Spotlight - Eden Finley - E-Book + Hörbuch

Spotlight E-Book und Hörbuch

Eden Finley

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Beschreibung

Damit seine Tochter nicht im Fokus der Öffentlichkeit aufwachsen muss, hat Ryder Kennedy die erfolgreiche Boyband »Eleven« verlassen. Als er Unterstützung für sein neues Leben als alleinerziehender Vater braucht, findet er die überraschend bei einem umwerfenden Mann, der ihm zufällig begegnet. Obwohl er sich stark zu Lyric hingezogen fühlt, ist Ryder bereit, das zum Wohl seiner Tochter zu unterdrücken. Und da wäre ja auch noch die Tatsache, dass Lyric als Sänger berühmt werden möchte, also genau das Leben anstrebt, das Ryder hinter sich gelassen hat … Die Arbeit als Nanny ist für Lyric Jones nur eine Etappe auf dem Weg zum großen Durchbruch als Künstler. Doch dann merkt er, dass er mit jedem Tag, den er mit Ryder und dessen Tochter verbringt, ein Stückchen mehr Teil dieser unkonventionellen Familie sein möchte – und zwar nicht nur als Nanny. Doch wie passen Ruhm und Familienleben zusammen?

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Seitenzahl: 439

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Zeit:9 Std. 29 min

Sprecher:Christopher MayerTill Beck
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EDEN FINLEY

SPOTLIGHT

FAMOUS 2

 

 

 

Aus dem Englischen von Anne Sommerfeld

 

 

Über das Buch

Damit seine Tochter nicht im Fokus der Öffentlichkeit aufwachsen muss, hat Ryder Kennedy die erfolgreiche Boyband »Eleven« verlassen. Als er Unterstützung für sein neues Leben als alleinerziehender Vater braucht, findet er die überraschend bei einem umwerfenden Mann, der ihm zufällig begegnet. Obwohl er sich stark zu Lyric hingezogen fühlt, ist Ryder bereit, das zum Wohl seiner Tochter zu unterdrücken. Und da wäre ja auch noch die Tatsache, dass Lyric als Sänger berühmt werden möchte, also genau das Leben anstrebt, das Ryder hinter sich gelassen hat …

Die Arbeit als Nanny ist für Lyric Jones nur eine Etappe auf dem Weg zum großen Durchbruch als Künstler. Doch dann merkt er, dass er mit jedem Tag, den er mit Ryder und dessen Tochter verbringt, ein Stückchen mehr Teil dieser unkonventionellen Familie sein möchte – und zwar nicht nur als Nanny. Doch wie passen Ruhm und Familienleben zusammen?

Über die Autorin

Eden Finley schreibt heitere Liebesromane voller Herz, die sich wunderbar für kleine Fluchten aus dem Alltag eignen. Ihre Bücher entstehen meist aus einer schrägen Idee. Ursprünglich schrieb Eden auch in vielen anderen Genres, doch seit 2018 hat sie in der queeren Romance ihr Zuhause gefunden.

Eden lebt mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn in Australien.

Die englische Ausgabe erschien 2020 unter dem Titel »Spotlight«.

Deutsche Erstausgabe Juli 2024

 

© der Originalausgabe 2020: Eden Finley

© für die deutschsprachige Ausgabe 2024:

Second Chances Verlag, Inh. Jeannette Bauroth,

Hammergasse 7–9, 98587 Steinbach-Hallenberg

 

Alle Rechte, einschließlich des Rechts zur vollständigen oder auszugsweisen Wiedergabe in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Alle handelnden Personen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

Die Nutzung des Inhalts für Text und Data Mining

im Sinne von § 44b UrhG ist ausdrücklich verboten.

 

Umschlaggestaltung: Frauke Spanuth

unter Verwendung von Motiven von Yakobchuk Olena, Brilliant Eye und pandaclub23

alle www.stock.adobe.com

Lektorat: Annika Bührmann

Korrektorat: Isabel Wieja

Schlussredaktion: Daniela Dreuth

Satz & Layout: Judith Zimmer

 

ISBN Taschenbuch: 978-3-98906-036-4

ISBN E-Book: 978-3-98906-035-7

 

Druck: Scandinavian Book, Neustadt a.d. Aisch

 

Auch als Hörbuch erhältlich!

 

www.second-chances-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Titel

Über die Autorin

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Epilog

Weitere Bücher von Eden Finley

Danksagung

KAPITEL 1

RYDER

Kaffee. Brauche Kaffee.

Koffein ist das magische Elixier, das mich wie der verantwortungsbewusste, alleinerziehende Vater agieren lässt, der ich angeblich bin. Angeblich deshalb, weil Fotos von einem süßen Moment mit Kaylee und mir an die Öffentlichkeit gelangt sind und die Klatschblätter nun glauben, dass ich so ein geduldiger, bodenständiger und praktischer Typ Vater bin. Ihr wisst schon, die Art von alleinerziehendem Vater, der auf der ganzen Welt Eierstöcke in Verzückung geraten lässt. Die bittere Wahrheit ist jedoch, dass Vatersein der schwerste Job ist, den ich je hatte. Er ist mörderischer als neun Monate dauernde Konzerttouren, auf denen ich keine Chance zum Schlafen hatte und ohne Pause um die Welt gereist bin. Jetlag und Erschöpfung gab es in meinem Vokabular nicht, weil ich es mir nicht leisten konnte. Erschöpfung ist nun mein Leben. Ernsthaft, durch das Trockenwerden bekomme ich nachts noch weniger Schlaf, als damals beim Zahnen. Natürlich gebe ich irgendwann auf, wenn ich jede Nacht mehrmals die Laken wechseln muss, und versuche, dem Kind eine Höschenwindel anzuziehen. Natürlich erinnert sie mich dann immer daran, dass sie schon fast fünf ist und keine Windel braucht. Sie hat das mit der Toilette gut verstanden, aber nachts haben wir Probleme. Wenn sie nicht wie eine Tote schlafen würde, würde sie vielleicht aufwachen, um aufs Klo zu gehen.

Als könnte die junge Frau hinter der Küchentheke des Kinderspielzentrums meine wachsende Müdigkeit durch den Schlafentzug spüren, bringt sie mir endlich meine Bestellung. Ein großer Kaffee für mich und ein gewaltiger Keks für meine Tochter. Der ist mindestens so groß wie ihr Kopf. Den vielen Zucker werde ich später noch bereuen. Aber mein zukünftiges Ich kann sich mit dem Absturz befassen. Mein derzeitiges Ich will Frieden.Ich ziehe mir die Kappe tiefer ins Gesicht und halte den Blick gesenkt, während ich mich bei der jungen Frau bedanke. Es ist unhöflich, und meine Momma hat mich nicht so erzogen, aber sogar zwei Jahre nach der Trennung von Eleven und meinem Verschwinden aus dem Rampenlicht werde ich noch erkannt und auf der Straße belagert. Selbst wenn ich mit Kaylee unterwegs bin, und vor allem von der Altersgruppe der Kellnerin.

Wenn man sieben Jahre lang zur größten Boyband der Welt gehört hat, ist es schwer, sich heimlich in die Vergessenheit zu schleichen, egal, wie sehr ich mich bemühe. Sollte keine andere große Nummer ins Rampenlicht treten, wird das für die absehbare Zukunft mein Leben sein.

Kommt schon, Jungs, gründet eine Boyband! Für mein Seelenheil, bitte.

Wichtiger noch, für die Sicherheit meiner Tochter.

Kaylee sieht mich mit ihren großen grünen Augen, die sie von ihrer Mutter geerbt hat, an. Dunkelbraune Löckchen fallen ihr ins Gesicht, weil die sturen Haare einfach nicht dort bleiben wollen, wo ich sie hingebunden habe. Daddy und Zöpfe passen nicht zusammen.

Sie hat den Mund voll Keks und lächelt mich breit an, während sie kaut. So breit, dass die Krümel zwischen ihren Zähnen herausfallen.

»Ich kann dich nirgendwohin mitnehmen.« Ich wische den Tisch ab.

»Warum nicht?« Mehr Kekskrümel fallen aus ihrem Mund.

»Weil du eine Sauerei machst.«

»Aber ich bin süß.«

Ich lache. »Ja, das bist du.«

»Das sagt Momma immer.«

Mein Herz zieht sich zusammen. »Ja. Das tut sie.«

»Wann kommt sie nach Hause?«

Egal, wie oft ich es erkläre, sie versteht es nicht. Sie ist zu jung. »Ähm …«

»Kann ich zum Geburtstag ein Pony haben?«

Und deshalb liebe ich die Aufmerksamkeitsspanne von Vierjährigen. »Nein. Nicht bis du alt genug bist, um zu reiten.«

Theoretisch gibt es ein Reitlager, das sie auch mit vier Jahren aufnehmen würde, aber das werde ich ihr auf keinen Fall sagen. Noch nie hatte ich so ein ständig wachsendes Bedürfnis, jemanden mit meinem Leben zu beschützen. Bis Kaylee auf die Welt kam. Das Vatersein hat alles verändert. Nichts von dem, was ich früher für selbstverständlich gehalten habe, halte ich noch dafür. Wie fünf Minuten absolute Stille.

Am Tisch hinter uns fängt ein Junge an, einen Eleven-Song zu singen.

 

Because I like you. Ooh, ooh, ooh. I like you.

 

Ich hab’s mir anders überlegt. Ich wünschte, ich hätte fünf Minuten, in denen ich nicht an diesen Song erinnert werde. Es war unser größter Hit und der nervigste Ohrwurm überhaupt, und die Radiosender haben ihn so oft gespielt, dass auch die krassesten Fans ihn sicher irgendwann satthatten.

»Nein«, sagt eine tiefe Stimme. »Was habe ich dir gesagt, was das Singen von Eleven-Songs angeht?«

»Ich mag sie!«, protestiert der Junge.

»Die Texte sind einfallslos und klischeehaft. Die Typen sind Luschen.«

Ich kann nichts dagegen tun. Ich schnaube. Laut. Ups.

Um zu überspielen, dass ich einer privaten Unterhaltung gelauscht habe, räuspere ich mich und huste anschließend. Dann spähe ich unauffällig über die Schulter. Der Junge sieht etwas älter aus als Kaylee, und der Typ, der bei ihm ist, ist jünger, als ich erwartet habe. Höchstens Mitte zwanzig. Er hat wohl schon früh Kinder bekommen. Nicht, dass ich jemanden verurteilen könnte. Ich war 22, als das mit Kaylee passiert ist, und sie war definitiv nicht Teil meiner Lebensplanung. Mein Blick gleitet zu meiner Tochter, und die vertrauten, schweren Schuldgefühle legen sich auf meine Brust. Sie war vielleicht nicht geplant, aber sie ist sicher kein Fehler. Ich würde sie gegen nichts eintauschen. Tatsächlich habe ich mein ganzes Leben für sie aufgegeben und würde es jederzeit, ohne zu zögern, wieder tun.

Und wieder und wieder und wieder.

Das Kind hinter uns summt den Song jetzt, und ich muss aufstehen und verschwinden, bevor ich noch laut auflache, weil der Typ bei ihm stöhnt.

»Na komm, Kaylee. Du kannst spielen gehen, und ich sehe dir zu.«

Meine furchtlose Tochter flitzt die gepolsterte Treppe zu dem Klettergerüst aus Tunneln hinauf, die durch die Anlage führen, während ich an meinem Kaffee nippe und versuche, sie nicht aus den Augen zu verlieren. Die Tunnel haben Fenster, und ich behalte sie im Blick, indem ich dem Elsa-Kleid folge, das sie anziehen musste, da nichts anderes akzeptabel war. Nicht, dass ich es mir nicht leisten könnte, das Kleid zu ersetzen, das sie so entschlossen zerstören will, aber darum geht es nicht. Ich will Kaylee nicht im Glauben aufwachsen lassen, alles wäre ersetzbar und Geld nie ein Problem. Ich möchte nicht, dass sie wie die verwöhnten Gören an ihrer Schule wird. Eigentlich wollte ich sie überhaupt nicht in die Vorschule gehen lassen, doch angeblich ist es »psychologisch förderlich« oder so was, wenn sie mit Gleichaltrigen zusammen ist. Anscheinend muss ich zulassen, dass sie von anderen Kindern gebissen wird, wenn ich nicht will, dass sie mal eine Soziopathin wird.

Als ich ihre Lehrerin in der ersten Woche nach den Bissspuren gefragt habe, hat sie die Stimme gesenkt und geantwortet: »Wir haben einen Beißer«, als wäre es ganz normal, andere Kinder zu beißen, und als könnte sie nichts dagegen tun. Und das auf der teuersten Schule im Großraum L. A., wo alle Stars ihren Nachwuchs hinschicken. Am schlimmsten ist jedoch, dass sie mir nicht mal sagen wollen, wer sie gebissen hat. Ich wette, es war eins von den Kardashian-Kindern.

Der Typ, der Eleven beschissen findet, bewegt sich in meinem Augenwinkel und bleibt ein paar Meter entfernt von mir stehen, während sein Junge in die Tunnel rennt. Es ist verlockend – so verlockend – Blickkontakt mit ihm aufzunehmen, nur um seine Reaktion zu sehen, doch wenn ich von jemandem erkannt werde, kommen Kaylee und ich hier nur raus, wenn ich ein paar Autogramme verteile und Selfies mache. Aber jetzt ist der Winkel besser, um ihn ordentlich anzusehen.

Eleven hat definitiv Hater. Wenn die Texte einfallslos und klischeehaft sind, wie der Typ es formuliert, ist das nicht schwer. Wir haben auch nie behauptet, dass es anders wäre. Doch wisst ihr, was diese Songs außerdem sind? Hits, die mehrfach Platin erreicht haben. Sie sind vielleicht oberflächlich, aber verdammt mitreißend, und die größte demografische Gruppe da draußen besteht aus Menschen, die tanzen und den Text aus vollem Halse kreischen wollen. Das macht Eleven oder unsere einzelnen Bandmitglieder nicht zu minderwertigeren Künstlern als diesen Typen. Und er ist zweifellos Künstler. Musiker, würde ich dank seiner überheblichen Einstellung vermuten. Er trägt eine zerrissene, schwarze Skinny Jeans, ein weißes T-Shirt, eine offene, schwarze Weste und Lederarmbänder am Handgelenk. Seine langen, goldenen Surfer-Haare sind im Nacken zu einem Man Bun zusammengebunden. Und er ist heiß. Seine Haut ist glatt, und er hat einen ganz leichten Bartschatten auf Wangen und Kiefer. Ich will ihn weiter anstarren, aber irgendwann wird er in meine Richtung sehen und dann bin ich am Arsch. Und nicht so, wie ich es mir gerade beinahe vorstelle. Ich vermisse Sex. So ist das, wenn man nur einmal innerhalb von fünf Jahren flachgelegt wird.

Ein ohrenbetäubender Schrei ertönt, und ich weiß sofort, dass er von meiner Tochter kommt.

»Stopp!«, kreischt ein anderes Kind.

Ich weiß nicht, ob ich meinen Kaffee abstelle oder einfach fallen lasse, sondern ich denke ausschließlich an Kaylee, als ich die Treppe hinauf in die Tunnel renne. Jemand klettert hinter mir her, und vielleicht trete ich der Person aus Versehen ins Gesicht.

Hoppla.

Ich drehe mich um, um sicherzugehen, dass ich kein Kind verletzt habe, sehe aber nur die grün-braunen Augen des überheblichen Mistkerls, die mich finster ansehen, also klettere ich weiter. Ich werde mich entschuldigen, wenn er mir sagt, dass ich nicht wirklich eine Lusche bin. Meine Auszeichnung für Reife sollte wohl in den nächsten Tagen eintreffen.

Ich bin nicht sicher, was ich erwartet habe – gedanklich bin ich vom schlimmsten ausgegangen, dass meine Tochter bluten oder sich etwas gebrochen haben könnte –, doch als ich den flachen Bereich hinter dem ersten Tunnelabschnitt erreiche, bietet sich mir ein überraschender, verwirrender und leicht komischer Anblick. Aber ich darf nicht lachen. Wenn ich es tue, wird meine Tochter ein solches Verhalten für angemessen halten. Sie drückt ihren Fuß auf den Jungen, der vorhin den Eleven-Song gesummt hat, jetzt aber auf dem Boden liegt. Ich presse mich durch den Tunnelausgang und richte mich auf, allerdings ist die Decke etwa fünfzehn Zentimeter zu niedrig, sodass ich mir den Kopf stoße. Ich ignoriere den Schmerz und mache einen langen Hals, um darunter zu passen.

