Fasten - Anselm Grün - E-Book + Hörbuch

Fasten Hörbuch

Anselm Grün

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Beschreibung

Wer fastet, will nicht nur abnehmen. Der Fastende sucht Reinigung und Erneuerung von Körper und Seele. Damit das Fasten jedoch auch spirituell gelingt, müssen einige Regeln beachtet werden. So kann die Enthaltsamkeit zu einem gelingenden Beten mit Leib und Seele werden. "Mit Leib und Seele strecken wir uns im Fasten nach Gott aus, mit Leib und Seele beten wir ihn an. Das Fasten ist der Schrei des Leibes nach Gott."

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Zeit:1 Std. 4 min

Sprecher:Anselm Grün
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Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie. Detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Printausgabe

© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2021

ISBN 978-3-7365-0355-7

E-Book-Ausgabe

© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2024

ISBN 978-3-7365-0623-7

Alle Rechte vorbehalten

E-Book-Erstellung: Sarah Östreicher

Covergestaltung: Finken und Bumiller

Covermotiv: shutterstock.com

www.vier-tuerme-verlag.de

Anselm Grün

Fasten

Beten mit Leib und Seele

Edition Münsterschwarzach Band 7

Vier-Türme-Verlag

Inhalt
Einleitung
Die Fastenpraxis der frühen Kirche
Fasten als Heilmittel für Leib und Seele
Fasten als Kampf mit den Leidenschaften und Lastern
Fasten und Beten
Fasten als Weg zur Erleuchtung
Fasten heute
Schlussgedanken
Anmerkungen

Einleitung

Immer wenn die Kirche ihre eigenen Traditionen vergisst, werden sie von anderen Bewegungen aufgegriffen. So ist es auch mit dem Fasten. Die Kirche kennt seit ihrem Entstehen die Übung des Fastens. Sie hat schon in den ersten Jahrhunderten Fastenregeln aufgestellt. Doch in der Neuzeit wurden diese Fastenregeln immer weiter reduziert, bis sie fast sinnlos geworden sind. Die Kirche hat sich gleichsam entschuldigt, dass sie ihren Gläubigen überhaupt noch Fasten zumutet. Sie hat das Gespür für das Fasten verloren, weil sie den Sinn nicht mehr gesehen hat. In dieser Situation der Sinnentleerung hat die Medizin das Heilfasten neu entdeckt. Vor allem Dr. Otto Buchinger1 hat die heilende Wirkung des Fastens bei vielen Krankheiten erkannt, vor allem bei rheumatischen Beschwerden. Inzwischen gibt es Fastenkliniken, die erfolgreich Fastenkuren durchführen. Vielen dieser Einrichtungen geht es auch darum, das rein körperliche Fasten mit spirituellen Gedanken und Wegen zu vertiefen. Wer sich auf das Fasten einlässt, spürt, dass es nicht nur um das Abnehmen geht, sondern um eine neue Lebenseinstellung, um einen neuen Umgang mit Essen und Trinken, aber auch mit der Arbeit und den Lebensgewohnheiten.

Seit etwa zwanzig Jahren bieten zahlreiche kirchliche Bildungshäuser und Pfarrgemeinden Fastenwochen an. Sie möchten von vornherein das Fasten als spirituellen Weg verstehen, als Weg der inneren Reinigung, als Weg in die innere Freiheit und als Intensivierung des spirituellen Weges. Es ist erfreulich, dass die Kirche dabei ist, ihre eigene Tradition wieder neu zu entdecken. Jahrzehnte hindurch hatte sie diese Tradition nur noch äußerlich durchgehalten, aber den Sinn des Fastens immer mehr vergessen. Zwei Gründe dürften dafür verantwortlich sein:

