Fairy Tale Camp 4: Das Rätsel der Märchenmagie - Corinna Wieja - E-Book

Fairy Tale Camp 4: Das Rätsel der Märchenmagie E-Book

Corinna Wieja

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Beschreibung

Das gibt's nur im Märchen? Dachte Marie auch! Plötzlich geschehen im Fairy Tale Camp wieder merkwürdige Dinge: Portal-Brunnen versagen ihren Dienst, magische Fallen sorgen für Ärger und das Schlaraffenland versinkt in Schaum. Zu allem Unglück gerät ausgerechnet Marie unter Verdacht, dafür verantwortlich zu sein. Dabei hatte sie ihre Mutter doch vom Fluch erlöst und die Märchenwelt gerettet! Aber die Feinde der Märchenwelt geben sich noch nicht geschlagen. Und als Will bei der Prüfung zum Fairyhüter verschwindet, macht sich Marie im Zauberwald auf die gefährliche Suche nach ihm … Eine märchenhaft-magische Welt für Mädchen ab 10 - humorvoll erzählt und im angesagten Sketching-Stil illustriert Band 4 der zauberhaften Reihe

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Corinna Wieja

Fairy Tale Camp – Das Rätsel der Märchenmagie

Mit Bildern von Frau Annika

DAS GIBTS NUR IM MÄRCHEN!

Plötzlich geschehen im Märchen-Internat wieder merkwürdige Dinge: Magische Fallen sorgen für Ärger und der Garten rund um das Schloss Fairy Tale versinkt in Schaum. Ausgerechnet Marie gerät unter Verdacht, dafür verantwortlich zu sein und muss beweisen, dass sie nichts damit zu tun hat. Und als dann auch noch Will spurlos verschwindet, machen sich Marie und ihre Freunde auf die gefährliche Suche nach ihm …

Wohin soll es gehen?

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Personenvorstellung

Anhang

Viten

Für Lisa-Marie, Robin und Isabel – meine magische Brainstorming-Gilde

 

 

Marie (12) beherrscht als Nachfahrin von Frau Holle Wetterzauber wie den Sturmwirbel oder bunte Schneeflocken. Ihr größter Wunsch ist es, die Fairyhüter-Prüfung zu bestehen. Ihr Märchenschlüssel ist eine Feder, mit der sie gezeichnete Dinge für kurze Zeit echt werden lassen kann.

 

 

 

 

Rosalie, genannt Ro (12), ist die Anführerin der Blauen Gilde und die Urenkelin von Dornröschen. Ihr Markenzeichen sind ihre blauen Haare. Sie ist ein Ass im Tanzkarate und sieht manchmal die Zukunft voraus. Ihr Märchenschlüssel ist eine Kristallrose.

 

 

 

 

Will (13) stammt aus der Familie Der Wolf und die sieben Geißlein. Der Wolfswandler hat eine Schwäche für Bälle, Muffins und Marie. Wer behauptet, er hätte Flöhe, der lügt. Sein Märchenschlüssel ist ein Kieselstein.

 

 

 

 

Jake (13) ist der Urururur-Enkel von Rapunzel. Seine unglaublich tollen Haare haben Heilkräfte und er klettert mindestens genauso gut wie ein Polterhörnchen. Sein Märchenschlüssel ist ein Kamm.

 

 

 

 

Penelope, genannt Poppy (12), ist mit Rotkäppchen verwandt. Sie ist magnetisch begabt und hat das Talent, (fast) jeden Gegenstand mit Gedankenkraft zu sich ziehen zu können. Ihr Märchenschlüssel ist eine rote Beanie.

 

 

 

 

Ella (12) ist eine Nachfahrin von Aschenputtel und kann mit Tieren reden. Ihre Maus Miss Meggy hofft genauso sehr wie sie, dass sie zur Ballkönigin gewählt wird. Ihr Märchenschlüssel ist eine Haselnuss.

Pssst, kannst du ein Geheimnis bewahren?

Mir fällt das unglaublich schwer. Ungefähr so schwer, wie eine Tüte mit Nüssen nicht komplett leer zu futtern oder eine pralle graue Gewitterwolke daran zu hindern, in Strömen zu regnen. Und wenn man von der allerbesten Freundin mit grünen Gummibärchen bestochen wird, kann es schon mal passieren, dass man aus Versehen etwas Wichtiges ausplaudert, oder?

Zur größeren Bedrohung entwickelte sich allerdings das Geheimnis, das ich für mich behielt. Dadurch habe ich unwissentlich meine Freunde und mich in Gefahr gebracht. Vor allem Will.

Hallo, ich bin Marie Brunner und ich bin magisch begabt, weil ich eine Nachfahrin von Frau Holle bin. Aber das darf eigentlich niemand wissen. Ich hab es selbst erst vor ein paar Wochen erfahren.