»Kaylee Margaret Kennedy. Lass den Jungen los.« So streng war meine Stimme noch nie, weshalb sie sofort gehorcht.

»Aber …«

»Kein aber. Entschuldige dich.«

Hinter mir kämpft sich der Dad des Jungen auf die Füße. Er ist so groß wie ich und stößt sich ebenfalls den Kopf. »Ah, verfluchte Schei – be.« Er sieht zu den Kindern. »Chase, was ist passiert?«

»Sie hat mich getreten!«, ruft der Junge.

Kaylee sieht mich mit großen, runden, grünen Augen an, in denen sich nun Tränen sammeln, weil sie in Schwierigkeiten steckt. »Er hat sich vorgedrängelt. Und du hast gesagt, wenn mir jemand wehtut, soll ich mich wehren.«

Ich sinke auf die Knie, damit wir auf Augenhöhe sind. »Schätzchen, ich meinte damit, wenn dich in der Schule jemand beißt. Oder dich haut. Es ist nie in Ordnung, jemanden zu treten. Das weißt du.«

»Chase, geht’s dir gut?«, fragt der Dad des Jungen.

Ich drehe mich zu ihm um. »Hey, Mann, tut mir leid. Sie lernt noch, mit anderen Kindern umzugehen. Noch hat sie den Dreh nicht ganz raus.«

Und nach fast fünf Jahren als Vater glaube ich langsam, dass ich auch keinen blassen Schimmer habe, was ich tue. Der Typ antwortet mir nicht, aber seine Augen weiten sich. Diese hypnotischen grün-braunen Augen sind sanfter, als ich erwartet habe. Seinen Gesichtsausdruck habe ich schon eine Million Mal auf einer Million verschiedenen Gesichtern gesehen – Erkenntnis.

»Äh, also … ja. Okay. Ich meine, kein Problem. Ich meine, es ist ein Problem, aber Kinder testen jeden Tag Grenzen aus. Du, ähm, also, hast das gut geklärt.«

Ich muss zugeben, es gefällt mir wirklich, wie er rot wird und um Worte ringt.

»Danke. Nicht schlecht für jemanden, der einfallslos und klischeehaft ist, richtig?« Ich grinse.

»E – es, tut mir leid. Ich … ich meine, du bist es. Und oh, schei … nen. Es tut mir leid.«

Obwohl das Stammeln süß ist und ich mehr davon sehen will, muss ich verschwinden, bevor er den Leuten sagt, wer ich bin. »Alles gut. Komm, Kaylee. Lass uns nach Hause gehen.«

»Lyric, wer ist das?«

Ah, der Junge ist jung genug, um meine Songs zu kennen, aber nicht alt genug, um zu wissen, wie ich aussehe.

Außerdem, hat er gerade Lyric gesagt? Ernsthaft?

Ich reiche dem Jungen die Hand. »Hi, ich bin Ryder, von Eleven.«

Chases Gesicht hellt sich auf. »Wirklich?«

»Wirklich. Ich finde es immer toll, einen Fan zu treffen.«

Er schüttelt mir so heftig die Hand, dass sie fast abfällt. Er ist entzückend. Die blonden Haare fallen ihm in die Augen.

»Es tut mir leid, dass meine Tochter dich getreten hat.«

»Und, hey«, wirft Lyric ein. »Mir tut es auch leid. Also, das, was ich gesagt habe.«

Irgendwie will ich ihm einen Vortrag darüber halten, dass er zu seiner Meinung stehen soll. Elevens Musik ist nicht für jedermann. Er muss sich nicht bei mir einschleimen, nur weil er kapiert hat, dass ich ein echter Mensch und nicht nur ein Promi bin, den es so im wahren Leben nicht gibt. Die Leute denken, man ist in Bezug auf Kritik Freiwild, wenn man berühmt ist. Ihnen ist nicht klar, dass wir genau wie alle anderen sind.

Ich richte mich wieder auf und ziehe den Kopf ein. »Kein Grund, jetzt höflich zu sein. Aber wir sollten wirklich gehen, bevor mich noch jemand erkennt.«

»Wir werden es niemandem verraten«, verspricht Chase.

»Ich will nicht gehen!«, ruft Kaylee.

»Ich weiß, Kleines, aber …«

»Werden wir nicht«, stimmt Lyric zu.

Ich sehe ihn an und hasse, wie ich sofort misstrauisch werde. Das ist immer meine erste Reaktion, weil es so sein muss. Vielleicht sagt er das jetzt, doch wenn wir gehen, stehe ich einem Haufen Paparazzi gegenüber.

Als würde er mein Misstrauen spüren, schenkt er mir ein leichtes Lächeln. »Ich spendiere sogar einen Kaffee, um den zu ersetzen, den du mir praktisch an den Kopf geworfen hast.«

Oh. Jetzt bin ich wohl an der Reihe, mich zu entschuldigen. »Tut mir leid. Und auch, dass ich dich, nun ja, getreten habe. Ich hab sie schreien gehört und …«

Er hebt eine Hand. »Verstehe ich. Elterlicher Instinkt. Geht mir bei Chase genauso, und er gehört mir nicht mal.«

Ich lege den Kopf schräg.

»Oh, wow, das hat sich jetzt echt angehört, als hätte ich ihn entführt, oder? Er ist der Sohn meines Bruders. Ich babysitte ihn. Versprochen. Chase, sag ihm, dass ich dein Onkel bin.«

Chase grinst mich an. »Er ist mein Onkel. Er mag Jungs und nicht Mädchen, aber Mom und Dad sagen, es ist okay, weil Jungs auch Jungs und Mädchen auch Mädchen lieben dürfen.«

Lyric legt sich eine Hand vors Gesicht. »Zu viele Infos, Chase.«

Und eine interessante Wende der Ereignisse.

»Ich finde küssen eklig«, fügt Chase hinzu. »Bei Jungen und Mädchen.«

Ich versuche, nicht zu lachen, scheitere aber.

»Willst du spielen?«, fragt Kaylee Chase.

Mein Lachen erstirbt. »Kaylee …«, rufe ich ihr nach, doch die beiden klettern schon in den nächsten Tunnelabschnitt.

»Oh, noch mal Kind zu sein«, sagt Lyric. »So schnell vergeben und Freunde finden zu können.«

»Weißt du, was ein guter Weg ist, um Freunde zu finden? Nicht zu behaupten, dass Leute beschissen sind, wäre ein guter Anfang.«

Sein Mund klappt auf und dann wieder zu. Wahrscheinlich merkt er mir nicht an, ob ich es ernst meine oder nur Witze mache. Ich will ihn noch ein bisschen weiter quälen, aber dann könnte ein Artikel erscheinen, in dem behauptet wird, dass ich unhöflich bin und andere Menschen schlecht behandle. Für eine Story tun Reporter alles.

»Ich zieh dich nur auf, Mann«, versichere ich ihm. »Na ja, zum Teil. Ich bin nicht wirklich beleidigt, aber meine Argumente gelten trotzdem. Mehr Liebe, weniger Hass.«

»Ich habe eine Erklärung, ich schwör’s.«

»Kannst du sie mir vielleicht geben, nachdem du mir einen Kaffee spendiert hast? Ich weiß nicht, wie lange ich noch so stehen kann.« Ich reibe mir den Nacken.

»Abgemacht. Willst du zuerst gehen, oder soll ich?«

Ich trete zur Seite und bedeute ihm, voranzugehen. »Nach dir.«

Als er an mir vorbei schlendert, richtet sich mein Blick natürlich auf seinen Hintern in der engen Jeans.

Verdammt.

Wir klettern gemeinsam nach unten, doch als wir wieder im Hauptbereich sind, sehe ich, wie eine Mitarbeiterin den Kaffee aufwischt, den ich weggeworfen habe.

Ich ziehe die Kappe nach unten und versuche, meine Augen und mein Gesicht so gut es geht zu verdecken. »Ich sollte …«

Lyric hält mich am Oberarm fest, und die Berührung fühlt sich so natürlich und gleichzeitig vollkommen anders an, als wenn Fans versuchen, meine Aufmerksamkeit zu erregen. Unsere Blicke treffen sich.

