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Mason Nash hat Hollywood und die Boyband »Eleven« hinter sich gelassen und lebt zurückgezogen. Als Gerüchte über eine Reunion aufkommen, möchte er nichts davon wissen. Doch dann steht plötzlich Denver Smith vor ihm – sein ehemals bester Freund, der ihn ohne Erklärung im Stich gelassen hat. Denver hat vor einigen Jahren einen Fehler gemacht und ist nun hin- und hergerissen: Die Reunion könnte ihm helfen, aber die Konfrontation mit Mason und den alten Gefühlen ist schwer. Können sie sich ihren ungeklärten Konflikten und Emotionen stellen, oder wird die Wiedervereinigung von »Eleven« scheitern?
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Seitenzahl: 394
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EDEN FINLEY
FANDOM
FAMOUS 3
Aus dem Englischen von Anne Sommerfeld
Über das Buch
Mason Nash hat Hollywood und die Boyband »Eleven« hinter sich gelassen und lebt zurückgezogen. Als Gerüchte über eine Reunion aufkommen, möchte er nichts davon wissen. Doch dann steht plötzlich Denver Smith vor ihm – sein ehemals bester Freund, der ihn ohne Erklärung im Stich gelassen hat.
Denver hat vor einigen Jahren einen Fehler gemacht und ist nun hin- und hergerissen: Die Reunion könnte ihm helfen, aber die Konfrontation mit Mason und den alten Gefühlen ist schwer. Können sie sich ihren ungeklärten Konflikten und Emotionen stellen, oder wird die Wiedervereinigung von »Eleven« scheitern?
Über die Autorin
Eden Finley schreibt heitere Liebesromane voller Herz, die sich wunderbar für kleine Fluchten aus dem Alltag eignen. Ihre Bücher entstehen meist aus einer schrägen Idee. Ursprünglich schrieb Eden auch in vielen anderen Genres, doch seit 2018 hat sie in der queeren Romance ihr Zuhause gefunden.
Eden lebt mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn in Australien.
Die englische Ausgabe erschien 2021 unter dem Titel »Fandom«.
Deutsche Erstausgabe Oktober 2024
© der Originalausgabe 2021: Eden Finley
© für die deutschsprachige Ausgabe 2024:
Second Chances Verlag, Inh. Jeannette Bauroth,
Hammergasse 7–9, 98587 Steinbach-Hallenberg
Alle Rechte, einschließlich des Rechts zur vollständigen oder auszugsweisen Wiedergabe in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Alle handelnden Personen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Die Nutzung des Inhalts für Text und Data Mining
im Sinne von § 44b UrhG ist ausdrücklich verboten.
Umschlaggestaltung: Frauke Spanuth
Unter Verwendung von Motiven von Africa Studio, Brilliant Eye und pandaclub23,
alle stock.adobe.com
Lektorat: Annika Bührmann
Korrektorat: Second Chances Verlag
Schlussredaktion: Daniela Dreuth
Satz & Layout: Judith Zimmer
ISBN E-Book: 978-3-98906-052-4
ISBN Taschenbuch: 978-3-98906-053-1
Auch als Hörbuch erhältlich!
www.second-chances-verlag.de
Inhaltsverzeichnis
Titel
Über die Autorin
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Weitere Bücher von Eden Finley
DENVER
Zahlreiche Blicke liegen auf mir. Ich kann sie spüren.
Na ja, das ist verständlich. Dies sind mein Haus und meine Party, und mein Gesicht gehört zu den bekanntesten in L. A., wenn nicht sogar auf der ganzen Welt. So arrogant es auch klingt, ich habe immer die Blicke auf mich gezogen, also ist es nichts Neues.
Doch das hier ist anders.
Ich stehe auf dem Balkon meiner Villa in Malibu, betrachte den hell erleuchteten Pool, nippe an einem Scotch, unterhalte mich mit Leuten, die ich eigentlich kennen sollte, aber ehrlich gesagt eben nicht kenne, und hasse mich.
Nicht im Sinne von oh, ich bin so deprimiert, ich hasse mein Leben.
Aber es ist so. Ich weiß, dass ich privilegiert bin. Ich weiß, dass ich mich glücklich schätzen kann. Trotzdem wird mein Leben nur von Klebeband zusammengehalten. Und es ist nicht mal das gute Isolierband, das Serienmörder benutzen. Nein, meins ist mit Fingerabdrücken und Haaren übersät und hält kaum noch.
Es fühlt sich sinnlos an, nur wegen der Publicity mit Promis auszugehen, erkauft mir allerdings Zeit. Schauspielerinnen sind total exzentrisch. Wer hätte das gedacht?
Meine albernen »Networking«-Partys sind leere Gesten, um in die Klatschblätter zu kommen, damit ich in dieser Branche relevant bleibe. Zwar verkaufen sich meine Alben, aber ich bin kein Harley Valentine mit seinen Grammys und Nummer-eins-Hits.
Ich habe als Juror bei einer Reality-TV-Talentshow unterschrieben, doch nach monatelangen Auditions, die ohne Kameras stattfanden, und dem rechtlichen Mist, mit dem sich die Produktion herumschlagen musste, wird vielleicht gar nichts daraus. Die Dreharbeiten wurden nun schon zwei Mal verschoben.
Deshalb schmeiße ich eine weitere Party, um Aufmerksamkeit zu kriegen. Denn ich weiß, was kommt. Wenn die Show untergeht, wird sie mich mitreißen. Ich habe nur zugestimmt, weil es der letzte Versuch meines Managers war, meine Karriere am Leben zu erhalten.
Als Nächstes werde ich wahrscheinlich Vitamine in Dauerwerbesendungen verkaufen.
Meine Karriere hängt am Tropf, und mein Schicksal liegt in den Händen der Manager des Fernsehsenders. Ich begreife langsam, dass sie den Managern von Plattenfirmen sehr ähnlich sind. Jede Person, deren Titel das Wörtchen Executive beinhaltet, ist nicht vertrauenswürdig.
Ich brauche noch einen Drink, aber meine Füße scheinen am Boden festzukleben. Die Unterhaltung bietet mir keine Gelegenheit, mich höflich zu verabschieden. Ich weiß nicht mal, worüber diese Leute reden.
»Und dann hat die Frau gesagt, ›Wo ich herkomme, werde ich wie eine Prinzessin behandelt‹. Und darauf meinte der Typ, ›Tja, in West Hollywood bin ich eine Queen, damit stehe ich über dir‹.«
Oh, hurra, Witze mit homophoben Untertönen, die nicht lustig sind. Ich lache gezwungen. Ha, ha, ha, ich will hier raus.
»Entschuldigt mich, Leute.« Endlich löse ich mich von ihnen und gehe ins Haus.
In diesem Moment bemerke ich jemanden aus dem Augenwinkel. Der Typ steht in einer Ecke meines »offiziellen« Wohnzimmers und wirkt zwischen meinen teuren, asymmetrischen Möbeln fehl am Platz. Laut meinem Innenausstatter ist der Stil modern. Ich fand ihn immer nur unbequem. Deshalb benutze ich diesen Raum ausschließlich für Partys. In meinem eigentlichen, benutzbaren Wohnzimmer stehen meine gigantischen, gemütlichen Sofas, und ich bin versucht, mich dorthin zu verziehen und den Rest der Feier auszublenden.
