Fairy Tale Camp 3: Das Geheimnis der Märchenwelt - Corinna Wieja - E-Book

Fairy Tale Camp 3: Das Geheimnis der Märchenwelt E-Book

Corinna Wieja

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Beschreibung

Das gibt's nur im Märchen? Dachte Marie auch!  Marie kommt bei dem Fairyhüter-Training ganz schön aus der Puste und ist zudem vom Pech verfolgt: Sie hat zwar endlich ihre Mutter gefunden, doch die ist leider eine Kröte! Zudem bedroht der unheimliche Maskenmann die Märchenwelt. Um den Schurken zu stellen und den Fluch zu bannen, müssen Marie, Ro und ihre Freund*innen den sagenumwobenen goldenen Apfel finden und sich drei Prüfungen stellen. Die Spur des Rätsels führt Marie zu ihrem ganz eigenen Märchen ... Eine märchenhaft-magische Welt für Mädchen ab 10 - humorvoll erzählt und im lockeren Sketching-Stil illustriert Band 3 der zauberhaften Märchenreihe

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Corinna Wieja

Fairy Tale Camp – Das Geheimnis der Märchenwelt

Mit Bildern von Frau Annika

Das gibts nur im Märchen!

Marie kommt beim Fairyhüter-Training im Märcheninternat ganz schön aus der Puste und ist zudem vom Pech verfolgt: Alles was sie tut, geht plötzlich schief! Außerdem ist ihre Mutter immer noch eine verzauberte Kröte und der unheimliche Maskenmann bedroht die Märchenwelt. Um den Schurken zu stellen und den Fluch zu bannen, müssen Marie und ihre Freunde den sagenumwobenen goldenen Apfel finden und sich drei Prüfungen stellen. Die Spur des Rätsels führt Marie zu ihrem ganz eigenen Märchen …

Wohin soll es gehen?

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Personenvorstellung

Anhang

Viten

 

 

Marie (12) stammt aus der Frau-Holle-Familieund besitzt eine magische Mal-Feder, die auch ihr Märchenschlüssel-Symbol ist. Sie ist noch nicht lange in Fairy Tale Camp und hofft, in der Märchenwelt ihre verschwundene Mutter zu finden. Die Anhänger ihres Glücksarmbands führen sie vielleicht auf die richtige Spur.

 

 

 

 

 

Rosalie, genannt Ro (12), ist eine waschechte Prinzessin und Nachfahrin von Dornröschen. Außerdem ist sie die Anführerin der Blauen Gilde – behauptet sie jedenfalls. Sie kann in die Zukunft sehen und ist Weltmeisterin im Augenverdrehen. Ihr Märchensymbol ist eine gläserne Rosenblüte.

 

 

 

 

 

Will (13) gehört zur Familie Der Wolf und die sieben Geißlein. In Wolfsgestalt ist er blitzschnell und seine feine Nase lässt ihn selten im Stich. Außerdem ist er ein prima Lianen-Beschwörer und Einhorn-Flüsterer. Sein Märchenschlüssel ist ein kleiner blauer Stein.

 

 

 

 

 

Jake (13) ist der Urururur-Enkel von Rapunzel. Besonders stolz ist er auf seine heilenden Haare und seine tolle Frisur. Er ist nie um einen Spruch verlegen und reißt seine große Klappe am liebsten bei Kabbeleien mit Will auf. Sein Märchenschlüssel-Symbol ist ein Kamm.

 

 

 

 

 

Penelope, genannt Poppy (12), ist mit Rotkäppchen verwandt. Da sie ihre magische Gabe noch nicht kennt, unterstützt sie die Blaue Gilde im Hintergrund. Ihr größter Schatz ist ihr Wissen, womit sie ihren Freunden aus so mancher Falle hilft. Ihr Märchenschlüssel ist ihre rote Mütze.

 

 

 

 

 

Ella (12) ist eine Nachfahrin von Aschenputtel und versteht die Sprache der Tiere. Wie Poppy ist sie im „Team Wissen“ und unterstützt die anderen mit wertvollen Informationen. Ihre Maus Miss Meggy gibt ihr dafür oft wertvolle Tipps. Ihr Märchenschlüssel ist eine Haselnuss.

Hast du schon mal was versemmelt? So wirklich gründlich vermurkst? So was wie den Fleck im geliehenen Lieblingsshirt deiner besten Freundin oder Schwester vielleicht? Einen extrem vergeigten Elfmeter im Pokal-Endspiel? Oder die Fünf in der Arbeit, weil dein Kopf plötzlich wie leer gefegt war, obwohl du gelernt hattest?

Falls ja, dann weißt du ungefähr, wie ich mich fühlte. Falls nein, sei froh, denn das fiese Grummeln, das ich verspürte, fühlte sich an, als ob tausend Steine durch meinen Bauch kullerten.

„Das ist übel, richtig übel“, stöhnte ich.

„Willkommen in meiner Welt“, sagte mein Freund Will. „Echt nicht schön, der Bösewicht zu sein, was?“

Hallo, ich bin Marie Brunner und magisch begabt. Dadurch kann ich mich aus fast jeder Patsche retten, in die ich gerate. Also – eigentlich, denn nicht mal der hellste Blitz oder das lauteste Donnerrumpeln konnte mir in diesem Fall noch helfen. Meine Zauberkraft hatte diese Schwierigkeiten überhaupt erst verursacht. Genauer gesagt: die lila Glibberwolke, die meinetwegen im Klassenzimmer herumschwebte und für allerlei magische Nebenwirkungen sorgte. Und das nur, weil ich mir einen Pechbringer eingefangen hatte, der an mir klebte wie ein oller ausgespuckter Kaugummi an einem Turnschuh.