Nachdem ich meiner Lehrerin versehentlich ein Stück Torte ins Gesicht geweht hatte, wurde ich zum Zauberkräfte-Training nach Fairy Tale Camp eingeladen. Dort konnte ich zusammen mit meinen neuen Freunden, der Blauen Gilde, den Bösewicht besiegen, der die Märchenwelt bedroht und meine Mutter in eine Kröte verwandelt hatte. Der Fiesling Frederick sitzt inzwischen seine Strafe in einem speziell gesicherten Gemälde aus Der gestiefelte Kater ab. Es hätte also alles so schön wie im Märchen sein können, wo es immer heißt: Und sie lebten glücklich bis an ihr Ende.

Aber mit dem Glück ist es so eine Sache. Manchmal hat es Dornen wie eine Rose. Auch mein Glück war ziemlich stachelig, denn die Märchenmagie war urplötzlich völlig außer Kontrolle geraten. Alle gaben mir die Schuld daran. Und das nur, weil ich eine Halbfairy bin und mir manchmal ein Zauber misslingt. Echt gemein! Ich geb mir doch wirklich Mühe!

Deshalb war ich fest entschlossen, das Rätsel der Märchenmagie zu lösen und herauszufinden, wer hinter den mysteriösen Vorfällen im Internat von Schloss Fairy Tale steckte. Das gehörte zu den Aufgaben der Fairyhüter, die das Märchenreich und seine Bewohner schützten. Ich steckte zwar noch mitten in der Ausbildung, aber natürlich hoffte ich, dass ich mich von dem fiesen Verdacht befreien könnte, wenn ich den wahren Übeltäter entlarvte. Und zwar noch vor dem großen Ball, zu dem Märchenfamilien aus dem ganzen Land anreisen würden.

Mein Plan klang gut, doch er ging ziemlich in die Hose. Und das nur, weil noch jemand im Schloss ein großes Geheimnis hütete. Deshalb hatte ich auch keinen Schimmer, dass ausgerechnet die schwierige Fairyhüter-Prüfung für meine Freunde und mich zur lebensgefährlichen Falle werden würde …

Aber vielleicht sollte ich besser der Reihe nach erzählen.

Alles fing damit an, dass ich mich von meiner besten Freundin Charlie verabschieden musste und einen Drohbrief erhielt …

„Das wird so öde ohne dich! Ich wünschte, ich könnte mit ins Schloss kommen. Kannst du mich nicht einfach mit reinschmuggeln?“ Charlie warf mir einen treuen Hundeblick zu und klimperte mit den Wimpern.

Wir saßen zu Hause in meinem Zimmer auf dem Bett und betrauerten das Ferienende, das gleichzeitig das Ende unserer gemeinsamen Schulzeit darstellte. In den vergangenen Wochen hatte ich bereits Fairy Tale Camp besucht, jetzt würde ich ganz auf das Internat im Schloss wechseln. Zum einen, weil meine Mutter dort die neue Schulleiterin war, zum anderen, weil meine Lehrerin Frau Schneeberger dann keinen Vergessenszauber bei allen möglichen Mitmenschen anwenden musste, wenn mir meine magische Gabe mal wieder außer Kontrolle geriet. Im Internat stammten nämlich alle von Märchenfamilien ab und hatten unterschiedliche Zauberkräfte. Es wunderte sich daher niemand, wenn es im Unterricht mal schneite. Charlie hingegen war aus allen Wolken gefallen, als ich es bei unserer wilden Kissenschlacht gestern versehentlich im Zimmer hatte donnern und blitzen lassen. Und sie war völlig baff, als ich ihr daraufhin mein streng gehütetes Geheimnis anvertraute.

„Wir sind wie Bibi und Tina“, beharrte Charlie. „Du bist die Hexe und ich bin deine treue Helferin und Freundin. Du könntest mich einfach unsichtbar zaubern und ins Schloss mitnehmen.“

„Pst!“, zischte ich. „Außerdem funktioniert die Magie so nicht!“ Ich warf ein Kissen nach ihr, das sie geschickt auffing. „Ich bin auch keine Hexe. Ich kann nicht einfach so was zaubern, sondern nur das Wetter beeinflussen. Und selbst das klappt nicht immer gut.“

Okay, genau genommen konnte ich außerdem mit meiner magischen Feder Zeichnungen für kurze Zeit zum Leben erwecken. Ich hatte schon mal auf diese Weise einen Apfel und ein Eis herbeigezaubert.

Bin ich also doch eine Hexe? Soll ich Charlie von meiner Feder erzählen? Nein, das geht nicht.

Ich verstieß schon gegen die Regeln, weil ich sie in meine Wettergabe eingeweiht hatte.

„Ich find’s so krass, dass du dir ein Zimmer mit einer echten Prinzessin teilst!“ Charlie hielt mir die Tüte mit den Gummibärchen hin. „Musst du jedes Mal einen Hofknicks machen, wenn du Rosalie begegnest? Weil sie doch von Dornröschen abstammt und ihre Oma eine Königin ist?“

„Da käme ich aus dem Knicksen ja gar nicht mehr raus“, antwortete ich. „Ro ist ja nicht die einzige Prinzessin dort. Außerdem legt sie auf so was keinen Wert. Sie ist so normal wie du und ich. Und unter uns: Sie schnarcht wie ein Bär.“ Knisternd angelte ich mir ein gelbes Gummibärchen aus der Tüte und schob es mir in den Mund.