Doch der Mann mit den schönen Augen hat etwas an sich. Er trägt eine enge Jeans, ein weißes T-Shirt und eine offene Weste. Er hat einen blonden Man Bun, und ich habe keine Ahnung, wer er ist. Andererseits kenne ich viele der Leute hier nicht, weiß aber zumindest, dass ich die anderen erkennen sollte. Dieser Typ wirkt nicht wie die üblichen Verdächtigen, die zu solchen Events auftauchen. Sofort fahren meine Schutzschilde hoch, denn wenn er ein Reporter ist oder gleich eine Kamera hinter dem Rücken hervorzieht, bin ich sauer.
Ich will, dass die Medien von den Partys wissen, aber sie sind nicht eingeladen, um sich die vertraulichen Details anzusehen.
Ich stürze den Rest meines Drinks herunter und gehe in seine Richtung. »Hey, Kumpel«, begrüße ich ihn und reiche ihm die Hand.
»Hey.« Sein Lächeln ist ungezwungen.
»Also, ich will nicht unhöflich sein, aber kennen wir uns?«
Sein Lächeln wird breiter. »Nein, tun wir nicht, doch, na ja, es fühlt sich so an, als würde ich dich kennen … Denny.«
Es gibt nur eine Handvoll Menschen auf der Welt, die diesen Namen benutzen würden. Ich verenge die Augen. »Wen von Eleven kennst du?«
Jemand taucht hinter mir auf. Nein, nicht nur jemand, sondern mehrere Leute.
Ich drehe mich um und stehe Harley Valentine persönlich und Ryder Kennedy gegenüber. Hinter ihnen ragt Harleys gewaltiger Bodyguard auf.
»Was ist passiert? Ist jemand gestorben?«, frage ich.
Sie grinsen.
Ich hoffe, dass niemand tot ist, wenn sie sich so darüber freuen.
»Wir wollen dir ein Angebot machen«, verkündet Harley. »Aber dafür sollten wir lieber woanders hingehen.« Er sieht sich in dem vollen Raum um, in dem wir einige Aufmerksamkeit auf uns ziehen.
Drei von fünf ehemaligen Boyband-Mitgliedern an einem Ort? Das ist praktisch eine Wiedervereinigung.
Ich führe sie in mein gemütliches Wohnzimmer und bedeute ihnen, sich auf die überdimensionalen Sofas zu setzen. Harleys Bodyguard schließt die Schiebetüren und hält Wache.
»Was gibt’s?« Ich nehme auf der Armlehne Platz. »Es muss was Ernstes sein, wenn ihr beide hier seid.« Ich betrachte den Typen, den sie als Köder benutzt haben. »Und … wer auch immer du bist.«
Ryder und er tauschen einen Blick.
»Ah.« Ich nicke. »Verstehe.«
Ryder ist ein seltsamer Fall. Er hat seine Sexualität vor uns und den anderen ziemlich lange verheimlicht, jedoch nicht aus Selbsthass oder Scham. Es war eher aus Selbstschutz. Er hat sich in seiner Haut schon immer wohlgefühlt, konnte das Ganze aber nie benennen.
Und das kann ich mehr als gut nachvollziehen.
»Ich gründe eine eigene Plattenfirma«, verkündet Harley.
Mein Kopf fährt so schnell zu ihm herum, dass mir schwindlig wird. »Wirklich?«
Einerseits, gut für ihn. Andererseits … meldet sich die Eifersucht zu Wort.
Ich liebe Harley wie einen Bruder. Aber Brüder können durchaus in Konkurrenzdenken verfallen. Ich wusste immer, dass er nach Elevens Trennung Erfolg haben würde, dachte allerdings auch, dass es dem Rest von uns genauso gehen würde. Bis auf Ryder, der ganz raus wollte.
Harley deutet mit dem Kopf auf Ryders Partner. »Lyric ist der erste Künstler, den ich unter Vertrag genommen habe. Er ist großartig.«
Ich bin … verwirrt. »Okay«, erwidere ich lang gezogen. »Was hat das mit mir zu tun?«
»Na ja, die zweite Unterschrift soll von Eleven kommen.«
Das erklärt überhaupt nichts. »Das wird nie passieren.«
»Ach, komm schon«, sagt Harley. »Wenn ich Ryder überzeugen kann, darf ich zumindest hoffen, dass der Rest von euch auch mitmacht.«
»Warum? Weil wir so viel schlechter sind als du? Weil wir dich brauchen, um erfolgreich zu sein? Leck mich.«
»Denny«, seufzt Harley. »Du weißt, dass ich das nicht meine.«
Ich betrachte meine leere Hand und wünsche mir, dass auf magische Weise ein Drink darin erscheinen würde. »Was meinst du dann?«
Harley und Ryder sehen sich an und antworten gleichzeitig: »Wir vermissen es.«
»Wir vermissen es, Teil einer Gruppe zu sein«, fügt Harley hinzu.
»Ich vermisse einfach nur die Aufnahmen«, erklärt Ryder.
Ich runzle die Stirn. »Seid ihr high? Ihr wollt einander wieder auf der Pelle hocken, streiten, zanken …« Sich aus Versehen in den Bandkollegen verlieben und sich vor ihm zum Affen machen …
»Jap. Wir vermissen all das«, stimmt Ryder zu.
»Aber deine Tochter?«
Ryder zuckt mit den Schultern. »Ihre Mom ist wieder da, und Harley hat zugestimmt, dass wir immer im Sommer auf Tour gehen werden, sodass sie uns begleiten können.«
Ich wende mich an Harley. »Du bist ein Solokünstler, der Grammys gewinnt.«
»Scheiße, wirklich?«
»Ich habe meine Talentshow und muss noch ein Album aufnehmen.« Falls mir die Plattenfirma einen neuen Vertrag anbietet. »Also danke, aber nein danke.«
Ich kann nicht zurück.
Selbst wenn die Tourneen mit den Jungs die beste Zeit meines Lebens waren. Es war unbekümmert, und obwohl es viel Druck gab, fühlte der sich nicht so heftig an, weil wir ihn zu fünft gestemmt haben. Außerdem haben sich unsere Songs mühelos verkauft. Wir hätten ein Album aufnehmen können, auf dem wir aus einem Grammatikbuch vorlesen, und die Teenager auf der ganzen Welt hätten damit ihre Bildung erweitert.
Dahin zurückzukehren könnte die Wiederbelebung meiner Karriere sein, die ich so dringend brauche, aber es hätte einen Preis.
Ich müsste meinen Stolz hinunterschlucken, und darin war ich noch nie gut. Wie man an diesem Theater sieht, das ich dem Rest der Welt vorspiele. Meine Karriere verbrennt zu Asche, und ich sehe dabei zu und rede mir ein, dass alles in Ordnung ist.
»Komm schon«, drängt Harley. »Du solltest eigentlich derjenige sein, der leicht zu überzeugen ist.«
»Warum willst du wieder zurück? Das ergibt für mich keinen Sinn. Wir alle haben das hinter uns gelassen.« Ich stehe auf. »Außerdem, denkst du wirklich, Blake würde die Kinofilme aufgeben? Auf keinen Fall. Meinst du, Mason würde aus seinem Versteck kommen?«
Argh, allein seinen Namen auszusprechen, löst einen Stich in meiner Brust aus.
Mason und ich waren vor langer Zeit einmal beste Freunde. Wir standen uns sogar näher als Harley und Ryder.
Ich muss etwas Falsches gesagt haben, denn Harleys Gesicht hellt sich auf.
»Du weißt, wo Mason ist?«
»Nein.« Ja. Na ja, ich habe eine Vermutung.
