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Das Doppeltalent als Maler und Dichter teilt Hermann Hesse mit vielen seiner Schriftstellerkollegen. Seit seinen autodidaktischen Anfängen im Ersten Weltkrieg, die dem damals Vierzigjährigen eine schwere Krise zu überwinden halfen, hat Hesse bis ins hohe Alter etwa zweitausend Aquarelle gemalt. Die meisten von ihnen sind Liebeserklärungen an die farbenfrohen Landschaften seiner Tessiner Wahlheimat und ihren damals noch unerschöpflichen Reichtum an zauberhaften Motiven.
Eine Auswahl der schönsten bildnerischen Arbeiten des Dichters. In ihrer farbigen Leuchtkraft haben diese Blätter etwas Lebensbejahendes, gerade weil sie, wie oft in der Kunst, einem eher melancholischen Lebensgefühl entstammen.
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Seitenzahl: 40
Hermann Hesse beim Aquarellieren seiner Bilderbriefe, Federskizze von Gunter Böhmer, 1957
Hermann Hesse
Farbe ist Leben
Eine Auswahl seiner schönsten Aquarelle
Vorgestellt von Volker Michels
Insel Verlag
Farbe ist Leben Hermann Hesse als Maler Vorwort von Volker Michels
Die Aquarelle
Hermann Hesse als Maler Zeittafel und Auswahl-Bibliographie
Ausstellungen
»Mit der Palette auf der Lauer« Hermann Hesse vor seinem Motiv Federzeichnung von Gunter Böhmer, 1957
»Ich mißtraue den Schriftstellern, die nicht wenigstens ein bißchen zeichnen können.«
Ernst Penzoldt
Soeben habe er ein Schreiben des Malers Max Liebermann erhalten, berichtet Hermann Hesse am 5. November 1926 in einem Brief an seinen Sohn Bruno, mit der Nachricht, er sei vor einigen Tagen vom Kollegium der Preußischen Akademie der Künste zum Mitglied gewählt worden. Aber leider nicht in die Sektion für Malerei, fügt er schalkhaft hinzu, sondern in die für Sprache und Dichtung.
Natürlich hatte Hesse nicht im Ernst damit gerechnet, von den etablierten Malern seiner Zeit als ihresgleichen respektiert zu werden. Aber ganz aus der Luft gegriffen war dieser Scherz doch nicht. Denn zehn Jahre zuvor hatte der Dichter zu malen begonnen und dies mit solcher Intensität, daß er seit seiner Übersiedlung in die Südschweiz im Frühjahr 1919, wohl die Hälfte seiner Arbeitszeit auf das Malen verwandte. Hunderte von Aquarellen waren seitdem entstanden, Bücher mit ersten eigenen Illustrationen, eine Kunstmappe mit Reproduktionen seiner Bilder erschienen, und in den Galerien und Museen von Davos, Lugano, Basel, Winterthur und Leipzig hatte es bereits erste Ausstellungen gegeben.
Wie vor ihm seine Dichterkollegen Goethe, Clemens Brentano, E.T.A. Hoffmann, Eduard Mörike, Adalbert Stifter und Gottfried Keller oder Zeitgenossen wie Else Lasker-Schüler, Joachim Ringelnatz und Ernst Penzoldt, wie nach ihm Henry Miller, Wolfgang Hildesheimer, Günter Grass, Friedrich Dürrenmatt und unzählige andere war Hesse eines der vielen Doppeltalente, die es dazu drängte, sowohl die äußere wie auch die Welt seines Inneren nicht nur im Wort, sondern auch in Bildern auszudrücken. Doch nicht wie Goethe oder Gottfried Keller hat Hesse zu Beginn seiner Laufbahn geschwankt, ob er zum Maler oder Dichter bestimmt sei, sondern bereits im Alter von zwölf Jahren mit erstaunlicher Entschiedenheit bekannt, daß er »entweder Dichter oder gar nichts werden wolle«. Aber kaum war es ihm nach leidvollen Hindernisläufen geglückt, mit Gedichten, Erzählungen und seinem ersten Roman »Peter Camenzind« die Tragfähigkeit dieses Anspruches unter Beweis zu stellen, lesen wir in einem an Stefan Zweig gerichteten Brief vom 2. 11. 1903: »Wie oft habe ich mir schon gedacht, was für herrliche Bilder ich machen würde, wenn ich nur Maler wäre statt Dichter! Dabei kann ich keinen Strich zeichnen oder malen.« Das bestätigen die wenigen überlieferten ungelenken Schülerzeichnungen zur Geschichte Roms und die Phantasieporträts, die er als Maulbronner Seminarist u. a. von Dickensschen Romanhelden wie Oliver Twist oder David Copperfield angefertigt hat.
Seit jenem Brief an Stefan Zweig mußten noch dreizehn Jahre vergehen, bis Hesse seinen damals etwas vermessen anmutenden Traum, ein Maler zu werden, in die Tat umsetzen konnte. Erst unter dem Leidensdruck der Ereignisse von 1914 bis 1918, die ihm wie nie zuvor die Ohnmacht und Mißbrauchbarkeit der Sprache vor Augen geführt und sowohl öffentlich wie privat die schwerste Krise seines Lebens ausgelöst hatten, war für ihn der Anstoß gegeben, mit neuen Ausdrucksmitteln zu experimentieren.
Mitten im Ersten Weltkrieg, nachdem ihm seine publizistischen Appelle zur Besinnung und Völkerverständigung den Ruf eines Nestbeschmutzers und vaterlandslosen Gesellen eingetragen hatten und in eine Krisis mündeten, die auch seine Ehe und bürgerliche Existenz aus dem Lot brachte, blieb ihm nach vergeblichen Versuchen, seinen Depressionen mit den Methoden der konventionellen Medizin beizukommen, kein anderer Ausweg als der, es mit der damals noch ganz neuen Methode der Psychoanalyse zu versuchen. Weil sein Arzt, als Schüler und Mitarbeiter C. G. Jungs, die Patienten über die Gesprächstherapie hinaus zur bildnerischen Darstellung ihrer Träume ermutigte, war schließlich auch ein äußerer Impuls vorhanden, diese schlummernde Veranlagung zu wecken.
Wie wir aus Hesses erst kürzlich zur Publikation freigegebenen Tagebuchaufzeichnungen aus der Zeit seiner Psychoanalyse wissen, geschah dies zunächst nicht ohne Widerstreben. Denn als Autodidakt machte ihm das Handwerkliche beim Zeichnen schwer zu schaffen. So notierte er u. a. am 18. 8. 1917, nachdem er von eingetrockneten Malfarben geträumt hatte, er befürchte, daß sein Arzt daraus »wieder einen Aufruf zur Malerei machen wird.« Ungeachtet, daß Hesse damals »bis an die Grenzen der Leistungsfähigkeit« von seinem Dienst in der Deutschen Kriegsgefangenenfürsorge in Anspruch genommen war, fügte er im Tagebuch hinzu, es trotz der »sehr strengen Arbeit heute oder morgen doch wieder mit dem Zeichnen probieren« zu wollen. Mit welch immensem Fleiß und welcher Hartnäckigkeit er sich in den Jahren 1916 bis 1918 die manuellen Fertigkeiten des Malens angeeignet hat, ist überliefert. In seinem Nachlaß fanden sich Schachteln,