Charlie zog einen Flunsch. „Womöglich hängst du aber jetzt lieber mit deinen neuen Freunden ab. Gegen die bin ich total langweilig. Rosalie hat so tolle blaue Haare, Poppy ist echt schlau und Ella hat sogar ’ne Maus. Ganz zu schweigen von Will und Jake, die sind total cool.“ Sie klapperte mit den Wimpern und seufzte theatralisch. „Du wirst mich bestimmt vergessen, wenn du erst auf dem Schloss zur Schule gehst.“

„Niemals!“, beteuerte ich. „Und so toll ist das alles auch nicht. Mein neues Leben hat mehr Nachteile als Vorteile. Es ist verwirrend, angsteinflößend und kann damit enden, dass man ins Gras beißt. Und das meine ich wortwörtlich. Echt jetzt, das Camp ist lebensgefährlich.“

Ich dachte an die verschiedenen Aktionen, die ich mit meinen Märchenfreunden, der Blauen Gilde, bereits erlebt hatte. Manche davon waren wirklich ziemlich haarsträubend gewesen. Wir waren sogar von fiesen Bösewichten in einem Zauberduell beinahe in Frösche verwandelt worden.

„Dafür kannst du auf Einhörnern reiten und bist mit echten Adeligen zusammen.“ In Charlies Augen trat ein verträumter Blick. „Prinz Jake ist schon ziemlich schnuckelig.“

Oha. Das Gespräch ging in eine Richtung, die mir nicht gefiel. Schnell versuchte ich, das Thema zu wechseln.

„Das Einhorn Herbert ist ziemlich eigen bei der Frage, wer sich auf seinen edlen Rücken setzen darf“, warf ich ein. Herbert stammte aus dem Märchen Das tapfere Schneiderlein und hielt sich für einen Fabelwesen-Promi, trotzdem hatte er uns schon mehrmals aus einer Patsche befreit. „Wir durften nur ausnahmsweise auf ihm reiten, wenn wir in Gefahr waren. Und er hat mindestens einen so ausgeprägten Frisurenfimmel wie Jake.“ Das Wort Prinz schenkte ich mir absichtlich. Jake war zwar ein Nachfahre von Rapunzel, aber wie Ro legte er keinen Wert auf königliches Getue. „Die beiden hassen es, wenn ihre Mähne strubbelig wird, weil mir versehentlich mal ein Windstoß entfährt oder ein Regenguss“, fuhr ich fort. Was mir immer noch oft genug passierte, auch wenn ich meine Kräfte inzwischen schon besser im Griff hatte. „Du hättest sehen sollen, wie Jake sich und Herbert den Kopf mit rohen Eiern gewaschen hat, weil die angeblich so supergut pflegen. Es hat ewig gedauert, die klebrige Soße wieder rauszubekommen.“ Grinsend blies ich mir eine Haarsträhne aus der Stirn.

Charlie lachte. „Bestimmt sah das lustig aus. Hätte ich gern gesehen.“ Sie fummelte in der Tüte auf ihrem Schoß und fischte nach grünen Gummibärchen. Meine Lieblingssorte. „Kannst du mir deine Zauberkünste nicht noch mal zeigen, wenn ich schon nicht ins Schloss mitkommen kann?“

„Hm, ich weiß nicht …“ Ich knabberte an meiner Unterlippe.

„Ach, bitte. Die bunten Schneeflocken waren so cool. Ich wüsste gern, was du sonst noch kannst. Du bekommst auch alle grünen Gummibärchen.“ Sie hielt mir die ausgestreckte Hand hin, auf der sieben grüne Bärchis lagen.

Ich seufzte. „Also gut. Unter einer Bedingung: dass du auf keinen Fall und unter keinen Umständen jemals jemandem etwas darüber verrätst.“

„Ja, klar. Ich schwöre.“ Charlie hob drei Finger hoch und legte die andere Hand aufs Herz.

„Ich kenne da einen ganz besonderen Blutsschwesternschwur.“ Ich grinste, als ich an den Eid dachte, mit dem Ro mich anfangs im Schloss zum Schweigen verpflichtet hatte. „Sprich mir nach.“ Ich verschränkte meine Finger mit denen von Charlie und sagte feierlich:

„Spinnen in den Ecken,

Fliegen an den Decken

sollen unsere Zeugen sein,

wenn wir schwören Stein und Bein,

dass wir Schweigen wählen,

niemandem erzählen.

Breche ich den Eid,

tut’s mir furchtbar leid.

Stinkende Warzen sollen mich quälen

und sich wie Würmer aus der Haut rausschälen.“

Charlie entzog mir ihre Hand. „Bäh, das ist eklig!“

Ich verhakte die Finger wieder mit ihren und schaute sie so lange an, bis sie die letzte Zeile wiederholte.