Zum einen der Dualismus von Leib und Seele.2 Man hat Leib und Seele voneinander getrennt. Das Fasten wurde zu einer rein geistigen Haltung. Man betonte den Geist des Fastens und verstand darunter die innere Freiheit gegenüber den Dingen dieser Welt, geistige Umkehr und Erneuerung. Man schaute fast verächtlich auf das rein körperliche Fasten herab. Dabei merkte man gar nicht, dass mit dem körperlichen Fasten auch der Geist des Fastens verschwand, ja dass die Spiritualisierung des Fastens zu einer neuen Materialisierung geführt hat. Das Fasten wurde wirtschaftlich vereinnahmt. Es schlug sich in jährlich steigenden Spendenergebnissen der bischöflichen Hilfswerke nieder. Man berief sich bei dieser Vergeistigung des Fastens auf das Wort Jesu: Der Geist ist es, der lebendig macht, das Fleisch nützt nichts« (Johannes 6,63). Doch Jesus geht es in diesem Wort nicht darum, den Leib zu überspringen. Vielmehr will er seine Jünger auf die tiefere Bedeutung von allem hinweisen. Er will sie zum Glauben anregen. Und Glauben ist nach dem Johannesevangelium: tiefer sehen, das Eigentliche hinter den Dingen sehen. So würde dieses Wort auf das Fasten bezogen bedeuten: Das äußere Fasten nützt nichts, wenn es nicht zugleich ein geistiges Tun ist. Aber das geistige Tun braucht auch das körperliche Mitwirken. Das ist ja das Grundgeheimnis des christlichen Glaubens an die Fleischwerdung des Wortes, das uns gerade das Johannesevangelium eindrücklich vor Augen führt.

Der andere Grund, warum der Sinn für das Fasten verloren ging, ist der Legalismus. Die Kirche hatte sich vor dem Konzil mit einer Reihe von Fastengeboten begnügt, ohne den Sinn und das Ziel des Fastens verständlich zu machen. Die Fülle von Geboten zog eine ebenso große Fülle von Dispensen nach sich. Doch mit Geboten allein kann man nicht für das Fasten werben. Vorschriften können das Fasten nicht lebendig halten. Es braucht das Gespür für dessen tiefere Bedeutung. Indem die Medizin die heilende Wirkung des Fastens entdeckt hat, hat sie auch bei vielen Menschen die Neugier für diese alte Tradition geweckt.

Die Erfahrungen der frühen Kirche sollen helfen, das Fasten als Ausdruck unseres Glaubens und als eine Weise des Betens – als Beten mit Leib und Seele – neu zu verstehen. Die Texte der Kirchenväter und der monastischen Autoren möchten zu einer Fastenpraxis gerade im Raum der Kirche einladen, aus dem es in den letzten Jahren immer mehr ausgezogen ist. Die Gedanken der Kirchenväter und der alten Mönche zeigen auf, dass die Kirche Entscheidendes zu einem vertieften Verständnis und zu einer gesunden Praxis des Fastens beizusteuern hat.

Die Fastenpraxis der frühen Kirche

Die Kirche hat das Fasten nicht erfunden, sondern die Praxis des Judentums und die Anschauungen der griechisch-römischen Welt über das Fasten übernommen und weiterentwickelt. Das Judentum kannte nur einen für alle verpflichtenden Fasttag: den Versöhnungstag. Doch es galt als Zeichen der Frömmigkeit, zweimal in der Woche – am Montag und Donnerstag – zu fasten. So hält es auch der Pharisäer im Evangelium (Lukas 18,12).

In besonderen Anliegen oder in Notzeiten wurden öffentliche Fasttage ausgerufen, um von Gott Hilfe zu erbitten. Die Juden verstanden das Fasten einerseits als flehentliche Bitte zu Gott, als Zeichen, dass sie es ernst mit ihrem Beten meinten, andererseits aber auch als Sühne und Buße. Im Fasten bekennen sie sich vor Gott als Sünder und bitten um Vergebung und Hilfe.

Beide Aspekte gehören für die Juden zusammen, da für sie eine Not immer auch Zeichen ihres Ungehorsams Gott gegenüber ist. Im Fasten wollen sie zu Gott zurückkehren.