Inzwischen wusste ich, dass es in der Welt der Märchen Gute und Böse gab. Man musste die Rolle spielen, die einem zugedacht war, und mit meiner hatte ich bisher Glück gehabt. Mal ehrlich, es ist echt cool, das Wetter zu befehligen. Mit dem, was gerade passiert war, hatte ich mich allerdings unfreiwillig in Pechmarie verwandelt. Und diese Rolle behagte mir ganz und gar nicht. Vor allem, weil ausnahmslos alles, was ich anpackte, plötzlich schiefzugehen schien. Ich schluckte schwer und kämpfte tapfer gegen die Tränen an.

„Hey, gerate jetzt bloß nicht in Panik!“, warnte meine Freundin Ro und strich sich eine blaue Haarsträhne hinters Ohr. Als Prinzessin und Dornröschen-Nachfahrin war sie es gewohnt, Befehle zu geben. „Wenn du versehentlich ein Gewitter auslöst, wäre das gar nicht gut.“

Auf wundersame Weise war sie der Glibberwolke entgangen, ebenso wie meine Freunde Jake Rapunzel und Will, der Sieben-Geißlein-Wolf. Aber Poppy Rotkäppchen, Ella Aschenputtel und ihre Maus Miss Meggy, die ebenfalls zu unserem Team – der Blauen Gilde – gehörten, hatte es total erwischt. Und auch die Königlichen Karotten waren voller Glibber. So nannte sich die Gilde von meinem Erzfeind Severin, die mit uns die Ausbildung zu Fairyhütern machte. Unsere Aufgabe würde einmal darin bestehen, magische Fallen und Gefahren zu beseitigen. Nur die Besten wurden dafür ausgewählt und ich war stolz, dass ich dazugehörte. Also, bis zu diesem Zeitpunkt. Im Moment fühlte ich mich so mies wie nie zuvor.

Gerade erst hatte ich im Trainingsraum von Fairy Tale Castle eine magische Falle ausgelöst, die dafür sorgte, dass die Stimmen der Karotten so piepsig klangen, als hätten sie die Luft aus einem Heliumballon eingeatmet. Ganz zu schweigen von der lila Farbe in ihren Gesichtern, die sich trotz ihrer heftigen Wischversuche nicht beseitigen ließ. Severin hatte es besonders schlimm getroffen. Seine Haare wechselten die Farbe, als wäre er ein Chamäleon. Im Moment leuchteten sie spinatgrün – eine deutliche Verbesserung im Vergleich zum knalligen Lila davor. Allerdings waren sie immer noch so elektrisch aufgeladen, dass sie in alle Richtungen zuckten und blitzten.

Ein Poltern lenkte meine Aufmerksamkeit zur Mitte des Ganges. Dort flatterte Miss Meggy, der Flügel gewachsen waren, einem Glibberfetzen hinterher.

Ella und unsere Lehrerin Elinor von Erbs versuchten, sie einzufangen, damit nicht noch mehr Chaos entstand.

Tränen stiegen mir in die Augen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich dieses Missgeschick wieder hinbiegen sollte.

„Es tut mir so leid“, schluchzte ich. „Das wollte ich nicht!“

„Ja, schon klar!“ Ro packte mich an den Schultern. „Kein Mensch glaubt, dass du das mit Absicht getan hast.“

„Ha!“, piepste Severin. „Ich schon. Sie hat die Wolke garantiert gezielt auf mich gelenkt. Sie hätte nie zur Ausbildung zugelassen werden dürfen!“

„Red keinen Quatsch!“, sprang Will mir bei. „Marie würde so was Fieses niemals tun. Diese magischen Fallen sind nun mal echt tückisch. Das war ein Unfall.“

„Ja“, schniefte ich. „Ein Pech-Unfall.“

„Dann muss sie wegen Unfähigkeit vom Unterricht ausgeschlossen werden“, quiekte Severin weiter. „Sie bringt uns alle in Gefahr.“

„He, Marie, nicht weinen.“ Ro drückte mich kurz an sich. „Wir müssen einen kühlen Kopf bewahren.“

„Wann genau hat das mit der Pechsträhne eigentlich angefangen?“, wollte Will wissen. „Vielleicht können wir so rausfinden, ob du dir irgendeinen Fluch eingehandelt hast.“

„Ich weiß nicht genau.“ Ich biss mir auf die Lippe. „Es ist so viel passiert. Vorgestern, im Schlaraffenlandgarten, da bin ich in Greifenkacke getappt. Danach ist mir ein Apfel auf den Kopf gefallen. Und dann war da die Sache mit den kaputten Fahrstuhltreppen, die nur mich nicht tragen wollten. Gestern wollte meine Feder plötzlich nicht mehr malen. Und jetzt die Sache mit dem Glibber.“ Ich runzelte die Stirn. „Dann war da noch die seltsame Warnung von Wanda.“

„Pfff, die alte Knusperhexe solltest du nicht zu ernst nehmen“, sagte Jake. „Wir wissen, dass sie nicht alle Kekse in der Schachtel hat. Womöglich ist sie ja an der ganzen Sache schuld.“ Er tippte sich an die Stirn.