»Sie wird dich erkennen, sobald sie dein Gesicht sieht. Lass mich.« Er geht auf die Kellnerin zu. »Das tut mir leid. Wir haben die Kinder schreien gehört und dachten, sie hätten Schwierigkeiten. Hier, lassen Sie mich das sauber machen.«

Sie winkt ab, versichert ihm, dass alles gut ist, und lächelt ihn an. »Ich bringe Ihnen einen neuen.«

»Danke.« Lyrics Gesicht, wenn er lächelt, ist … Es lässt sich nicht beschreiben.

Lass es sein, Ryder. Hör auf, den hübschen Kerl anzustarren.

Die Kellnerin ist von seinem Lächeln genauso verzaubert wie ich, denn sie wird rot, als er geht.

Lyric setzt sich zu mir an den Tisch. »Also, tut mir leid. Noch mal. Dass ich gesagt habe, du wärst eine Lusche.«

Ich lache. »Na, immerhin besser als Lutscher, auch wenn das nicht gelogen wäre.«

Seine Augen weiten sich ein wenig, und da wird mir klar, was ich gesagt habe. Es stimmt ja, aber das ist nicht gerade öffentlich bekannt.

»Wir haben bei Eleven nicht viel künstlerische Kontrolle gehabt«, erkläre ich. »Wahrscheinlich hasse ich diese Songs genauso wie du.«

»Haben du und Harley nicht viele dieser Songs geschrieben?«

Ich lehne mich zurück. »Ich dachte, du bist kein Fan? Die meisten Leute wissen nicht, von wem die Texte stammen.«

»Ich, na ja, also, ich habe meinen Abschluss auf der Montebello gemacht. Musikstudien. Deshalb weiß ich, dass du der kreative Kopf hinter den Songs warst.«

»Ah. Na ja, obwohl wir die Songs geschrieben haben, haben wir nur das gemacht, was uns gesagt wurde. Die Plattenfirma wollte stumpfsinnigen Mist, deshalb haben sie ihn bekommen, weil wir keine andere Wahl hatten. Das lernst du, sobald du bei jemandem unter Vertrag bist.«

»Woher weißt du, dass ich versuche, einen Vertrag zu bekommen?«

»Du warst auf der Almost Famous. Das verrät eine Menge über dich.«

Montebello ist ein privates College mit einem der konkurrenzfähigsten Programme für darstellende Künste im ganzen Land. Der Spitzname Almost Famous – so gut wie berühmt – existiert zurecht, denn wenn man da aufgenommen wird, ist ein Erfolg in L. A. fast garantiert. Viele Stars waren dort, und ich wusste nach nur einem Blick, dass dieser Typ ein Künstler ist. Ergibt Sinn.

»Inwiefern?«, fragt er.

»Na ja, zum einen Lyric. Das muss ein Künstlername sein.«

Er verzieht das Gesicht. »Ich schwöre bei Gott, das ist mein richtiger Name.«

»Wirklich?«

»Kein Witz. Mein Bruder heißt Chord und unsere Schwester Melody.«

Ich beiße mir auf die Lippe, um nicht zu lachen.

»Halt dich jetzt nicht zurück. Meine Freunde haben es auch nie getan. Aber, hey, das ist für mich von Vorteil. Passt sehr gut zu einem Musiker.«

»Stimmt. Lässt sich gut vermarkten. Ich nehme an, dass deine ganze Familie musikalisch ist?«

Lyric wendet den Blick ab. »Nicht wirklich. Mom hasst das Musikgeschäft. Chord ist im Medienrecht tätig, also ähnliche Branche, doch er tritt nicht auf.«

»Wie kann deine Mom Musik hassen? Ist sie ein Zombie? Sie ist ein Zombie, nicht wahr?«

Lyric lacht. »Manchmal frage ich mich das auch, aber nein. Mom hat sich für mich einen geeigneteren Berufsweg gewünscht, deshalb habe ich an der Montebello einen Doppelabschluss gemacht. Musik und Frühpädagogik. Und so wurde ich zur unbezahlten Nanny meines Neffen, während ich von einer Audition zur nächsten gehe und von, oh, jedem abgelehnt werde.«

»Aha. Deshalb also der Hass auf Boybands. Weil wir es so leicht hatten.«

»Das hab ich nie gesagt. Ich sagte …«

»Schon okay. Vertrau mir, wir alle sind an den Hass der echten Musiker gewöhnt.«

»Das meinte ich nicht. Es ist einfach entmutigend, so oft abgelehnt zu werden …«

»So ist die Branche.«

»Ich weiß. Und man muss ein dickes Fell haben, was ich immer von mir dachte. Es ist nicht so, dass ich wegen schlechter Auditions heule oder so was, aber ich wurde erst heute Morgen wieder abgelehnt, deshalb war ich mies drauf. Obwohl ich immer noch nicht denke, dass Eleven super einfallsreiche und berührende Texte hat, gibt mir das nicht das Recht, mich bei meinem siebenjährigen Neffen darüber zu beschweren, und das tut mir leid.«

»Entschuldigung angenommen.« Ich mustere ihn, während sich Erleichterung auf seinen Zügen ausbreitet.

Die Kellnerin bringt meinen Kaffee und Lyric schiebt ihn mir zu.

»Versuch, den hier nicht zu werfen.«

Ich schnaube leise lachend. »Okay, ich bemühe mich.«

Ich trinke einen Schluck, aber der Kaffee ist kochend heiß und ich spucke ihn über den ganzen Tisch. »Autsch«, zische ich. »Heiß.«

Lyric lacht. »Das fängt nicht gut an.« Er nimmt eine Serviette aus dem Spender und wischt sich das Shirt ab.

»Entschuldige.«

»Sind wir damit endlich quitt? Ich beleidige dich, du bewirfst mich mit Kaffee und spuckst mich dann an.«

Unwillkürlich muss ich auch lachen. »Es tut mir so leid. Ich hab nicht erwartet, dass er so heiß ist.«

»Das sagen alle Jungs über mich.«

Ich lache weiter, obwohl ich vermutlich damit aufhören sollte. Nach einer solchen Bemerkung sehe ich mich normalerweise im Raum um, um sicherzugehen, dass niemand zugehört hat. Ob es nun daran liegt, dass niemand sonst in unserer Nähe sitzt oder dieser überhebliche, nette Typ etwas an sich hat, was mich beruhigt, ich möchte mich weiter mit ihm unterhalten, anstatt das zu tun, was ich tun sollte – nämlich nach Hause gehen. Je länger ich hier bin, desto größer ist die Gefahr, entdeckt zu werden. Ich sehe zu den Tunneln und erinnere mich daran, dass Kaylee solche Sachen nicht oft machen kann. Sie sollte spielen dürfen, solange sie will, ohne dass ihr berühmter Vater alles ruiniert.

Ich drehe mich zurück zu Lyric. »Also, du bist Nanny?«

Er hebt eine Braue und ich finde es immer wieder erstaunlich, dass Menschen das können. Kaylee schafft das auch, aber ich scheine eine unsichtbare Monobraue oder so was zu haben – als wären meine Augenbrauen miteinander verbunden –, weil ich sie nicht unabhängig voneinander bewegen kann.

»Äh, du siehst nicht wie eine typische Nanny aus«, erkläre ich. »Kaylee hatte Nannys, als ich auf Tour war.«

»Eigentlich bin ich Chases Nanny, aber ich muss wirklich einen bezahlten Job finden. Obwohl mich seine Eltern kostenlos in ihrem Pool-Haus wohnen lassen.«

»Hast du mal übers Unterrichten oder so nachgedacht?«

Etwas wie Traurigkeit blitzt in seinen Augen auf. »Das Unterrichten ist mein Notfallplan. Die Musik ist meine oberste Priorität.«

Vorsicht ersetzt das warme, glückliche Gefühl in mir. Wenn er mich jetzt fragt, ob ich für ihn den Kontakt zu einer Plattenfirma herstellen kann, werde ich enttäuscht sein. Ich treffe nicht jeden Tag jemanden, mit dem ich mich gut unterhalten kann und der mich zum Lachen bringt. Wirklich zum Lachen bringt.

Deshalb lenke ich das Gespräch von der Musik weg. »Ich bin sicher, dass du ein toller Erzieher wärst. Besser als die, die Kaylee momentan hat. Andererseits wäre auch eine Schildkröte besser als ihre derzeitige Erzieherin.«

»Sie hat Probleme in der Vorschule? Jetzt schon?«

»Sie ist noch in der Kindergartenklasse. Es läuft nicht gut. Ich arbeite wieder an Musik und brauche jemanden, der auf sie aufpasst, aber sie kommt mit Bissspuren und Attitüde nach Hause, dabei ist es angeblich die beste Schule in L. A. Wie sind denn dann die beschissenen?« Warum habe ich das alles gesagt? Ich kenne diesen Kerl nicht und er könnte es jedem erzählen.

»Welche Schule ist es?«

Ich zögere.

Er hebt die Hände wie ein geschnappter Verbrecher. »Ich werde niemandem sagen, wo dein Kind zur Schule geht, falls du dir darüber Sorgen machst.«

Das ist es nicht, aber ich will auch nicht erklären, wie paranoid ich bin. Wie paranoid ich immer bin.

»Ich hab in meiner College-Zeit an den besten Schulen als Hilfskraft gearbeitet. Ich frage mich nur, wohin sie geht.«

»Es ist, ähm, die Vista Point.«

»Wow, Alter, nein.« Lyric schüttelt den Kopf. »Am teuersten bedeutet nicht, dass es die Beste ist. Ich kann dir ein paar wirklich gute Schulen nennen.«

»Echt?«

»Echt. Aber hey, wenn du sie überhaupt nicht in den Kindergarten schicken willst, ich bin verfügbar.« Lyric spricht das Ganze so selbstbewusst aus, dass es mir schwerfällt, den Vorschlag sofort abzuweisen.

»Das war sehr subtil.«

»Wie ein Vorschlaghammer. Ich brauche wirklich einen bezahlten Job, damit ich nicht mehr bei meinem Bruder schnorren muss.«

Es ist verlockend, allerdings kenne ich diesen Typ gar nicht. »Mir wurde gesagt, sie muss Kontakt zu anderen Kindern haben.«

»Im Grunde verhalte ich mich wie ein Kind, zählt das?«

Ich lache. »Ich glaube nicht.«

»Aber mal im Ernst, Kinder brauchen tatsächlich Sozialisierung, doch das kann man auch mit Spielgruppen und auf andere Weise erreichen, ohne sie auf eine schreckliche Schule voller Gören zu schicken.« Er verbessert sich. »Nicht, dass ich behaupte, Kaylee wäre eine Göre. Sie ist bezaubernd, und, äh, oh Gott, vergiss, dass ich überhaupt was gesagt habe. Auf keinen Fall stellst du jemanden ein, der dich einfallslos und klischeehaft nennt und deine Tochter als Göre bezeichnet. Heute habe ich echt einen Lauf.«

»Das hast du. Bist du auch während der Auditions so katastrophal? Weil ich langsam sehe, wo dein Problem liegen könnte.«

Lyric lehnt sich auf seinem Stuhl zurück. »Keine Ahnung. Manchmal denke ich, ich bin zu selbstsicher. Es heißt immer, man soll reingehen und die Audition rocken, aber wenn ich das tue, wirke ich …«

»Wie ein überheblicher Musiker, der Boybands für einfallslos und klischeehaft hält?«

Er stöhnt. »Ich dachte, wir wären quitt. Du spielst nicht fair.«

Ich tue so, als würde ich darüber nachdenken. Vielleicht spiele ich nicht fair, aber es macht auf jeden Fall Spaß, mit ihm zu spielen. »Ich könnte es sein lassen, wenn du mir diese Schulen nennst.«

»Ich setze noch einen drauf. Gib mir deine Nummer und ich schicke sie dir. Dann kannst du mich anrufen, falls du irgendwelche Fragen hast.«

Ah. Da ist es. Die Verbindung zur Branche, auf die er aus ist. Aber obwohl er mich benutzt, muss ich nur einen Blick auf sein atemberaubendes Lächeln werfen und schon weiß ich, dass ich einknicken werde. Was soll ich sagen? Ich habe eine Schwäche für hübsche Männer.

KAPITEL 2

LYRIC

Ryder Kennedy.

Seine Baseballkappe besteht aus altem, abgewetztem Jeansstoff. Er ist unrasiert. Er ist nicht der umwerfende, gepflegte Mann, der in den Medien gezeigt wird. Obwohl er definitiv und zweifellos umwerfend ist. Nur irgendwie ungeschliffener, als ich erwartet habe. Es ist seltsam, hier mit ihm zu sitzen. Wie eine außerkörperliche Erfahrung. Und habe ich ihn gerade wirklich nach seiner Nummer gefragt? Was stimmt nicht mit mir?

Ich habe schon genügend Promis gesehen. Ich lebe in L. A. Es ist unmöglich, hier zu wohnen und nicht hin und wieder einer Berühmtheit über den Weg zu laufen. Es ist noch leichter, wenn der eigene Bruder Medienanwalt ist. Aber ich habe mich bisher mit keiner unterhalten.

Ryder Kennedy wirkt so … normal. Ich reiche ihm mein Handy, bevor ich die Nerven verliere. Er mustert es.

»Ich werde deine Handynummer nicht verkaufen. So pleite bin ich nicht.« Tatsächlich bin ich doch so pleite, aber ich habe ein Dach über dem Kopf und mein Bruder versorgt mich mit Essen. Das wenige Geld, das ich bei Wochenendauftritten verdiene, fließt in Equipment und solche Sachen.

Ryder zögert immer noch.

»Wäre eine E-Mail-Adresse besser? Da du dir ja offensichtlich Sorgen machst, dass ich dich um drei Uhr morgens anrufe und laut atme, um dir Angst zu machen.« Das ist nur halb im Scherz gemeint.

»E-Mail-Adressen lassen sich einfacher ändern als Handynummern.« Ryder tippt seine Adresse ein und gibt mir das Handy zurück. »Entschuldige.«

»Ich verstehe es. Typen wie ich können sich nur wünschen, mal so berühmt zu sein, dass unsere Privatsphäre ständig bedroht wird.«

»Bei dir klingt es, als wäre das etwas Gutes.«

»Nein, mir ist klar, dass es ein Albtraum ist, aber auch ein Hinweis auf Erfolg. Falls das Sinn ergibt.«

Er nippt an seinem nun abgekühlten Kaffee. »Ja. Allerdings fühle ich mich dadurch nicht besser.«

»Nein, vermutlich nicht.« Ich schreibe die Namen der Schulen in die Mail und will sie gerade abschicken, als ich innehalte. Ich sehe zu Ryder auf, dann wieder auf mein Handy, und tue etwas entweder Mutiges oder Lächerliches. Vielleicht beides. Ich setze meine Handynummer darunter und schicke die Mail ab, bevor ich es mir ausreden kann.

»Ich hab dir meine Nummer gegeben, für den Fall, dass du dich wegen der Nanny-Sache umentscheidest.«

»Okay.« Ryder versucht, ein Gähnen zu unterdrücken. »Nanny-Sache.«

Da ist was in seiner Stimme, das ich nicht ganz zuordnen kann. Ungläubigkeit, Sarkasmus oder einfach nur Erschöpfung.

»Nicht geschlafen?«, frage ich.

»Nicht genug.« Der Blick seiner hellen, blauen Augen, das strahlendste Blau, das ich je gesehen habe, durchbohrt mich plötzlich. »Okay, Mr Nanny. Hier ist eine Frage für dich. Dein Kind macht ins Bett. Jede Nacht. Du verbringst den Großteil deiner Zeit damit, das Bett neu zu beziehen und keiner von euch schläft. Was tust du?«

»Ganz einfach. Du beziehst das Bett in Schichten. Matratzenschutz, Bettlaken, Matratzenschutz, Bettlaken. Wenn also ein Unfall passiert, ziehst du einfach die oberste Schicht ab und legst sie wieder ins Bett. Irgendwann macht sie es nicht mehr.«

Ryder klappt der Mund auf. Vermutlich hat er nicht erwartet, dass ich eine richtige Antwort für ihn habe. Ich sehe nicht wie eine typische Nanny aus, und es ist nicht meine erste Karrierewahl, aber ich weiß ein paar Dinge.

Momentan trete ich an den Wochenenden in verschiedenen Clubs auf, gehe zu Auditions und versuche, mir einen Namen zu machen. Entweder ist mein Abschluss von der Montebello das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt wurde, oder meiner ist irgendwie kaputt oder so. Andererseits kann kein Stück Papier garantieren, eine gute Audition hinzulegen, und ich bin beschissen darin. Ich bin zu verkopft und komme falsch und arrogant rüber. Wenn ich versuche, bescheiden zu sein, klinge ich nicht selbstbewusst. Ich muss lernen, mich als mich selbst zu verkaufen. Und die Arschloch-Seite zurückzuhalten.

»Das Bett in Schichten beziehen«, murmelt Ryder. »Das ist so einfach und logisch. Warum ist mir das nicht eingefallen?«

»Schlafmangel ist eine echte Foltermethode.«

»Mein Kind foltert mich seit über vier Jahren. Es ist sadistisch.«

Unwillkürlich muss ich lachen.

Sein Kopf wirbelt herum und er sieht sich hastig um. »Das habe ich nicht so gemeint.«

»Ich weiß.« Ich verspüre den Drang, seine Hand zu nehmen und ihn zu trösten. Das ist schräg.

Menschen lernen sich nicht so kennen. Heutzutage findet man so keine Freunde. Aber mit Ryder ist es leicht. In der kurzen Zeit, die wir hier sitzen, fühlt es sich schon nicht mehr an, als würde ich mit dem Ryder Kennedy von Eleven reden. Ich sitze mit einem erschöpften Vater zusammen. Er sieht jedoch immer noch schuldbewusst aus.

»Du darfst nicht so streng mit dir sein. Elternsein ist schwer. Ich bin nur Chases Onkel und an manchen Tagen, wenn er bei mir ist, ist es anstrengend.«

Er gibt nach. »Du hast recht.«

»Für die Zukunft gilt: Ich habe immer recht. Also bekomme ich den Job?«

Ryder schnaubt. »Es gibt keinen Job, aber falls doch, wärst du mein erster Anruf.«

»Das hilft mir nicht gerade in meiner derzeitigen Situation.«

Ryder presst die Lippen zusammen und wirkt verwirrt. »Wenn du eine Verbindung zu einer Plattenfirma willst, kannst du einfach danach fragen. Du musst nicht so tun, als wärst du daran interessiert, die Nanny für meine Tochter zu sein.«

Wow. Okay. Das läuft wohl nicht so, wie ich dachte. »Du hältst das für einen Trick, um Verbindungen zur Branche zu bekommen?« Ich kann nicht behaupten, ihm keinen Vorwurf zu machen, aber es tut irgendwie weh. Obwohl er mich ja nicht kennt. Offensichtlich.

»Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand versucht, eine Unterhaltung zu beginnen, nur um dann seine wahren Absichten zu zeigen.« Ryder zuckt mit den Schultern. »Ich versuche, den mittleren Teil zu überspringen und direkt zur Sache zu kommen.«

Ich habe nie Ruhm gekostet. Bin ihm nicht mal annähernd nahegekommen. Aber die Niedergeschlagenheit in Ryders Augen bricht mir das Herz. Wie wäre es, so zu leben? Nicht zu wissen, wer für dich selbst an deiner Seite ist, und wer, um etwas zu bekommen.

»Du kannst deine Verbindungen für dich behalten. Ich will es allein schaffen. Ich möchte mir meine Musikkarriere verdienen und nicht durch die Leute bekommen, die ich kenne.«

»Das ist bewundernswert – wirklich –, allerdings auch ein wenig naiv. So funktioniert die Branche nicht.«

»Wenn ich mich reinhänge und meinen Beitrag leiste, werde ich es eines Tages schaffen.«

Ich sehe Ryder an, dass er noch mehr sagen will, aber er tut es nicht.

Stattdessen wirft er einen Blick auf das Labyrinth aus Tunneln und Rutschen. »Meinst du, es geht ihnen da oben gut?«

Er behauptet zwar, dass ihn seine Tochter den letzten Nerv kostet, doch es dauert nicht lang, bis seine väterlichen Instinkte einsetzen.

»Chase ist ein guter Junge. Er wird auf sie aufpassen. Außerdem glaube ich, Kaylee hat bewiesen, dass sie schreien wird, wenn etwas nicht stimmt.«

Ryder lächelt stolz. »Ja, das wird sie.«

Bewegung draußen auf der Straße erregt meine Aufmerksamkeit und, verdammt …

»Ich war es nicht. Du warst die ganze Zeit bei mir und ich habe mein Handy nur angefasst, um dir eine Mail zu schreiben.«

Der arme Kerl glaubt, ich würde ihn für einen Kontakt zur Plattenfirma benutzen und jetzt warten draußen Paparazzi auf ihn. Ryder sieht verwirrt aus, bis er sich umdreht. Seine Haut wird aschfahl, als er die Kameras und neugierigen Promijäger entdeckt, die versuchen hereinzusehen.

»Einer der Mitarbeiter oder jemand anderes muss dich erkannt haben und darüber getweetet haben oder so was.«

Ich fühle mich schuldig, obwohl ich es nicht getan habe. Allerdings habe ich ihm versprochen, es würde niemand sonst herausfinden. Auch wenn ich andere Menschen natürlich nicht kontrollieren kann.

Sofort springt er auf. »Wo ist Kaylee?«

»Suchen wir sie.«

Wir laufen zur Treppe, um wieder in die Tunnel zu klettern, als ein lautes Lachen aus der Rutsche ertönt. Chase. Er kommt unten heraus, landet in einem riesigen Bällebad, und ein paar Sekunden später schießt Kaylee aus der zweiten Rutsche.

»Hier drüben«, sage ich Ryder.

»Kaylee, Süße, wir müssen gehen.« Ryder versucht, seinen panischen Tonfall zu verbergen, schafft es aber nicht ganz.

Seit ich singen konnte, habe ich mich nach Ruhm gesehnt. Ich würde töten, damit sich die Kameras da draußen auf mich richten. Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht vorhabe, selbst Kinder zu haben, doch ich habe nie darüber nachgedacht, mit Paparazzi umgehen zu müssen, während man ein Kind zu beschützen versucht.

»Ich hab Spaß!«, schreit sie.

»Ich weiß, Kleines, aber es sind Kameras hier.«

Sie schnaubt. »Schon wieder?« Sie klingt genervt und viel älter, als sie ist. »Sag ihnen, sie sollen weggehen.«

»Du weißt, dass das so nicht funktioniert.«

Oh-oh. Ich kenne diesen Gesichtsausdruck. Ihre Unterlippe sackt nach unten und Tränen steigen ihr in die Augen. Ich weiß nicht, ob Kaylee zu den Kindern gehört, die Wutanfälle bekommen oder einfach nur weinen, doch wenn die Paparazzi das aufnehmen, wird TMZ innerhalb einer Stunde über Ryders Fähigkeiten als Vater berichten.

Sie ist immer noch im Bällebad, also gehe ich an den Rand und knie mich vor sie. »Kaylee, du und dein Daddy müsst jetzt gehen, aber ich habe ihm meine Handynummer gegeben und wenn du noch mal mit Chase spielen möchtest, sagst du deinem Daddy einfach, er soll mich anrufen, okay?«

»Darf ich mit Chase spielen?«, fragt sie Ryder.

Der starrt mich an, während eine Stirnfalte sein atemberaubend schönes Gesicht verunstaltet. Seine Lippen sehen aus, als wären sie aufgespritzt und sein Kiefer ist ein Kunstwerk. Alle Mitglieder von Eleven sind heiß – daran besteht kein Zweifel –, aber Ryder hat etwas Verführerisches an sich. Wahrscheinlich denkt er, dass ich ihn wieder benutze, doch ich versuche wirklich, ihm zu helfen.

»Wir können uns später noch mal zum Spielen verabreden«, stimmt Ryder argwöhnisch zu. »Jetzt müssen wir gehen, bevor noch mehr Kameras auftauchen.«

»Okaaaay.« Das arme kleine Ding klingt so betrübt.

Ryder hilft ihr aus dem Bällebad. »Also, wie kommen wir hier raus, ohne dass sie ein gutes Foto bekommen?« Er nimmt sie auf die Arme.

»Na ja, sie wollen dich, du kannst Kaylee also bei mir lassen, während du dein Auto holst.«

Und schon wieder sieht er mich misstrauisch an. Aber ich verstehe es. Die eigene Tochter bei jemandem zu lassen, den man nicht kennt, ist dämlich, auch wenn es nur für ein paar Minuten ist.

»Oder wenn du mir Kaylee nicht anvertrauen willst, können Chase und ich das Auto für euch holen. Dann riskierst du eher ein gestohlenes Auto als ein Kind.«

»Es ist nicht so, dass ich …«

»Ich verstehe es. Wirklich. Ich hoffe nur, dass es eher daran liegt, dass ich ein Fremder bin und nicht daran, dass ich schwul bin.«

Meine Worte scheinen ihn zu verwirren, aber er kann nicht leugnen, dass Männer in der Kinderbetreuung generell stigmatisiert werden. Schwule Männer werden noch schlimmer verspottet und unter die Lupe genommen. Das ist alles Quatsch, allerdings weiß man nie, wann man jemanden trifft, der so denkt. Die Dinge, die Kollegen und Freunde meines Bruders zu ihm gesagt haben, weil ich auf Chase aufpasse, reichen aus, dass ich Treffen mit ihnen vermeide. Chord setzt sich für mich ein, aber manche sind nun mal unbelehrbar, und ich habe lieber nichts mit ihnen zu tun.

»Es liegt definitiv daran, dass ich in Bezug auf Kaylee niemandem vertraute. Ich … es ist nicht … Für mich ist es okay, dass du schwul bist. Glaub mir.« Er reicht mir den Autoschlüssel. »Es ist der Tesla in der mittleren Reihe.« Er nennt mir das Kennzeichen, und Chase und ich gehen zum Parkplatz.

Die Paparazzi sind gesetzlich gezwungen, draußen zu bleiben, aber es werden immer mehr. Als wir an ihnen vorbeigehen, zucken sie nicht mal mit der Wimper. Oh, die Freuden des Unsichtbarseins. Irgendwie ironisch, wo ich doch unbedingt aus der Menge herausstechen will. Das ist alles, was ich je wollte. Nicht, dass ich mein Leben nicht liebe. Ich will einfach nur mehr.

Ich setze Chase auf den Rücksitz und fahre Ryders Wagen so nah wie möglich an den Eingang. Sobald ich anhalte, rennt Ryder zu uns. Er hat Kaylee im Arm, und sie vergräbt den Kopf an seiner Schulter, damit sie keine Fotos von ihrem Gesicht machen können. Ryder schnallt sie gekonnt schnell in ihren Sitz und springt dann zur Beifahrerseite hinein, während er die Paparazzi bittet, sich zurückzuziehen. Ich fahre los, bevor er sich angeschnallt hat. Ein paar Blocks lang schweigen alle im Auto. Ich bin vor Verblüffung sprachlos, Ryder sieht sauer aus, Chase ist generell gut darin, Anspannung zu spüren, und bei Kaylee weiß ich nicht, ob sie immer noch aufgewühlt ist, weil sie gehen musste, oder ob es ihr Angst gemacht hat, dass die großen, bösen Männer ihr Kameras vors Gesicht gehalten haben.

»Scheiße«, zischt Ryder.

Kaylee keucht. »Daddy hat ein böses Wort gesagt.«

Verdammt, ist das süß.

»Dein Auto«, sagt Ryder zu mir.

»Wir sind mit dem Bus gekommen. Ich kann an einer Haltestelle der Linie 14 anhalten, um wieder nach Hause zu kommen.«

»Wo wohnst du?«

»Beverly Hills.«

Als er mich überrascht ansieht, erinnere ich ihn: »Ich schlafe im Pool-Haus meines Bruders, schon vergessen?«

»Oh. Richtig. Wir bringen euch hin. Das ist das Mindeste, was ich tun kann, um mich für deine Hilfe zu bedanken.«

»Ist es kein Umweg?«

»Mach dir darüber keine Gedanken. Ich bestehe darauf. Fahr zu deinem Bruder und dann bringe ich Kaylee nach Hause.«

»Danke.«

Erneut breitet sich Schweigen aus. Die Ungezwungenheit von vorhin ist verschwunden.

»Passiert das oft?«, frage ich dümmlich. Natürlich passiert das oft. »Ich dachte, es wäre illegal, Bilder von Kaylee zu machen? Hat Reese Witherspoons divenhafter Wutanfall nicht für neue Gesetze gesorgt?«

»Das Gesetz besagt, dass sie die Kinder von Promis nicht belästigen dürfen. Fotos können sie allerdings veröffentlichen, wie sie lustig sind.«

»Und das eben zählt nicht unter Belästigung?«

»Das Gesetz ist vage. Ich kann Anzeige erstatten und versuchen, sie zu verklagen, aber als ich mich mal erkundigt habe, wie das läuft, hat mir der Anwalt gesagt, es würde Kaylees psychischer Gesundheit mehr schaden, so etwas durchzumachen – mit Psychologen zu sprechen und auszusagen, dass sie sich bedroht und verletzt gefühlt hat – als es einfach darauf beruhen zu lassen.«

»Das ist das Dämlichste, was ich je gehört habe.«

»Onkel Lyric, sag nicht dämlich. Das ist gemein.«

»Nicht, wenn etwas wirklich dämlich ist«, murmle ich vor mich hin.

Ryders ungezwungenes Lächeln ist zurück. »Sag keine bösen Wörter, Onkel Lyric.«

Verdammt, warum gefällt mir sein stichelnder Tonfall so sehr?

»Aber, Daddy, du hast scheiße gesagt!«

Ich beiße mir auf die Lippe, um nicht zu lachen, als Ryder geschlagen in sich zusammensackt.

»Das wird sie mir ewig vorhalten.«

»Es ist so bezaubernd, wenn Kinder fluchen.«

»Bezaubernd ist eine Art, es zu beschreiben.«

Ich hasse es beinahe, dass der Verkehr zur Abwechslung mal nicht dicht ist und wir es relativ schnell nach Hause schaffen. Zumindest für L. A. Ryder Kennedy ist ganz und gar nicht so, wie ich erwartet habe. Nicht, dass ich vorher viel über ihn nachgedacht habe. In den Medien wird er als der Bescheidene dargestellt, mit dem sich jeder anfreunden will. Das kann ich sehen.

Als wir in die kreisförmige Einfahrt vor dem Haus meines Bruders fahren – es ist im Ranch-Stil gebaut und schreit förmlich Old Hollywood –, schalte ich widerwillig den Motor ab.

»Was macht dein Bruder noch mal?«, fragt Ryder und senkt den Kopf, um durch die Windschutzscheibe das Haus zu betrachten.

»Medienanwalt. Auf seiner Klientenliste stehen einige ziemlich große Namen.«

»Ah. Das erklärt noch ein paar Dinge. Ich lerne heute viel.«

»Was für Dinge?«

Er sieht mich aus dem Augenwinkel an. »Ich will jetzt nicht arrogant sein oder so, aber du behandelst mich nicht wie einen Promi.«

»Tut mir leid, sollte ich dir den A…« Ich werfe einen Blick auf den Rücksitz, wo die Kinder eindringlich zuhören. »… die Füße küssen?«

»Ganz und gar nicht. Und nachdem ich gehört habe, was du wirklich über mich denkst, wäre ich enttäuscht, wenn du es plötzlich tun würdest. Aber, ich weiß nicht … Die meisten Leute – selbst die, die die Musik von Eleven hassen – machen ein Riesenaufhebens um uns. Es ist nervig.«

»Ich lasse meinen Fanboy innerlich raus.«

Ryder lacht. »Gut zu wissen.«

»So wie ich das sehe, ist der Unterschied zwischen einem Promi und einem sich abquälenden Künstler ein Plattenvertrag.«

»Das ist so wahr, dass es schon beängstigend ist.«

»Danke, dass du uns abgesetzt hast. Hat uns eine lange Busfahrt erspart.«

»Danke für deine Hilfe mit den Paparazzi.«

»Kein Problem. Ich passe am Donnerstag- und Freitagnachmittag nach der Schule und jeden zweiten Samstag auf Chase auf, falls die Kinder sich zum Spielen verabreden wollen.«

»Ja!«, stimmt die kleine Kaylee hinter uns zu. »Ich will spielen!«

Ryder nickt. »Ich melde mich.«

»Und vergiss nicht, das Nanny-Angebot steht.«

»Gibst du je auf?«

»Nein. Ich weiß gar nicht, was das Wort bedeutet.« Offenbar bin ich so stur wie mein Vater. Aber im Gegensatz zu ihm werde ich mich nicht von der Branche verschlucken und dann wieder ausspucken lassen.

