik, weil Omimi in der Küche ziemlich schief einen Schlager vor sich hinträllerte.

Und heute dann der seltsame Windstoß und der Tortenunfall. Jedes Mal hatte ich vorher das Brauseprickelgefühl verspürt. Zum ersten Mal kurz nach meinem zwölften Geburtstag. Alles nur Einbildung, das ist bloß Zufall, machte ich mir Mut. Inzwischen waren wir vor dem Lehrerzimmer angekommen. „Wünsch mir Glück.“

„Viel Glück!“ Charly umarmte mich kurz und winkte mir zu. „Schreib mir später, wie’s gelaufen ist.“

„Geht klar.“ Ich holte tief Luft und klopfte an die Tür.

„Herein!“, bellte die Stimme der Direx.

Ich stieß die Tür auf. Die Lehrer saßen an einem langen Tisch und aßen zu Mittag. Herr Dinkel, unser Erdkundelehrer, schlürfte geräuschvoll Spaghetti aus einer Aluschale. Eine Nudel klebte ihm am Kinn. Frau Petersen, die Chemielehrerin, rührte in einer Schale mit einem eklig aussehenden grauen Brei und unser Musiklehrer Herr Karlsen zerlegte sorgfältig eine Orange in kleine Schnitze. Alle Augen richteten sich auf mich.

„Äh, guten Appetit“, sagte ich höflich. Suchend schaute ich mich um. „Ich soll mich bei Frau Schneeberger melden.“

Ein Stuhl schabte über den Boden und neben Herrn Dinkel tauchte Frau Schneeberger auf. Durch seine Größe hatte er sie wohl verdeckt. Sie hatte die Frisur wieder gerichtet, aber ich entdeckte trotzdem noch ein paar Kuchenkrümel in ihren Haaren.

„Sehr schön. Du hast es nicht vergessen. Komm mit.“ Sie ging mir voraus und steuerte eines der kleinen Besprechungszimmer an. Darin gab es nur einen Tisch und drei Stühle. „Setz dich.“ Die Hände gefaltet, schaute sie mich auffordernd an. „Also?“

Ich schob mich auf einen Stuhl ihr gegenüber. „Entschuldigung?“, sagte ich, unsicher, was sie von mir hören wollte. „Das mit der Torte tut mir leid. Das war keine Absicht.“

„Na, das wäre ja auch noch schöner gewesen.“ Sie tippte die Fingerspitzen aneinander. „Dieses Missgeschick ist längst vergeben und vergessen. Sahne ist gut für die Haut. Und deine Gabe ist wirklich vortrefflich, aber wie zu erwarten noch ein wenig ungeschliffen. Deshalb frage ich mich, warum du nicht längst am Förderprogramm für Begabte teilnimmst.“

Also hatte sie meine Zeichnung doch noch gesehen. Ich fühlte mich erleichtert und ziemlich geschmeichelt, dass sie mich für so talentiert hielt.

„Ach, als Gabe würde ich das nicht bezeichnen. Ich kann eben einfach gut zeichnen.“

Ihre Augenbrauen krochen aufeinander zu wie Raupen. „Zeichnen? Was hat das mit dem Windstoß zu tun, den du ausgelöst hast?“

„Also echt. Wie soll ich denn einen Windstoß ausgelöst haben?“ Ich schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme.

Sie beugte sich vor und kam mir so nahe, dass sich unsere Nasenspitzen fast berührten.

„Mir musst du nichts vormachen. Man hat mir vorhergesagt, dass sich die verschollene Begabte in dieser Stadt aufhält. Ich gebe zu, ich habe es nicht gleich bemerkt. Und ich habe es nicht geglaubt, als man mir sagte, dass ich dich in einer normalen Schule finden würde. Aber heute habe ich das Funkeln in deinen Augen und deiner Aura gesehen. Der magische Glitzerglanz ist unverkennbar.“

Offenbar war Frau Schneeberger der Vorfall mit der Torte nicht bekommen. Hatte sie womöglich zu viel Stress? Ich zwang mich zu einem freundlichen Lächeln.

„Ehrlich, ich habe keine Ahnung. Die Torte ist mir aus der Hand geflutscht. Das war kein Windstoß. Natürlich zahle ich die Reinigung.“ Ich blickte auf ihre Bluse und stellte fest, dass die gar nicht mehr bekleckert war. Das war ja mal eine Super-duper-extrem-Express-Reinigung.

„Papperlapapp. Das ist nicht nötig.“ Frau Schneeberger legte den Kopf schräg. „Du siehst ihr gar nicht ähnlich. Deshalb habe ich dich auch nicht gleich erkannt.“

„Wem soll ich ähnlich sehen?“, fragte ich verwundert.