Seiner Familie gehört ein Stück Land irgendwo im Nirgendwo von Montana. Nachdem Eleven groß rausgekommen ist, hat er sich da draußen eine »Hütte« gebaut. Und mit Hütte meine ich ein Anwesen. Ich bin nicht sicher, ob er dort ist, nehme es aber an. Er hat mich immer dorthin mitgenommen, wenn Eleven eine Pause gemacht hat, weil ich kein Zuhause hatte.
Da meine Mom drogensüchtig war, bin ich von meiner Großmutter aufgezogen worden, nachdem mich der Staat meiner Mutter entzogen hat. Ich bin ziemlich sicher, das Produkt eines Geschäfts mit ihrem Zuhälter oder ihrem Dealer zu sein, also ja, meine ersten Lebensjahre waren entzückend. Zum Glück war ich zu jung, um mich wirklich an etwas zu erinnern, bevor meine Großmutter mich widerwillig aufgenommen hat.
Sie hat mich großgezogen und sich um mich gekümmert, bis sie gestorben ist, als ich sechzehn war.
Zu dem Zeitpunkt war ich schon in einer berühmten Boyband und konnte den Gerichten beweisen, dass ich in der Lage war, für mich selbst zu sorgen.
Profi-Tipp: Lasst Sechzehnjährige nicht ihr eigenes Leben bestimmen.
Mit achtzehn brauchte ich einen Finanzberater, um meine Ausgaben unter Kontrolle zu halten. Ich hatte die Angewohnheit, teure und nutzlose Dinge zu kaufen, um mein Haus zu füllen. Denn wenn man mit nichts aufwächst, füllt das Wissen, dass du dir eine Zwanzigtausend-Dollar-Statue einer Ente leisten kannst, diese Leere. Die Ente heißt Bill und ist für meine geistige Gesundheit unerlässlich.
Harley führt das eine Argument an, das mich dazu verleiten könnte, dieser lächerlichen Idee zuzustimmen. »Wir waren wie eine Familie. Selbst Familien finden wieder zusammen.«
Alles, was ich je wollte, war eine richtige Familie. Wenn ich Mason besucht habe, war sein Leben so … normal. Er hat seinen Dad zwar schon früh verloren, aber seine Mom, seine Schwester und er sind der Inbegriff einer engen Familie.
Jahrelang habe ich mir eingeredet, dass meine Verbindung zu Mason aus reinem Neid darüber entstanden ist, was er hatte. Dass ich aus irgendeinem Grund Bewunderung mit Anziehung verwechselt habe. Aber ich kann das Loch nicht verleugnen, das seine Abwesenheit in meiner Brust hinterlassen hat.
Ich sehne mich nach jemandem, der mein bester Freund war, auch wenn ich nicht den Mut hatte, ihn seit der Trennung von Eleven zu kontaktieren.
Nach dem, was ich getan habe, kann ich ihm nicht gegenübertreten.
Ich drehe mich zu Harley. »Ich kann nicht. Es tut mir leid, aber ich bin raus. Ich garantiere dir, dass die anderen dasselbe sagen werden.« Vor allem Mason.
MASON
Die tiefe Stimme am anderen Ende der Leitung ist beruhigend und trotzdem bestimmend, und es fällt mir schwer, dem Mann, der sieben Jahre lang wie ein Vater für mich war, etwas abzuschlagen. Cameron Verikas, Elevens Manager, war für mich ein Ersatzvater, da ich meinen Dad mit neun Jahren verloren hatte. Es war schön, wieder eine Vaterfigur zu haben, nachdem ich während meiner Teenagerzeit darauf verzichten musste, aber jetzt weiß ich wieder, warum dominante Elternfiguren nervig sein können.
»Triff dich einfach mit Harley. Es ist nur ein Meeting. Was hast du zu verlieren?«
Zum einen meine Würde. »Ich glaube, du verstehst mich nicht richtig, alter Mann. Hast du dein Hörgerät nicht eingeschaltet?« Ich beiße mir auf die Lippe, um das Lachen zu unterdrücken, denn ich weiß, was gleich kommt.
»Ich bin zweiundfünfzig. Ich brauche kein verfluchtes Hörgerät.«
Seine Verärgerung wäre glaubwürdiger, wenn er nicht mit mir lachen würde. »Ich denke schon, weil du es offensichtlich nicht hörst, wenn ich sage, dass ich nicht zurückkomme.«
Ich atme die Bergluft Montanas ein und betrachte das weite Land vor mir. Obwohl es hier draußen isoliert und einsam ist, tröstet mich dieses Wissen, denn es ist beständig. Im Gegensatz zu Hollywood und allen, die dort leben.
Ich erinnere mich noch, wie ich es nicht erwarten konnte, kreative Freiheit zu haben und meine Karriere selbst in die Hand zu nehmen, als Eleven sich getrennt hat. Wie naiv ich doch war.
Offensichtlich ist es keine gute Idee, sich mit Jasagern zu umgeben, wenn man einen neuen Sound ausprobieren will. Jeder in meinem Team hat mich mit Lob überschüttet, bis ich geglaubt habe, dass ich Großartiges geschaffen hatte. Und obwohl ich das Album, das ich aufgenommen habe, nach wie vor liebe, war es aus der Branchenperspektive keine verkaufsfähige Platte. Es war ein einziges Chaos, ohne Thema oder Genre.
Es war toll, meine Kreativität herauszulassen, aber ich wünschte, ich hätte einen Manager eingestellt, der mich gestoppt hätte, als ich die Mainstream-Box zu weit verlassen habe. Ich wünschte, ich hätte noch immer Cameron, doch er hat bei der Trennung der Band deutlich gemacht, dass er niemanden bevorzugen und als Solokünstler vertreten würde.
Die einzige Person, der ich die Schuld geben kann, die falschen Leute ausgesucht zu haben, bin ich selbst, aber ich bin trotzdem immer noch darüber sauer.
Als alles in die Brüche ging, wurde mir zum ersten Mal klar, dass ich wirklich allein in der Branche bin. Genau deshalb bin ich mit eingeklemmtem Schwanz nach Montana geflohen und habe absolut kein Interesse an dem, was Harley mir jetzt, wo es ihm in den Kram passt, zu sagen hat.
»Zwingst du mich etwa noch mal zu dem weiten Weg nach Montana?«, fragt Cameron.
»Hey, du bist hier jederzeit willkommen.«
Cameron ist der Einzige aus meinem alten Leben, mit dem ich in den letzten anderthalb Jahren seit meiner Rückkehr Kontakt gehalten habe, und das liegt nur daran, dass ich ihn zu sehr respektiere, um seine Anrufe zu ignorieren.
Er war schon zwei Mal hier, um mich von einem Comeback zu überzeugen – er hat sogar angeboten, wieder mein Manager zu sein –, doch ich kann mich nicht dazu durchringen, ihn sein Versprechen brechen zu lassen, dass er sich nicht zwischen uns entscheidet. Warum diese Loyalität noch in mir steckt, weiß ich nicht, denn der Rest von Eleven kann meinetwegen zur Hölle fahren.
Wow, vielleicht bin ich verbitterter, als mir klar war.
»Sicher hast du schon gehört, dass Harley versucht, Eleven wieder zusammenzubringen. Ich denke, dass es für euch alle der richtige Schritt wäre.«
Harley hat mich eine Million Mal angerufen, und ich habe seine Nachrichten über eine Wiedervereinigung sofort gelöscht. »Ich kann nicht zurück.«
»Irgendetwas verschweigst du mir«, sagt Cameron.
»Ich weiß nicht, wovon du redest. Ich bin mit Hollywood und der Musik fertig. Das ist alles.«
»Nein, bist du nicht.«
»Ach, wirklich. Bin ich nicht?«
»Nein. Weil ich weiß, dass du diese Jungs wie Brüder geliebt hast, also muss etwas passiert sein, wenn ihr euch erst so nahgestanden habt und jetzt nichts mehr da ist, und ich will wissen, was. Denn falls das deine einzige Hürde ist, werde ich eine Lösung dafür finden.«
Natürlich wird er das.
»Ich … kann nicht. Es tut mir wirklich leid, aber ich kann es nicht erklären.« Weil ich damit jemanden outen würde, der mir mal wichtig war. Der mir noch wichtig ist. Vielleicht. Ich weiß es nicht. Ich bin nach wie vor zu wütend, um meine Gefühle für Denver Smith zu analysieren.
Und hier draußen, mitten im Nirgendwo, muss ich mich auch nicht damit herumschlagen. So mag ich es, und so wird es bleiben.
Aber mein Gespräch mit Cameron katapultiert mich wieder an diesen Abend zurück, den letzten Abend der Eleven-Tour, nur Stunden vor der Bekanntmachung, dass wir uns trennen.
Die Schreie waren ohrenbetäubend, und die Menge ist wie immer ausgeflippt, doch es hat sich angefühlt, als wüssten sie, dass es unser allerletzter Auftritt war. Oder vielleicht wusste ich, dass es unser letzter gemeinsamer Auftritt war, und habe mich deshalb mehr darauf konzentriert.
In den letzten Jahren hatten sich die Performances ein wenig lustloser angefühlt. Wir waren alle ausgebrannt. Wir waren bereit für eine Pause und wollten unser eigenes Ding machen.
Es war die letzte Zugabe. Der letzte Song.
Wir fünf standen schwer atmend auf der Bühne, als das Lied zu Ende war, und haben unsere Fans betrachtet.
Denver hat sich bewusst vor mich gestellt, als wir uns verbeugt haben, und ich habe ihn lachend aus dem Weg geschubst. Seine zerzausten, hellbraunen Haare waren schweißnass, seine türkisblauen Augen haben geglänzt, und er hat nie glücklicher ausgesehen als in den Stunden, in denen er auf der Bühne stand. Der Typ hat in seinem Leben schon einiges durchgemacht, aber wenn man ihn in diesem Moment sah, konnte man das nicht erkennen. Wenn er von den Scheinwerfern angestrahlt wurde, hatte er ein ätherisches Leuchten.
Er hat den Arm um meine Schultern gelegt, und das Publikum hat Fotos von uns gemacht, wie wir in einer Reihe nebeneinanderstanden. Das war die Art Bilder, die ständig in den sozialen Medien gepostet wurden, aber diese besonderen würden als der Moment in die Geschichte eingehen, in dem Eleven das letzte Mal gemeinsam auf der Bühne stand. Auch wenn die Menge das in diesem Moment noch nicht wusste.
Die Trennung von Eleven war überall in den Schlagzeilen und hat auf der ganzen Welt Herzen gebrochen. Ungestümen Fans zum falschen Zeitpunkt das Ende ihrer Lieblingsband mitzuteilen, konnte durchaus dazu führen, dass jemand niedergetrampelt wurde. Die Plattenfirma hatte Erklärungen vorbereitet, die veröffentlicht werden sollten, sobald das Stadion leer war.
Die Fangemeinde war wie besessen, aber es gab keinen Zweifel daran, dass wir etwas Besonderes erreicht hatten.
Meiner Meinung nach würde das einzig Schlimme an der ganzen Sache der Abschied von allen sein – vor allem Denver. Er war wie mein kleiner Bruder, und wir hatten nie mehr als ein paar Tage getrennt voneinander verbracht, seit wir den Plattenvertrag unterschrieben hatten. Selbst in den Auszeiten hatte er mich irgendwohin auf eine tropische Insel zum Urlaubmachen geschleppt, wenn wir nicht bei meiner Familie waren. Wir standen uns nahe, und ich wollte das nicht verlieren, aber wir mussten beide unsere Komfortzone verlassen und neue Dinge ausprobieren.
Ich wusste, dass es schwer werden würde, hatte aber keinen Zweifel daran, dass wir uns bei diesem neuen Abenteuer unterstützen würden. Dass er noch immer Teil meines Lebens sein würde.
Oh Mann, ich lag so was von daneben.
Ich hatte keine Ahnung, dass mein Leben implodieren würde. Ich war zu begeistert von der Vorstellung, neue Wege zu gehen und zur Abwechslung mal ein Erwachsener zu sein. Mit neunzehn einen großen Plattenvertrag zu unterschreiben, hatte ich erst mal verarbeiten müssen, und dann hatte ich sieben Jahre lang nur Vollgas gegeben.
Da mich alle wollten, ich ein volles Konto und endlosen Zugriff auf alles hatte, was ich mir je erträumen konnte, hatte die Boyband die Zeit für mich eingefroren. Ich hatte immer noch das Gefühl, neunzehn zu sein, war aber bereit für mehr Verantwortung und künstlerische Freiheit.
Denver beugte sich zu mir und flüsterte mir ins Ohr: »Wir haben’s geschafft.«
Ohne zu zögern umarmte ich ihn. Auch das wurde fotografiert und überall im Internet gepostet, aber das war für uns in Ordnung. Die Medien waren zu sehr von #Ryley4Ever besessen, um auch nur in Erwägung zu ziehen, dass zwischen Denver und mir etwas laufen könnte. Andererseits hatte es im Laufe der Jahre auch zu viele verfängliche Bilder von Denver und mir mit verschiedenen Frauen auf Partys gegeben.
Blake stand schweigend am Rand und sah aus, als würde er eine Panikattacke bekommen. Von uns fünf hatte er die schwächste Stimme. Normalerweise wurde er immer auf die Harmonien und Hintergrund-Vocals reduziert.
Es war ein wehmütiges Gefühl, die Bühne zum letzten Mal als Gruppe zu verlassen. Dieselbe Traurigkeit, die mich erfasst hatte, musste auch Denver zugesetzt haben, denn seine Augen wurden feucht.
Wir wurden in die Garderobe gescheucht, wo Diva Harley zuerst unter die Dusche durfte. Gegen Ende war er echt anstrengend – mehr als ohnehin schon. Er hatte eine hässliche Trennung durchgemacht und wollte für die Publicity eine Frau heiraten. Es war das reinste Chaos.
Wir mussten nur noch ein paar VIP-Treffen durchstehen und würden dann verschwinden, damit die Plattenfirma verkünden konnte, dass es mit Eleven vorbei war.
»Womit besiegeln wir den Abgang?«, fragte ich. »Party? Club?«
»Ich bin raus«, sagte Ryder. »Muss nach Hause zu Kaylee.«
Wenn Ryder bereits vorher kein Partylöwe gewesen war, war das nichts im Vergleich zu seinem Verhalten, seit er Vater geworden war.
»Schläft sie nicht schon? Sie ist doch ein Baby«, widersprach ich.
»Sie ist drei, Alter.«
»Seit wann?« Wie waren die letzten drei Jahre so schnell vergangen?
»Seit du vor zwei Monaten nicht zu ihrer Geburtstagsfeier gekommen bist?«
Hoppla. Kinder und ich, das passte irgendwie einfach nicht zusammen.
Wenn du dich mit neunzehn mit der Absicht verlobst, sofort eine große Familie zu gründen und Liebe und Glück zu finden, hinterlässt es irgendwie einen bitteren Nachgeschmack, wenn du dann herausfindest, dass deine Zukünftige es nur auf den Ruhm abgesehen hatte.
Die Fangemeinde von Eleven hat ihre beginnende Karriere zunichtegemacht, als herauskam, dass sie mich betrogen hatte. Vor allem, als sie erfahren haben, dass es mit einem Typen von One Direction war.
Oh, diese Blasphemie!
Zumindest wurde das in den Klatschblättern behauptet. Es waren Mutmaßungen. Ich konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob sie ein Mitglied von 1D gevögelt hat, wusste aber, dass ich sie in meinem Haus mit einem Produzenten erwischt hatte, der versprochen hatte, ihr Album zu produzieren. Denn meine Plattenfirma hatte sich geweigert, sie unter Vertrag zu nehmen, da sie nicht singen konnte. Sie hat nicht mal einen Vertrag bekommen, als ich das als Gefallen erbeten habe.
Danach habe ich Beziehungen abgeschworen. Scheiß auf die Ehe. Und scheiß auf Kinder. Das bindet dein Leben für immer an jemand anderen, und nach diesem Kummer hatte ich darauf keine Lust mehr.
Kurzfristig und zwanglos. Das war mein Motto seit die, deren Name nicht genannt werden darf, ausgezogen ist.
»Alles klar, Ryder ist raus«, sagte ich. »Was ist mit Harley?«
»Harley fährt wahrscheinlich direkt nach Hause und nimmt sein erstes Soloalbum auf. Wir alle wissen, dass er das schon seit Monaten plant«, erwiderte Blake.
»Okay, also nur wir drei.«
Blake schüttelte den Kopf. »Nee, ich bin lieber nicht irgendwo draußen unterwegs, wenn das Chaos losbricht. Außerdem, was soll ich denn jetzt machen? Ich muss Pläne schmieden.«
»Pläne? Du nimmst natürlich weiter auf. Das machen wir. Wir lieben das.«
Blake fuhr sich mit einer Hand durch die blonden Haare. »Ihr vielleicht. Ich hab das Gefühl, dass bei mir mit der Musik Schluss ist.«
»Verdammt, Bruder. Das ist heftig«, stellte ich fest.
Er ging zum Badezimmer. »Ich schmeiß Harley raus. Ich muss … Ich kann jetzt nicht hier sein.«
Ich drehte mich zu Denver. »Also du und ich. Was hältst du von einem Tisch und Alkohol bis zum Abwinken im … Moment, in welcher Stadt sind wir?«
»Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich lieber zurück ins Hotel gehen und chillen.«
Ich sackte zusammen. »In deinem hohen Alter bist du echt eine Spaßbremse.«
Denver grinste. »Ich bin erst zweiundzwanzig.«
»Und schon seit sieben Jahre in der Branche. In Hollywood-Jahren bist du mindestens vierzig.«
»Oh, also dein Alter?«, scherzte er.
Ich stach ihm in die Rippen. »Du findest dich wohl lustig, hm?«
»Du kannst mir gern Gesellschaft leisten«, schlug er vor. »Aber ich bin raus. Ich hab keine Lust mehr auf mein Bühnen-Ich. Willst du nicht der echte Mason sein?«
»Genau deshalb hören wir doch auf. Aber es ist unser letzter Abend.«
Denver griff nach einer Whiskeyflasche. »Ich schätze, wir sind alle schon eine Weile am Ende.«
»Na schön. Wir chillen in deinem Hotelzimmer.«
Es war ohnehin besser, wenn es nur Denver und mich gab. Ich liebte die anderen Jungs, doch das zwischen Denver und mir war echt. Es war keine künstliche Freundschaft, die nur durch Nähe entstanden war.
Ich hatte gedacht, dass wir zumindest alle zusammen sein würden, wenn unser Ende verkündet wurde, aber nachdem wir für die Fans gelächelt und uns bedeckt gehalten hatten, was das nicht existente nächste Album anging, gab es nur mich, Denver, noch mehr Whiskey und Netflix auf der Couch in seiner Hotelsuite.
Kurze Zeit später prasselten die Benachrichtigungen auf uns ein.
»Es geht los.« Ich sah auf mein Handy.
»Ich hab meins ausgemacht.« Denver saß mit dem Glas in der Hand neben mir, sein Hemd war aufgeknöpft, und die Locken fielen ihm offen und zerzaust ins Gesicht.
In diesem Moment bemerkte ich, wie vollkommen erschöpft er aussah.
Denver hatte ein Baby-Gesicht, deshalb schien er nie zu altern, aber jetzt sah er aus, als wäre er fast dreißig. Zum ersten Mal wirkte er tatsächlich ausgezehrt, und nach unzähligen neunmonatigen, ausverkauften Tourneen hatte ich ihn schon von seiner schlimmsten Seite gesehen.
»Hey, alles klar bei dir?«
Er nippte an seinem Drink und wirkte nachdenklich. Im Laufe der Jahre hatte ich Denver in vielen Stadien der Trunkenheit gesehen. Von glücklich bis hin zu komplett abgestürzt und allem dazwischen. Er hatte alles mitgenommen.
Dieser Moment war seine philosophische Was-ist-das-Leben-Phase.
»Wird schon wieder«, erwiderte er abwinkend. »Im Moment ist es einfach surreal.«
»Aber aufregend. Wir können unser eigenes Ding machen. Bist du nicht bereit dafür?«
»Schon, aber …« Er biss sich auf die Lippe. »Ich … hab Angst.«
Es gefiel mir, dass er sich nicht scheute, mir diese emotionalen Dinge zu gestehen. Wenn ich ihm helfen konnte, würde ich es tun, und wann immer er sich mir anvertraute, gab mir das das Gefühl, gebraucht zu werden. »Wovor hast du Angst?«
Er schüttelte den Kopf. »Vergiss es. Es ist dämlich.«
»Ich bin’s doch. Spuck’s aus.«
»Was, wenn keiner von uns etwas verkauft? Was, wenn das nicht nur das Ende von Eleven, sondern das Ende unserer Karrieren ist?«
»Denny …« Ich benutzte seinen richtigen Namen, damit er wusste, wie ernst es mir war. »Du hast so viel Talent. Lass dir von keiner Plattenfirma und keinem Arschloch in der Branche etwas anderes sagen. Wir werden alle Erfolg haben. Ich vertraue darauf.«
»Was, wenn wir beide zu beschäftigt füreinander sind?«
»Wird niemals passieren.«
»Ich bin es gewohnt, dich jeden Tag zu sehen. Du bist mein Fels. Du bist … alles für mich. Was, wenn …«
Ich umfasste seinen Arm. »Hör auf, dir darüber den Kopf zu zerbrechen, und schau dir die Fakten an. Wir haben Millionen von Fans. Selbst wenn wir nicht mal die Hälfte von dem verkaufen, was wir jetzt absetzen, werden wir es immer noch in die Charts schaffen und uns als Solokünstler einen Namen machen. Du wirst erfolgreich sein, das verspreche ich dir. Und ich verspreche dir auch, dass ich dir bei allem zur Seite stehen und dich unterstützen werde.«
»Wie kannst du dir da so sicher sein?«
»Ich kann nichts dagegen tun. Ich bin ganz natürlich zen.« Ich grinste.