„Mir werden aber nicht wirklich stinkende Würmerwarzen

wachsen, wenn ich mich verplappere?“, fragte sie ängstlich.

Ich grinste frech. „Das wirst du wohl erst wissen, wenn es passiert.“

„Waaas?“ Charlie sah mich mit schreckgeweiteten Augen an und wich ein Stück zurück. „Also bist du doch eine Hexe?“

Oh-oh! Das wollte ich nicht. Zum ersten Mal verstand ich, was Frau Schneeberger mit der Bemerkung meinte, dass Menschen Angst vor unserer Magiebegabung hätten.

Vor vielen Jahrhunderten hatte sie sogar zu einem Krieg in der Märchenwelt geführt, weil man so viele Gerüchte über die Magie und die Märchenfamilien verbreitete. Mein Urahn Arkantus hatte lange im Verdacht gestanden, der größte Bösewicht aller Zeiten zu sein. Deshalb hüteten die Märchenfamilien ihre Geheimnisse inzwischen und weihten niemanden ein. Sie setzten ihre Gaben jedoch für gute Zwecke ein, das verlangte der Ehrenkodex.

„Quatsch, nein! Das war nur ein Scherz“, sagte ich rasch.

„Aber kein guter.“ Sie verpasste mir einen Schlag mit dem Kissen. Sichtlich erleichtert lehnte sie sich zurück. „Zeigst du mir jetzt deine Gabe?“

„Okay, wenn du drauf bestehst.“ Ich konzentrierte mich und gleich darauf kam Wind in meinem Zimmer auf. Unsere Haare flatterten. Wie in Zeitlupe bildete sich eine kleine Wolke, aus der kleine bunte Schneeflocken rieselten. Diesen Zauber hatte ich erst vor Kurzem bei Frau Holle gelernt.

„Wow, Wahnsinn!“, staunte Charlie. „Das ist so cool, Marie!“

„Danke!“ Freude sprudelte in mir hoch und ich formte mit den Händen ein Herz. Ups, böser Fehler! Der Schnee wurde mit der Handbewegung zum Sturm. Ein Windstoß stieß mein Glas auf dem Tisch um und der Inhalt ergoss sich über mein Mathebuch. Verflixt!

„Na ja. Es wäre noch cooler, wenn ich das besser beherrschen würde. Siehst du? So gut bin ich in dem ganzen Zauberkram nicht.“ Ich stellte rasch das Glas auf und rettete das Mathebuch aus dem Limo-See. Na toll, völlig durchweicht.

„Mach dir nichts draus. Ich sag es bestimmt nicht weiter!“, beteuerte Charlie und grinste mich an. „Aber etwas darf auf keinen Fall ein Geheimnis bleiben. Also, sag schon: Wen findest du süßer – Will oder Jake?“ Sie musterte mich kurz. „Ich tippe auf Will, stimmt’s?“

Ich spürte, wie mir warm wurde. „Charlie! Ich kenne ihn doch noch gar nicht so lange. Außerdem hatten wir echt viel zu tun.“

„Ich bin sicher, er mag dich auch“, stellte sie fest.

„Hm, ich weiß nicht. Im Moment sind alle wegen des großen Balls ganz aus dem Häuschen. Da kommen alle Familien zusammen, um die Magie in den Märchenbildern zu stärken. Und dann ist da noch die Prüfung …“ Ich biss mir auf die Lippe. Als Fairyhüterin würde ich so etwas wie eine Feuerwehrfrau sein: Ich würde kaputte Märchen retten, mit neuer Magie aufladen und fiese magische Fallen entschärfen. Anfangs wollte ich das unbedingt werden, um in den Märchen meine verschwundene Mutter zu suchen. Jetzt war meine Mutter wieder da und das Vorhaben erschien mir hauptsächlich gefährlich. Aber Ro wollte unbedingt die beste Fairyhüterin aller Zeiten werden und immerhin gehörte ich zu ihrer Gilde.

„Musst du diese Prüfung denn unbedingt machen?“, wollte Charlie wissen.

„Ja, schon. Ich will meine Freunde nicht im Stich lassen. Und Mama …“ Ich seufzte. „Ich will sie nicht enttäuschen. Sie freut sich doch so, dass ich in ihre Fußstapfen trete. Und sie ist auch die neue Schulleiterin. Wie peinlich muss es für sie sein, wenn ich versage oder kneife.“

Und wie peinlich wäre das erst für mich! Die ganze Schule würde über mich lachen. Na ja, außer meinen neuen Freunden. Ich hatte das Gefühl, dass ich im Internat noch immer nicht richtig dazugehörte.