„Na, deiner Mutter“, antwortete sie ungeduldig. „Gwendolyn Holle.“ Frau Schneeberger zog einen Füller aus dem Dutt. Sie spielte mit der Kappe, drehte sie auf und zu und ein leichter Geruch nach Käse und Zimt wehte durchs Zimmer. „Wenn ich mich nicht irre, hat Gwendolyn einen Konditor geheiratet.“

Ich nickte knapp. „Ja, meinem Paps gehört die Konditorei Tortenatelier.“

Ein Strahlen erhellte Frau Schneebergers Gesicht. „Oh, dort habe ich meinen Geburtstagskuchen kaufen lassen. Der schmeckte wirklich märchenhaft!“

„Ja, danke. Woher kennen Sie meine Mutter? Sind Sie mit ihr befreundet?“ Ein Ziehen machte sich in meinem Bauch bemerkbar. Wie immer, wenn andere mehr über Mama zu wissen schienen als ich. Ich selbst kannte sie kaum. Als ich vier Jahre alt war, hatte sie mich und Paps verlassen. Einfach so. Seitdem gab es keinen Kontakt mehr. Sie war wie vom Erdboden verschluckt. Nur ein Foto und das Glücks-Armband waren mir von ihr geblieben. Gespannt lehnte ich mich nun vor und wartete auf Frau Schneebergers Antwort.

„Äh … Das war ich mal. Früher.“ Frau Schneebergers Miene wurde undurchdringlich. Sie kramte in ihrer Tasche. „Wo hab ich es denn?“ Sie räumte ein zerknülltes Taschentuch auf den Tisch, Halsbonbons, eine geringelte Socke, einen Spiegel und ein in grünes Leder gebundenes Buch. „Ah, da ist es ja.“ Triumphierend zog sie einen sonnengelben Umschlag und ein kleines zitronengelbes Kästchen heraus. Beides schob sie zu mir herüber. Der Zimt-Käse-Geruch verstärkte sich und ich rümpfte die Nase.

„Ich trage es schon ein wenig länger mit mir herum“, sagte sie entschuldigend. „Lies vor.“

Erstaunt sah ich sie an. Auf dem Kästchen stand nichts.

„Nun lies schon.“ Sie tippte auf das Kästchen.

Um das Ganze endlich hinter mich zu bringen, nahm ich die Schachtel in die Hand. Zur Not würde ich mir eben etwas ausdenken. Hauptsache, ich kam hier raus. Zu meiner Verwunderung entdeckte ich auf dem Kästchen plötzlich eine geschwungene Schrift. Als hätte jemand die Buchstaben eilig mit unsichtbarer Tinte hingekritzelt, die nun durch die Wärme meiner Hand sichtbar wurde.

„Mit Freundschaft und viel Fantasie obsiegen Märchen und Magie“, las ich.

„Ja, genau. Das steht da. Märchenhaft!“ Frau Schneeberger klatschte begeistert in die Hände. „Wir hielten deinen Zweig des Familienclans schon für verloren. Der Magische Rat wird hocherfreut sein.“

Sie hätte genauso gut in einer Geheimsprache reden können. Ich verstand kein Wort.

„Ist das so was wie ein Zauberzirkel?“, wollte ich wissen. „Mit Kartentricks und versteckten Kaninchen im Hut?“

„Haha, ein guter Witz.“ Frau Schneeberger tippte auf das grüne Buch. „Lies dir das bitte bis Montag durch.“

„Aber heute ist der letzte Schultag“, murrte ich. „Sie dürfen mich nicht in den Ferien zum Nachsitzen verdonnern.“

„Wer redet denn von Nachsitzen?“ Sie blickte mich über den Rand ihrer gepunkteten Brille an. „Es geht darum, deine Gabe zu fördern und in die richtigen Bahnen zu lenken. Oder verreist du in den Ferien etwa?“

„Nein, wir bleiben hier.“ Wie in jedem Jahr. Das Geld reichte mal wieder nicht für einen Urlaub. Außerdem konnte Paps die Konditorei nicht für längere Zeit schließen.

„Gut, gut.“ Frau Schneeberger tippte mit ihrem Füller auf den Brief. „Es wäre tatsächlich höchst unglücklich, wenn du nicht teilnehmen würdest. Für dich und für uns. Deine Anwesenheit im Camp ist von unschätzbarem Wert.“

In meinem Kopf reihte sich ein Fragezeichen ans andere. Warum sollte es so wichtig sein, dass ich an einem Zeichencamp teilnahm?

„Das Förderprogramm ist übrigens kostenlos und mit Unterbringung und Verpflegung“, fuhr Frau Schneeberger fort. Sie steckte den Füller zurück in den Dutt und stand auf. „Ich erwarte dich am Montag pünktlich um zwölf Uhr in Schloss Fairy Tale.“

„Aber das alte Schloss ist seit Jahren unbewohnt!“, rief ich entgeistert. „Vermutlich gibts da nur Spinnweben und Staub. Soll das so ein Survival-Camp werden?“ Ich war schon oft mit dem Rad daran vorbeigefahren. Das Gelände konnte man nicht betreten, weil es sich in Privatbesitz befand. Es war von einer riesigen Rosenhecke umgeben. Offenbar war der frühere Besitzer auch Rosenzüchter gewesen. Unsere Stadt ist für ihre Rosen berühmt.