»Bist du überhaupt nicht.«
»Namaste und so weiter.« Ich schlang einen Arm um ihn und zog ihn an mich. »Was wir beide haben, ist beständig. Und wird es immer sein.«
Er drehte den Kopf, um mich anzusehen. »Versprochen?«
»Nur, wenn du es auch versprichst.«
»Egal, was passiert?«
»Du könntest jemanden umbringen, und ich würde dich noch lieben. Du bist wie mein klei…«
Bevor ich die Worte kleiner Bruder aussprechen konnte, drückte Denver seine Lippen auf meine.
Schock beschreibt nicht einmal annähernd, was ich fühlte. Es hat mehr als eine Sekunde gedauert, mich wieder zu sammeln, und noch eine halbe Sekunde, um ihn von mir wegzuschieben. »Halt, halt, halt, was zum Teufel passiert hier gerade?«
Denver löste sich aus meinen Armen und stand auf. »Du hast gesagt, dass du mich liebst.«
»Wie einen Bruder.«
Er blinzelte mich an.
»Du … du weißt schon, dass ich nicht auf Kerle stehe, oder? Ich bin nicht wie Ryder und Harley. Ist in Ordnung, wenn du es bist, aber ich dachte nicht …«
Er warf die Hände in die Luft. »Bin ich nicht.«
»Was dann?«
Er fuhr sich mit den Fingern durch die zerzausten Haare. »Ich drehe durch, weil sich Eleven trennt, weil ich nicht weiß, was die Zukunft bringt, weil ich allein bin … Ich dachte … Ich weiß nicht, was ich dachte, aber was auch immer es war, es war falsch. Tut mir leid.«
Langsam erhob ich mich. »Hey, schon in Ordnung.«
»Nein, ist es nicht.«
Ich versuchte, ihn zu berühren und in meine Arme zu ziehen, damit er wusste, dass ich für ihn da war, egal, was passiert, aber er zuckte zurück.
»Nicht.« Er klang gequält, und mir war nicht klar gewesen, dass ein einzelnes Wort mit so viel Bedauern gefüllt sein konnte.
»Denny.« Ich wollte ihm versichern, dass alles in Ordnung war. Er hatte einen Fehler gemacht, doch der würde nichts zwischen uns ändern.
Er wandte den Blick ab. »Ich … ich sollte gehen.«
»Aber …«
Ich sah nur noch Denvers Rücken, als er durch die Tür verschwand. Er löste sich so schnell in Luft auf, dass ich ihn nicht einmal darauf hinweisen konnte, dass wir in seinem Hotelzimmer waren.
Zu dem Zeitpunkt wusste ich es noch nicht, aber das war das letzte Mal, dass ich von Denver Smith hörte oder ihn sah.
DENVER
Ich bin als der Nette bekannt. Der mit dem süßen Gesicht und dem freundlichen Herz.
Eigentlich müsste man jeder Person, die unsere Bühnenrollen ernst nimmt, einen Klaps auf den Hinterkopf geben und ihr raten, nicht so leichtgläubig zu sein. Aber ich habe diese Rolle jahrelang gespielt und muss die Fassade aufrechterhalten.
Das könnte jedoch schwierig werden, wenn ich gezwungen werde, noch eine schreckliche Audition zu ertragen. Ich bin kurz davor, etwas mit meinem Stift zu erstechen. Vorzugsweise meine Ohren. Plötzlich verstehe ich, warum Simon Cowell so ist, wie er ist.
Nach dem ganzen Papierkrieg und den monatelangen Verzögerungen wird Fandom nun endlich produziert. Und die erste Woche war ein absolutes Desaster.
Um meine Stimme zu schonen, sollte ich mir Schilder basteln: »Netter Versuch, aber nein. Tut mir leid.«
Und das waren die, die es durch die Vorauswahl geschafft haben? Grundgütiger.
Die anderen Juroren sehen ebenso fertig aus wie ich. Wir sind seit fast vierzehn Stunden am Set, und die Gesichter der Teilnehmer verschwimmen langsam ineinander.
Ich nippe an meinem Wasser, woraufhin die Visagistin zu mir flitzt, um mehr Lippenpflegestift aufzutragen, und da sie schon mal hier ist, pudert sie zum gefühlt tausendsten Mal mein Gesicht. Meine Lippen glänzen, meine Haut nicht.
Dieser Zirkus rettet meine Karriere.
Angeblich.
Bereue ich es etwa, Harleys Angebot einer Wiedervereinigung abgelehnt zu haben? Vielleicht. Wäre da nicht die Tatsache, dass ich seit der Trennung von Eleven nicht mehr mit Mason gesprochen habe, wäre ich das Risiko wahrscheinlich eingegangen.
Aber, ich … kann einfach nicht. Ich will mich ihm nicht stellen.
Wir haben uns versprochen, uns nicht aus den Augen zu verlieren, doch nachdem ich ihn geküsst habe und weggelaufen bin, ist genau das passiert.
Als sein Debütalbum gefloppt ist, hätte ich ihn anrufen sollen, aber ich war zu sehr damit beschäftigt, dafür zu sorgen, dass meiner Karriere nicht dasselbe Schicksal widerfährt.
Außerdem ist es nicht leicht, ein guter Freund zu sein, nachdem man sich erniedrigt hat. Stolz ist nicht grundlos eine der sieben Todsünden, denn er kann ganze Freundschaften zerstören.
In den sieben Jahren, in denen Eleven Musik aufgenommen hat und auf Tour gegangen ist, sind Mason und ich eng zusammengewachsen. Wenn man so lange jeden einzelnen Tag mit jemandem verbringt, ist es unmöglich, keine Verbindung zueinander aufzubauen. Und wenn jemand wie ich so naiv ist und auch noch Verlustängste hat, kann diese Verbindung … verwirrend sein.
Bis heute weiß ich immer noch nicht, ob meine Gefühle für ihn real waren oder ich sie in meinem Kopf aufgebauscht habe. Ich hatte nie den Drang, einen anderen Mann zu küssen. Vor oder nach Mason. Aber es ist eindeutig: In mir macht sich jedes Mal Sehnsucht breit, wenn ich an diesen Abend denke. Sehnsucht nach unserer Freundschaft oder nach mehr? Ich weiß es nicht.
Wie immer, wenn ich anfange, mir den Kopf über meinen alten Freund zu zerbrechen, zwinge ich mich, es zu ignorieren, und konzentriere mich auf die Arbeit. Das ist das Einzige, was mir noch geblieben ist.
Alondra Casey, eine Pop-Sensation aus den Neunzigern, sitzt neben mir und beugt sich jetzt zu mir herüber. »Ich weiß, dass ich der mütterliche Typ sein soll, aber es fällt mir wirklich schwer, diesen Kids nicht zu sagen, dass die Branche sie mit Haut und Haaren auffressen wird.«
Ich schnaube. »Ja, nicht wahr?«
»Meinst du, sie lassen uns nach Hause gehen, wenn ich einen divenhaften Wutanfall vortäusche?«
Sie hat die ganze Woche kaum zwei Worte mit mir gewechselt, aber hier und jetzt komme ich zu dem Schluss, dass ich sie mag.
»Bitte, mach das«, flehe ich.
Sie lacht.
Zum Glück sind die Aufnahmen vorbei, bevor sie die großen Geschütze auffährt. Gott sei Dank. Zwei volle Tage frei.
»Das musst du dir wohl für nächste Woche aufheben«, sage ich auf dem Weg zu unseren Trailern zu ihr. Ich muss aus diesen Klamotten raus, die die Kostümbildner für mich ausgesucht haben. Wir geben sie jeden Tag zurück, damit sie gewaschen und erneut getragen werden können. Für die aufgezeichneten Auditions müssen wir immer dasselbe Outfit tragen. Dann können sie die verschiedenen Aufnahmen im Schnitt mischen, sodass es aussieht, als wären sie in dieser Reihenfolge gefilmt worden.
Ich betrete meinen Trailer. Eine Sekunde später ziehe ich mir das Shirt über den Kopf und öffne den Gürtel. Da räuspert sich jemand, und mir bleibt vor Schreck fast das Herz stehen.
»Wichser«, zische ich.
»Na, na, Denny. Das ist aber kein gutes Vorbild für die Kids bei dieser Talentshow.«
Ich weiß, dass viele Menschen Harley Valentines Stimme lieben, doch im Moment kann ich mir nichts Schrecklicheres in meinen Ohren vorstellen. Und das nach einer verdammt langen Woche als Juror bei etwas, das ich langsam für eine Sendung mit versteckter Kamera halte. Am Ende der sechs Wochen wird aus irgendeiner Ecke ein zweitklassiger Promi hervorgesprungen kommen und rufen: »Ha-ha, reingelegt!«
»Ich hab schon Nein gesagt«, verkünde ich und ziehe mich weiter aus.
Brix, Harleys muskulöser Bodyguard-Schrägstrich-Freund, legt ihm eine Hand auf die Augen.
Harley schiebt sie weg. »Das ist nichts, was ich nicht längst gesehen habe. Vertrau mir. Wenn man sieben Jahre lang mit diesem Typen auf Tour ist, ist es unmöglich, sich … dazu hingezogen zu fühlen.« Harley deutet mit einer Hand in meine Richtung.
»Wow, du schmierst mir wirklich Honig ums Maul. Wo unterschreibe ich bei deiner neuen Plattenfirma?«, spotte ich.
»Denny«, jammert Harley.
»Was?«
»Ich bin nicht deswegen hier. Ich will dich zum Abendessen einladen.«
Ich verenge die Augen. »Damit ich auf der gepunkteten Linie unterschreibe?«
»Was? Niemals.«
»Mmhm, klar.«
»Wir gehen mit einem alten Freund essen, und ich möchte, dass du mitkommst.«
»Welcher alte Freund? Und wer sind wir?«
»Vertraust du mir nicht mehr?« Harley blinzelt mich unschuldig an.
»Ich werde das nicht mal einer Antwort würdigen.«
Harley seufzt. »Nur du und ich. Oh, und mein Muskelprotz.« Er zeigt mit dem Daumen auf seinen Partner.
»Und wer ist der Freund?« Ein Kloß bildet sich in meiner Kehle. Aus irgendeinem Grund erwarte ich, dass er »Mason« sagt, obwohl ich weiß, dass das nicht sein kann.
»Es ist Blake, okay? Ich wollte, dass Ryder auch kommt, doch er hat heute den Zwerg.«
Ich habe Blake lange nicht gesehen, und es wäre schön, mal wieder zu quatschen. Aber … »Was spielt du für ein Spiel?«
»Spiel?« Harleys Stimme bricht.
»Ja. Es muss einen Haken geben.«
Harley dreht sich zu seinem Freund. »Ich hab dir gesagt, es wäre leichter, ihn mit Süßigkeiten zu locken, anstatt ihn einfach zu fragen.«
»Das könnte bei dir funktionieren«, werfe ich ein. »Bei mir kommst du mit Ehrlichkeit weiter. Spuck’s einfach aus.«
»Okay, also ich hatte diese wilde Idee, dass Blake Ja sagt, wenn wir als vereinte Front auftreten, und dann überlegst du es dir anders, und wir müssen nur noch eine Person ins Boot holen. Einer für alle und alle für einen und so weiter.«
Argh. Er wird keine Ruhe geben. Die Sache ist, dass ich Blake tatsächlich sehen will. Und ich bin nicht naiv. Falls die Sache mit der Talentshow nicht funktioniert oder unsere Einschaltquoten sinken, könnte Fandom das Ende meiner Karriere sein. Es wäre klug, zumindest mit dem Gedanken zu spielen, Eleven wieder zusammenzubringen, auch wenn es nie Wirklichkeit wird.
Obwohl ich dieser Meinung bin, jagt mir die Vorstellung, Mason wiederzusehen, eine Heidenangst ein, und wenn Harley seinen Willen bekommt, wird es irgendwann passieren.
Aber wie hoch stehen die Chancen, dass Blake zusagt? Er ist jetzt ein Filmstar. Selbst wenn er dafür ist, heißt das nicht, dass ich zustimmen muss.
Harley hüpft auf und ab. Er hüpft tatsächlich wie ein kleines Kind. »Bitte, bitte, bitte, bitte, bitte?«
»Na schön. Aber ich sage nicht, dass wir wieder zusammenkommen. Wir gehen nur essen.«
»Nur essen.« Warum macht mir das Funkeln in Harleys Augen Angst?
***
Als ich mich im Privatjet anschnalle, werfe ich Harley einen finsteren Blick zu. »Du hast vergessen, mir zu sagen, dass Blake an einem Filmset in der Wüste von Nevada ist.«
»Hab ich? Hoppla.«
Ich schüttle den Kopf. »Ich bin am Verhungern, und wir fliegen mindestens eine Stunde. Wehe, es gibt hier drin keine Snacks.«
»Für wen hältst du mich denn? Natürlich gibt es hier Snacks.« Er öffnet ein Fach, und ein Haufen Süßigkeiten fällt heraus.
»Wie ich sehe, ist deine Zuckersucht voll unter Kontrolle.«
»Ach was. Brix bremst mich. Ich schwöre, er und mein Trainer stecken unter einer Decke.«
»Aha?« Ich muss lachen.
»Sie sind beide gegen mich.«
Brix legt seinen muskulösen Arm um Harley. »Stimmt nicht. Ich sage dir immer, dass du essen sollst, was du willst.«
»Und dann zwingst du mich, es abzutrainieren!«
»Weil du mich darum bittest. Und du scheinst dich nie zu beschweren, wenn wir es abtrainieren.« Brix wackelt mit den dunklen Brauen.
Ihr ungezwungenes Hin und Her löst stechende Sehnsucht in mir aus, aber das ergibt keinen Sinn. Ich bin es gewohnt, allein zu sein. Ich bin praktisch seit meinem sechzehnten Lebensjahr allein. Das, was einer stabilen Person in meinem Leben am nächsten gekommen ist, waren die Jungs von Eleven.
Die letzten Jahre, in denen ich auf mich allein gestellt war, holen mich wohl ein. »Bei näherem Nachdenken … Wo ist der Schrank mit dem Alkohol?«, frage ich.
Brix beugt sich vor und öffnet eine weitere Klappe, hinter der sich ein Minikühlschrank befindet. »Was hättest du gern?«
»Jack.«
»Mit?«
»Der Flasche.«
Brix reicht sie mir.
»Heute Abend wird es wild«, sagt Harley.
Ich hebe prostend die Hand. »Darauf trinke ich.« Ich nehme einen großen Schluck und gebe anschließend Harley die Flasche, der sich einen Schluck mit Diät-Cola einschenkt.