„Hey, du schaffst das schon!“, erwiderte Charlie. Sie umarmte mich. „Noch hast du ja Zeit zum Üben. Vielleicht kannst du alle mit dem Ergebnis bei der Prüfung beeindrucken.“

„Ja, vielleicht.“ Ich war mir nicht so sicher. Und da war noch etwas, was mir Sorgen machte. Nervös griff ich in die Tasche meines Hoodies. Der anonyme Brief, den ich mit mir herumtrug, verhieß nichts Gutes. Ich hatte ihn vor ein paar Tagen erhalten und kannte die Worte inzwischen auswendig.

Ich hatte den Brief Charlie gezeigt, aber die fand nichts Auffälliges daran. Sie meinte bloß, ich hätte einen heimlichen Verehrer, und tippte auf Will. Was ich mir überhaupt nicht vorstellen konnte. Will würde mit mir reden. Ganz sicher! Für mich hörten sich die Worte eher wie eine versteckte Drohung an. Das würde zu Severin passen, dem Anführer der Königlichen Karotten. Die Gilde war unser Gegner bei der Prüfung und Severin ließ sich bei jeder Gelegenheit deutlich anmerken, dass er mich nicht leiden konnte. Er würde nicht davor zurückschrecken, mich vor der Prüfung zu verunsichern, um unseren Erfolg zu gefährden. Ebenso wie Kassandra und Hektor, die auch zu seiner Gilde gehörten. Auch ihnen traute ich so einen anonymen Brief zu. Ich wollte nicht, dass sich meine Eltern Sorgen machten, deshalb hatte ich das Geschreibsel niemandem gezeigt. Dennoch war ich fest entschlossen, herauszufinden, von wem die Zeilen stammten.

„Schreib mir unbedingt, wie die Prüfung gelaufen ist“, schlug Charlie vor und riss mich aus meinen Gedanken.

„Ich darf doch im Schloss kein Handy benutzen. Außerdem hat man im Wald sowieso kaum Empfang.“

„Boah, wie nervig.“ Charlie knabberte an ihrem Fingernagel. „Aber Computer habt ihr doch, oder?“

Ich nickte.

„Dann schreib ich dir über Mail. So können wir uns auf dem Laufenden halten.“

„Gute Idee“, stimmte ich zu.

Ein Klopfen an der Tür ließ uns aufhorchen. Gleich darauf streckte meine Mutter den Kopf zur Tür herein. Nur eine breite grüne Strähne im Haar zeugte noch davon, dass sie einmal eine Kröte gewesen war.

„Charlie, dein Vater ist da, um dich abzuholen.“

„Komme schon.“ Seufzend packte Charlie ihre Sachen zusammen. „Ich werde dich so vermissen, Marie.“

„Und ich dich!“ Ich umarmte sie und flüsterte: „Und denk dran: kein Wort zu niemandem. Vor allem nicht zu deinen Eltern. Wegen der Würmerwarzen.“ Ich grinste.

„Natürlich nicht, für wen hältst du mich? Für jemanden, der Warzen cool findet?“ Sie lachte unsicher. „Abschiedsgruß?“

„Abschiedsgruß.“ Ich hakelte meinen kleinen Finger in ihren ein, dann schlugen wir uns dreimal gegen die Hände und formten ein Herz, ehe wir meiner Mutter in den Flur folgten.

„Hallo, Herr Andersen“, begrüßte ich Charlies Vater. Er stand im Flur und setzte ein Lächeln auf, als er uns entdeckte.

„Hallo, Marie. Ich habe deiner Mutter gerade erzählt, wie schön ich es finde, dass sie Fairy Tale Castle übernommen hat. Ich bin schon gespannt auf die Modernisierungsmaßnahmen. Ehrlich gesagt, von außen sieht es ziemlich baufällig aus, nicht so, wie man sich ein Schloss vorstellt.“ Er lachte gekünstelt. „Ich finde es ... außergewöhnlich, dass dort eine Schule eingezogen ist.“

„Eine Privatschule für … öhm … hochbegabte Kinder“, sagte meine Mutter. „Das war die Bedingung des … äh … Vorbesitzers, der es uns … nun ja, gestiftet hat.“

„Vielleicht kann meine Charlie ja auch Ihren Eignungstest machen. Ich finde sie sehr begabt. Mindestens so begabt wie Marie. Nicht wahr, Charlie? Du hast in Mathematik immer die besseren Noten gehabt.“ Wieder lachte er.

„Mal sehen“, murmelte meine Mutter. Sie fühlte sich sichtlich unwohl. „Das ist nicht allein meine Entscheidung. Es gibt … äh … Stiftungsvorschriften, die wir einhalten müssen. Wer aufgenommen wird, entscheidet ein Komitee.“

„Mensch, Papa“, mischte sich Charlie ein. „Vielleicht will ich die Schule gar nicht wechseln.“

„Wie dem auch sei, in meiner Eigenschaft als Leiter des Ordnungsamts muss ich mir das Schloss demnächst einmal ansehen. Um festzustellen, ob alle Vorschriften und Auflagen des Landes für Schulen eingehalten werden.“ Er schwadronierte eine Weile über Brandschutz und Sicherheitsvorkehrungen.

Ich fing Charlies Blick auf, die mit den Augen rollte.

Herr Andersen hüstelte leicht. „Und ich würde mich freuen, wenn ich meine Charlie in Ihrer Schule anmelden kann, sobald dieses Wolfsproblem geklärt ist.“

„Welches Wolfsproblem?“, fragte Mama rasch.

„Ach, Sie wissen gar nichts davon? Eigenartig. Im Wald wurden Wölfe gesichtet! Wir haben durch einen Anruf davon erfahren.“ Herr Andersen zog grimmig die Augenbrauen zusammen. „Diese Viecher sollte man abschießen, bevor sie noch ein Schaf reißen oder schlimmer – Spaziergänger angreifen.“

„Sie wollen die Wölfe töten?“, fragte ich erschrocken. Mein Herz schlug schneller. Einen der Wölfe, die sich angeblich im Wald herumtrieben, kannte ich persönlich. Und der mochte ganz sicher keine Schafe, sondern viel lieber Blaubeermuffins. Mein Freund Will war nämlich ein Wolfswandler, aus dem Märchen Der Wolf und die sieben Geißlein. Ich wollte ganz bestimmt nicht, dass er in Gefahr geriet. Auf jeden Fall musste ich ihn warnen.

Charlie zog die Brauen hoch. Ich plinkerte ihr heftig zu, damit sie bloß nichts ausplauderte.

„Krass!“, sagte sie. „Ich geh auf keinen Fall auf eine Schule, in der mich ein Wolf auf dem Weg auffressen könnte wie Rotkäppchen im Märchen.“ Ihre Augen wirkten plötzlich riesig. Sie flüsterte mir zu: „Meinst du, diese Raubtiere sind magische Märchen-Werwölfe, die unsere Stadt angreifen wollen?“

„Was? Nein!“, zischte ich zurück. „Niemand will die Stadt angreifen. Das weiß ich ganz sicher.“

„Trotzdem musst du echt gut auf dich aufpassen, Marie.“ Besorgt packte Charlie mich am Arm und blickte mich beschwörend an.

„Ich hab keine Angst vor Wölfen“, sagte ich nachdrücklich.

„Ich kann meiner Tochter nur zustimmen“, meinte Herr Andersen. „Die Gefahr ist nicht zu unterschätzen. Sie sollten sich überlegen, ob Sie die Schule evakuieren, bis dieses Problem gelöst ist, Frau Brunner. Der Bürgermeister hat den Förster beauftragt, die Tiere mit Betäubungspfeilen zu jagen und in ein unbewohntes Gebiet umzusiedeln.“

Mama blieb ganz ruhig. „Finden Sie diese Maßnahmen nicht reichlich übertrieben? Bisher haben wir keinen Wolf gesehen. Sicher sind das nur streunende Hunde, die Spaziergänger von der Leine gelassen haben. Wie mir scheint, müssen wir uns vielmehr vor Jägern in Acht nehmen. Wie auch immer: Vielen Dank, dass Sie uns Bescheid gegeben haben.“ Sie öffnete die Tür, als wollte sie den Gast rauswerfen.

„Melden Sie sich, falls Sie eine Evakuierung der Schule in Betracht ziehen und Hilfe benötigen“, meinte Herr Andersen. „Oder falls ein Platz für meine Charlie frei wird.“ Er lachte leicht.

„Natürlich“, sagte Mama. Ich bemerkte, wie sie die Finger hinter dem Rücken kreuzte.

„Bis nächsten Samstag im Eiscafé, ja?“, sagte ich zu Charlie. „Und schreib mir.“

„Auf jeden Fall. Bring Jake mit. Und die anderen“, schob sie nach einer kurzen Pause nach und zwinkerte mir zu.

Ich erwiderte das Lächeln. Es war so schön, sich endlich mit jemandem über all diese unglaublich magischen Dinge austauschen zu können, der darüber genauso erstaunt war wie ich. Die ganze Zeit hatte ich ein schlechtes Gewissen gehabt, weil ich Charlie so wenig verraten durfte. Allerdings hatte ich jetzt ein komisches Gefühl, weil ich ihr so viel von der magischen Welt erzählt hatte. Ob das ein Fehler gewesen war? Charlies Bemerkung über die Wölfe ging mir nicht aus dem Kopf. Auf keinen Fall wollte ich, dass meine beste Freundin Angst vor mir oder meinen neuen Freunden bekam.

Ich winkte noch, bis das Auto von Charlies Vater hinter der nächsten Kurve verschwunden war, dann schmiegte ich mich an Mama. „So, so, Fairy Tale Camp ist eine Schule für Hochbegabte, ehrlich?“

Mama rümpfte die Nase. „Mir ist auf die Schnelle keine bessere Ausrede eingefallen.“ Sie grinste. „Und für mich bist du hochbegabt.“

„Na ja, ich bin höchstens hochbegabt darin, Bücher nass zu machen.“ Ich holte das tropfende Exemplar aus meinem Zimmer und zeigte es ihr.

„Vielleicht sollten wir für dich wasserfeste Bücher besorgen.“ Meine Mutter kicherte.