„Keine Sorge. Dir wird es nicht an Komfort mangeln.“ Frau Schneeberger lächelte entschuldigend. „Nimm es mir bitte nicht übel, wenn ich so offen bin. Du hast Förderung wirklich dringend nötig, so unglaublich unwissend, wie du bist. Da wartet ein schönes Stück Arbeit auf uns. Aber keine Bange, das bekommen wir schon hin.“ Sie tätschelte mir die Schulter.

He!, dachte ich empört. So übel sind meine Zeichenkünste nun auch wieder nicht. Möglichst schonend versuchte ich, ihr beizubringen, dass sie wohl nicht auf mich zählen konnte. „Das ist total nett, aber ich weiß nicht, ob mein Vater mir das erlauben wird und …“

„Ah, du machst dir Sorgen, dass dein Vater sich wegen der äußeren Baufälligkeit von Schloss Fairy Tale sorgen könnte.“ Frau Schneeberger zog die Nase kraus. „Nun, das ist verständlich.“ Sie holte den Füller wieder aus dem Dutt und zog die Kappe ab. Erneut breitete sich leichter Käsegeruch aus, als sie etwas auf den Brief kritzelte. „Damit dürften alle Probleme gelöst sein.“ Sie faltete das Blatt und steckte es in den Umschlag, den sie mir reichte.

„Aber …“, setzte ich erneut an. Wenigstens für ein paar Fragen in meinem Kopf hätte ich gern Antworten gehabt.

„Papperlapapp, keine weiteren Ausflüchte mehr!“, unterbrach sie mich. „Die Teilnahme ist für Begabte verpflichtend. Wenn du die Einladung ignorierst und deine Gabe weiter aufblüht, ohne dass du sie steuern lernst, kannst du damit dich, deine Familie und deine Freunde in Gefahr bringen. Wir sehen uns am Montag. Sei pünktlich.“ Sie marschierte zur Tür. Dort drehte sie sich noch mal um. „Vergiss die Brosche nicht. Sie gehört zur Grundausstattung und ist deine Eintrittskarte.“ Die Tür fiel hinter ihr zu.

Total überrumpelt und ratlos blieb ich zurück. Kurz überlegte ich, ob ich einfach aufstehen, alles liegen lassen und gehen sollte, aber dafür war ich einfach zu neugierig.

Ich zog den Deckel von der kleinen Schachtel und entdeckte auf einem roten Samtpolster eine kleine hübsche Brosche in Gestalt eines hockenden, moosgrünen Frosches. Glitzernde weiße Steine bildeten die Augen.

Ich strich mit den Fingern darüber. Das Material fühlte sich unerwartet warm an. Die wohlige Wärme schien sich von den Fingerspitzen in meinem ganzen Körper auszubreiten. Verwundert zog ich die Hand zurück und holte das Blatt aus dem Umschlag. In schnörkeliger Schrift stand darauf:

Einladung zum Förderprogramm der Grimmschen Gilde

Dieses Schreiben berechtigt die Begabte Marie Brunner, am Förderprogramm der Grimmschen Gilde teilzunehmen. Die Teilnahme ist verpflichtend.Bitte finden Sie sich am Montag zur Förderung Ihrer Gabe um 12 Uhr in Schloss Fairy Tale in Rosenstein ein. Der Unterricht in unserem Camp dauert zunächst zwei Wochen. Danach wird entschieden, ob Sie das Schulstipendium für Besonders Begabte erhalten.Wir bitten Sie, sich dem Studium mit der nötigen Aufmerksamkeit zu widmen, um mögliche Gefahren für Ihr Umfeld abzuwenden, und sich nach bestmöglichen Kräften für den Erhalt unserer Sache einzusetzen.Die Ihnen überlassene Brosche dient als Nachweis Ihrer Berechtigung und zum Öffnen des Portals. Achten Sie gut darauf, damit sie nicht in falsche Hände gerät.Wir freuen uns auf eine angenehme und erfolgreiche Zusammenarbeit.

Hochachtungsvoll

Graf Hubert von RosentauIm Auftrag des Magischen Rats der Grimmschen Gilde

PS: An die Erziehungsberechtigten: Für Kost und Logis der Teilnehmenden ist gesorgt. Um die Begabten bestmöglich zu fördern, bitten wir, von Besuchen abzusehen. Die Nutzung von Handys ist untersagt.

Das war alles ziemlich merkwürdig. Woher kannte Frau Schneeberger meine Mutter? Wieso sollte Zeichnen eine Gefahr für mein Umfeld darstellen? Und wer war diese Grimmsche Gilde? Gehörte der das Schloss? Oder wollte mich irgendjemand veräppeln? Aber wenn ja, wer?

Ich schaute mich unwillkürlich um, ob ich eine versteckte Kamera entdecken konnte. Nein, da war nichts.

Ich seufzte.

Wenn ich Antworten auf diese Fragen wollte, würde mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als Frau Schneeberger am kommenden Montag danach zu fragen.