„Jake!“, schimpfte Ro. „Wanda mag seltsam sein, aber sie hat Marie bestimmt nicht verflucht.“

Sie blickte mich streng an. „Denk nach! Es muss etwas anderes gewesen sein als Greifenkacke oder herabfallende Äpfel. Hat dir jemand ein Geschenk gegeben? Oder hast du etwas gefunden?“

„Hm“, brummte ich. „Ja. Da war was.“ Unwillkürlich tastete ich nach meinem Glücksarmband, an dem seit Kurzem ein Frosch-Anhänger baumelte. „Ich glaube, der allererste Zwischenfall passierte an dem Tag, an dem wir den Märchensprung gemacht haben.“ Tief atmete ich durch. „Ich fürchte, ich bin dabei in eine Falle getappt …“

„Oha!“, meinte Will. „Die muss echt ausgeklügelt gewesen sein, wenn keiner von uns sie bemerkt hat! Am besten, du erzählst uns alles von Anfang an.“

Ich nickte, seufzte einmal tief und versuchte, mich an die Ereignisse zu erinnern.

Ein paar Tage zuvor hatte ich nur ein Ziel gehabt: Ich wollte meine Mutter von ihrem Fluch befreien. Die ist nämlich eine Kröte. Ja, genau. Du hast dich nicht verlesen. Meine Mutter ist eine Kröte, die gerne lustige bunte Hüte trägt. Außerdem redet sie nicht. Oder genauer gesagt, ich verstehe nicht, was sie quakt, und das macht das Gespräch mit ihr schwierig.

Natürlich ist sie nicht immer eine Kröte gewesen. Sie wurde verflucht. Von wem, wusste ich noch nicht, aber ich war fest entschlossen, es herauszufinden. Und ich wollte natürlich ein Gegenmittel suchen. In den alten Märchenbildern, die auf Schloss Fairy Tale hingen, hoffte ich, Hinweise darauf zu finden. Wenn ich gewusst hätte, dass ich mir bei der Suche danach selbst einen Fluch einfangen würde, hätte ich sicher besser aufgepasst. Aber hinterher ist man ja immer schlauer.

Jedenfalls freute ich mich auf den Märchensprung-Unterricht und schaufelte gut gelaunt Müsli in mich hinein.

Wie jeden Morgen hatten sich alle Bewohner des märchenhaften Internats im Speisesaal zum Frühstück versammelt. Ro, Will, Jake, Ella und Poppy saßen mit mir an unserem Stammplatz am hinteren Ende des Raumes an einem großen Tisch.

Jake stieß Will in die Seite. „He, du hast gekleckert, Wolfsgesicht.“ Er deutete auf einen Fleck auf Wills Shirt. „So kannst du auf keinen Fall zum Unterricht gehen! Willst du nicht doch das Shirt aus meiner neuen Kollektion tragen, das ich extra liebevoll für dich gestaltet habe?“

Auf Jakes blauem Shirt prangte unter einem heulenden Wolf die Aufschrift Hier drin steckt ein Wolfsflüsterer.

„Deine Shirts sind voll peinlich“, knurrte Will. Morgens war er immer etwas muffelig. „Ich trag doch keine Klamotten, die behaupten, ich hätte ein Herz für Prinzen.“

„Hast du das nicht?“ Jake schaute ihn prüfend an.

„Nein!“, gab Will zurück. „Jedenfalls nicht so früh am Morgen.“ Er reckte die Nase in die Luft und schnupperte. Dann drehte er den Kopf zum Büfett. „Da schlägt mein Herz höchstens für Blaubeermuffins.“

„Oh, ah, au!“, stöhnte Jake und fasste sich theatralisch an die Brust. „Das tut weh.“

Ich warf einen Blick über die Schulter und bemerkte, dass Jolanda, unsere Köchin, tatsächlich gerade ein paar Kuchen auf den langen Tisch stellte. Sie verzog leicht das Gesicht, als sie einen Blick auf die schwebende Speisekarte warf, die das Mittagessen verkündete. Eine Eigenart des Küchenchefs Meister Rumpelstilz war es, sich jeden Tag einen Buchstaben des Alphabets vorzuknöpfen und die Speisen danach auszurichten. Manchmal kamen dabei die merkwürdigsten Kombinationen heraus – wie zum Beispiel Melonen-Möhren-Maultaschen, Spaghetti mit Schokosoße oder Heringssalat mit heißen Himbeeren. Heute war der Buchstabe K dran und ich war mir nicht sicher, ob ich die Käsesuppe mit Kichererbsenpüree probieren sollte. Meister Rumpelstilz neigte nämlich auch zu fiesen Scherzen. Jake hatte gestern Hoppelpoppel gegessen und war den ganzen Tag herumgehüpft wie ein Hase. Zum Glück gab es aber zum Frühstück auch ein paar harmlose Speisen wie Müsli, Obstsalat und Rührei.

Poppy streckte eine Hand nach dem Zuckerstreuer aus und legte die Stirn in Falten. „Na, komm schon. Komm schon!“ Der Zuckerstreuer ruckte und ruckelte, dann kippte er um und verstreute seinen Inhalt über den Tisch. Poppy hatte bei unserem letzten Abenteuer ihre Gabe entdeckt: Sie konnte Gegenstände bewegen. Eigentlich.

„Warum klappt das denn nicht?“ Enttäuscht ließ Poppy die Hand sinken.

„He, mach dir nichts draus, Magnet-Poppy“, tröstete Jake. „Vielleicht funktioniert deine Gabe nur unter Stress.“

„Oder du musst sie einfach erst noch ein bisschen trainieren“, erklärte ich. „Bei mir hat es auch eine Weile gedauert, bis ich mein Talent im Griff hatte.“

„Manche behaupten, das hast du immer noch nicht.“ Ro schob sich grinsend eine Gabel Rührei in den Mund.

„Sehr witzig!“, sagte ich. Insgeheim genoss ich die Neckereien mit Ro mindestens so sehr wie Will seine Zankereien mit Jake.

„Hier!“ Ella reichte Poppy den Zuckerstreuer. Ihre Maus Miss Meggy quiekte plötzlich auf und versteckte sich hinter einer von Ellas Haarsträhnen. Gleich darauf spürte ich eine flauschige Berührung an meinem Bein. Ich legte den Löffel zur Seite und sah nach unten.

„Bonjour, mon amie. Einen fröhlischen Tag wünsche isch dir.“ Frederick, der gestiefelte Kater, schnurrte neben mir und die Feder an seinem Hut wippte fröhlich. „Isch ’offe, es geht dir gut, meine Retterin?“

Ich hatte ihn vor einiger Zeit mit einem herbeigerufenen Gewitter aus seinem Bild befreit, in dem er wegen des Märchenfluchs feststeckte. Seitdem waren wir befreundet.

In der Galerie gab es alle möglichen Gemälde, die Szenen aus den verschiedenen Märchen zeigten. Auch ein Bild meiner Mutter war darunter – und Fredericks Porträt, das ihn mit Federhut und in schicken Stiefeln zeigte. Leider waren einige Gemälde durch den Märchenfluch nicht mehr begehbar, denn der überwucherte die Bilder mit roten Flechten.

Den Märchenfluch verdankten wir dem bösen Zauberer Arkantus, der Feindschaft zwischen Menschen und magischen Familien gesät hatte. Arkantus war auch für die feurigen blauen Flintflöhe auf den Pflanzen der umliegenden Wälder verantwortlich, die der Märchenwelt ihre magischen Kräfte nahmen.

„Oh ja, danke! Mir geht es hervorragend. Wir machen heute unseren ersten offiziellen Märchensprung.“ Aufregung blubberte in mir hoch. Vielleicht würde ich auf der Reise durch noch unbekannte Märchen einen Hinweis darauf finden, wie man meine Mutter von ihrem Fluch befreien konnte. Außerdem konnte ich es kaum erwarten, neue Welten kennenzulernen, diesmal sogar mit Erlaubnis.

„Oh, là, là. Dann wünsche isch eusch toi, toi – aaaaah …“ Weiter kam er nicht, denn die Tür zum Speisesaal flog auf. Graf Huberts Zwerg-Greif Merlin flog mit Affenzahn durch den Gang und drehte eine Runde über alle Tische. Dabei hätte er fast Frederick mit seinen Flügeln von den Füßen gefegt. Der gestiefelte Kater konnte sich gerade noch mit einem Sprung auf meinen Schoß retten.

Merlin war vorne Adler und hinten Löwe und welpenhaft stürmisch. Graf Hubert rannte hinter ihm her und versuchte, die lange Leine zu schnappen, die auf dem Boden schleifte und die Tische abräumte. Wie immer wirkte der Graf, als ob er aus einem anderen Jahrhundert käme. An diesem Tag trug er eine braun karierte Hose, eine grasgrüne Weste und dazu eine lange rote Anzugjacke. Er stammte aus dem Märchen Der Froschkönig und war Gestaltwandler – genau wie Will.

„Du kleiner Frechdachs! Immer nur Flausen im Kopf“, sagte der Graf mit liebevoller, lockender Stimme. „Hier, mein Kleiner, ein leckeres Äpfelchen!“

Das Leckerchen fest im Blick, folgte Merlin seinem Herrchen zum Lehrerpodest, wo er sich abwartend vor Graf Huberts Füßen hinsetzte, den Apfel fest im Blick.

„Dieses fürschterlische Tier! Es macht nischts als Ärger“, fauchte Frederick. Er wischte sich ein paar Krümel von der Weste, als er von mir runtersprang. „Isch verstehe nischt, warum Graf ’ubert ihn nischt endlisch einsperrt. Merlin ist viel zu gefährlisch geworden. Was, wenn er ausbrischt und ins Dorf fliegt?“

Oh ja, das mochte ich mir lieber nicht vorstellen. Dort wohnten meine Omimi und mein Paps. Wir hatten eine Konditorei und Paps machte die leckersten Torten. Allerdings wussten weder er noch Omimi von meiner magischen Begabung. Sie dachten immer noch, ich sei in den Ferien in einem Zeichencamp gelandet.

„Ihr müsst wissen, die Schutzmauern sind brüschig“, fuhr Frederick fort. „Ups!“ Er hielt sich den Schwanz vor die Schnauze. „Das sollte ich ja nischt verraten, oh, zut! Bitte sagt es nischt weiter.“

„Nein, bestimmt nicht.“ Ein ungutes Gefühl überkam mich. War das der Grund, warum Graf Hubert den Zwerg-Greif an der Leine führte? Bisher hatte der immer frei herumlaufen dürfen und war auch nie mit im Speisesaal gewesen.

Ein klirrendes Geräusch lenkte meine Aufmerksamkeit in Richtung des Tisches, an dem unsere Lehrerinnen und Lehrer saßen. Er stand in der Mitte des Raumes auf einem Podest, sodass sie von allen Seiten zu sehen waren und gleichzeitig alles genauestens im Auge behalten konnten. Merlin beschnupperte die Leckereien auf dem Tisch.

„Entschuldigt die Verspätung, quak. Ich musste Merlin erst anleinen. Das war nicht so einfach …“ Graf Hubert hatte sich vor dem Lehrertisch aufgebaut und tupfte sich mit einem Taschentuch die Stirn ab. „Platz, Merlin!“

Brav legte Merlin sich hin und knabberte genüsslich an dem Apfel, den Graf Hubert ihm zugeworfen hatte.

Unsere Lehrerin Frau Schneeberger stand auf und schlug mit einem Löffel gegen ihr Glas mit Orangensaft. „Ruhe, bitte!“ Sie war wie so oft ganz in Weiß gekleidet. Ihre silbrig weißen Haare ragten wie ein Bienenkorb am Hinterkopf auf. Ein Kugelschreiber steckte darin und hielt den kunstvoll geschlungenen Dutt zusammen. Ihre blutroten Fingernägel und die rot-weiß getupfte Brille, die vorne auf der Nasenspitze thronte, waren die einzigen Farbkleckse in ihrer Erscheinung.

Rechts und links von ihr saßen Berro Zwack, unser Lehrer für magische Fallen und Gefahren, und Elinor von Erbs, die Lehrerin für Märchensprünge. Meister Rumpelstilz hatte seine Küche verlassen und stand nun, die Arme vor der Brust verschränkt, neben den anderen. Seine weiße Kochmütze thronte schief auf dem Kopf. Hinter einem Tischbein lugte der Federhut der Kröte Ludmilla hervor – meiner Mutter.

„Ruhe! Wir haben euch eine Mitteilung zu machen“, donnerte Frau Schneebergers Stimme erneut durch den Saal.

Es kehrte gespanntes Schweigen ein.

„Bitte, Hubert, du kannst nun deine Rede halten“, sagte Frau Schneeberger und setzte sich wieder. Vor ihr lag das große in rotes Leder gebundene Märchenbuch. Es war wie ein „Wer ist wer?“ der Märchenwelt und das mächtigste magische Artefakt weit und breit. Darin hatten damals die Brüder Grimm zusammen mit Graf Huberts Urgroßvater alle Märchen gesammelt, um den Fluch des gemeinen Zauberers Arkantus zu bannen.

Graf Hubert nickte in die Runde. „Guten Morgen, liebe Märchenfamilie, quak“, fing er an. „Wie ihr sicher wisst, quak, gab es in der vergangenen Zeit einige beunruhigende Vorquaknisse …“

Er fasste noch einmal kurz zusammen, was uns in den letzten Tagen beschäftigt hatte. Er erzählte von der Märchendiebin, dem Maskenmann und dem großen schwarzen Hund, die die magische Welt bedrohten. Sie raubten den Märchenwesen ihre magischen Schlüssel, was dafür sorgte, dass die Magie auf die neuen Besitzer überging und in Fairy Tale Castle versiegte. Schlimm war, dass die Märchennachfahren durch den Verlust ihrer Schlüssel krank wurden und sogar sterben konnten. Ihre Bilder, in denen sie sonst ihre Magie aufluden, blieben für sie verschlossen und wurden von fiesen roten Flechten überwuchert.

Es ärgerte mich, dass Graf Hubert es so darstellte, als hätte der Magische Rat die Diebin aufgespürt. Denn das waren wir gewesen – also Ro, Will, Jake, Ella, Poppy und ich. Die Blaue Gilde, wie wir uns nannten. Und diese Sache war echt gefährlich gewesen. Ro wäre dabei sogar beinahe unumkehrbar zum Reh geworden. Wir hatten unser Leben aufs Spiel gesetzt, um die Pläne der Diebin und ihres Komplizen zu durchkreuzen. Nur dank meiner Wetterzauber, Ros Tanz-Karate-Move, Poppys Magnet-Kräften, Wills Mut, Jakes heilenden Haaren und Ellas Einfallsreichtum war es uns gelungen, die Diebin zu enttarnen. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass es Malwine war, die nette Archivarin, die mit dem fiesen Maskenmann gemeinsame Sache machte.

Wer der Mann mit der Maske war, wussten wir nicht. Das mussten wir noch herausfinden. Leider war er uns entwischt.

Ich schüttelte mich beim Gedanken an unser letztes Abenteuer, bei dem wir ihm begegnet waren.

„Malwine haben wir gefasst, quak, sie hat ihre Strafe bekommen.“ Graf Hubert wischte mit der Hand durch die Luft und wie auf einer Leinwand erschien dort das Bild eines Schwans in der Luft, der auf dem Fluss Milchig seine Kreise zog. „Vor die Wahl gestellt, ob sie ihre Strafe in menschlicher oder tierischer Gestalt verbringen will, hat Malwine das Tier gewählt. Sieben Jahre lang wird sie quaken … äh, ein Schwan bleiben, um über ihre Schandtaten nachzudenken.“ Graf Hubert räusperte sich. „Wir vermuten, dass Malwine und der Maskenmann die Magie von Arkantus wieder aufquaken lassen wollten, um sich zu Herrschern über das Märchen- und Menschenreich aufzuschwingen. Zum Glück ist es gelungen, die Truhe der Wünsche, die dies ermöglichen könnte, ein für alle Mal zu vernichten, quak.“

Mit Schaudern dachte ich an den gruseligen Friedhof, wo wir dem Maskenmann und Malwine die Truhe abgejagt hatten.

„Allerdings ist uns Malwines – quak – Komplize entwischt. Wahrscheinlich wird er weiter versuchen, Unruhe zu stiften.

Ein Beweis dafür ist, dass unsere Welt immer noch kränkelt. Die Gefahr ist noch nicht gebannt. Quaak.“

Ein Raunen ging durch den Saal.

Elinor ergriff das Wort. „Natürlich haben wir die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Aber wir können nicht ausschließen, dass es unseren Feinden gelungen ist, einen Weg in unser Reich zu finden. Womöglich befindet sich der Verräter sogar in unseren eigenen Reihen.“

Vereinzelt hörte man entsetzte Laute in der Menge.

„Aus diesem Grund bitte ich euch um besondere Vorsicht. Achtet auf ungewöhnliche Vorkommnisse. Jeder Verdacht auf neue Fluchmagie ist sofort zu melden.“

Graf Hubert legte die Hand auf Merlins Kopf. „Ich muss euch nicht sagen, was es bedeuten würde, wenn unser Märchenbuch in falsche Hände geriete, quak. Natürlich haben wir es mit mehreren Zaubern geschützt, nicht wahr, Griseldis? Wenn wir es nicht benötigen, wird es eisern bewacht.“

Frau Schneeberger nickte.

„Auch das Schlossgelände ist gut gesichert.“ Graf Hubert hustete und mir fiel ein, was Frederick gesagt hatte: Die Mauern sind brüchig.

Graf Hubert log uns an.

Aber warum?

„Wir werden verhindern, dass die Anhänger von Arkantus erneut an die Macht gelangen, quak!“, rief Graf Hubert. Er hatte einen knallroten Kopf bekommen. So wie ich, wenn ich schwindelte. Vermutlich gab es dafür harmlose Gründe. Er wollte uns das Gefühl geben, wir wären hier auf dem Schlossgelände in Sicherheit.

Während unser Direx nach einem Glas Wasser griff und Merlin an dessen Schuh herumkaute, nahm Frau Schneeberger das große Märchenbuch in die Hand.

„Wir alle können etwas tun, indem wir die Augen offen halten. Außerdem steht bald unser Erneuerungsfest an, das wie immer gleichzeitig mit dem Rosenfest in der Stadt gefeiert werden wird. Falls sich die Fluch-Magie weiter ausbreitet, müssen wir die Schule unter Umständen zu eurem Schutz bis zum Fest schließen. Dazu wird der Rat am Ende der Woche einen Entschluss fassen. Eure Eltern sind informiert. Es ist ihnen freigestellt, darüber zu entscheiden, ob ihr weiter am Unterricht teilnehmt.“

Das Entsetzen im Saal war fast greifbar. Alle saßen so still, als hätte man eine Stopptaste gedrückt. Der Verrat von Malwine und die Existenz des Maskenmanns, der sich womöglich mitten unter uns im Schloss befand, machte allen zu schaffen. Aber dass die Lehrer, die doch die stärksten Zauberkräfte hatten, offenbar nichts gegen die Bedrohung unternehmen konnten und deshalb sogar die Schließung des Internats planten, war für uns alle ein Schock.

„Glaubt ihr wirklich, sie schicken uns alle nach Hause?“, fragte ich. „Was wird dann aus unserer Ausbildung?“

„Ja, genau!“, stimmte Jake mir zu. „Hier ist viel mehr los als zu Hause, da würde ich vor Langeweile umkommen. Und an wen sollte ich denn dann meine tollen Shirts verkaufen?“ Theatralisch zeigte er auf sein Wolfsshirt.

„Oh ja, es wäre wirklich schlimm, wenn die in deinem Schrank von den Motten gefressen werden würden“, sagte Will düster.

„So weit wird es nicht kommen, oder?“, sagte ich.

Ro runzelte die Stirn. „Tatsache ist: Die Flintflöhe breiten sich immer weiter aus und machen den Rosen das Leben schwer. Und das Schlaraffenland verhält sich dadurch merkwürdig. Die Magie schwindet.“

Will schüttelte den Kopf. „Nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass die Schule geschlossen wird. Frau Schneeberger hat doch gesagt, dass alle Schutzzauber erneuert wurden. Wir sind hier so sicher wie nirgendwo sonst.“

„Na ja“, sagte Ella. „So sicher auch wieder nicht. Der Maskenmann läuft immer noch frei herum. Und einige Eltern haben sich über die Sicherheitslücken beschwert. Meine übrigens auch.“ Sie ließ die Gabel fallen und senkte bedrückt den Kopf. „Ich soll jetzt immer sofort nach dem Unterricht nach Hause kommen und darf nicht mehr im Schloss übernachten.“

„Was?“ –„Echt jetzt?“ –„Wieso das denn?“ Alle redeten plötzlich durcheinander.

„Sie haben eben Angst um mich“, sagte Ella geknickt. „Dass Ro in einen verfluchten Brunnen gefallen ist und in ein Reh verzaubert wurde, hat sie nervös gemacht. Und dann kam noch der Vorfall mit Malwine und der Entführung dazu.“ Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.

Wir alle schwiegen betroffen.

„Dürft ihr denn alle bleiben?“, fragte Ella. „Poppy, was sagt deine Oma denn dazu?“

Ich wusste inzwischen, dass Poppy bei ihrer Großmutter lebte, weil ihre Eltern sich getrennt hatten. Ihre Mutter machte gerade einen Töpferkurs auf Mallorca, um ihr neues Ich zu finden, und ihr Vater nahm an einer Segelregatta teil, bei der Müll aus dem Mittelmeer gefischt werden sollte.

„Sie weiß noch nicht, was passiert ist. Ich habe ihr nichts erzählt, um sie nicht zu beunruhigen. Sie wohnt ziemlich abgeschieden und es dauert immer eine Weile, bis die Märchen-Nachrichten bei ihr eintreffen.“ Nervös knibbelte sie an einem Fingernagel. „Spätestens, wenn die Einladungen wegen der Erneuerungsfeier rausgehen, wird sie es aber erfahren. Und was sie dann macht, tja …“

„Ja, und wir wissen nicht, was der Maskenmann noch vorhat.“ Ella zwirbelte nervös an ihren Haaren und Miss Meggy fiepte.

Da fiel mir auf, dass Frederick nach wie vor bei uns stand und aufmerksam zuhörte.

„Uh!“, flüsterte er nun. „Stellt eusch vor, Arkantus ist noch am Leben und dieser Maskenmann arbeitet für ihn. Womöglisch ist er ja sogar selbst dieser Maskenmann. Uhuhu.“ Der Kater sträubte das Fell und schlug spielerisch mit einer Pfote nach Miss Meggy. Die kleine Maus versteckte sich quiekend unter Ellas Haaren.

„Du meinst, so wie in einem dieser Filme, wo sich die Leute einfrieren lassen und dadurch Jahrhunderte überleben?“, fragte ich. Ein Schauer überlief mich.

„Was schaust du denn für Filme?“ Will lachte. „Ich hoffe nicht, dass Arkantus irgendwo tiefgefroren in einer Kühltruhe liegt. Sein Grab ist jedenfalls auf dem Friedhof, wo es hingehört.“

„Oh, aber es gibt das Gerüscht, dass er als Geist weiterlebt. An einem ge’eimen Ort“, beharrte Frederick. „Er könnte durschaus der Maskenmann sein.“

„Uff!“, sagte Poppy. „Daran möchte ich lieber nicht denken.“

„So ein Quatsch!“, erwiderte Ro. „Das ist unmöglich. Er ist seit hundert Jahren tot.“

„Wie du meinst.“ Frederick zog den Hut vom Kopf und verbeugte sich leicht. „Aber sagt nischt, isch ’ätte eusch nischt gewarnt.“ Er setzte den großen Federhut wieder auf und stolzierte beleidigt davon.

„Ist es wahr, dass Arkantus wiederauferstehen wird?“, rief ein Schüler vom Nebentisch in den Raum. „Stimmt es, dass er der Maskenmann ist?“

Graf Hubert kratzte sich an der Nase. „Das … quak … kann …“

Frau Schneeberger fiel ihm ins Wort. „Nein! Arkantus ist tot. Tote kann man nicht wieder zum Leben erwecken“, sagte sie streng. „Macht euch keine Sorgen! Wir werden diesen Fluch besiegen. Lasst uns unseren Schwur leisten.“

Das Geräusch von über den Boden schabenden Stuhlbeinen füllte den Saal, als wir alle aufstanden.

Während Elinor das Märchenbuch herumreichte, fing sie an zu singen. Die Magie der vereinten Märchen wurde angeblich durch das gemeinsame tägliche Gesangsritual gestärkt und lebendig gehalten.

„O-kay, ihr Lie-ben,

hört auf mei-nen Beat.

Ge-mein-sam sin-gen wir

jetzt un-ser Lied!

Und eins und zwei und drei!“, rief Frau Schneeberger. Berro Zwack machte dazu im Takt:

„Bumm, bumm, tscha,

bumm, bumm, tscha!“

Alle fielen mit ein. Ich legte mich ebenfalls voll ins Zeug. Am ersten Tag fand ich das Ritual noch albern, aber inzwischen war es mir eine lieb gewonnene Tradition geworden.

Will verzog das Gesicht, als auch Ella ziemlich schief losgrölte. „Oh Mann, meine Ohren!“ Als Wolfswandler hatte er ein extrem feines Gehör. Wortlos reichte ich ihm Ohrstöpsel, die er dankbar entgegennahm.

Gemeinsam sangen wir das Märchenschwur-Lied, während das Märchenbuch dabei von Platz zu Platz wanderte. Nacheinander legten alle die Hand auf das aufgeschlagene Buch. Die Seiten blätterten sich von selbst um und ein goldener Glitzer lag in der Luft.

„Ob Fee, ob Prinz, ob Tier oder Zwerg,

ob Hexe oder Riese, größer als ein Berg,

wir freuen uns auf dich und reichen dir die Hand,

egal, wer du bist, egal, aus welchem Land.