Ich lachte mit, doch ich wurde gleich wieder ernst. „Glaubst du, Will ist in Gefahr, wenn die jetzt wirklich Jagd auf Wölfe machen? Oder vielleicht auch Herr Zwack?“ Unser Lehrer für magische Gefahren war auch ein Gestaltwandler, und zwar ein Bär. Er stammte aus dem Märchen Schneeweißchen und Rosenrot.

„Mach dir nicht so viele Sorgen.“ Mama stupste mich gegen die Nase. „Ich werde unseren Gestaltwandlern Bescheid geben, dass sie den Wald nur in Menschengestalt betreten sollen. In Fairy Tale Camp sind sie sicher. Dafür werden ich und die anderen erwachsenen Fairys schon sorgen.“

„Puh, das ist gut“, sagte ich beruhigt.

„Und ich informiere den Naturschutzverein. Die sind sicher auch dagegen, dass auf Wölfe geschossen wird.“

„Gute Idee.“ Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Hab ich dir heute schon gesagt, wie froh ich bin, dass du wieder da bist? Ich hab dich so vermisst.“

Mama lachte und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Ich hab dich auch sehr vermisst. Es macht mich traurig, dass ich so viele Jahre mit dir verpasst habe. Aber ich freue mich, dass du in meine Fußstapfen treten willst. Du wirst die Prüfung zur Fairyhüterin sicher glanzvoll bestehen.“

Oje, wie kann sie sich so sicher sein, dass ich es nicht vermassele?

Ich hatte ein total mulmiges Gefühl bei der Sache. Aber klar, Mama wusste ja auch nicht, dass mein Kopf regelmäßig bei Klassenarbeiten plötzlich wie leer gefegt war. Das konnte ich ihr aber auf keinen Fall gestehen. Ich wollte sie nicht schon vorher enttäuschen.

„Wisst ihr denn schon, wann die Prüfung stattfinden soll?“, fragte ich nervös. „Ich habe noch keine Einladung erhalten.“

„Das muss ich mit Griseldis besprechen. Es ist einiges dafür vorzubereiten. Sicherlich wird der Termin aber vor dem Erneuerungsfest liegen, denn die Verleihung der Hüterbroschen findet traditionell dort statt.“ Sie lächelte mich an. „Ich freue mich schon darauf, dich im Ballkleid zu sehen und dir die Hüterbrosche zu übergeben.“

Ich strich gedankenverloren über mein Armband. Ich hatte es von Mama bekommen. Die Anhänger waren Erinnerungen an all die Märchen, die sie bereits besucht hatte. „Irgendwann musst du mir noch mal mehr von deinen Abenteuern als Fairyhüterin erzählen. Ich bin so gespannt“, sagte ich, um abzulenken.

„Gern, mein Schatz. Aber du machst dich als Märchenretterin auch nicht schlecht. Ich bin unglaublich stolz auf dich.“ Sie drückte mich an sich und plötzlich umarmte ich eine Kröte.

„Woah!“, sagte ich und setzte sie vorsichtig ab. Ich konnte mich immer noch nicht daran gewöhnen, dass meine Mutter jetzt auch eine Gestaltwandlerin war. Der Fluch, der sie getroffen hatte, konnte nicht ganz gebannt werden. Immerhin war sie nicht mehr dauerhaft in Krötengestalt unterwegs.

„Entschuldige, Marie.“ Mama quakte kurz und verwandelte sich zurück. „Das geschieht immer nur, wenn ich aufgeregt oder besonders glücklich bin.“

Wie bei mir mit den Wetterzaubern. Manchmal – okay, ziemlich oft – spiegelten sich meine Gefühle in einem Magieausbruch.

„Zum Glück ist dir das nicht passiert, als Charlies Vater hier war“, sagte ich lachend.

„Ja. Das wäre schwierig zu erklären gewesen.“

„Was wäre schwierig zu erklären gewesen?“ Paps stieß die Haustür auf. In seinen Armen stapelten sich drei Pizzaschachteln, auf denen ein Eimer Popcorn thronte. Er gab erst Mama, dann mir einen Kuss auf die Wange.

„Och, ist nicht so wichtig“, sagte ich und zwinkerte Mama verschwörerisch zu. Ich war froh, dass Omimi das nicht mitbekommen hatte. Sie hatte Augen wie ein Luchs, aber zum Glück war sie mit ihrer Freundin, unserer Nachbarin, auf einem Wellness-Wochenende, damit wir als Familie zusammenwachsen konnten. Hatte sie genau so gesagt.

„Na, wenn das so ist. Schaut mal, was ich uns auf dem Rückweg mitgebracht habe.“ Er wedelte mit den Pizzaboxen und dem Eimer. „Haben meine beiden Zauberfeen Lust auf einen Filmabend?“

„Aber sicher!“ Ich schnappte mir das Popcorn und flitzte voraus ins Wohnzimmer.