Dabei gab es im Judentum immer auch Phasen der Veräußerlichung des Fastens. Dagegen sind die Propheten aufgetreten. Sie haben ihre Glaubensgenossen an den eigentlichen Sinn des Fastens erinnert. So fordert der Prophet Joel die Israeliten auf, indem er das Wort Gottes an sie richtet: »Kehrt um zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, Weinen und Klagen. Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider, und kehrt um zum Herrn, eurem Gott« (Joel 2,12f).

Im Fasten sollen wir unser Herz für Gott öffnen und an Gott binden. Der Prophet Jesaja kritisiert die Fastenpraxis, die er zu seiner Zeit vorfindet: »Ist das ein Fasten, wie ich es liebe, ein Tag, an dem man sich der Buße unterzieht: wenn man den Kopf hängen lässt, so wie eine Binse sich neigt, wenn man sich mit Sack und Asche bedeckt? Nennst du das ein Fasten und einen Tag, der dem Herrn gefällt? Nein, das ist ein Fasten, wie ich es liebe: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, die Versklavten freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen, an die Hungrigen dein Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen« (Jesaja 58,5–7). Für Jesaja will das Fasten immer auch zu einem neuen Verhalten gegenüber den Mitmenschen aufrufen.

Die frühe Kirche übernimmt die Übung, zweimal in der Woche zu fasten. Doch sie setzt sich bewusst vom Judentum ab, indem sie in Erinnerung an die Gefangennahme und Kreuzigung Jesu den Mittwoch und den Freitag zu Fasttagen erklärt. Im Osten und in Spanien fastet man zudem am Montag, im Westen häufig auch am Samstag als Vorbereitung auf den Sonntag.

Neben dem weniger strengen Wochenfasten wurde schon sehr bald als Vorbereitung auf Ostern gefastet, anfangs wohl nur ein bis drei Tage, dann die ganze Karwoche und schließlich ab Ende des 3. Jahrhunderts vierzig Tage lang. Während man jedoch an den beiden Tagen vor Ostern eine völlige Enthaltung von Speisen verlangte, fastete man am Mittwoch und Freitag und in der Fastenzeit entweder bis zur neunten Stunde (15.00 Uhr) oder, wie Benedikt es in seiner Regel vorschreibt, bis zum Abend.

Die Mönche verschärften für sich die Fastenpraxis der Großkirche. Viele aßen nur jeden zweiten Tag, andere fasteten vor allem in der Fastenzeit fünf Tage lang und aßen nur am Samstag und Sonntag. Außerdem legten sie sich auch Beschränkungen in der Auswahl der Speisen auf. Sie verzichteten auf Fleisch, Eier, Milch und Käse und enthielten sich des Weines. Ihre üblichen Fastenspeisen waren Brot, Salz und Wasser, dazu noch Hülsenfrüchte, Kräuter, Gemüse, getrocknete Beeren sowie Datteln und Feigen. »Dabei zogen die Heroen der Mönchsaskese rohe Kräuter und Gemüse den gekochten vor. Ein gekochtes Gemüsegericht hatte schon den Charakter einer Festtagsspeise«.3

Die Großkirche verbot in der Fastenzeit den Fleisch- und Weingenuss. Es gab jedoch einige Richtungen innerhalb der Kirche, die generelle Fleisch- und Weinabstinenz forderten, so die Manichäer, Apotaktiten, Montanisten. Sie führten dabei nicht gesundheitliche Gründe an, sondern dualistische Motive: Fleisch und Wein waren für sie grundsätzlich schlecht. Gegen solche dualistischen Tendenzen wehrte sich die Kirche, indem sie darauf hinwies, dass Gott alle Tiere und Pflanzen geschaffen und sie dem Menschen zum Verzehr gegeben habe und dass daher alles gut sei. Die Kirche widersetzte sich einer Ideologisierung des Fastens und der Speiseverbote und kämpfte für die Freiheit, die Christus uns vom Gesetz und von jedem Gesetzesdenken gebracht hat.