Er bietet auch Brix etwas an, doch der schüttelt den Kopf. »Ich hab das Gefühl, dass ich heute Abend auf euch beide aufpassen muss.«
Obwohl er Harleys Freund ist, schmerzt allein bei dem Gedanken, dass jemand auf mich aufpasst, meine Brust. »Ja, ich brauche mehr Alkohol.«
»Willst du dieses Mal ein Glas?«, fragt Harley.
»Schön. Zwing mich nur zu Manieren und so.«
Als wir schließlich auf einem privaten Rollfeld bei Vegas landen, bin ich ein wenig angetrunken und vibriere vor Heiterkeit. Wir werden vom Flugzeug aus direkt durch das private Terminal zu einer wartenden Hummer-Limousine geführt.
Ich starre Harley an. Ernsthaft?
»Ich dachte mir, dass wir stilvoll reisen«, erklärt er.
»Mmhm, stilvoll. Das hat sicher nichts mit einem Plan zu tun, Aufmerksamkeit auf die drei Mitglieder von Eleven zu lenken, die miteinander essen gehen, damit die Klatschblätter von einer möglichen Reunion Wind bekommen und die Fans so lange betteln, bis wir alle einknicken?«
»Ich bin die Unschuld in Person«, erwidert Harley.
Ich muss zugeben, dass seine Leidenschaft dafür, uns wieder zusammenzubringen, verlockend ist. Er braucht die Publicity nicht so wie der Rest von uns, weshalb ich nicht den Eindruck habe, dass er uns für PR-Zwecke missbraucht. Er will wirklich, dass es passiert.
»Wohin jetzt? Fahren wir mitten ins Nirgendwo?«, frage ich.
»Jap. Dann entführen wir ihn vom Set und gönnen uns ein spätes Abendessen im Catalina Casino.«
»Warte, weiß er, dass wir kommen?«
Harley grinst. Dieser Mistkerl.
»Das macht dir Spaß, nicht wahr?« Ich wende mich an Brix. »Ist das nicht so eine dieser Aktionen, die du verhindern solltest?«
»Auf gar keinen Fall«, antwortet Brix sofort. »Ich nehme an, dass du weißt, wie er ist, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat.«
»Und wie.«
»Oh, sieh mal! Eine Minibar.« Harley nimmt eine Flasche Champagner heraus und reicht sie mir. »Trink weiter. Wenn du was Flüssiges im Mund hast, kannst du nicht über mich reden, als wäre ich nicht da.«
»Ich stehe nicht wirklich auf Sekt.« Trotzdem ziehe ich den Korken und trinke einen Schluck direkt aus der Flasche. »Andererseits … Der ist gar nicht schlecht.«
»Der viele Whiskey hilft wahrscheinlich«, murmelt Brix.
Harley und ich trinken, bitten den Fahrer um etwas Musik und müssen unwillkürlich lachen, als ein Eleven-Song kommt. Wir schwelgen in Erinnerungen.
»Erinnerst du dich noch, wie Blake tollpatschig von der Bühne gefallen ist, weil er versucht hat, eines der Fan-Schilder zu lesen, und irgendwie immer weitergelaufen ist?«, brülle ich.
»Hey, wie oft bist du in der Öffentlichkeit gestürzt?«, hält Harley dagegen.
»Ich bin nie von der Bühne gefallen. Und es lag auch nie an Tollpatschigkeit, sondern immer an absoluter Trunkenheit.«
Wir wärmen eine Tour-Geschichte nach der anderen auf, aber ich achte bewusst darauf, Mason nicht zu erwähnen. Ich habe immer Angst, über ihn zu reden, weil ich panisch fürchte, dass mich die Leute durchschauen könnten.
Die Fahrt in die Wüste fühlt sich weitaus kürzer an, als sie sollte.
Als wir vor einem mit einem Tor gesicherten Bereich halten, steht Harley auf und streckt den Kopf durchs Dachfenster. »Harley Valentine für Blake Monroe.«
Zu niemandes Überraschung werden wir direkt ans Set gelassen. Oh, die Macht des Namens Harley Valentine. Obwohl mein Name ebenfalls Vorteile hat. »Denver Smith« bringt mich in die Clubs, und einige Paparazzi sind interessiert, doch er hat nicht dieselbe Wirkung wie Harleys. Der Name, mit dem ich aufgewachsen bin – Denny Mariano – bringt mich nirgendwohin. Es kennt ihn auch niemand. Im Gegensatz zu Harley, bei dem man nach einer kurzen Google-Suche weiß, dass er seinen Namen geändert hat, wollte die Plattenfirma meine Vergangenheit begraben. Na ja, genauer gesagt, die Vergangenheit meiner leiblichen Eltern. Wenn mich die Jungs von Eleven Denny nennen, halten es die Leute für einen Spitznamen. Ist es aber nicht.
Der Fahrer lenkt die Monstrosität, die mehr Panzer als Auto ist, vor eine Trailer-Reihe, die der an unserem Set von Fandom ähnelt.
Ein Produktionsassistent kommt auf uns zu und drückt sich einen Finger ans Headset. »Folgen Sie mir. Wir bringen Sie an eine Stelle, von der aus Sie zugucken können. Wir sind für heute fast fertig.«
Ich bin angenehm wacklig auf den Beinen, als wir dem Typen zu einem unechten siebenstöckigen Gebäude folgen, um das Gerüste aufgebaut sind. Das ganze Set ist mit Strahlern erhellt, und es ist nur schwer zu erkennen, wie es nach der Postproduction aussehen wird. Sollen wir in einer Stadt sein? Ist das ein Wolkenkratzer? Oder soll es wie eine Baustelle aussehen?
»Sie haben nur einen Take für die Action-Szene, deshalb müssen wir am Set leise sein«, weist uns der PA an. Er bringt uns zu einem Teil der Crew, der ebenfalls zuschaut. Auf den Bildschirmen sind verschiedene Kameraeinstellungen zu sehen, und Blake steht vollkommen in schwarz gekleidet, mit einer kugelsicheren Weste und etwas, das wie ein Sturmgewehr aussieht, auf dem Dach des Gebäudes. Coby Godspeed live und in Farbe.
Ich habe den Überblick verloren, wie viele Filme sie in zweieinhalb Jahren in diesem Franchise zusammengezimmert haben. Blake ist so beschäftigt damit, einen Film nach dem andern zu drehen, dass er möglicherweise für immer Coby-Godspeed-Filme machen wird.
Wir alle hören fasziniert dem kitschigen Dialog darüber zu, dass das Gebäude gleich in die Luft fliegen wird, und beobachten dann, wie Blake sich in der nächsten Sekunde umdreht und zum Rand rennt. Doch bevor er springen kann, ruft der Regisseur: »Schnitt!«
»Das war jetzt irgendwie enttäuschend«, stelle ich fest.
Sie gehen für die nächste Szene wieder auf Anfang, allerdings gibt es diesmal keinen Dialog. Blake trägt ein Geschirr, rennt Richtung Abgrund, und dieses Mal läuft er weiter.
Ich keuche auf, als er über den Rand des Gebäudes fliegt und innerhalb weniger Sekunden einige Stockwerke tief fällt. Er hält sich an einem Vorsprung fest und hängt dort einen Augenblick, doch dann erschüttert eine Explosion den Boden und die Gebäude, und er fällt zum nächsten Vorsprung.
Ich öffne den Mund, um zu fragen, wann Blake so viel Kraft im Oberkörper entwickelt hat, erinnere mich aber daran, dass wir still sein sollen. Mir ist nicht wirklich danach, Geld für Neuaufnahmen zu spenden.