„He, das ist der Nachtisch!“, rief Paps mir hinterher. „Abendbrot gibt’s in der Küche.“

„Können wir nicht ausnahmsweise im Wohnzimmer essen?“, maulte ich.

„Also schön, ausnahmsweise“, meinte Mama.

Papa verzog das Gesicht, erhob aber keine Einwände.

„Prima!“, rief ich fröhlich. Während Papa Teller und Küchenpapier als Servietten holte und Mama für Getränke sorgte, startete ich den Film.

Mit einem Stück Käse-Pizza in der Hand kuschelte ich mich dann gemütlich auf dem Sofa zwischen meine Eltern und war einfach nur glücklich.

Erst später, als ich ins Bett gehen wollte, bekam mein Glück einen Dämpfer. Im Flur entdeckte ich eine Postkarte, die jemand unter der Haustür durchgeschoben haben musste. Neugierig betrachtete ich sie. Auf der Vorderseite befand sich ein Bild von einem Brunnen mit einem Reh. Ich drehte die Karte um. Auf der Rückseite standen nur zwei Sätze in krakeliger Schrift:

Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Wer schrieb mir schon wieder eine anonyme Nachricht? Sollte das ein mieser Scherz sein? Falls ja, kamen dafür eigentlich nur die Königlichen Karotten infrage.

Kurz überlegte ich, ob ich Mama von der Postkarte erzählen sollte, entschied mich aber dagegen. Ich wollte nicht, dass sie mir womöglich vorsorglich verbot, an der Fairyhüter-Prüfung teilzunehmen. Das konnte ich nicht riskieren, um die Blaue Gilde nicht zu enttäuschen. Und mit den Karotten wurde ich schon fertig. Ich war mir sicher, dass ich dabei auf meine Freunde zählen konnte.

Ich straffte die Schultern. Ganz egal, wer du bist, ich lasse mir keine Angst einjagen!

Fest entschlossen, herauszufinden, ob Severin oder jemand aus seiner Gilde hinter den rätselhaften Zeilen steckte, packte ich die Karte in meinen Rucksack und ging ins Bett.

Am Sonntagnachmittag radelte ich mit Mama zum Schloss, da am nächsten Tag der Unterricht wieder beginnen sollte. Zum ersten Mal freute ich mich richtig auf die Schule. Oder besser gesagt, auf meine Freunde, vor allem auf Will. Fairy Tale Camp lag in einem Wäldchen etwas außerhalb unserer kleinen Stadt Rosenstein. Um den Wald rankten sich allerlei Sagen und Geschichten. Richtig fiese Räuberbanden sollten hier früher gehaust haben. Und angeblich war Schneewittchen über die sieben Berge quer durch diesen Wald vor der bösen Königin zu den sieben Zwergen geflohen. Früher hätte ich das als erfunden abgetan, inzwischen wusste ich, dass die Geschichte zumindest zum Teil stimmte.

Unwillkürlich überlief mich ein unheilvolles Prickeln, als ich in den Schatten der hohen Bäume eintauchte. Am Anfang des breiten Wegs stand ein Waldarbeiter, der mit einem Hammer ein Schild in den Boden rammte: ein rotes Dreieck mit einem heulenden Wolf darin. Darunter prangte auf weißem Untergrund die Warnung:

Der Mann nickte uns zu, als wir vorbeiradelten.

„Was die wohl machen würden, wenn Berro als Bär hier durchläuft?“, meinte Mama in leichtem Ton, doch eine steile Falte furchte ihre Stirn.

Ich biss mir auf die Lippe. Wenn Will einen Ball sah oder einen Muffin roch, konnte es passieren, dass er sich versehentlich in einen Wolf verwandelte. Der Gedanke, dass er oder unser Lehrer Herr Zwack im Wald in Gefahr schwebten, gefiel mir gar nicht.

Schweigend fuhren wir an hohen Bäumen und struppigen Sträuchern vorbei. An einer Gabelung bogen wir nach links ab. Vögel zwitscherten, die Luft roch nach Tannennadeln und die Sonne drängelte sich durch die Blattkronen und malte helle Tupfen auf den Boden. Wir radelten weiter, bis der Weg vor einem Busch mitten im Nichts endete. Ich stieg vom Rad und schob es über den gut versteckten Trampelpfad, der sich zwischen dicken Stämmen hindurchschlängelte. Mama folgte mir und es wirkte fast so, als ob die Sträucher ihre Äste rücksichtsvoll einzogen, um uns Platz zu machen.

Schließlich erreichten wir eine hohe Mauer, die von einer dichten Rosenhecke mit unzähligen roten und weißen Blüten bewachsen war. Kurz warf ich einen Blick zu dem mit Efeu überwucherten Brunnen in der Nähe, dann ging ich zielsicher auf die Mauer zu. Stolz berührte ich meine Froschbrosche und enthüllte die verborgene Tür in der Mauer. Knarzend schwang sie auf. Wir schoben die Räder durch den schmalen Eingang in der Hecke, der sich raschelnd wieder hinter uns schloss.