Wir steigen aus und treffen uns an der Motorhaube, während Chase zum Haus rennt.

»Also, ich werde dich, nun ja … anrufen.« Ryder sieht auf seine Füße.

Ich liebe seine Unbeholfenheit. Sie ist süß. »Hey, wer sagt, dass man nicht wie Kinder Freundschaften schließen kann? In der einen Minute beleidigen wir einander, in der nächsten streiten wir, und jetzt sieh uns an.«

»Ich würde sagen, das warst alles du.«

»Oh. Stimmt. Na ja, ich glaube, dass wir gerade so was wie beste Freunde geworden sind.«

Ryder schüttelt lächelnd den Kopf. »Wenn du das sagst.«

Ich beobachte, wie er wieder ins Auto steigt und die Einfahrt meines Bruders verlässt. Ich hoffe, er wird meine Nummer nutzen, bezweifle es aber. Vor allem nicht für das, was ich mir wünsche.

KAPITEL 3

RYDER

Cash Kingsleys tiefe, raue Stimme erfüllt das Tonstudio in meinem Haus. Er ist Frontmann der neuesten Rock-Sensation Cash Me Outside und hat einen erstaunlichen Tonumfang und eine gefühlvolle Stimme, auf die ich ein wenig neidisch bin. Es wäre gelogen, wenn ich leugnen würde, dass ich jetzt nicht gerne in der Tonkabine anstatt vor dem Soundboard sitzen würde, aber ich bin einfach dankbar, wieder etwas mit Musik zu machen. Als Kaylee in den Kindergarten gekommen ist, wollte ich meine freie Zeit nutzen. Mein Studio ist klein und nicht für Bands geeignet, doch die Akustik für Gesang ist super, und genau das will Cash für sein nächstes Album.

Wir arbeiten gut zusammen, aber es ist anstrengend. Er testet meine Geduld und meine Selbstbeherrschung. Einmal habe ich nachgegeben, und seitdem drängt er auf eine Wiederholung. Heute trägt er eine enge Hose und ein Hemd, das er im Grunde komplett aufgeknöpft hat, und das sexy Glühen, das er beim Singen in meine Richtung schickt, ist alles andere als subtil. Cash ist die einzige Person, mit der ich seit Kaylees Geburt zusammen war. Er ist die eine, egoistische Handlung, die ich mir gestattet habe, und sofort danach habe ich mich schuldig gefühlt. Es hat Spaß gemacht, aber ich kann nicht dieser Typ sein. Ich glaube nicht, dass er Zurückweisungen gewöhnt ist, denn es war seine Idee, eine einmalige Sache daraus zu machen, doch als ich zugestimmt habe, wollte er es zu einer Art Affäre für die Dauer unserer Zusammenarbeit machen. Nein, danke.

Er beendet den Song und hängt die Kopfhörer auf. Ich schalte die Aufnahme ab, lehne mich auf dem Stuhl zurück und beobachte, wie er durch die Tür auf mich zukommt.

»Keine Ahnung, ob das reicht«, sage ich. »Hat sich angefühlt, als hättest du es überstürzt.«

»Wir machen es später noch mal.« Er bleibt nicht stehen.

Verschmitzt sieht er mich mit seinen braunen Augen an, aber aus irgendeinem Grund sehe ich nur grün-braune Augen. Ich sehe blonde Haare in einem Man Bun statt Cashs langen braunen Locken. Ich schüttle das Bild des süßen Typen, den ich vor ein paar Tagen getroffen habe, ab. Dieser ganze Tag war seltsam. Noch seltsamer ist, dass ich nicht aufhören kann, an ihn zu denken. Immer wieder erinnere ich mich an sein Angebot, dass er Kaylees Nanny sein und sie zu Spielgruppen bringen und ihr allgemein die Aufmerksamkeit schenken könnte, die sie braucht.

Mein Bauchgefühl rät mir, ihn einzustellen, aber ich bin nicht ganz sicher, ob da wirklich mein Bauch spricht. Ich glaube, es könnte von weiter unten kommen. Wie zur Antwort zuckt mein Schwanz, und das hat nichts mit dem Rockstar vor mir zu tun, der sich mir praktisch als Sexspielzeug anbietet.

»Ry?«, fragt Cash, und ich erwache blinzelnd aus dem inneren Streit, den ich seit Tagen mit mir selbst führe.

»Entschuldige, ich war kurz weg.«

»Sollte ich beleidigt sein?«

»Ich bin nicht ganz bei der Sache. Kinderzeug.« Ich winke ab.

»Weißt du, was sich gut eignet, um deine Gedanken von Kinderzeug abzulenken?«

Ich verdrehe die Augen. »Lass mich raten. Wieder mit dir schlafen?«

»Siehst du.« Er deutet mit dem Finger zwischen uns hin und her. »Dieselbe Wellenlänge. Das muss Schicksal sein.«

»Red dir das nur weiter ein. Es hätte schon beim ersten Mal nicht geschehen dürfen. Es wird nicht wieder passieren.«

Cash presst die Lippen zusammen. »Das ist … komisch.«

Ich lache heftig. »Du weißt wirklich nicht, wie man mit einer Abfuhr klarkommt, oder?«

»Kein bisschen.« Er lacht ebenfalls.

»Hör mal, ich mag dich und wir sind Freunde, aber ich gehe keine Beziehungen ein. So einfach ist das.«

»Es geht um Sex, keine Beziehung. So was mache ich auch nicht.« Er erschaudert.

»So dringend brauche ich Sex nicht.«

»Okay, jetzt bin ich beleidigt.«

Erneut muss ich lachen. »Nein, bist du nicht.«

»Okay, nein, bin ich nicht. Es ist nur so, dass du nicht oft die Chance auf Sex hast, da dein Kind zu Hause ist und dich die ganze Welt für hetero hält. Ich biete dir etwas Zwangloses an, und du siehst aus, als würde ich dir einen Teller mit dem Dessert reichen, das du am wenigsten magst. Einmal isst du es, verzichtest aber beim nächsten Mal darauf.«

Ich weiß nicht, wie ich Cash erklären soll, dass sich meine Prioritäten in den letzten Jahren um ein kleines Mädchen gedreht haben und das alles – auch Sex – im großen Plan nicht wichtig ist. Wenn herauskommen würde, dass ich mit Cash Kingsley, einem offen schwulen Künstler geschlafen habe, würde Kaylees Leben auf dem Kopf stehen.

»Wenn du mal Vater bist, wirst du es verstehen.«

»Igitt. Keine Kinder für mich. Niemals.« Er sieht immer noch angewidert aus, was diese Idee angeht. »Aber hypothetisch, wenn ich in einem alternativen Universum doch ein Kind hätte, verstehe ich trotzdem nicht, warum du dich nicht amüsieren kannst, während sie woanders ist.«

Ich beuge mich nach vorn. »Okay, vielleicht erkläre ich es anders. Was ist deine früheste Erinnerung? Wie alt warst du?«

Er denkt darüber nach. »Vielleicht vier oder fünf? Schätze ich. Ich erinnere mich an das alte Haus, in dem wir gewohnt haben, bevor mein Dad abgehauen ist und meine Mom und ich allein waren.«

Wow, okay, ich habe nicht erwartet, dass er mir so viel erzählt, aber es bestätigt mein Argument. »Weißt du, wie alt meine Tochter ist? Sie ist fast fünf. Ich will nicht, dass ihre erste Erinnerung fremden Männern gilt, die fragen, ob die Gerüchte über die Sexualität ihres Dads wahr sind. Ich will nicht, dass sie ihr sagen, sie wäre adoptiert oder ein Retortenbaby oder eines dieser anderen dämlichen Gerüchte, die gerade kursieren. Sie nennt sie schon die ›bösen Männer mit den Kameras‹. Du erinnerst dich daran, dass dein Dad abgehauen ist. Stell dir vor, was es mental mit dir gemacht hätte, wenn Paparazzi Fotos von diesem Moment gemacht und dich darüber ausgefragt hätten. Ich muss sie, soweit es geht, von diesem Leben fernhalten. Selbst wenn es bedeutet, dass ich dadurch kein Sozialleben habe.«

Cash runzelt die Stirn. »Okay, aber du hast deine Sexualität schon immer vor der Öffentlichkeit geheim gehalten, ohne dass es herausgekommen ist. Ich weiß nicht, warum ein Kind daran etwas ändert.«