Hier sind wir vereint, denn das ist unsre Welt.

Ein Strauß voll bunter Märchen, wie es uns gefällt.

Die Märchen zu schützen, ist unser Bestreben.

Mit Herz und Verstand woll’n wir alles geben.

Denn nur mit Freundschaft und viel Fantasie

obsiegen Märchen und die Magie!“

Tosender Applaus schallte nach den letzten Worten durch den Raum.

„Zauberhaft, wirklich zauberhaft“, schwärmte Frau Schneeberger. „Und nun wieder einen guten Appetit!“

„Was ist denn das Erneuerungsfest?“, fragte ich leise.

Ro schob eine Rosine auf ihrem Teller von links nach rechts. „Das Erneuerungsfest findet jährlich statt. Es ist das Fest der Begegnung aller Nachfahren der Märchen. Wir gehen gleichzeitig in unsere Märchen, um die Magie gemeinsam zu stärken. Unsere Familien sind anwesend und geben von außen in einem feierlichen Ritual ebenfalls magische Kräfte frei. Das ist der Tag im Jahr, an dem die Märchenmagie am stärksten ist.“

„Ja, und am gruseligsten, weil ich diesem fürchterlichen Wolf begegnen werde und mich von ihm fressen lassen muss, bis der Jäger mich endlich befreit. Und das, obwohl ich Platzangst habe.“ Poppy biss sich auf die Lippe. „Ich wünschte, Grimbald Wolf aus meinem Märchen wäre ein bisschen mehr wie du, Will.“

„Du meinst mit strubbeligen Haaren und einer Vorliebe für Bälle?“, erwiderte Jake frech.

„Nein!“ Poppys Wangen röteten sich. „Ich meine freundlich. Manchmal glaube ich, es macht ihm wirklich Spaß, so furchteinflößend böse zu sein.“

„Es tut mir leid, dass du so schlechte Erfahrungen mit einem Wolf machen musst, Poppy“, erwiderte Will. „Aber wir Antihelden haben es auch nicht leicht.“

„Antihelden, pfff“, neckte Jake. „Was ist an Bösewichten denn heldenhaft?“

„Na, ohne uns gäbe es euch Helden gar nicht und die Märchen wären voll langweilig.“ Will verdrehte die Augen. „Versetz dich doch mal in meine Lage, Locke. Ich will die Geißlein in meinem Märchen auch nicht fressen müssen. Allein, wenn ich daran denke, wird mir wieder schlecht.“

Kein Wunder, dachte ich. Will war Vegetarier.

„Und trotzdem spiele ich meine Rolle, damit die Magie weiterlebt. Wie ein Schauspieler.“

„Ja, aber für Grimbald ist es nicht nur eine Rolle“, sagte Poppy düster.

„Will ist eben nur ein Schaf im Wolfspelz“, scherzte Jake weiter.

„Haha, du bist ja so witzig, Locke!“, meinte Will. „Oje, was hast du denn da auf dem Kopf?“

„Was? Wo?“ Jake rieb sich aufgeregt durch die Haare.

„Ach, nichts. Ich hab mich wohl geirrt“, erklärte Will grinsend.

Jake schnaufte empört. „Mensch, das hat Stunden gedauert, den Look so perfekt unordentlich hinzubekommen.“

„Siehst du, ich brauche dafür nur Sekunden.“ Selbstzufrieden nahm Will einen Schluck Kakao.

„Jungs, vertragt euch!“, rief Ella gutmütig. „Eure Streiterei verdirbt mir den Appetit.“ Sie steckte Miss Meggy eine Rosine aus ihrem Müsli zu.

„Wir sind zwar nicht verwandt“, sagte Will zu Poppy, „aber ich kann trotzdem versuchen, mit Grimbald zu reden.“

„Danke, das wäre echt lieb!“ Poppy seufzte. „Auch wenn ich wenig Hoffnung habe, dass es was bringt.“

Ich beschloss, mir noch einen Nachschlag vom Müsli zu holen. Als ich an den Tischen vorbei zurück zu meinem Platz ging, hörte ich ein geflüstertes Gespräch am Tisch der Königlichen Karotten. Auch sie unterhielten sich über die drohende Schulschließung.

„Meine Eltern wollen mich von der Schule nehmen“, behauptete Hector. „Sie sagen, nach allem, was passiert ist, sind wir hier nicht mehr sicher.“

„Sämtliche Schlösser wurden ausgetauscht und die Sicherheitszauber erneuert. Es ist so gut wie unmöglich, ins Schloss einzubrechen“, versicherte Severin. „Dafür hat meine Mutter gesorgt.“ Seine Mutter war unsere Fairyhüter-Ausbilderin Elinor von Erbs.

„Aber was ist, wenn derjenige schon drin ist? Meine Mutter meint, dass Gwendolyn Holle dahintersteckt. Die Mutter von Marie. Wer sagt uns, dass sie wirklich eine verfluchte Kröte ist? Womöglich ist sie ja auch eine Gestaltwandlerin.“ Hector verzog das Gesicht. „Diese ganze Fluchsache hat sich verstärkt, als sie verschwunden ist.“

„Mein Vater sagt, dass dieser Maskenmann keine Ruhe geben wird, bis er gefunden hat, was er sucht“, ergänzte Kassandra. „Bestimmt wird es nicht mehr lange dauern und Fairy Tale Castle muss ganz geschlossen werden.“