Die Auseinandersetzung mit der Fastenpraxis des Judentums und einiger Strömungen in der griechischen Welt ist auch noch im Neuen Testament zu spüren. In der Bergpredigt wird vorausgesetzt, dass die Christen fasten. Aber sie sollen sich darin von den Pharisäern unterscheiden, die ihr Antlitz verstellen, damit die Menschen sehen, dass sie fasten. Die Jünger sollen im Verborgenen fasten, nicht vor den Menschen, sondern vor dem Vater, und sie sollen es mit frohem Gesicht tun (Matthäus 6,16–18).

Von Jesus selbst wird erzählt, dass er vierzig Tage lang in der Wüste gefastet habe. Aber gegenüber den Pharisäern macht er nicht den Eindruck eines Fastenden. Im Gegenteil, er isst und trinkt mit den Menschen, teilt ihre Freude, so dass man ihn sogar einen Fresser und Weinsäufer nennt (Lukas 7,34).

Auch seine Jünger müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, warum sie nicht fasten wie die Pharisäer und die Jünger des Johannes. Und Jesus gibt zur Antwort: »Können denn die Freunde des Bräutigams trauern, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Es werden aber Tage kommen, da ihnen der Bräutigam genommen ist, dann werden sie fasten« (Matthäus 9,15f).

Für Jesus ist das Fasten offensichtlich ein Zeichen der Trauer. Doch die Trauer hat für seine Jünger keinen Platz, da in ihm selbst die Zeit des Heils und damit der Freude angebrochen ist. Jetzt gilt es, sich von Gott beschenken zu lassen. An dieser Stelle spürt man die Auseinandersetzung der frühen Kirche mit der Praxis der Juden. Einerseits ist das Fasten durch das Kommen Jesu als des Messias überwunden, auf der anderen Seite aber ist das Kommen noch nicht endgültig. Es gibt weiter Sünde und Tod. Und erst wenn sie endgültig vernichtet sind, hat auch das Fasten seinen Sinn verloren. Jetzt aber fasten die Jünger, weil sie auf den Herrn warten. So erhält ihr Fasten einen neuen Sinn. Es ist nicht mehr so sehr Ausdruck der Trauer und Buße, als ein Fasten in Erwartung des kommenden Herrn. Es hat eschatologische Bedeutung. Im Fasten bekennen die Christen, dass das Heil noch nicht so da ist, dass sie ganz davon durchdrungen wären. Sie strecken sich im Fasten nach diesem Heil aus, damit sie immer mehr von der Freude erfüllt werden, die Christi Kommen für sie bedeutet, die Freude, dass der Bräutigam mit ihnen Hochzeit feiert.

Im Kolosserbrief finden wir Spuren der Auseinandersetzung mit Formen des Fastens, wie es in der griechischen Umwelt praktiziert wurde. Dort wurde oft aus Angst gefastet, dass wir mit den Speisen dämonische Kräfte zu uns nehmen. Das Fasten führte dann nicht in die Freiheit, sondern in die Unfreiheit und Angst. Der Kolosserbrief mahnt daher: »Darum soll euch niemand verurteilen wegen Speise und Trank ..«. (Kolosser 2,16). Es geht dem Kolosserbrief nicht um die äußeren Dinge, sondern um die Beziehung zu Jesus Christus. Und er erkennt in manchen Formen des Fastens einen Weg, die eigene Eitelkeit zu befriedigen: »Man sagt zwar (…), es sei ein besonderer Kult, ein Zeichen von Demut, seinen Körper zu kasteien. Doch es bringt keine Ehre ein, sondern befriedigt nur die irdische Eitelkeit« (Kolosser 2,23). So geht es darum, das Fasten in innerer Freiheit zu üben, als Weg, sich für Gott und für Christus zu öffnen.

Die Apostelgeschichte berichtet uns, dass die Gemeinschaft vor der Aussendung des Paulus und Barnabas fastete. Das Fasten war Vorbereitung für die Handauflegung und für die Beauftragung zum Verkündigungsdienst (Apostelgeschichte 14,1–3). Die Didache, der erste christliche Text außerhalb der Heiligen Schrift, fordert das Fasten als Vorbereitung auf die Taufe: